Formel 1: Der Tod des Ayrton Senna – Als die Sonne vom Himmel fiel - WELT
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Formel 1 Grand Prix in Imola

Als die Sonne vom Himmel fiel – Der Tod des Ayrton Senna

Todestag von Ayrton Senna jährt sich zum 30. Mal

Der Todestag von Ayrton Senna jährt sich zum 30. Mal. Am 1. Mai 1994 verunglückte der dreimalige Weltmeister in Imola. Wir blicken auf das Leben und die Karriere einer der größten Motorsport-Legenden aller Zeiten zurück.

Quelle: SID

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Vor 30 Jahren raste Ayrton Senna beim Grand Prix in Imola mit über 200 Kilometern pro Stunde in eine Mauer. Am Wrack des brasilianischen Rennsport-Helden spielten sich dramatische Szenen ab. Der Flug im Rettungshubschrauber wurde zur verzweifelten Mission. Sennas Tod wirkt bis heute nach.

Sein Tod bleibt lebendig wie der kaum eines anderen. Imola, Italien. Ein Sekundenbruchteil am 1. Mai 1994. Ein Land erstarrt. Fußballspiele werden unterbrochen. Spieler knien auf dem Rasen. Die Sportwelt steht still. Zwei Milliarden Menschen sehen vor dem Fernseher, wie ein blau-weißes Formel-1-Auto mit 307 km/h in einer Kurve gerade ausschießt, mit 211 km/h in eine Mauer kracht. Räder und Autoteile fliegen durch die Luft.

Der Williams-Renault, damals der erfolgreichste Formel-1-Renner, bleibt zerfetzt liegen. Ayrton Senna, damals 34, stirbt. Brasilien taumelt in einem Tränenmeer. Der Sport verliert einen seiner Größten. Die Welt verliert einen ganz besonderen Menschen. „Wenn man sich fürs Rennfahren entscheidet muss man wissen, dass es in einem Sekundenbruchteil vorbei sein kann. Es wird einem bewusst, dass wir nichts sind. Man muss das verinnerlichen oder aufhören.“ Worte des dreimaligen Weltmeisters (1988, 1990, 1991).

Dieser Sekundenbruchteil liegt 30 Jahre zurück. Aber er hat sich in Millionenköpfen verewigt. Weil dieser Ayrton Senna in eine Aura gehüllt war, die aus Seide und Stahl gewoben schien. Weich und sanftmütig der Mensch. Knallhart, überehrgeizig und überdiszipliniert der Rennfahrer.

Gerhard Berger (64), McLaren-Teamkollege, bester Freund und Sargträger: „Ayrton war wie ein ausgeschlafener brasilianischer Straßenköter. Ich habe ihn in unserer McLaren-Zeit genau studiert. Er war so ehrgeizig, kannte jeden Trick, jede Motoreinstellung, er hatte keine Schwächen, er war perfekt.“ Vom Österreicher Berger, der 10 Grand-Prix-Rennen gewann, gibt es auch das berühmte Zitat: „Mit Ayrton ist so ein bissl die Sonne vom Himmel gefallen.“

Zwischen Ehrgeiz und Glaube

Ayrton Senna – ein Leben vom Ehrgeiz und Gott geleitet. Tagsüber Rennfahrer, abends die Augen in der Bibel. Auch, und gerade, an den Renn-Wochenenden. Nach seinem ersten WM-Titel 1988 im McLaren diese offenen Worte: „Ich hatte eine seltsame Erfahrung. Über das Wochenende hatte ich seine Anwesenheit (Gott, Anm. d. Red.) stark gespürt, vor allem am Tag des Rennens. Ich hatte das Gefühl, dass er bei mir und ich bei ihm war.“

Ehrgeiz, Konzentration und Gott – trieb diese Mischung das Kämpferherz an? Nicht anders ist jene Fabelrunde beim Training zum Großen Preis von Monaco 1988 zu erklären, in der Senna das Auto 1,427 Sekunden schneller durch die Straßen wuchtete als Teamkollege Prost. „Es war ein neuer Bewusstseins-Zustand, ich hatte den Eindruck die Situation nicht mehr unter Kontrolle zu haben“, sagte Senna. Er wollte an diesem Tag nicht mehr fahren. Er hatte Angst vor sich selbst.

Unfall Ayrton Senna
1. Mai 1994: Das Wrack des verunglückten Senna liegt auf der Strecke von Imola. Ein Unglück, das zwei Milliarden Menschen verfolgten
Quelle: picture alliance/dpa/afp/Afp

Ayrton Senna besaß eine Konzentrationsfähigkeit, dass er vor einem Rennen nichts hörte und niemanden sah. Er programmierte sein Hirn mit Strecke, Schalt- und Bremsvorgängen. Manchmal holte ihn erst sein Motorengeräusch beim Start zurück. Und für die Saga des „Regengottes“ hatte der brasilianische Volksheld auch eine ganz einfache Erklärung: „Ich sehe nichts aber bleibe auf dem Gas, anders als die anderen.“

Na ja, nicht alle. Alain Prost blieb auch immer auf dem Gas. Es waren von 1988 bis 1990 die erbittertsten, giftigsten Teamduelle, die es je in der Formel 1 gab. Sie schossen sich gegenseitig ab und teilten sich die WM-Titel in diesen zwei McLaren-Jahren: Einer ging an Senna (88), einer an Prost (89).

