Hans-Jochen Vogel (†94): Das letzte Wort gebührt ihm selbst | Abendzeitung München

Hans-Jochen Vogel (†94): Das letzte Wort gebührt ihm selbst

Die Trauerfeier von Hans-Jochen Vogel endet mit einem Satz, den er selbst mit großer Anstrengung seinem Sohn diktiert hat. Für die Verabschiedung reist Polit-Prominenz an.
| Emily Engels
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Witwe Liselotte Vogel bei der Trauerfeier der Stadt München in der Philharmonie im Gasteig.
dpa/Peter Kneffel 6 Witwe Liselotte Vogel bei der Trauerfeier der Stadt München in der Philharmonie im Gasteig.
Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder
dpa/Peter Kneffel 6 Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Frau Elke Büdenbender
dpa/Peter Kneffel 6 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Frau Elke Büdenbender
Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD
dpa/Peter Kneffel 6 Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD
OB Dieter Reiter
dpa/Peter Kneffel 6 OB Dieter Reiter
Ein Porträt des früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel steht vor Beginn der Trauerfeier auf der Bühne im Gasteig.
dpa/Peter Kneffel 6 Ein Porträt des früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel steht vor Beginn der Trauerfeier auf der Bühne im Gasteig.

München - Als einen, dessen Leben "ganz im Dienst der Menschen" stand, bezeichnet ihn Norbert Walter-Borjans, Hans-Jochen Vogels Nachfolger im Amt an der SPD-Parteispitze. OB Dieter Reiter (SPD) würdigt ihn als "eine Ausnahmeerscheinung, ein Vorbild an Korrektheit und Gradlinigkeit". Und die frühere Zweite Bürgermeisterin Gertraud Burkert (SPD) erinnert sich an Vogel als "Mentor", als einen "Mann von langer Erfahrung und tiefer Einsicht".

Die Wortbeiträge bei Hans-Jochen Vogels Trauerfeier im Gasteig haben alle eins gemeinsam: Sie zeugen von allerhöchster Achtung vor dem am 26. Juli verstorbenen SPD-Politiker, der in seinem 94-jährigen Leben viele Ämter bekleidet hat.

Trauerfeier für Hans-Jochen Vogel: Waigel verabschiedet "einen Freund"

Angefangen 1960, als Vogel mit 34 Jahren in München der jüngste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt wurde und aufgehört als Willy Brandts Nachfolger als SPD-Parteivorsitzender. "Zwischendurch" war Vogel unter anderem Justizminister und Bürgermeister von Berlin.

Dementsprechend groß ist die Polit-Prominenz, die nach München gereist ist, um ihren verstorbenen Parteikollegen zu würdigen: Im Publikum sitzen etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Alt-Kanzler Gerhard Schröder. Der ehemalige CSU-Chef Theo Waigel ist gekommen, um einen "politischen Partner sowie Gegner, aber auch einen Freund" zu verabschieden, sagt er der AZ.

Hans-Jochen Vogel "hat die NS-Opfer nicht vergessen"

Und auch Hans-Jochen Vogels Bruder Bernhard Vogel (87), CDU-Politiker und ehemaliger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, ist anwesend – wie schon auf der Beisetzung am Freitag, die im kleinsten Kreis stattfand. Reiter findet warme, wertschätzende Worte. Er erinnert noch einmal an all das, was Vogel zwischen 1960 und 1972 als Oberbürgermeister für München getan hat.

Daran, dass er Pionier für den U- und S-Bahn-Bau in München war und die Olympischen Spiele in die Stadt geholt hat. Und daran, dass er 1971 die Fußgängerzone eingeweiht hat und gesagt haben soll, dass sie eine "Ahnung gebe von der Schönheit dieser Stadt". Besonders am Herzen liege Reiter auch Vogels Engagement dafür, "dass NS-Opfer nicht vergessen werden". Etwa durch seinen Einsatz für den Bau eines NS-Dokumentationszentrums.

Borjans trauert um "ganz Großen der Sozialdemokratie"

Borjans sagt, er trauere um "einen ganz Großen der Sozialdemokratie". Einen Mann, der für die Menschen gekämpft und gearbeitet hätte. Er erzählt von einem Zettel, den Vogel vom einstigen SPD-Parteichef Herbert Wehner bekommen haben soll. Darauf stand: "Weiterarbeiten und nicht verzweifeln."

Borjans: "Mit viel Akribie und einer sagenhaften Gewissenhaftigkeit hat Hans-Jochen Vogel genau das getan." Er sei sich auch sicher: "Vogel selbst hätte energisch darauf bestanden, dass bei seiner Trauerfeier erwähnt wird, wie viel seine Ehefrau Liselotte zu seinem Leben beigetragen hat."

Am 3. Februar, zu Vogels 94. Geburtstag, habe Borjans ihn im Augustinum besucht, in dem Seniorenheim, in das der Alt-OB 2006 mit seiner Ehefrau Liselotte gezogen war. Borjans begegnete dort einem Mann, der "hellwach, konzentriert und bestens informiert" war, erinnert er sich.

Hans-Jochen Vogel: "Sein Rat muss uns allen eine Mahnung sein"

Den Blick auf das große schwarz-weiße Porträtfoto von Vogel gewandt, das auf der Bühne der Philharmonie im Gasteig aufgestellt ist, sagt er: "Du hinterlässt uns nicht nur gute Erinnerungen, sondern auch einen Aufgabenzettel." Vor allem sein Herzensthema, das soziale Bodenrecht, findet immer wieder Erwähnung.

Auch in der Rede von Gertraud Burkert. Sie sagt: "Sein Rat muss uns allen eine Mahnung sein." Münchens SPD-Vizechef Roland Fischer findet das einen "entscheidenden Punkt": in die Zukunft zu blicken und die Ziele, für die Vogel sich eingesetzt hat, weiterzuverfolgen.

Dieser Gedanke ist auch die Quintessenz der wohl bewegendsten Rede an diesem Vormittag: der von seiner Witwe Liselotte Vogel (Jahrgang 1927). Auf der Bühne hält sie kurz inne vor dem Porträt ihres verstorbenen Mannes, den sie 1972 geheiratet hat.

Hans-Jochen Vogel: Das waren seine SPD-Vorbilder

Nach einem Dank an die Gäste überlässt sie die letzten Worte ihrem Hans-Jochen persönlich. Denn Vogel, an Parkinson erkrankt, wäre, so sagt es seine Frau, nicht er selbst gewesen, "hätte er ohne geordneten Abschied die Welt verlassen". Deshalb habe er seinem Sohn "mit großer Anstrengung" eine Erklärung diktiert.

Daraus zitiert sie: "Zu meinem Bedauern bin ich gezwungen, meiner Partei und der Öffentlichkeit mitzuteilen", dass er seine Ehrenämter und seine politische Arbeit nicht weiter ausüben könne.

Vogel nannte als Vorbilder unter anderem die SPD-Legenden Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner. Vogel schloss die Erklärung mit dem Appell: "Sorgen Sie dafür, dass Deutschland bleibt, wofür wir gekämpft haben."

 

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