Frauen der 1920er Jahre in Berlin | visitBerlin.de
Direkt zum Inhalt
Josephine Baker in einem Straußengespann in Berlin
Josephine Baker in einem Straußengespann © akg-images

Frauen der 1920er Jahre

Als die Moderne weiblich war

Im Berlin der 20er Jahre ergreifen Frauen die Chance zur Emanzipation: Sie verdienen ihr eigenes Geld, gehen ohne Mann ins Café oder abends mit ihren Freundinnen tanzen. Sie leben die Berliner Moderne.

Die demokratische Weimarer Republik schafft Freiheiten, die vorher undenkbar waren. Das gilt nirgendwo so sehr wie in Berlin. Im Berlin der 20er Jahre entsteht ein schneller, dynamischer, auch verruchter Freiraum. Die „neuen Frauen“ gehören zu denen, die diesen Freiraum am entschlossensten nutzen. Zwar ist ie Atmosphäre alles andere als heiter: Deutschland hat den Ersten Weltkrieg verloren. Politik und Wirtschaft sind gefährlich instabil. Rechts- und Linksextremisten versuchen die Demokratie gewaltsam zu beseitigen und die Hyperinflation von 1923 zerstört die Ersparnisse großer Bevölkerungsteile. Und dennoch blühen Kunst, Kultur und neue Lebensentwürfe. 

Die „neue Frau“

Die „neue Frau“ kann jeder im Straßenbild leicht erkennen. Statt schwerer Kleider und Korsett wie im Kaiserreich trägt sie kurze Kleider und einen Bubikopf als feminine Kurzhaarfrisur. Statt weibliche Rundungen zu betonen, lebt sie ein neues Schönheitsideal: androgyn und sportlich.

Am Abend und nachts zeigen sich die „neuen Frauen“ in einem der 899 Berliner Tanzlokale. Die kurzen Kleider sind nicht nur sexy, sondern auch praktisch. In ihnen können Frauen tanzen wie sie wollen. Einen männlichen Partner brauchen sie dafür auch nicht mehr unbedingt. Neue Stile wie den Charleston kann frau auch allein tanzen.

Ihre Gegner hassen und verachten die „neuen Frauen“. Sie sehen in ihrem Aussehen und Verhalten eine Vermännlichung von Frauen und einen Verfall von Sitte und Tradition. Verfechter der Berliner Moderne dagegen lieben die „neue Frau“ der 20er Jahre. Für sie ist sie ein Ausdruck der Emanzipation und des gesellschaftlichen Fortschritts. Aber warum können sich so viele Frauen den neuen Lebensstil und die aktuellste Mode plötzlich leisten?

Die Frau der 20er Jahre verdient ihr eigenes Geld

Vor allem, weil mehr Frauen arbeiten als je zuvor. Jede dritte Berlinerin ist in den 20ern erwerbstätig. Die meisten nicht aus dem Wunsch nach ökonomischer Unabhängigkeit, sondern aus purer Notwendigkeit. Viele Männer sind im Ersten Weltkrieg gefallen oder können als Invaliden nicht mehr arbeiten. Und da die Inflation Vermögen vernichtet hat, reicht auch in der Mittelschicht eine Heirat häufig nicht mehr für die Versorgung. Nur das Gehalt des Ehemanns ist für eine Familie inzwischen schlicht zu wenig. Frauen leisten mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum Haushalt ihres Mannes oder ihrer Eltern. Daneben bleibt für einige Frauen endlich Geld für die eigenen Bedürfnisse. 

Gleichzeitig wollen immer mehr Arbeitgeber Frauen einstellen, vor allem im schnell wachsenden Angestelltensektor. Frauen beraten als Verkäuferinnen im Kaufhaus, verbinden als Telefonistinnen Anrufe oder tippen als Bürokraft an der Schreibmaschine. Diese Arbeitsplätze sind leichter, angesehener und besser bezahlt als die Schufterei in Fabrik oder Landwirtschaft. 

Frauen als Stars der Berliner Moderne

Eine Büro-Angestellte ist anfangs auch die Berliner Dichterin Mascha Kaléko. Die Kontoristin beim Arbeiter-Fürsorgeamt der jüdischen Organisationen in Deutschland setzt ihrem Arbeitsalltag sogar ein Denkmal – mit ihrem „Chanson vom Montag“

„Montag hat die Welt noch kein Gesicht / Und kein Mensch kann ihr ins Auge sehen. / Montag heißt: Schon wieder früh aufstehen / Training für das Wochen-Schwergewicht. / Und die Bahnen brausen, das Auto kläfft / Die Arbeit marschiert in den Städten. / Alle Straßen hallen wider vom Betrieb und von Geschäft / Und die Riesensummen wachsen in ein unsichtbares Heft / Doch nie in das Heft des Proleten.“

Ende der 1920er Jahre wird Kaléko eine Prominente mit Star-Charakter. Oft sitzt sie tagsüber im Romanischen Café an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Hier tummeln sich viele Künstler und noch mehr, die gerne Künstler wären. 