Der Franzose flüchtet 1991 zu Ferrari, Senna holt seinen dritten Titel im McLaren – was ihm aber wichtiger ist: Er gewinnt zum ersten Mal sein Heimrennen in São Paulo. Und, typisch Senna – heldenhaft. Getriebe streikt. Die letzten Runden nur noch im sechsten Gang. Sieg. Plötzlich, Schreie im Boxen-Funk. Krämpfe in Armen und Händen. Kurze Ohnmacht. Senna hat seine Grenzen wieder mal verschoben.

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Imola 1994. Nach zwei titellosen Jahren bei McLaren wechselt Senna zum damaligen Topteam Williams. Er will die fünf Titel von Fangio. Ein Foto des Argentiniers hängt über Sennas Schreibtisch. Der Williams zickt: Berger: „Ayrton sagte mir, das Auto sei schwer fahrbar, nicht konkurrenzfähig.“ Michael Schumacher gewann im Benetton die ersten zwei Rennen, Senna, zwei Ausfälle, null Punkte. Da mussten Grenzen verschoben werden.

Das dunkle Wochenende der Formel 1

Freitag, das dunkle Wochenende beginnt. Rubens Barrichello, Sennas Landsmann und Zögling, hat einen schweren Unfall. Senna klettert über einen zwei Meter hohen Zaun, stürmt in die Notaufnahme. Glück: nur ein Nasenbruch.

Samstag. Alles ist anders. Der Österreicher Roland Ratzenberger fliegt bei Tempo 300 ab – tot. Senna geht nach dem Training in die Streckenklinik, weint auf dem Weg zurück. Rennarzt Sid Watkins tröstet: „Lass uns aufhören und fischen gehen.“ Ayrton: „Ich kann nicht aufhören. Das ist Teil meines Lebens, mein Blut.“

Ayrton Senna, Grand Prix Of Monaco
41 Siege fuhr Senna bei 161 Starts in der Formel 1 ein. Seinen ersten Erfolg feierte er 1985 beim Grand Prix von Portugal in Estoril
Quelle: Getty Images/Paul-Henri Cahier

Sonntag. Grenzgänger Senna auf Pole. Alles ist anders. Er geht kurz vor dem Rennen bei seinem früheren Erzfeind Alain Prost, der jetzt als TV-Kommentator arbeitet, vorbei. Sie schütteln Hände. Eine Vorahnung? „Das war ungewöhnlich, so kurz vor dem Rennen“, sagt Prost später. Senna geht zum Start. Er sitzt, anders als sonst, ohne Helm im Auto. Seine Augen unruhig, besorgt. Sennas Trainer Cobra: „Er warf alle Rituale über Bord, verhielt sich anders als in den letzten zehn Jahren. Als hätte er eine Vorahnung gehabt.“

Alles anders. Gerhard Berger: „Ich stieg vor dem Start noch einmal aus meinem Ferrari, ging zu ihm. Er schaute mich an, lachte mir zu und freute sich für mich, wie die Tifosi hinter mir standen. Dieses Bild geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Alles anders. Startcrash im hinteren Fahrerfeld. Nichts passiert. Das Safety-Car geht nach Runde sechs rein. Senna vorn, dahinter Schumacher im Benetton und Berger. Tamburello-Kurve. Dort, wo Berger fünf Jahre vorher schwer verunglückt war. „Ayrton und ich gingen ein paar Wochen später beim Test an diese Stelle und sagten noch: ‚Die Mauer müsste weg, hoffentlich passiert da mal nichts Schlimmes. Aber hinter der Mauer war ein Bach.“

Im Hubschrauber war Senna bereits hirntot

Und jetzt, fünf Jahre später sein Freund Ayrton Senna. „Wir wussten ja nicht, wie schwer sein Unfall war, darum fuhren wir weiter“, erinnert sich Berger. Teile der herumfliegenden Radaufhängung bohrten sich durch das Helmvisier in den Kopf. Strecken-Notarzt Guiseppi Rezzi, der in der Tamburello-Kurve stand, war sofort bei Senna: „Er blutete sehr stark aus dem Kopf und war bewusstlos. Sein Puls war noch da, auch wenn er mit Hirnverletzungen im tiefen Koma war.“

Die großen Blutgefäße im Hirn waren durchtrennt. Als der Hubschrauber um 14.35 Uhr abhob, war Senna bereits hirntot. Um 18.40 Uhr wurde der dreimalige Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna vom Maggiore-Krankenhaus Bologna klinisch für tot erklärt.

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Nach jahrelangen Untersuchungen der Unfallursache steht im Abschluss-Bericht: „Sennas Lenksäule wird in der 6. Runde in der Aqua Mineralli-Kurve beschädigt, (…) das Lenkrad zittert für 25 Sekunden, (…) nach 26 Sekunden biegt sich die Lenksäule zum ersten Mal, (…) die abnormalen Lenkbewegungen nahmen zu, (…) was vermuten ließ, dass die Lenkung schwächer wurde bis sie in der Tamburello-Kurve versagte.“

„Nichts kann mich von der Liebe Gottes trennen“, steht auf einer Messingplatte seiner Ruhestätte des Morumbi-Friedhofs von São Paulo. Nichts kann die Sportwelt jemals von den Gedanken an diesen außergewöhnlichen Mann trennen. Sein Tod bleibt lebendig wie der kaum eines anderen.

Die Geschichte wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) recherchiert und zuerst in BILD AM SONNTAG veröffentlicht.

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