Schmidt, Friederike Wilhelmine Auguste - Leipziger Frauenporträts
Auguste Schmidt, Ölporträt von Carl Schmidt, Dresden, um 1880 © Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Bilder vergrößert anzeigen
Rubrik
- Bildung/ Pädagogik
- Frauenbewegung
- Literatur
geboren/ gestorben
3. August 1833 (Breslau) - 10. Juni 1902 (Leipzig)
Zitat
"Wir verlangen nur, daß die Arena der Arbeit auch für uns und unsere Schwestern geöffnet werde."
(Leben ist Streben, Vortrag vom 7. März 1865)
Kurzporträt
Auguste Schmidt setzte sich als Pädagogin, Schulvorsteherin, Publizistin und im Vorstand von Frauenvereinen über vier Jahrzehnte für die Mädchen-, Frauen- und Lehrerinnenbildung ein. Sie war 1865 Mitbegründerin des Frauenbildungsvereins und des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, 1890 des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins, 1894 des Bundes deutscher Frauenvereine.
Herkunftsfamilie
- Vater: Friedrich Schmidt (1790-1863), Artillerie-Hauptmann
- Mutter: Emilie Schmidt geborene Schöps (1802-1876)
- Geschwister:
- Anna Schmidt (1837-1908), verwitwete Schmidt, Lehrerin
- Clara Schmidt (1843-1922), verwitwete Claus, Sängerin und Musiklehrerin
- Julius Schmidt (1825-1894), Jurist
- Maximilian Georg Schmidt (1835-1876), Polizeioffizier
Biografie
Die 1833 in Breslau geborene Auguste Schmidt kam als Lehrerin für Literatur und Geschichte 1861 nach Leipzig und fand hier ihren Lebensmittelpunkt. Sie stammte aus einem Elternhaus, das von Ordnung, Strenge und Pflichterfüllung geprägt war, aber auch gern die Geselligkeit pflegte. Der Vater war preußischer Artilleriehauptmann, die Mutter Tochter eines Regimentsarztes. Wie den Söhnen ermöglichten sie auch den Töchtern eine sehr gute Bildung, um sie von einer Versorgungsehe unabhängig zu machen. Auguste und Anna entschieden sich für den Lehrerinnenberuf; Clara ließ sich zur Konzertsängerin ausbilden. Nach der höheren Mädchenschule absolvierte Auguste (später auch Anna) eine Ausbildung im Posener Lehrerinnenseminar, dass sie als 17-Jährige erfolgreich abschloss. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin legte sie 1857 ihr Examen als Schulvorsteherin ab und leitete danach eine höhere Mädchenschule in Breslau. Nach zehn Jahren intensiver Arbeit musste sie ein Nervenleiden auskurieren und ging danach auf Reisen, um neue Kraft zu schöpfen. Im April 1861 übersiedelte Auguste Schmidt nach Leipzig. Hier gab sie Lektionen an der Teichmannschen Schule, an der I. Bürgerschule und ab 1862 am Institut der Ottilie von Steyber (1804-1870). Nach dem Tod des Vaters zogen auch die Mutter Schmidt und die beiden Schwestern 1863 nach Leipzig. Diese heirateten, kehrten aber nach dem frühen Tod ihrer Männer wieder in den Leipziger Familienhaushalt zurück (zunächst Clara, verw. Claus, mit ihrer kleinen Tochter Margarethe, 1870 dann Anna, verwitwet Schmidt). Die Schwestern gaben ebenfalls Unterricht am Steyberschen Institut.
