Berchtesgadener Land: Sabine Rösler vom Verein zum Schutz der Bergwelt kämpft gegen den Ausbau in den Alpen 
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Sabine Rösler vom Verein zum Schutz der Bergwelt kämpft gegen den Ausbau in den Alpen 

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Dr. Sabine Rösler, Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt.
Dr. Sabine Rösler, Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt. © Kilian Pfeiffer

Einen kritischen Blick auf die Zukunft des Alpentourismus wirft Dr. Sabine Rösler. Die Vorsitzende des ältesten Naturschutzverbands im Alpenraum übt Kritik am „technischen Gigantismus“ an der Kunsteisbahn und beansprucht den Rückbau am Jenner nach dem Alpinski-Aus. Zum Trainingszentrum der Bundespolizei im Nationalpark Berchtesgaden sagt sie: „Wir fordern den Verzicht auf den vorgesehenen Ausbau.“

BGLand24.de: Frau Rösler, am Jenner ist die Alpinski-Zukunft besiegelt. Sie freut das. Sie haben nun ganz konkret den Rückbau der nicht mehr benötigten Liftanlagen und des Beschneiungsteiches gefordert. Wieso?

Sabine Rösler: Von Freude kann keine Rede sein. Bei diesem Projekt gibt es nur Verlierer: Am Jenner wurde mit Millionen an Steuergeldern gerodet, gegraben, gesprengt und planiert. Das alles in der empfindlichen Bergwelt und in unmittelbarer Nähe zum Nationalpark Berchtesgaden. Das war finanziell und ökologisch ein hoher Preis. Und letztendlich war es sinnlos, da der erwünschte wirtschaftliche Erfolg ausgeblieben ist. Das einzig Positive ist, dass offensichtlich die Erkenntnis bei den Betreibern angekommen ist, dass der klassische Alpin-Skisport in diesen Höhenlagen auch mit Schneekanonen keine Zukunft mehr hat. Die Subventionierung der Beschneiung über die derzeitige bayerische Seilbahnförderrichtlinie setzt falsche Anreize. Die Folgen des Klimawandels werden ignoriert. Die Niederschläge in den Wintermonaten fallen immer seltener als Schnee. Wie eine aktuelle Auswertung des österreichischen Wetterdienstes GeoSphere zeigt, waren in den bayerischen Alpen die letzten Wintermonate seit Dezember sogar noch schneeärmer als die Wintermonate im langjährigen Mittel von 1991 bis 2020. 

Bauruinen wollen Sie am Jenner also keine sehen?

Rösler: Dass die nicht mehr benötigten Liftanlagen und das Beschneiungsbecken rückgebaut werden, ist für mich selbstverständlich. Wer möchte schon Bauruinen in der Landschaft sehen? Selbst nach dem Rückbau werden viele der entstandenen Veränderungen an Gestein, Boden, Flora und Fauna irreparabel zurückbleiben. Unsere Forderung ist, aus diesem ökologischen und wirtschaftlichen Desaster endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir wenden uns nicht gegen vernünftige Modernisierungen bestehender Anlagen. Diese müssen aber nachhaltig und ohne Schäden für Natur und Landschaft umgesetzt werden.


Wird der Jenner zum besseren Berg, wenn die Lifte verschwinden? Sollte sich doch mal jemand finden, der Geld für die Beschneiung reinsteckt, fehlen die Liftanlagen.
 

Rösler: Dieser Zug ist doch abgefahren. Wenn sich der Skibetrieb mit massiver staatlicher Förderung schon nicht wirtschaftlich betreiben lässt, dann werden sich bei weiter verschlechternden Umweltbedingungen auch keine anderen Investoren finden, die dieses Risiko allein übernehmen. Wie es weitergeht, werden wir ja sehen. Investitionsruinen sind jedenfalls keine vorstellbare Lösung.

Als Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt müsste Sie der Alpentourismus massiv stören: Immer mehr Besucher erobern die Bergregionen. Ist das die Zukunft des Naturschutzes?
 

Rösler: Ich sehe es als etwas sehr Positives, wenn die Leute draußen unterwegs sind. Das ist ja der Kern und der historische Ausgangspunkt unseres Engagements. ‘Mensch mit Natur’ und nicht ‘Mensch gegen Natur’ ist das Motto. Entscheidend ist der respektvolle Umgang mit der Natur. Die einzelnen Besucher sind gefragt, indem sie sich möglichst naturverträglich verhalten. Indem sie sich an Wegegebote halten oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Auf der anderen Seite sind auch Behörden, Kommunen und Tourismusverbände in der Pflicht, in welche Richtung sie den Tourismus vor Ort lenken. Ob sie also eher auf nachhaltigen Tourismus setzen oder eher auf Spaß-Einrichtungen mit hohem Infrastruktur-Aufwand. Wir vom Verein zum Schutz der Bergwelt sind der Meinung, dass die Schönheit der Natur im Vordergrund stehen sollte: Die Natur ist attraktiv genug, da braucht es keine Inwertsetzung. Wir wollen keine Disneyfizierung oder Eventisierung der Alpen.

Welche Strategien verfolgen Sie, um die Umweltauswirkungen durch Tourismus zu minimieren und damit Tiere, Pflanzen und Landschaft zu schützen?
 

