Tod nach Exorzismus - Warum musste Anneliese Michel sterben?

Opfer der Kirche

Tod nach Exorzismus � Warum musste
Anneliese Michel sterben?

Der Theologe Nr. 9, aktualisiert am 11.9.2023


Die Opfer der Kirche, die in fr�heren Zeiten auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrannten oder anderweitig hingerichtet wurden, galten ihren Richtern meist als vom "Teufel" oder von D�monen besessen. Unter Folter hatte man den Menschen zuvor meist entsprechende Gest�ndnisse abgepresst. Und der Glaube, dass vor allem Andersgl�ubige mit dem "Teufel" im Bunde sein k�nnten, ist auch heute noch in der kirchlichen Bev�lkerung verbreitet � allerdings weniger als Vorstellung, dass die "M�chte des B�sen" hier personhaft, direkt und unmittelbar am Werk seien. Sondern man w�hnt "Teufel" und "D�monen" mehr im Hintergrund.
Als jedoch die 23j�hrige Anneliese Michel aus Klingenberg am Main im unterfr�nkischen Landkreis Miltenberg am 1.Juli 1976 starb, glaubten viele Katholiken, diese junge Frau w�re tats�chlich
vom "Teufel" und von leibhaftigen D�monen besessen gewesen. Anders als die gefolterten und hingerichteten "Hexen" fr�herer Zeiten war Anneliese Michel jedoch eine �berzeugte Katholikin. Und anders als bei den "Besessenen" fr�herer Zeiten, die man seither �berwiegend in einer vermeintlich ewigen H�lle vermutet, �berwiegt im Hinblick auf Anneliese Michel der Glaube, sie h�tte nach ihrem Tod die "ewige Seligkeit" erreicht. Und so m�chten wir einmal der Frage nachgehen: Was ist hier eigentlich passiert? Wie hat Anneliese Michel gelebt? Und wie ist sie gestorben?

Als die junge Frau starb, wog sie nur noch 31 kg. Zuletzt verweigerte sie die Nahrungsaufnahme. Als die Trag�die �ffentlich wurde, fragten sich viele: H�tte sie verhindert werden k�nnen? Und nicht der "Teufel" geriet jetzt ins Visier der Ermittler, sondern diejenigen, die ihn "austreiben" wollten. So ist z. B. eine wesentliche Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Tod von Anneliese Michel und dem offiziellen r�misch-katholischen Exorzismus, der in den Monaten vor ihrem Tod 67 mal an ihr durchgef�hrt wurde? Der W�rzburger Bischof Josef Stangl hatte die "Teufelsaustreibung" an der P�dagogikstudentin eigens kirchenamtlich genehmigt. Doch was als "Gottes" Hilfe gedacht war, hat offensichtlich alles nur noch schlimmer gemacht. Untersucht man nun die n�heren Umst�nde dieses Schicksals, zeigt sich, dass der r�misch-katholische Glaube der jungen Frau f�r sie eine Sackgasse war, aus der schlie�lich kein Weg zur�ck ins Leben mehr m�glich war.

Anneliese Michel starb mit 23 Jahren an den Folgen des katholischen Exorzismus. Eine andere engagierte Katholikin kam mit 24 Jahren ums Leben, nachdem sie sich komplett der Kirche unterworfen hatte, die kurz darauf "heilig" gesprochene Elisabeth von Th�ringen und Ungarn, verstorben an v�lliger Entkr�ftung und wohl indirektem Suizid. Lesen Sie dazu den spannenden biografischen Artikel: Elisabeth von Th�ringen � was trieb die "Heilige" in den fr�hen Tod? elisabeth_von_thueringen.htm

Dass in Klingenberg nur die Spitze eines Eisbergs sichtbar wurde, deutet der Exorzismus-Experte Pater Adolf Rodewyk an, der im Auftrag der r�misch-katholischen Kirche die "Teufelsaustreibungen" an Anneliese Michel gepr�ft hatte und diese aus vatikanischer Sicht nicht beanstandete. Und der Jesuit gab weiterhin zu: "Sie k�nnen annehmen, dass es immer F�lle von Besessenheit gibt. Sie kommen wenig in die �ffentlichkeit, aber es l�uft immer was" (Main-Echo, 7.4.1978). Und auf die Frage, ob es auch schon �hnliche F�lle mit t�dlichem Ausgang gegeben habe, antwortete der Exorzist Rodewyk: "Ja, nat�rlich."
Au�erhalb Deutschlands wird anscheinend offener �ber das Thema gesprochen. "In Frankreich werden allein im Gro�raum Paris j�hrlich etwa 1500 Exorzismen durchgef�hrt
", so der Jesuit und ehemalige katholische Weltanschauungsbeauftragte des Bistums W�rzburg, Alfred Singer, in einem Interview 31 Jahre nach dem Tod von Anneliese Michel (Main-Post, 9.7.2007). Doch auch in Deutschland finden weiterhin kirchliche "Teufelsaustreibungen" statt (siehe z. B. aktuell unten, auch im Protestantismus).
 