Auguste Schmidt wurde die engste Vertraute und Mitstreiterin von Louise Otto-Peters (1819-1895). Clara Schmidt erinnerte sich an die erste Begegnung Mitte Februar 1865 in Otto-Peters' Wohnung: "Überraschend schnell entwickelte sich zwischen der großen Frau und allen Gliedern unserer Familie die innigste Freundschaft, ja Vertraulichkeit. Durch fast 3 Jahrzehnte hindurch hat dann Louise Otto jeden Freitag in unserm Hause verbracht, und uns Töchter beglückte es sehr, dass auch unsere Mutter sich voll und ganz mit ihr verstand." Umgekehrt nahm Familie Schmidt an den Donnerstag-Gesellschaften bei Louise Otto teil. Am 24. Februar 1865 gehörte Auguste Schmidt zur Runde, die sich in der Wohnung von Professor Emil Adolph Roßmäßler (1806-1867) und seiner Frau Emilie traf, um über die Frauenfrage zu sprechen: Louise Otto-Peters, Henriette Goldschmidt, Ottilie von Steyber, Marie Zopff, Henriette Hirschel, Emma Marwedel, Hauptmann a. D. und Frauenrechtler Philipp Anton Korn (1816-1886). Sie beschlossen die Gründung eines Frauenbildungsvereins. Um auf das Anliegen aufmerksam zu machen hielt Auguste Schmidt am 7. März in der Buchhändlerbörse ihren ersten öffentlichen Vortrag unter dem Motto "Leben ist Streben". Am Folgetag wurde im Steyberschen Institut der Frauenbildungsverein FBV gegründet, Louise Otto-Peters und Ottilie von Steyber zu seinen Vorsteherinnen gewählt. Den Vorstand bildeten Marie Zopff, Henriette Hirschel, Minna Smitt und Auguste Schmidt.
Der Frauenbildungsverein FBV war der erste Frauenverein, der erklärtermaßen nicht der Wohltätigkeit diente, sondern den Frauen Hilfe zur Selbsthilfe vermittelten wollte. Ab September 1865 bot die Sonntagsschule des Vereins für konfirmierte Mädchen vor allem Dienstmädchen die Möglichkeit zur Weiterbildung - zehn Jahre vor der von Henriette Goldschmidt angemahnten kommunalen Pflichtfortbildungsschulen für Mädchen, die erst 1875 eingeführt wurde. Den Unterricht erteilten Vereinsfrauen, darunter Auguste Schmidt und ihre Schwestern. Weitere frauenberufsfördernde Maßnahmen des FBV waren in den nächsten Jahren die Gründung eines Büros für Abschreiberinnen, einer Bibliothek, 1876 einer Speiseanstalt mit Kochschule, 1882 Sonntagsunterhaltung und Bildung für aus den Volksschulen entlassene Mädchen, 1900 die Einrichtung der Abteilung Hauspflege. All das musste inhaltlich, organisatorisch und finanziell bewältigt werden. Der Februar 1865 markiert den Beginn der ehrenamtlichen, das heißt unentgeltlichen Tätigkeit Auguste Schmidts in zum Großteil von ihr selbst mitbegründeten Vereinen, welche sie jahrzehntelang neben ihrer beruflichen Arbeit als Lehrerin und Schulvorsteherin leistete.
Noch zur Gründungsversammlung des FBV am 8. März 1865 war auf Initiative von Louise Otto-Peters die Einberufung einer gesamtdeutschen Frauenkonferenz beschlossen worden, die im gleichen Jahr vom 15. bis zum 18. Oktober in Leipzig stattfand. Am öffentlichen ersten Abend in der Buchhändlerbörse sprach nach der Eröffnungsrede von Louise Otto-Peters auch Auguste Schmidt zum Publikum. Ab 16. Oktober tagten 300 Frauen aus allen Teilen Deutschlands im Schützenhaus in der Wintergartenstraße und gründeten den Allgemeinen Deutsche Frauenverein ADF. In diesem überregional agierenden Verein wagten Frauen die Selbstorganisation. Männer waren nur als Ehrenmitglieder zugelassen. Zum Vorstand gehörten Ottilie von Steyber, Alwine Winter, Henriette Hirschel und Anna Voigt. Erste Vorsitzende wurde Louise Otto-Peters, Stellvertreterin Auguste Schmidt. Ab 1866 verantworteten beide auch die Redaktion der Zweiwochen-Zeitschrift "Neue Bahnen" des ADF. Erklärtes Ziel des Vereins war der Zugang der Frauen zur schulischen, beruflichen und universitären Bildung und damit zur eigenständigen Erwerbsarbeit. 1866 hatte der ADF 75 Mitglieder, 1870 waren es bereits mehr als 10.000 - ein Zeichen dafür, wie wichtig dieser neuartige Verein für die Frauen war.
