„Neue Dialogkultur“: Laschet fordert Corona-Aufarbeitung – und kritisiert Lauterbach
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Lauterbachs Nein „hilft Verschwörungstheoretikern“: Laschet stellt Corona-Forderungen

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Armin Laschet fordert eine umfassende Aufarbeitung der Corona-Politik – und bekräftigt die Rufe der FDP nach einer Enquete-Kommission.

Berlin – Der ehemalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat gegenüber dem ZDF eine Aufarbeitung der politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gefordert. Dabei bestärkte er die Forderung der FDP nach einer entsprechenden Enquete-Kommission im Bundestag. Laschet bezog sich auch auf die Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI), die das rechte Online-Magazin „Multipolar“ vergangene Woche veröffentlicht hat.

Es müsse nachdenklich stimmen, wie während der Corona-Pandemie gehandelt worden sei, sagte Laschet dem ZDF. „Insgesamt war die Debatte sehr moralisierend: Entweder du bist für die eine Maßnahme, oder du bist ein Corona-Leugner.“ Der CDU-Politiker forderte, dass Politik und Medien sich kritisch nunmehr hinterfragen, und sprach im „heute journal“ mehrmals von einer „Spaltung der Gesellschaft“. Dabei verwies er auch auf andere Themen wie den Umgang mit der Klimakrise und „beim Krieg“.

Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) mit einer Corona-Maske.
Ohne Maske? Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) ist ohne Corona-Schutz erwischt worden. © Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Laschet will eine „neue Dialogkultur“ nach der Corona-Pandemie

„Wie haben wir damals diskutiert? Wie sind wir mit anderen Meinungen umgegangen? Das ist bis heute fortgesetzt immer noch ein Feuer für Populisten, gegen den Staat Stimmung zu machen“, sagte Laschet. Er verwies insbesondere auf den Umgang mit Virologen wie Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck während der Pandemie. Damit sich die Stimmung „beruhigt“, brauche es laut dem CDU-Politiker eine „neue Dialogkultur“.

Kurz zuvor hatte der von Laschet erwähnte Virologe Streeck den Parteien in Deutschland gegenüber der Augsburger Allgemeinen Zeitung vorgeworfen, zu wenig an einer Aufarbeitung der politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie interessiert zu sein. Die Politik habe sich hinter der Wissenschaft „versteckt“, sagte Streeck. „Der größte Fehler seit Beginn der Pandemie an war, dass wir es nicht geschafft haben, den Facettenreichtum der notwendigen Expertise darzustellen und zu kommunizieren.“

Forderung Laschets: Aufarbeitung durch Politik und Medien

Diesem Wortlaut schloss sich Armin Laschet an, als er gegenüber dem ZDF kritisierte: „Wir hätten facettenreicher die wissenschaftliche Expertise nutzen müssen.“ Von der „Meinungsvielfalt“ im RKI sei wenig in die „konkrete Politik“ eingeflossen, nur eine Position habe als die „einzig richtige“ gegolten. Laschet sprach sich generell eine größere Unabhängigkeit des RKI vom Bundesgesundheitsministerium aus.

Bei seinen Ausführungen zu „diffrenzierten“ Diskussionen innerhalb des RKI bezog Laschet sich auf die vom rechten Online-Magazin Multipolar veröffentlichten Protokolle des Krisenstabs des RKI. Dass diese Protokolle von einer Plattform „erklagt“ worden seien, von der gesagt werde, sie sei verschwörungstheoretisch, bedeute, dass Qualitätsmedien dies nicht getan hätten, so Laschet. „In den Medien“ müsse eine ebenso kritische Bilanz erfolgen wie in der Politik.

RKI-Protokolle erwecken Zweifel an Legitimität von Corona-Maßnahmen

Multipolar hatte die Protokolle vergangene Woche mit der Bemerkung veröffentlicht, dass „mehr als tausend Passagen geschwärzt“ seien. Dagegen klagt das Online-Magazin nach eigenen Angaben aktuell.

ZDF stellt auf Basis der Protokolle fest, dass in einer Besprechung des Krisenstabs des RKI im Oktober 2020 festgehalten wurde, dass es „keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes“ gebe und diese Information „für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“ könne. Das sei allerdings nie erfolgt.

Außerdem habe es bereits im Januar 2021 Bedenken zum Einsatz des Impfstoffs AstraZeneca bei älteren Personen gegeben. Die Ständige Impfkommission habe den Impfstoff zwei Monate später aber für alle Altersklassen empfohlen. ZDF berichtet auch, dass Privilegien für Geimpfte und Genesene vom RKI im März 2021 eigentlich als „fachlich nicht begründbar“ deklariert worden seien.

FDP-Wunsch nach Enquete-Kommission zur Pandemie – Laschet schließt sich an

Armin Laschet bekräftigte gegenüber ZDF die Forderung der FDP nach der Einsetzung einer Enquete-Kommission im Bundestag. Enquete-Kommissionen setzen sich aus Abgeordneten und Sachverständigen zusammen und beraten den Bundestag bei wichtigen Themen mit Empfehlungen für die Gesetzgebung. Die FDP-Fraktion hatte ihre schon ältere Forderung nach einer Enquete-Kommission vergangene Woche in einem Brief an Grüne und SPD wiederholt. Initiatoren waren der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion Andrew Ullmann und Vize-Vorsitzender Wolfgang Kubicki.

„Es darf nicht noch einmal vorkommen, dass wir in einer möglichen kommenden Krisensituation unsere Rechte und Pflichten als Parlament an die Exekutive abgeben, dass Grundrechte auch wegen schwacher Datenlage in Mitleidenschaft gezogen werden, die Bildungschancen unserer Kinder geschmälert werden und politische Entscheidungsträger selbst gesellschaftliche Spaltungstendenzen befördern“, heißt es im Brief laut Welt, die zuerst über das Schreiben berichtete. Der Brief ende mit der Bitte an die Ampel-Fraktionen, zur Einsetzung einer Enquete-Kommission in Gespräche einzutreten, „damit wir uns nicht in ein, zwei oder auch zehn Jahren vorwerfen müssen, dass wir nichts getan haben, als wir die Möglichkeit dazu hatten“.

Lauterbach für Corona-Aufarbeitung, aber gegen Kommission

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich laut AFP Anfang März zwar für eine Auseinandersetzung mit der Corona-Politik ausgesprochen, diese sei dem Politiker zufolge aber schon während der Pandemie gestartet. „Alle neuen Gedankenanstöße dazu sind jederzeit willkommen“, habe Lauterbach gegenüber der Spiegel gesagt, sich aber skeptisch zur Notwendigkeit einer Enquete-Kommission gezeigt.

Armin Laschet sprach gegenüber dem ZDF davon, dass Lauterbach eine Enquete-Kommission mit der Begründung nicht begrüße, dass diese Wind in den Segeln von Rechtspopulisten sei. Laschet sehe das anders: „Wenn wir es nicht machen, hilft es Verschwörungstheoretikern.“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat vergangenen Montag den neuen „ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz“ berufen. Dieser folgt laut Bundesregierung dem „Corona-ExpertInnenrat“ und wird sich mit der Frage auseinandersetzen, „wie Gesundheitswesen und Gesellschaft künftigen Gesundheitskrisen bestmöglich begegnen können“. Es sei eine „Lehre aus der Pandemie“, dass das Gesundheitswesen widerstandsfähiger und robuster aufgestellt werden müsse, sagte Bundeskanzler Scholz zur Gründung des Rates. „Auch im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels und der demographischen Entwicklung.“ (ses)

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