B�cher �ber Anneliese Michel und Exorzismus

Unterschiedlichen Ver�ffentlichungen �ber Anneliese Michel (1952-1976) � Die US-amerikanische Anthropologin Felicitas D. Goodman vertritt (trotz ihrer offiziell protestantischen Konfession) die Sichtweise der katholischen Exorzisten, w�hrend der deutsche evangelische Theologe Uwe Wolff die Ereignisse tiefenpsychologisch deutet. Das Heft Voodoo auf Katholisch der "Freien Christen" (als PDF-Datei)  veranschaulicht allgemein zahlreiche Parallelen zwischen dem Voodoo-Kult und den katholischen Lehren und Praktiken. Ein weiteres 2014 erschienenes Buch von Petra Ney-Hellmuth zum Thema entspricht der Sichtweise der Di�zese W�rzburg und verliert sich in m�hsamen Detailhinweisen. Da es gleichzeitig aber die "Doktorarbeit" der Autorin ist, wurde es vom gesellschaftlichen "Main-Stream" zum angeblichen "Standardwerk" zu diesem Thema stilisiert.

PS: Das auf dem Umschlag des Buches von Felicitas D. Goodman links oben sichtbare Foto zeigt den W�rzburger Bischof Josef Stangl (1907-1979), der seine Genehmigung des Exorzismus nach dem Tod der jungen Frau verleugnete. Ein Dreivierteljahr sp�ter weihte er noch Joseph Ratzinger zum Erzbischof von M�nchen und Freising. Kurz darauf soll er dann in "geistige Umnachtung" gefallen sein. Die Stadt W�rzburg ehrt ihn mit einem Bischof-Stangl-Platz. Zwei weitere Fotos bzw. Bilder von Anneliese Michel siehe hier.

 

Inhalt:

Anneliese Michels seelische Traumatisierung

"Du bist verdammt, du bist verdammt, du bist verdammt"


Die "Muttergottes" und die Schlange

Selbstanklagen, Einwilligung zum Exorzismus, Verdacht des sexuellen Missbrauchs


Das Ritual beginnt


Besessen, hysterisch oder hypnotisiert?

Die "D�monen" wollen nicht in die H�lle

Anneliese Michel � ein Opfer des Dogmas der ewigen Verdammnis

Der katholische Exorzismus hat mit Jesus nichts zu tun

Religion des Todes

Umdeutung zur Heiligenlegende


"Sie haben sie umgebracht"

Das Ergebnis der Obduktion

S�ndenbocksuche statt Aufarbeitung

Die L�ge des Bischofs und die Folgen


Die "Bauernopfer" der Bischofskonferenz

Was wusste Josef Ratzinger?


Anmerkungen und biografische Daten


Weitere Nachrichten zum Thema


Der Autor zu einem beabsichtigten Exorzismus an Britney Spears
 

 

Der Evangelische Theologe und Exorzismus-Forscher Uwe Wolff nannte sein Buch zu diesem Thema Das bricht dem Bischof das Kreuz � Die letzte Teufelsaustreibung in Deutschland 1975/76 (1). Doch ist dem f�r den Exorzismus verantwortlichen W�rzburger Bischof tats�chlich im �bertragenen Sinn das Kreuz gebrochen? Nur kurze Zeit nach den schicksalhaften Ereignissen in Klingenberg ist Bischof Josef Stangl zwar gestorben (1979), doch weder er noch die r�misch-katholische Kirche wurden bis heute f�r den Tod der jungen Frau zur Verantwortung gezogen. Die nachfolgende Studie zeigt jedoch auf, wie Anneliese Michels r�misch-katholischer Glaube und ihre Bindung an die r�misch-katholische Kirche f�r sie zur Todesfalle werden. (10)