Auguste Schmidt hielt in Leipzig und vielen anderen Städten zahlreiche Vorträge zur Frauenfrage. Als anerkannter Rednerin wurden ihr auch oft die Eröffnungsreferate der Generalversammlungen des ADF übertragen. Die Leiterin der Mädchengymnasialkurse des ADF Dr. Käthe Windscheid schrieb über sie, dass ihre in brillanter freier Rede vorgetragenen Gedanken Vorurteile beseitigten und viele von den Zielen der Frauenbewegung überzeugten. Auguste Schmidt setzte sich vor allem für die Verbesserung der Mädchenbildung und Lehrerinnenausbildung ein. 1888 wurde sie Ehrenmitglied des von Rosalie Büttner, Käthe Windscheid, Josephine Friederici, Hedwig Dan und weiteren Frauen gegründeten Leipziger Lehrerinnenvereins. 1890 gehörte sie gemeinsam mit Helene Lange und Marie Loeper-Housselle zu den Gründerinnen des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins und wurde zur Ehrenvorsitzenden ernannt. Nach Gründung des Bundes deutscher Frauenvereine BDF 1894 arbeitete sie bis 1899 als dessen erste Vorsitzende. Die Kraft für ihre vielfältiges Engagement fand Auguste Schmidt, trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen, in dem festen Netzwerk der Frauen, mit denen sie zum Teil über Jahrzehnte zusammenarbeitete - Louise Otto-Peters, Henriette Goldschmidt, Helene Lange, Rosalie Büttner, dazu Vertreterinnen der "Töchtergeneration" wie Käthe Windscheid und Hedwig Dan - und in der Unterstützung durch ihre Schwestern Clara Claus und Anna Schmidt.
Nach dem Tod Ottilie von Steybers 1870 übernahm Auguste Schmidt das Steybersche Institut als Schulvorsteherin. Zu ihren Schülerinnen gehörte von 1874 bis 1878 Clara Eißner (später Zetkin), die hier eine Freistelle bekam und sich zur Sprachlehrerin ausbilden ließ. Ihre Mutter Josephine Eißner war ADF-Mitglied und hatte den Umzug der Familie von Wiederau bei Rochlitz nach Leipzig durchgesetzt, um ihrer Tochter den Besuch dieser Schule zu ermöglichen. 1892 gab Auguste Schmidt aus gesundheitlichen Gründen ihr Amt als Schulvorsteherin auf und verbrachte mit ihren Schwestern ein Jahr in Italien. In der folgenden Zeit widmeten sich die Schmidt-Schwestern ganz der gemeinnützigen Arbeit. Mit der Eröffnung der Gymnasialkurse für Mädchen 1894 hatten die Begründerinnen des ADF ein wichtiges Etappenziel erreicht - das Ablegen des Abiturs für Mädchen als Vorstufe des Universitätszugangs für Frauen, der in Sachsen dann 1906 freigegeben wurde.
