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Deutschland CDU-Vize Karin Prien

„Dazu beigetragen, den Faschisten Höcke als weinerlich zu entzaubern“

Korrespondent
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Bundesvize Prien sagt, was ihre CDU aus dem WELT TV-Duell ihres Parteifreundes Voigt mit Rechtsextremist Höcke (AfD) lernen könne. Die Taktik der Ampel-Parteien im Umgang mit der AfD gehe in Ostdeutschland nicht auf. Und sie sagt, warum deutsche Leitkultur nötig für das Zusammenleben sei.

Karin Prien ist seit Juni 2017 Bildungsministerin von Schleswig-Holstein. Die 58-Jährige ist seit Januar 2022 Vizevorsitzende der Bundes-CDU.

WELT: Frau Prien, mit ein paar Tagen Abstand – wie bewerten Sie das WELT TV-Duell zwischen dem CDU-Spitzenkandidaten bei der Thüringer Landtagswahl, Mario Voigt, und dem rechtsextremen AfD-Kandidaten Björn Höcke?

Karin Prien: Mario Voigt ist in einer politischen Ausnahmesituation in Thüringen mutig ein großes Risiko eingegangen, und ich finde, er hat es wirklich gut gemacht. Voigt hat dazu beigetragen, den Faschisten Höcke inhaltlich zu stellen und als weinerlich zu entzaubern. Den Menschen in Thüringen ist jetzt klar, dass es mit Mario Voigt eine bessere Wahl für das Amt des Ministerpräsidenten gibt.

Karin Prien
Karin Prien
Quelle: picture alliance/dpa/Marcus Brandt

WELT: Wenn man sich die Reaktionen auf dieses Fernsehduell anschaut, fühlen sich am Ende trotzdem beide Lager bestätigt. Die AfD findet, dass Höcke top war, die Union bejubelt Voigt. Wenn man die Parteibrille mal absetzt, was bleibt bei Ihnen hängen?

Prien: Die Frage war, wie man aus dieser schwierigen Blockade-Situation in Thüringen herauskommt. Auf der einen Seite die AfD, die in zuletzt zwar an Zustimmung verloren hat, aber in den Umfragen immer noch stärkste Partei ist. Auf der anderen Seite ein müder Ministerpräsident von der Linken (Bodo Ramelow, d. Red.), der für viele Menschen aus der gesellschaftlichen Mitte nicht wählbar ist und aus einer Partei kommt, die sich gerade selbst zerlegt. In dieser Situation ist es wichtig gewesen, den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, ja, es gibt eine bürgerliche Alternative. Und genau das hat Mario Voigt geschafft.

WELT: Sollten sich auch andere Spitzenkandidaten der Union, gegebenenfalls auch die Ministerpräsidenten, vor Landtagswahlen einem möglichen Duell mit dem jeweiligen AfD-Kandidaten stellen?

Prien: Das muss jeder Spitzenkandidat für sich selbst entscheiden. Ich persönlich hätte große Schwierigkeiten damit, mich mit solchen Leuten auf eine Bühne zu stellen.

WELT: Was lernt die CDU insgesamt aus diesem Duell für den Umgang mit der AfD?

Prien: Dass es richtig ist, dass man sich mit den Positionen der AfD inhaltlich auseinandersetzt. Dass es eben nicht ausreicht, sie zu tabuisieren oder zu verteufeln. Ich kann die anderen demokratischen Parteien nur aufrufen, diesen Kampf auch endlich aufzunehmen. Man sieht ja gerade in Ostdeutschland, dass die Ampel-Parteien mit ihrer bisherigen Taktik vollkommen erfolglos sind und dort zusehends marginalisiert werden.

Kommentar von Ulf Poschardt
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WELT: In den drei ostdeutschen Ländern, in denen in diesem Jahr gewählt wird, liegen die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) jeweils zusammen bei fast 50 Prozent. Wenn man die Linke dazu nimmt, sind es mehr als 50 Prozent. Mehrheitsbildungen dürften da durch die Bank schwierig werden. Was tun?

Prien: Wir müssen den Menschen konsequent aufzeigen, dass wir die besseren Angebote haben, dass wir Lösungen für das jeweilige Bundesland bieten. Keine Koalitionsdebatten, auf die eigenen Stärken setzen. Selbst so stark wie möglich werden, und dann nach der Wahl schauen, was angesichts des Ergebnisses machbar ist. Im Übrigen gilt unser Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken nach wie vor. Und mit einer völkischen, faschistischen, gesichert rechtsextremen Partei wie der AfD arbeitet man ohnehin nicht zusammen. Unter keinen Umständen.

WELT: Ist Wagenknechts BSW ein potenzieller Partner für die CDU?

Prien: Das kann ich noch nicht abschließend bewerten. Hochproblematisch finde ich die Haltung des BSW zum Ukraine-Konflikt und zur Nato. Bei diesen Themen sind die mit Sicherheit keine Partner. Ob sich das in der thüringischen Landespolitik möglicherweise anders darstellt, müssen am Ende Mario Voigt und die Landes-CDU beurteilen.

BSW-Landeschef im Interview

WELT: Die CDU stellt sich ja gerade bundesweit neu auf. Im Mai will sie ein neues Grundsatzprogramm verabschieden. Welchen Punkt würden Sie besonders herausstellen, um für die Wähler im Osten attraktiver zu werden?