Anneliese Michels seelische Traumatisierung

Anneliese Michel wird am 21. September 1952 in Leiblfing bei Straubing in Niederbayern in der Heimat ihrer Mutter geboren. Sie entstammt einem streng katholischen Elternhaus und Milieu in dem Weinort Klingenberg am bayerisch-fr�nkischen Untermain. Ihr Vater sollte nach dem Wunsch seiner Mutter eigentlich Priester werden und drei ihrer Tanten sind Nonnen. Ihre Mutter Anna Michel, geborene F�rg, bringt das uneheliche M�dchen Martha mit in die Ehe, das gezeugt und 1948 geboren wurde, als sie schon mit Josef Michel verlobt war. Doch dieser ist nicht der Vater. Das Kind stirbt bereits 1956 im Alter von acht Jahren an einem Nierentumor. Der Vater des Kindes soll ein katholischer Priester sein. So wird es vermutet (Wolff, S. 48). Die Michels selbst geben dar�ber keine Auskunft. Dort gilt ja die uneheliche Zeugung des kleinen M�dchens als "schwere S�nde" bzw. "Tods�nde", und Annelieses Mutter darf ihren Vater deshalb 1950 in der katholischen Kirche auch nicht "in Wei�", sondern nur mit schwarzem Schleier heiraten. Das erste gemeinsame und eheliche Kind Anneliese bringt sie daf�r "Gott" als "S�hnopfer" f�r ihren vorehelichen "Fehltritt" dar � eine gewaltige B�rde f�r das neugeborene Kind, fast wie ein Fluch. "Anneliese" ist dabei eine Namenskombination aus den beiden Kirchenheiligen Anna (der Mutter Marias, der Mutter von Jesus) und Elisabeth (der Mutter Johannes des T�ufers). Sp�ter werden drei weitere M�dchen geboren, G. (1954), B. (1956) und R. (1957). Als Jugendliche besucht Anneliese, die gerne Klavier spielt, das musische Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium in der Gr�newaldstra�e im nahe gelegenen Aschaffenburg. Dort gilt sie als hochintelligent, f�llt aber bereits durch nervliche Probleme auf, wie sich manche ihrer fr�heren Lehrer erinnern. Ihr Elternhaus gilt dabei als sehr streng. "�fter einmal fanden die Schwestern Anneliese weinend in ihrem Zimmer, weil die Mutter schon wieder verboten hatte, dass sie zum Tanzen gehe. �Die anderen d�rfen das alle`, schluchzte sie. �Ich bin doch kein Kind mehr.`" Doch Annelieses Mutter hat Angst um ihre Tochter. "Ihre T�chter sollten unber�hrt in die Ehe gehen. Unber�hrt wie die Jungfrau Maria" (Goodman, S. 35). Und anders als sie, die Mutter, die ja bei ihrer kirchlichen Trauung von der Kirche f�r ihre vorehelichen sexuellen Erfahrungen mit einem schwarzen Schleier "abgestraft" wurde. 
 
Anneliese Michel scheut den Konflikt mit dem Elternhaus, bleibt anfangs jedoch noch einigerma�en souver�n und hat einen ersten heimlichen Freund. Gleichzeitig vertieft sie sich jedoch weiter in den r�misch-katholischen Glauben. So ist auch � anders als bei den meisten ihrer Altersgenossinnen � ihre Bindung an die Kirche besonders stark. Sie geht mehrmals w�chentlich zur Messe, betet regelm��ig Rosenkr�nze und versucht noch mehr als das zu tun, was die Kirche von ihren Gl�ubigen verlangt. So schl�ft sie z. B. zur "S�hne" f�r Rauschgifts�chtige, die sie am Aschaffenburger Hauptbahnhof beobachtet hat, manchmal auf dem Fu�boden, selbst im Winter; so, als ob die "S�hnopfer"-Vorstellung ihrer Mutter tats�chlich auch in ihr wirksam ist. Dabei ist ihr Glaube f�r sie selbst auch wie eine Droge, von dem die Jugendliche mit der Zeit extrem abh�ngig wird und mit dem sie ganz offenbar alles andere als im Reinen ist.
Und hier liegen auch die Wurzeln f�r das weitere Geschehen: Bald gleiten dem M�dchen auch die Z�gel seines eigenen Lebens mehr und mehr aus der Hand. Im Jahr 1968 bei�t sie sich z. B. bei einem Krampfanfall in die eigene Zunge. Ein Neurologe diagnostiziert eine Epilepsie vom Typ Grand Mal (also einen schweren epileptischen Anfall), wogegen sie erstmals anti-epileptische Mittel erh�lt. Doch diese helfen nicht gegen eine religi�se Gedanken- und Bilderwelt, die sich immer m�chtiger in ihr aufbaut und die Anneliese Michel immer weniger kontrollieren kann. So erscheinen ihr beim Gebet z. B. katholische "Heilige" oder "D�monen", die sie schlie�lich bis kurz vor ihrem Tod qu�len und verfolgen. Auch h�rt sie Stimmen, die ihr vorhersagen, sie werde in der ewigen Verdammnis landen, in der nach r�misch-katholischer Lehre z. B. alle Menschen enden, welche wesentliche Glaubenslehren der katholischen Kirche nicht bef�rworten oder auch nur "beharrlich" daran zweifeln (siehe dazu Der Theologe Nr. 18 �ber den "Glauben der Kirche" oder Der Theologe Nr. 68 speziell �ber die Verdammungsfl�che der Kirche).