Ihren Durchbruch erreicht 1928 auch die Schriftstellerin Vicki Baum, als die „Berliner Illustrierte Zeitung“ ihr Buch „Stud. Chem. Helene Willfüer“ als Fortsetzungsroman druckt. Baums Heldin promoviert in Chemie, zieht ihr Kind als alleinerziehende Mutter groß, erfindet ein Verjüngungsmittel und heiratet schließlich ihren ehemaligen Professor. 

Baums Heldin bricht erfolgreich mit der klassischen Frauenrolle. Für viele ein Skandal, die Nationalsozialisten verbrennen die Bücher der jüdischen Autorin, deren Roman „Menschen im Hotel“  sogar Hollywood verfilmt, einige Jahre später öffentlich. 

Anita Berber
Anita Berber am Kamin © Waldemar Titzenthaler [Public domain]
1918, Anita Berber am Kamin ihres Hauses in Berlin.

Den Skandal leben: Anita Berber

Nicht nur in Romanen, auch in der Realität überschreiten Frauen die traditionellen Geschlechterrollen. Immer mehr treiben Sport und beschränken sich nicht nur auf Gymnastik oder Tennis, die im Kaiserreich als schicklich gelten. Trendsetter unter den Frauen der Berliner Moderne der 20er Jahre sind Vicki Baum oder Marlene Dietrich, die sich mit Boxtraining fit halten. Als einziger Skandal gilt das Leben der Schauspielerin Anita Berber. Sie tut all das, was Frauen nach Ansicht vieler Zeitgenossen nicht tun sollten: Sie trinkt Cognac, nimmt Drogen und prügelt sich. Als erste Frau trägt sie einen Smoking und setzt damit modische Maßstäbe. Otto Dix verewigt sie auf Leinwand.

Berber stirbt 1928 noch vor ihrem 30. Geburtstag an den Folgen ihrer jahrelangen Drogensucht. 

Internationale Stars in Berlin

Berlin ist ein kultureller Hotspot, der nicht nur Stars hervorbringt, sondern sie auch anzieht. Wie die US-amerikanische Revuetänzerin Josephine Baker, die in Berlin große Erfolge feiert
Auch die Hollywoodschauspielerin Louise Brooks, die mit ihrem schwarzen Bubikopf heute noch als Ikone jener Zeit gilt, dreht gleich zwei Filme in Berlin. 

Porträts der Zeit: Die Malerin Jeann Mammen

Ungern im Mittelpunkt steht hingegen die Malerin Jeanne Mammen. Sie wünscht sich „nur ein Paar Augen zu sein, ungesehen durch die Welt gehen, nur die anderen sehen“ zu können. Allein durchstreift sie auf der Suche nach Motiven die Großstadt, zeichnet Entwürfe in den Tanzlokalen und Varietés. Oft findet sie ihre Motive in den lesbischen Clubs von Berlin: Sie porträtiert muskulöse Sportlerinnen, elegante Girls mit den neuesten Hüten oder die androgynen Garçonnes in Hemd, Sakko und Zylinder. 

Mammens Ausdruckswelt ist vielfältig, aber sie feiert nicht nur das Leben der modernen Frau in den 20ern. In manchen ihrer Werke zeigt sie auch die Einsamkeit und Desillusionierung der Menschen, die sie beobachtet. Die meisten Frauen können von ihrem Gehalt nicht allein leben. 

Die kurze Freiheit und ihr schnelles Ende

Die Folgen der Weltwirtschaftskrise und spätestens die Machtübernahme setzen der freien Welt der „neuen Frauen“ ein Ende. Die Nationalsozialisten propagieren ein traditionelles Frauenbild, das die Frauen zurück an den Herd zwingt. Verfemt und verfolgt verlassen viele der „neuen Frauen“ das Land oder werden von den Nationalsozialisten ermordet. 
Erst lange nach dem Ende des Nationalsozialismus beginnt wieder eine neue Phase der Emanzipation. 

Tipps von visitBerlin 

Die 20er Jahre sind gerade so angesagt wie nie und Sie können in Berlin überall auf Spurensuche gehen. Eine schöne Sammlung von Originalkleidern der 20er Jahre finden Sie im Kunstgewerbemuseum. Nicht nur ansehen, sondern kaufen können Sie Kunst im Stil der 20er Jahre übrigens im temporary bauhaus-archiv,.

Auf keinen Fall verpassen sollten Sie einen Besuch in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen. Hier entdecken Sie Filmausschnitte und Originalrequisiten aus den 20er Jahren – und auch Kleider und Devotionalien wie den Schminkkoffer und das Zigarettenetui von Marlene Dietrich. 
Das Ehrengrab des Berliner Hollywoodstars finden Sie auf dem Friedhof Schöneberg III in Friedenau. 

Wenn Sie selbst einen Blick auf Werke der „neue Frauen“ werfen wollen, gehen Sie in die Berlinischen Galerie. Die Galerie zeigt unter anderem die genauen Momentaufnahmen von Jeanne Mammen.
 
Um die Stadt zu erkunden, empfehlen wir für den öffentlichen Nahverkehr die Berlin Welcome Card.