Schon nach den ersten Minuten ist klar: Der Aufwand hat sich gelohnt. "Babylon Berlin" ist die erste deutsche Serie, die es mit US-Qualität à la "Boardwalk Empire" aufnehmen kann. Bilder wie im Kino, eine ­raffiniert erzählte Geschichte und immer ­wieder das Berlin der Zwanziger als viel ­beschworene Hauptstadt des Lasters. Nach dem erfolgreichen Start im Pay-TV 2017 sind die 16 Folgen (tituliert als Staffel 1 und 2) jetzt im Ersten zu sehen.

Alle Infos zum Cast und den Sendeterminen findet ihr hier: Überblick Babylon Berlin.

Trailer zur 1. Staffel

Die Vorgeschichte

40 Millionen Euro gesucht

Tom Tykwers Produktionsfirma X Filme Creative Pool hatte sich schon 2012 die Rechte an den Zwanzigerjahrekrimis von Volker ­Kutscher gesichert. Ein Jahr später begannen die Planungen für die Serie. Rasch wurde klar: Macht man's richtig gut, wird es richtig ­teuer. Im Oktober 2014 einigten sich der Pay-TV-Sender Sky und die öffentlich-rechtliche ARD, das Projekt gemeinsam mit X Filme zu stemmen: die erste Kooperation dieser Art in der deutschen Fernsehgeschichte. Für die zunächst geplanten acht Folgen à 45 Minuten sollte Das Erste neun Millionen Euro beisteuern, Sky Deutschland vier Millionen. 2015 wurden die beiden Hauptdarsteller gecastet, Mitte des Jahres sollte der Dreh beginnen, aber die Kulissen im Studio Babelsberg waren noch nicht fertig. Aufatmen im Februar 2016: Die Finanzierung für eine zweite Staffel, also insgesamt 40 Millio­nen Euro, steht. Im Mai 2016 begann der Dreh in Berlin und Umgebung

Die Vorlage

Sender

Ein Roman, 16 Folgen

Roman und Buch sind zwei verschiedene Medien, die unterschiedlichen Regeln gehorchen. Die drei Drehbuchautoren und Regisseure Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten haben Volker Kutschers Krimi "Der nasse Fisch" auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Der Roman beginnt mit einer Folterszene, die Serie mit einer raffiniert gefilmten Sitzung von Kommissar Gereon Rath bei einem Hypnotiseur, in der schon mal zahlreiche Themen der insgesamt 16 Episoden aufblitzen. Die andere Hauptperson Charlotte Richter arbeitet im Roman als Stenotypistin und finanziert damit ihr Jurastudium, in der Serie kommt sie aus einem Arme-Leute-Milieu und kriegt ­einen Hilfsjob bei der Polizei. Im Buch steht die Krimihandlung im Vordergrund, die Serie malt stärker ein teilweise grelles Sittenbild der Zwanziger mit Sex, Drogen und wilden Partys, das frappierend modern und wie eine Vorwegnahme der heutigen Clubkultur anmutet. Autor Volker Kutscher hat die Verfilmung ­seines Romans ausdrücklich gelobt.

Stars & Storys

Das perfekte Duo

Die Stars der Serie sind Volker Bruch als Kommissar Gereon Rath und die von Liv Lisa Fries gespielte Hilfspolizistin Charlotte Richter. Gemeinsam ermitteln sie im Berlin des Jahres 1929 in einem Fall, der immer größere Dimensionen annimmt. Zunächst scheint es nur um illegale Pornografie und Erpressung zu gehen, aber dann zieht das Verbrechen immer weitere Kreise. Stalin lässt in Berlin oppositionelle Landsleute töten, die Reichswehr intrigiert ­gegen die Republik, und Gerüchte von einem russischen Goldschatz machen die Runde. ­Volker Bruch hat im Kriegsdrama "Unsere Mütter, unsere Väter" seine Visitenkarte ab­gegeben, nun ist er der still-melancholische Sympathieträger im Zentrum der Serie. Um ihn kreist die so burschikose wie grazile Liv Lisa Fries als Berliner Göre mit ihrer Gier auf das (Nacht-)Leben. Dazu kommt viel Prominenz in den weiteren, insgesamt 300 Sprechrollen: ein überragender Peter Kurth als zwielichtiger Oberkommissar Bruno Wolter von der Sittenpolizei, Misel Maticevic als elegant-finsterer Unterweltboss und Matthias Brandt in der Rolle des pflichtbewussten Chefs der Politischen ­Polizei, der die Republik bejaht.