An ihrem Todestag, dem 1. Juli 1976, ordnet der Staatsanwalt eine Obduktion der Leiche an, bei welcher die �rzte zu dem Ergebnis kommen: "Annelieses Leben w�re zu retten gewesen, wenn man die Kranke vor den krankmachenden Faktoren ihrer Umwelt abgeschirmt h�tte." (Wolff, S. 15)
Doch Anneliese Michel gelingt es nicht, sich aus ihrem streng katholischen Umfeld zu befreien – im Gegenteil: in ihren schwersten Krisen l�sst sie sich nahezu hilflos in das Milieu hineinfallen, in dem die ma�geblichen Wurzeln der Trag�die liegen.
Der erste Exorzismus beginnt neun Monate vor ihrem Tod. Und kurz vor dem Tod wirkt sie selbstzerst�rerisch und selbstverst�mmelnd an ihrem f�r dieses irdische Leben endg�ltigen Zusammenbruch mit. Ein Arzt h�tte hierbei nicht zusehen d�rfen. Doch der als Exorzist t�tige katholische Priester Arnold Renz steigert sich mit dem Kruzifix in der Hand so in die katholische Exorzismus-Liturgie hinein, dass er einfachste Grundregeln der Ersten Hilfe nicht beachtet. W�hrenddessen erhoffen die Eltern bis zuletzt die entscheidende Hilfe von dem Mann bzw. den M�nnern der Kirche.
Doch wieso entwickelt sich das Geschehen bei Anneliese Michel in diese v�llig verfahrene Richtung? Und warum geschieht Vergleichbares ausschlie�lich oder �berwiegend bei Betroffenen aus dem kirchlichen Milieu? Bei den meisten anderen Menschen jedoch nicht. Wie l�sst sich die Lebenssituation der jugendlichen Anneliese Michel charakterisieren?

"Du bist verdammt! Du bist verdammt! Du bist verdammt!"

Bei den Exorzismen kommen zun�chst verst�rkt die ungel�sten Kindheits- und Jugendprobleme von Anneliese Michel zum Vorschein. Ein Beispiel: Jeden Morgen um 6 Uhr wird sie als Kind zur Fr�hmesse geweckt. "Die Oma hat sie in die Kirche hineingeschleift. Sie war sechs Jahre alt. Die Oma hat sie fast jeden Tag vom Bett herausgezogen", sagt einer der "D�monen" durch Anneliese vorwurfsvoll im Jahr 1975 (Wolff, S. 53 f.). Die Bauersfrau und "Seherin" Barbara Weigand (1858-1943) aus dem benachbarten R�ck-Schippach, die sich jeden Morgen zu Fu� in die Aschaffenburger Kapuzinerkirche aufmachte (Wolff, S. 39), jeden Tag ca. 25 km hin und 25 km wieder zur�ck, um dort die laut ihrem Glauben angeblich in den "Leib Christi" verwandelte Oblate zu sich zu nehmen, gilt in der Familie als Vorbild �  was sich f�r einen Au�enstehenden auch mit dem Verhalten eines Drogens�chtigen vergleichen l�sst, der seine Zeit zu einem gro�en Teil damit verbringt, sich die f�r ihn notwendige Dosis "Stoff" zu besorgen bzw. zu "verdienen". Doch was baut sich dabei in dem kleinen M�dchen, das trotz seiner Bereitschaft zum Kirchgang nat�rlich auch gerne ausgeschlafen h�tte, innerlich auf? Anneliese wagt vieles im Laufe ihres kurzen Lebens nicht selbst auszusprechen, was dann sp�ter die "D�monen" durch sie umso heftiger zum Ausdruck bringen. Der Konflikt bahnt sich fr�h an: Bereits dem kleinen M�dchen wird manchmal vom Weihrauch in der Messe �bel, vielleicht, weil sie das alles sprichw�rtlich "zum K... findet". Die Gro�mutter deutet dies jedoch als ungutes Zeichen daf�r, dass der Teufel angeblich ihre "reine M�dchenseele" fangen will. (Wolff, S. 54 f.)

Katholische Kirche in Klingenberg am Main

Zur katholischen Kirche in Klingenberg muss man emporsteigen. Als Kind musste Anneliese Michel dort eine Zeitlang jede Fr�hmesse besuchen und manchmal wurde ihr bereits vom Weihrauch "�bel".


Und an dieser Stelle entfaltet der Katholizismus besonders seine destruktiven Kr�fte. Das M�dchen wird fr�h in dem Glauben erzogen, dass Abweichler sp�ter in eine "ewige H�lle" m�ssen. Kein Wunder also, dass die �lteste von vier Schwestern besondere Anstrengungen unternimmt, um zeitlebens ein "liebes", gehorsames und korrekt-katholisches Kind zu sein. Sie k�mmert sich oftmals r�hrend um andere Familienmitglieder und f�gt sich ein in alle vorgegebenen Traditionen und Gebr�uche. So wird beispielsweise der 13. eines jeden Monats in der Familie als "Tag der Jungfrau von Fatima" in Ehren gehalten. "Das ist ihr Schei�-Tag", so sp�ter einmal ein "D�mon" aus Anneliese �ber den 13.10.1975 im Hinblick auf die Jungfrau von Fatima (Wolff, S. 46). In der Ich-Form h�tte Anneliese Michel solches nicht zu sagen gewagt. Denn sie ist voller Angst, den Anforderungen des katholischen Glaubens nicht zu gen�gen. Also sucht sie mit ihrem Intellekt nach anderen Erkl�rungen f�r ihren Widerstand gegen diesen Glauben, der manchmal unvermittelt aus ihr heraus bricht; so z. B. auch bei einer Wallfahrt ins italienische San Damiano, als sie ein Glas mit "geweihtem Heilwasser" wegst��t.