Rösler: Das ist natürlich ein weites Feld. Wir wenden uns gegen jede weitere harte Erschließung des Alpenraums durch technische Anlagen wie Bergbahnen, Straßen und Gastronomieeinrichtungen. Also solche, die den massenhaften Ansturm auf Natur und Landschaft weiter erhöhen. Als Naturschutzverband wirken wir an Genehmigungsverfahren mit und haben Gelegenheit, Stellungnahmen abzugeben. Als Ultima Ratio haben wir das Recht, gegen problematische Vorhaben den Rechtsweg zu beschreiten. So haben wir den Widerstand gegen die Erschließung des Riedberger Horns koordiniert und waren zusammen mit unseren Partnerverbänden dann auch erfolgreich. 

Wie stehen Sie zum´einem sanften Tourismus?

Rösler: Beim sogenannten sanften Tourismus setzen wir auf Aufklärung und Bewusstseinsbildung. Natürlich hat dieser auch seine Schattenseiten. Den Menschen aus der Natur auszusperren, ist keine Lösung. Aber negative und gefährliche Entwicklungen, wie die zunehmende Motorisierung von Mountainbikes und digitale Outdoor-Apps, bereiten uns große Sorgen. Letztere machen praktisch jeden noch so einsamen Winkel für jedermann zugänglich. Hier wird der sanfte Tourismus zum Massenevent. Das thematisieren und diskutieren wir mit dem Ziel, die Gefahren solcher Entwicklungen deutlich zu machen. Große Schutzgebiete wie unsere Nationalparke und alpinen Naturschutzgebiete sind dabei unverzichtbare Schutz- und Rückzugsräume, in denen Natur und Landschaft Vorrang haben müssen.

Ein ‘Trainingszentrum mit Eventcharakter’ schreiben Sie der Bundespolizei zu. Diese will die Einrichtung auf der Kühroint weiter ausbauen - mitten im Nationalpark Berchtesgaden. In Ihrem Sinne ist das nicht. Warum?


Rösler: Der beabsichtigte Ausbau des Kührointhauses der Bundespolizei zu einem Trainings- und Tagungszentrum wäre ein absoluter Fremdkörper in der Natur. Mit den Zielsetzungen des Nationalparks ist das in keiner Weise vereinbar. Mit der Gründung des Nationalparks hat man sich dafür entschieden, die einzigartige Landschaft von solchen Erschließungsvorhaben freizuhalten. Als staatliche Behörde muss die Bundespolizei ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Wir fordern den Verzicht auf den vorgesehenen Ausbau. Für die bestehende Einrichtung fordern wir ein mit dem Nationalpark einvernehmlich abgestimmtes Nutzungskonzept.

Die Kunsteisbahn am Königssee wird nun wieder aufgebaut. Das war nicht im Sinne der Naturschützer.

Rösler: Bei allem Verständnis für die große Tradition des Bob- und Rodelsports in Berchtesgaden habe ich den Eindruck, dass man bei der Kunsteisbahn dabei ist, denselben Fehler zu machen, den man schon beim Ausbau der Jennerbahn begangen hat. Man will einfach die Zeichen der Natur nicht wahrhaben. Unübersehbaren Naturgefahren versucht man mit technischem Gigantismus und ungeheurem finanziellen Aufwand Herr zu werden. Das gipfelt in einem 20 Meter hohen Startturm, der mit traditionellem Bob- und Rodelsport nichts mehr gemein hat. Der Bau verstellt an der Grenze des Nationalparks eines der schönsten Bergpanoramen. Es ist sicher sehr schwer, sich einzugestehen, dass eine beliebte Einrichtung an natürliche Grenzen stößt.

Als ältester Naturschutzverband im Alpenraum haben Sie ein besonderes Interesse einzugreifen. Sehen Sie sich nicht manchmal auf verlorenem Posten?

Rösler: Das liegt in der Natur der Sache. In einer offenen und demokratischen Gesellschaft kann man nur versuchen, die Bevölkerung und die Entscheidungsträger von seinen Argumenten zu überzeugen. Es wäre vermessen zu erwarten, dass das immer gelingt. Aber wir haben in unserer Vereinsgeschichte doch einiges erreicht. Etwa den Anstoß zur ersten Naturschutzgesetzgebung in Bayern, die Initiative zum Pflanzenschonbezirk Berchtesgaden als Vorläufer des Nationalparks, die Veröffentlichung des Konzepts für einen Alpenplan in unserem Jahrbuch, der dann von der Staatsregierung in das Landesentwicklungsprogramm aufgenommen wurde. Mittlerweile hat dieser Vorbildcharakter im Alpenschutz. 

Ihr Verein hat eine lange Historie, die bis zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts zurückreicht. Wie kam es dazu? 

Rösler: Bereits bei der Gründung unseres Vereins - damals als Verein zum Schutze und zur Pflege der Alpenpflanzen - im Jahr 1900 ging es um die Gesetzgebung. Damals existierten noch keine Naturschutzgesetze. Als Initiatoren des Pflanzenschonbezirks Berchtesgaden, dem ersten Vorläufer des Nationalparks, gehören wir zu den Gründungsvätern des Nationalparks. Ziemlich schnell ging es damals auch um Umweltbildung, indem die damals endlich unter Schutz gestellten Alpenpflanzen auf Plakaten gezeigt wurden. Die Nachfolger dieser Alpenpflanzen-Plakate hängen noch heute in vielen Berghütten. Die Ziele aus unserer Gründungszeit: Sie sind aktueller denn je.

kp

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