Prien: Ein eigenes Ost-Kapitel wäre 35 Jahre nach dem Mauerfall sicher nicht der richtige Weg. Es geht in Ost, West, Nord, Süd darum, dass unser Land den wirtschaftlichen Anschluss nicht verliert. Es geht darum, unseren Wohlstand in der Transformation zu sichern, um unsere Freiheit, die bedroht ist, und um die innere und äußere Sicherheit und um wirksame Konzepte in der Migrationsfrage. Das ist für alle wichtig, für die Menschen in Ostdeutschland gleichermaßen.

WELT: Wenn man sich die Themen aus dem Grundsatzprogramm anschaut, die im Vorfeld des Parteitags debattiert werden – Renaissance der Atomkraft, Leitkultur – das hört sich schon stark nach dem Westdeutschland der 80er-Jahre an, oder?

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Prien: Das sehe ich anders. Dass man in Zeiten, in denen der Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen muss und die hohen Energiepreise gleichzeitig unseren Wohlstand bedrohen, die friedliche Nutzung der Atomkraft neu bewertet, halte ich für außerordentlich zeitgemäß. Wir führen keine retrospektive Debatte über die Kernkraft. Deutschland importiert inzwischen Energie aus dem Ausland, auch Atomenergie. Und wir sagen, dass wir die Option, die Kernkraftwerke der nächsten Generation auch in Deutschland zu nutzen, nicht voreilig aus der Hand geben dürfen.

WELT: Die Debatte um eine deutsche Leitkultur ist aber schon ein wenig angestaubt …

Prien: Im Gegenteil. Wir diskutieren darüber im Kontext des gesellschaftlichen Zusammenhalts, also einem der wichtigsten aktuellen gesellschaftspolitischen Themen. Wir verstehen das Wort Leitkultur im Sinne eines kulturellen Minimums, das uns überhaupt erst ermöglicht, friedlich und tolerant in einer vielfältigen Gesellschaft zusammenzuleben. Es geht nicht ums Ausgrenzen, sondern um das gelingende Miteinander.

WELT: Das Führungspersonal der Union – Friedrich Merz, Carsten Linnemann, Sie, nehmen wir noch Hendrik Wüst dazu und Markus Söder von der CSU – stammt durch die Bank aus Westdeutschland. Woran liegt das?

Prien: Na ja, Sie vergessen Michael Kretschmer, meinen Stellvertreter-Kollegen. Er wird auf dem Parteitag auch wieder antreten.

WELT: Sachsens Regierungschef Kretschmer steht häufig eher quer im Stall. Zufall?

Prien: Das gilt für seine Einschätzung des Ukraine-Konflikts, und das muss eine Volkspartei wie die CDU auch aushalten. Ansonsten ist Michael Kretschmer ein hochgeschätzter Kollege, der uns auch immer wieder die Perspektive seines Bundeslands spiegelt. Das ist unendlich wertvoll.

Eine sehr wichtige Rolle spielt in unseren Beratungen auch Reiner Haseloff aus Magdeburg, der über extrem viel Erfahrung verfügt und ein ganz wichtiger Ratgeber ist. Mario Voigt und Yvonne Magwas aus Sachsen haben das Grundsatzprogramm maßgeblich mitgeprägt. Insofern ist meine Wahrnehmung eine grundsätzlich andere als Ihre.

WELT: Wo wir gerade beim Personal sind: Wer wird Kanzlerkandidat?

Prien: Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir mit Friedrich Merz einen starken Partei- und Fraktionschef haben, der für das Amt bestens geeignet ist. Wenn er es will, dann wird er es.

WELT: Bernhard Vogel – früher unter anderem Ministerpräsident in Thüringen – hält Regierungschefs wie Daniel Günther und Hendrik Wüst für die geeigneteren Kanzlerkandidaten. Sie auch?

Prien: Wir haben mit unseren Ministerpräsidenten in den Ländern tatsächlich Persönlichkeiten, die absolut das Zeug dazu haben, um Kanzler zu werden. Aber bisher habe ich nicht vernommen, dass einer von ihnen sich für das Amt in Stellung bringen würde.

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WELT: Noch mal kurz zurück zum TV-Duell. Es zeigt sich auch im Anschluss an diese Sendung, dass Politiker immer häufiger Social-Media-Kanäle nutzen, um ihre Sicht der Dinge unter das Volk zu bringen. Macht Ihnen das – insbesondere als Bildungsministerin, die sich immer wieder auch kritisch mit dem Thema befasst – Sorgen?

Prien: An diesem Punkt halte ich es mit Angela Merkel – Politik beginnt mit der Anerkennung der Realität. Die sozialen Medien sind eine wesentliche Arena des politischen Meinungskampfes geworden, die derzeit leider deutlich professioneller von extremistischen Parteien genutzt werden. Insofern haben die demokratischen Parteien eher noch Nachholbedarf.

Die Bedeutung der Print-Medien ist in den vergangenen Jahren leider deutlich gesunken. Das bedauere ich außerordentlich. Aber wenn die Menschen verstärkt auf andere Kanäle schauen, dann müssen wir diese auch nutzen.

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