Schon fr�h glaubt Anneliese deshalb, eine Verfluchung w�re angeblich der Grund f�r ihre Seelenk�mpfe. Eine fremde Frau h�tte diesen Fluch bei ihrer Geburt �ber sie ausgesprochen. Diese Vorstellung erm�glicht ihr, dass sie viele ihrer Gedanken, Gef�hle und Empfindungen nicht zul�sst und als ihre eigenen annimmt. Dann h�tte sie n�mlich daraus andere Schlussfolgerungen f�r ihr Leben ziehen k�nnen als die angebliche Wirksamkeit einer Verfluchung. So aber begleitet sie das Gef�hl der Verworfenheit und Verdammnis, seitdem in ihrer Pubert�t wie bei jedem Jugendlichen Gef�hle verr�ckt gespielt haben und normalerweise auch rebellische Gef�hle gegen die Welt der Erwachsenen auftreten. Von sich selbst sagt Anneliese Michel, dass sie etwa seit ihrem 13. Lebensjahr besessen gewesen sei, also zeitweise nicht mehr in der Lage, ihr Leben mit ihrem Oberbewusstsein eigenverantwortlich kontrollieren zu k�nnen.
In einem Brief an Pfarrer Ernst Alt, einen der beiden Exorzisten, schreibt sie z. B. im Jahr 1974: "Ich heulte oft abends f�r mich ... Von Gott f�hlte ich mich irgendwie total verlassen. Damals war ich schon ziemlich umsessen."


[Anmerkung: "Umsessen" sein ist eine sinnvolle Umschreibung f�r eine Vorstufe zu einer wom�glichen "Besessenheit". In diesem Stadium sp�rt der Betroffene bereits die N�he von als "fremd" erlebten M�chten, wird aber noch nicht von ihnen beherrscht.]

Und weiter: "
Ich wollte mich immer umbringen. Dortmals hatte ich h�llische Angst, wahnsinnig zu werden vor Verzweiflung ..." (Goodman, S. 91). Offenbar hat hier der nicht eingestandene kindliche und jugendliche Widerstand gegen die katholischen Normen, mit denen sie aufgewachsen ist, bereits angefangen, sich zu verselbstst�ndigen. Und dass der strenge katholische Gott ihrer Kindheit ihr nicht dabei hilft, ihre eigene innere Mitte zu finden und ein gl�cklicher junger Mensch zu werden, ergibt sich zwangsl�ufig daraus, dass dieser kirchliche Gott weder f�r Zweifel an ihm Verst�ndnis hat noch f�r eventuelle "S�nden" aus jugendlichem �bermut, die bei einem Jugendlichen in der Sturm-und-Drang-Zeit eben vorkommen. Stattdessen h�tte der "Heiland" ihr sp�ter das "Angebot" gemacht bzw. von ihr verlangt, f�r das, was sie anderen "angetan" habe, zu leiden, um dadurch "reiner" zu werden. So weist sie z. B. als Zehntkl�sslerin w�hrend einer Geburtstagsparty den Ann�herungsversuch eines Mitsch�lers verst�ndlicherweise zur�ck, da sie ihn "nicht leiden" konnte. Sp�ter schreibt sie aber dar�ber: "Ich sp�rte doch auch, dass er Hilfe suchte. Hier liegt mein Versagen. Ich wollte lieber mit einem anderen tanzen, statt dass ich mich Aug in Aug mit ihm unterhalten h�tte" (Goodman, S. 161) ein zwar edel gemeinter Gedanke, der sich aber bei Anneliese destruktiv gegen die eigene Person richtet, weil sie sich ihre eigenen Empfindungen nicht zugesteht bzw. ihre verst�ndliche Abneigung gegen�ber dem Ann�herungsversuch nicht akzeptiert. Stattdessen bek�mpft sie ihre Gef�hle und verzweifelt schlie�lich aufgrund ihres katholischen Glaubens an dem, wozu sie sich verpflichtet f�hlt, n�mlich dem jungen Mann durch ein Gespr�ch vermeintlich zu "helfen".
 
Offensichtlich hat Anneliese Michel also gro�e Schwierigkeiten, diese unter Jugendlichen �blichen Erfahrungen richtig zu verarbeiten und verstrickt sich in �berzogene katholische Schuld-Komplexe anstatt ein gesundes Selbstvertrauen trotz des Bewusstseins eigener M�ngel zu entwickeln. Auch als Studentin ist dieses Thema gegenw�rtig, und Mechthild Westiner, eine Kommilitonin, erinnert sich, dass Anneliese Michel im Unterschied zu zwei anderen �berzeugten Katholikinnen hierbei auch ganz nat�rlich sein konnte. So erkl�ren die beiden anderen einmal im Studentenwohnheim: "
�Unser Ziel ist, heilig zu werden`. Da hat sie [Anneliese] angefangen, [mir] mehr und mehr zuzuzwinkern zwischendrin. Sie hat schon gezeigt, dass sie nicht ganz einverstanden ist." (Satan lebt, WDR 2006)
Denkbar ist, dass Anneliese Michel dann aber dazu neigt, in eine gedankliche Harmoniewelt, also in eine Art heile Bilderwelt, zu fl�chten anstatt die Probleme praktisch und im Einklang mit ihrem Gef�hl bzw. ihrem inneren Wesen zu l�sen und daf�r auch die volle pers�nliche Verantwortung zu �bernehmen. Und ein solches Ausweich- oder gar Fluchtverhalten ist nicht ungef�hrlich, wenn es zum Dauerzustand wird, und hier k�nnte mit eine Erkl�rung daf�r liegen, wenn sich innere Widerspr�che in einem Menschen allm�hlich verselbstst�ndigen, wie dies schlie�lich bei Anneliese Michel geschieht.