Die Regisseure

Sechs Augen sehen mehr

Tom Tykwer hat schon für internationale Serien wie "Sense8" gedreht, ist den Umgang mit großen Budgets gewohnt und weiß, wie man visuelle Opulenz ("Cloud Atlas") erzeugt. Für einen allein wäre die Serie aber zu viel ­gewesen. Mit Achim von Borries holte er sich einen renommierten Kollegen ins Boot, der sich in der Weimarer Republik bestens auskennt: Sein Kinofilm "Was nützt die Liebe in Gedanken" spielt im Berlin des Jahres 1927. Der Dritte im Bunde, Hendrik Handloegten, ist vor allem durch den subtilen Horror des TV-Films ­"Sechzehneichen" bekannt. Die gemeinsame Serie des Trios ist auch eine Verbeugung vor dem Film der Weimarer Republik: Es gibt Szenen, die zitieren die unheimlichen Licht-und-Schatten-Spiele expressionistischer Gruseldramen wie "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920), und es gibt Aufnahmen, die erinnern in ihrer Direktheit und quasidokumentarischen Anmutung an die neue Sachlichkeit von Filmen wie "Menschen am Sonntag" (1930), der das ­damalige Lebensgefühl einfängt.

Die Drehorte

Echt geht vor digital

Für den Dreh erwies es sich als Glücksfall, dass das Studio Babelsberg neue Kulissen bauen wollte. Bei der Gestaltung der Neuen Berliner Straße mischte Tykwers Production Designer Uli Hanisch kräftig mit. Auf 15 000 Quadratmetern entstand ein Miniatur-Berlin des Jahres 1929 mit noblen Häusern in Charlottenburg und Mietskasernen im Wedding. Hier steht auch die Fassade des Nachtclubs Moka Efti, die mitreißend choreografierten Tanzszenen wurden dagegen im ehemaligen Stummfilmkino Delphi im Prenzlauer Berg gedreht. Die Ansichten Berlins, die man durch die Scheiben von Autos und Straßenbahnen sieht, wurden digital erzeugt, desgleichen die oberen Stockwerke von Häusern.

Authenzität

Es zählt der Gesamteindruck

Die Ausstatter legten großen Wert auf Details. Bevor eine Schlüsselszene auf der Herren­toilette des Polizeipräsidiums gedreht wurde, musste geklärt werden, ob es 1929 schon ­Klopapierhalter gab, wie sie heute üblich sind (ja!). Bei anderen Szenen war man groß­zügiger: Der Alexanderplatz, 1929 eine große Baustelle, wird in der Serie gezeigt, wie er nach dem Ende der Bauarbeiten 1932 aussah, als das Alexander- und Berolinahaus schon ­standen. Das Moka Efti, in der Serie ein ­angesagter Club mit angeschlossenem Bordell, war bei seiner Eröffnung im April 1929 ein Kaffeehaus, erst der Ableger im Tiergarten etablierte sich später als Tanzlokal. Was zählt, ist der ­Gesamteindruck: ein brodelndes, fiebriges Berlin.

Ausblick

Es geht weiter

Die Dreharbeiten für die dritte Staffel beginnen im Oktober: zehn Folgen auf der Grundlage von Volker Kutschers Roman "Der stumme Tod". Erneut mit Volker Bruch und Liv Lisa Fries. Und auch ARD und Sky kooperieren wieder.