1900 zog sich Auguste Schmidt aus der Öffentlichkeit zurück. Sie starb am 10. Juni 1902. Ihr Grab befand sich neben dem von Louise Otto-Peters auf dem Neuen Johannisfriedhof. Adolf Lehnert, der Bildhauer des 1900 eingeweihten Louise-Otto-Peters-Denkmals, war auch mit der Gestaltung des Grabsteins für Auguste Schmidt beauftragt worden, der 1903 enthüllt wurde. Heute stehen die Grabsteine der beiden Begründerinnen der organisierten deutschen Frauenbewegung im Lapidarium des Alten Johannisfriedhofs. Das unter Führung von Rosalie Büttner mit Hilfe von Spenden geschaffene Auguste-Schmidt-Haus in der Dresdner Straße 7 mit Saal, Reformgastwirtschaft und Unterkunft für ältere Lehrerinnen sowie durchreisende Frauen bestand von 1910 bis 1934. Es wurde 1936 zwangsversteigert und 1943 durch Bomben zerstört.
Werke
- Aus schwerer Zeit, 1895
- Tausendschön (Novelle)
- Veilchen (Novelle)
- Reden
- Louise Otto-Peters, die Dichterin und Vorkämpferin für Frauenrecht, 1895 (mit Hugo Rösch)
Adressen in Leipzig
- 1863/1864: An der alten Burg 14, 3. Etage.
- 1865-1867: Nürnberger Straße 1, 3. Etage.
- 1868/1869 und 1870/1871: kein Eintrag.
- 1872/1873: Königsstraße 22, 1.-3. Etage (Inhaberin der von Steyberschen Pensions- und Unterrichtsanstalt).
- 1874-(1877): Nordstraße 12.
- 1877: Keilstraße 14, Nebengebäude.
- 1883-1893: Nordstraße 12, 1.-4. Etage (Inh. der von Steyberschen Pensions- und Unterrichtsanstalt) (nach der Umnummerierung von 1885 als Nummer 23)
- Sommer 1893-1902: Grassistraße 33, 1. Etage.
Erinnerung/ Gedenken/ Würdigung in Leipzig
- Grabstein Auguste Schmidts und ihrer Schwestern Anna und Clara im Lapidarium des Alten Johannisfriedhofs
- Ölgemälde von Carl Schmidt, Dresden, um 1880, in der Dauerausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig im Alten Rathaus (Markt 1, 04109 Leipzig)
- Zwei Bildnisbüsten von Adolf Lehnert (Sammlung Stadtgeschichtliches Museum)
- Auguste-Schmidt-Straße (04103 Leipzig; seit 2001), Erläuterungstafel seit 2002
- Gedenkinschrift am Haus Lortzingstraße 5, 04109 Leipzig, seit 2003, initiiert von der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. zum 170. Geburtstag: "Hier wohnte 1863/64 Auguste Schmidt (1833-1902), die in Leipzig 40 Jahre lang als Pädagogin, Publizistin und Frauenrechtlerin wirkte."
- Gedenkbaum für Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt im Friedenspark, seit 2016 (mit Widmungsschild zur Kennzeichnung des Ortes beider Grabstellen auf dem damaligen Neuen Johannisfriedhof)
Zum Weiterlesen/ Literatur/ Quellen
- Astrid Franzke, Schmidt, Auguste Friederike Wilhelmine, in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007). [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd117501867.html. (Abruf: 10.10.2013).
- Manfred Leyh, Das "Nest" der Frauenbewegung in Leipzig. Zum Wirken der drei Schwestern Auguste, Anna und Clara Schmidt.
- Beate Klemm, Drei bemerkenswerte Schwestern. Auguste, Anna und Clara Schmidt in ihrem Leipziger Umfeld.
- Beide in: Leben ist Streben. Das erste Auguste-Schmidt-Buch. Reden, Vorträge und Dokumente der Ehrungen zum 100. Todestag der Pädagogin, Publizistin und Frauenrechtlerin Auguste Schmidt am 10./11. Juni 2002. Herausgegeben von Johanna Ludwig, Ilse Nagelschmidt und Susanne Schötz, unter Mitarbeit von Sandra Berndt. Leipzig 2003. Leipziger Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung, Reihe C Band 3 (LOUISEum 17).
- Alfred E. Otto Paul, Der Neue Johannisfriedhof in Leipzig, Leipzig 2012.
Gerlinde Kämmerer, 2013