So k�nnen � allgemein gesprochen � l�ngere gedankliche Abwesenheiten eine "Umsessenheit" vorbereiten. Und diese hat ein Betroffener unter Umst�nden eben dadurch selbst verursacht, dass er �ber Jahre hinweg immer wieder gedanklich in eine Phantasie- und Bilderwelt eingetaucht bzw. geflohen ist. So kann es passieren, dass sich die Pers�nlichkeit im Laufe der Zeit allm�hlich aufspaltet. Denn die Gedanken bzw. die Aufmerksamkeit des Menschen, der sich immer wieder in bildhafte Traumwelten fl�chtet, befinden sich dann ja nicht bei seinem K�rper und im Geschehen der Gegenwart, sondern eben in der selbst geschaffenen tagtr�umerischen Bilderwelt.
Und nun kann man weiter fragen: Wenn ein Mensch immer h�ufiger gedanklich seinen K�rper sozusagen "verl�sst" und in eine Phantasie-Wunschwelt abtaucht, k�nnte es dann nicht sein, dass sich andere Kr�fte mit der Zeit dieses K�rpers bem�chtigen k�nnen? Denn der K�rper ist dann ja "frei", wenn ihn die Seele des Menschen, die ihn normalerweise durchdringt, gedanklich verlassen hat, um auf diese Weise der Wirklichkeit zu entfliehen. Dann w�re aus einer "Umsessenheit" eine "Besessenheit" geworden. Und so k�nnte man auch erkl�ren, dass "Besessenheit" � vorausgesetzt, dass es sie gibt � einen Menschen nicht aus heiterem Himmel �berf�llt, sondern als langfristige Folge eigenen Verhaltens.

Nachweisbar ist, dass Anneliese Michel irgendwann nicht mehr in der Lage ist, die Abwesenheiten mit ihrem Oberbewusstsein zu kontrollieren und durch einen disziplinierten Willensentschluss zu beenden. Dies k�nnte der Beginn der "Besessenheit" gewesen sein. Bei Anneliese Michel steigert es sich schlie�lich im Laufe der Zeit so weit, dass sich dann kurz vor ihrem Tod z. B. Stimme, Gesichtsausdruck, K�rperhaltung und sogar der K�rpergeruch ver�ndert. Die Stimme wird tiefer bzw. gellend und ein anderes "Ich" beginnt zu reden. Die Augen bekommen einen bedrohlichen Glanz, der ganze K�rper wird steif und beginnt, unangenehm zu riechen, begleitet von heftigen Schwei�ausbr�chen. Und die H�nde formen sich krallenartig, wie Zeugen der Anf�lle darlegen. Es ist offensichtlich, dass das andere "Ich" kein friedfertiges Wesen ist, sondern sich �ber den K�rper der jungen Frau in einer Weise ausdr�ckt, welche die meisten Menschen nur aus Horror-Filmen kennen. Doch ist das andere "Ich" wirklich ein v�llig fremdes, das nichts mit der Person zu tun hat, durch das es sich �u�ert?

Die "Muttergottes" und die Schlange

Ein solches Szenario entsteht ja nicht �ber Nacht. Sondern es hat mit voran gegangenen Weichenstellungen im Leben zu tun.
Ein weiteres Beispiel: Wie alle junge M�dchen interessiert sich Anneliese Michel z. B. f�r die aktuelle Hitparade oder f�r Mode. Dass sie � wie andere junge Frauen � Hosen tragen darf, vor allem im Winter, wenn es drau�en k�lter ist, wird ihr jedoch von den Eltern nicht erlaubt. Anstatt entweder sich durchzusetzen und den Konflikt durchzustehen oder eben den Eltern durch eine bewusste Entscheidung nachzugeben, h�lt sich Anneliese harmoniebed�rftig an einer angeblichen Marieneingebung fest.
Ihre Mutter erz�hlt: "Da hat die Muttergottes mit ihr gesprochen und hat gesagt, sie sollte keine Hosen tragen, da w�r man wie ein Mann und sie m�chte das nicht haben. Da hat Anneliese keine mehr angezogen." (Wolff, S. 69)

Marienstatue in Klingenberg am Main

Marienstatue in Klingenberg am Main � Die "Muttergottes" hatte zu Anneliese gesagt, sie solle keine Hosen anziehen. "Da w�r man wie ein Mann ..."
 

So wird also dieser Konflikt durch eine angebliche Einsprache Marias "gel�st", und bereits hier ist es nicht mehr das M�dchen Anneliese, das selbst entscheidet, sondern eine dritte "Kraft". Und wer immer hinter dieser katholisch geglaubten "Maria" auch steckte, die Seele der Mutter von Jesus von Nazareth war es mit h�chster Wahrscheinlichkeit nicht. Als kirchlich ergebenes Kind gehorcht sie jedenfalls dieser "Einsprache", die sie als eine Weisung Marias deutet.
Doch auch andere Kr�fte bzw. "Interessengruppen" entdecken wohl mehr und mehr diesen offenbar medialen "Kanal", durch den sie Einfluss auf das M�dchen nehmen k�nnen. Und so hat sie mit ihrem "gehorsamen" Verhalten vermutlich die Voraussetzung f�r weitere fremde Einfl�sse auf ihre Person bzw. weitere Einfl�sterungen geschaffen. Und in einigen Jahren werden deshalb noch ganz andere Instanzen auf diese Weise auf Anneliese einwirken als eine der Mode widersprechende vermeintliche "Muttergottes".
In einem Gespr�ch �u�ert sie im Jahr 1975: "Ich hatte oft Angst, die eigentlich unbegr�ndet war, und war deshalb oft schwei�gebadet. Ich hatte schon immer dunkle Vorahnungen und musste schon damals an Neujahr oder meinem Geburtstag weinen, da ich immer Schlimmes auf mich zukommen sah. Bereits 1973, als ich Abitur machte, hatte ich den Gedanken, verdammt zu sein" (Wolff, S. 191). Von da an hatte sie noch ca. drei Jahre als Mensch zu leben.

Auch von manchen anderen Menschen wird berichtet, dass sie dunkle Vorahnungen hatten. Wer dabei aber diese Ahnungen oder �ngste in erster Linie als Warnungen verstand, konnte sie oft �berwinden, auch wenn es manchmal einige Zeit dauerte. Dies war m�glich, weil insofern auf die Warnungen geh�rt wurde, als der Betroffene etwas in seinem Leben �nderte.
Doch was auch f�r Anneliese Michel eine massive Warnung h�tte sein k�nnen, um innezuhalten und die Botschaft ihrer �ngste und Ahnungen zu verstehen und manches noch rechtzeitig wenden zu k�nnen, wird nicht als eine solche Botschaft verstanden. Sie ist blockiert durch ihre Angst vor einer ewigen Verdammnis, welche ihr von der Kirche indoktriniert wurde und welche sie nicht hinterfragte. Und so bahnt sich tats�chlich von Tag zu Tag mehr ein schweres Schicksal an. Die h�llische Drohbotschaft der Kirche an S�nder, Zweifler und m�gliche Abtr�nnige steckt dabei wie ein giftiger Pfahl in der Seele des M�dchens. Und dieser Umstand verhindert wohl, dass Anneliese Michel auch andere Seiten an sich entdeckt und praktisch erf�hrt als das "Idealbild" aus ihrem Oberbewusstsein, eine ergebene junge Katholikin zu sein, welche die Anforderung der Kirche an die Gl�ubigen sogar �bertrifft. Ihr katholischer Glaube blockiert ihre Selbsterkenntnis, und sie glaubt, einer angeblich drohenden "ewigen Verdammnis" entgehen zu k�nnen, indem sie sich innerlich "zurecht" pr�gelt. Sp�ter �bernehmen diese Rolle dann die Exorzisten.

Einmal w�hrend der Abiturpr�fung kann die junge Frau Michel keinen klaren Gedanken mehr fassen. Stattdessen h�rt sie in ihrem Inneren in st�ndiger Wiederholung: "Du bist verdammt! Du bist verdammt! Du bist verdammt!" (Wolff, S. 97) Als ihr Freund Peter Himsel, der im selben katholischen Studentenwohnheim in W�rzburg wohnt wie sie (im Ferdinandeum in der Schl�rstra�e 2, wo �brigens auch schon Bischof Josef Stangl, der bald den Exorzismus anordnen wird, als Student wohnte), r�ckblickend nach der Herkunft dieser bedr�ngenden Stimmen fragt, bezichtigt sich Anneliese Michel ohne Selbstbewusstsein selbst: "Ich h�tte mehr beten m�ssen. Ich bin selbst daran mitschuldig" (Wolff, S. 190). Anneliese beklagt aber nicht, Warnungen verdr�ngt zu haben oder andere wichtige Hinweise aus ihrem Alltag, sondern sie klagt sich einmal mehr an, die katholischen Normen zu verfehlen und deshalb von der H�lle bedroht zu sein. Ein Mitstudent berichtet sp�ter �ber einen Besuch in ihrem Studentenzimmer: "Es brannten �ber 30 Kerzen, man ern�hrte sich von Apfelbrei und Mineralwasser ... Heute w�rde man sagen, sie war magers�chtig oder litt an Bulimie" (zit. nach Main-Echo, 23.7./24.7.2016). Und nach dem Besuch eines Nervenarztes notiert dieser: "Sie habe keine Entscheidungskraft" (Wolff, S. 99). Anneliese nennt sich selbst "Schlange". Und zu einer Bekannten sagt sie: "Wenn Sie w�ssten, was ich alles gegen Gott getan habe! Ich kann nicht beichten. Wenn Sie w�ssten, was ich f�r eine bin, was ich f�r eine Schuldige bin!" (Wolff, S. 116)

Selbstanklagen, Einwilligung zum Exorzismus, Verdacht des sexuellen Missbrauchs

Hier ist sie nahe daran, das "Versteckspiel" aufzugeben und sich zu wom�glich geheimen Gedanken-Bildern, geheimen W�nschen oder verborgenen Taten bzw. unverarbeiteten Erfahrungen zu bekennen, was eine gro�e Chance f�r einen verantwortlichen Umgang damit h�tte sein k�nnen. "Wenn Sie w�ssten", worum es sich dabei handelt, so Anneliese Michels Worte zu der Bekannten.
Nahe liegend ist der Bereich der Sexualit�t, wie z. B. auch die Selbstbezeichnung "Schlange" vermuten l�sst.
Allgemein ist bekannt, dass in der Regel immer wieder verdr�ngte sexuelle W�nsche mit der Zeit heftiger werden. Und nicht immer wird dabei � allgemein gesprochen � der eigene Freund oder Partner begehrt, so dass "Schlange" � allgemein gesprochen �  auch das Thema "Untreue" beinhalten kann.
Ihre Mutter hatte sich ja einst auf eine sexuelle Aff�re mit einem Mann eingelassen, der nicht ihr Verlobter war, eventuell war es der Dorfpriester, und Annelieses Halbschwester Martha ging aus dieser Verbindung hervor. Und ausgerechnet die eheliche Zeugung und Geburt von ihr, Anneliese, sollte diesen "Fehltritt" der Mutter "s�hnen". Und jetzt ist sie, Anneliese, selbst noch im ausgehenden Alter des Sturm und Drang und � wie damals ihre Mutter � nicht verheiratet, und sie hat einen festen Freund. Aber vor allem als Studentin ist sie auch von anderen jungen M�nnern umgeben und als strenge Katholikin auch immer wieder von Priestern, ausschlie�lich M�nnern, die bekanntlich vielfach selbst ein schwer gest�rtes Verh�ltnis zur eigenen Sexualit�t haben, diese "St�rung" jedoch nicht selten als besondere "Berufung" verbr�men.
Im Jahr 2016, 40 Jahre nach ihrem Tod, �u�ert die Regionalzeitung Main-Post, dann dazu einen Verdacht: "Gab es damals sexuellen Missbrauch?" (10.10.2016)
Und dieser Verdacht hatte sehr konkrete Anhaltspunkte. Denn kurz zuvor war bekannt worden, dass ihre beiden Exorzisten gegen�ber anderen Personen des sexuellen Missbrauchs beschuldigt werden. Im M�rz 2016 dokumentiert der Missbrauchsbeauftragte der Di�zese W�rzburg, Professor Klaus Laubenthal, einen entsprechenden l�nger zur�ck liegenden Vorwurf gegen Exorzisten-Pater Arnold Renz. Und zu Ernst Alt hei�t es dort: "Auch der zweite am Exorzismus beteiligte Pfarrer, der ein besonderes Vertrauensverh�ltnis zu Anneliese Michel gehabt haben soll, wird von einer anderen Frau des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Dieser Fall wurde aber nicht mehr von Laubenthal bearbeitet."
Und weiter: "Zu beiden zeitlich und �rtlich v�llig unabh�ngig voneinander vorgebrachten Vorw�rfen meint Professor Laubenthal, dass k�nftige Forschungen zum Fall Anneliese Michel auch den Aspekt des sexuellen Missbrauchs in Erw�gung ziehen sollte."
Fakt ist auf jeden Fall, dass Anneliese Michel des �fteren allein beim Priester und "Seelsorger" Ernst Alt im Pfarrhaus in Ettleben weilte und m�glicherweise auch �ber Nacht � Anneliese also allein mit dem Priester und das auch noch in einem Gem�uer, in dem einer der Vorg�nger von Pfarrer Alt, der mehrere uneheliche Kinder zeugte, auch gemordet und geschlagen hat. �ber das innerkirchliche Verh�r von Pfarrer Alt wurde jedoch bisher �ffentlich nicht berichtet, wie immer in der Vatikankirche, in der selbst schlimmste Sexualverbrechen vertuscht werden und nach dem bis 2019 geltenden P�pstlichen Geheimhaltungsgesetz bei Androhung der Exkommunikation Jahrzehnte lang nach au�en auch vertuscht werden mussten. Der Verdacht, dass die junge Frau wom�glich von ihrem "Seelsorger" oder ihren "Seelsorgern" auch sexuell gen�tigt wurde, ist also nicht entkr�ftet, und erst im Jahr 2019 kam in gr��erem Ausma� ans Licht der �ffentlichkeit, wie oft junge Katholikinnen, vor allem Nonnen, �ber Jahrzehnte von Priestern vergewaltigt und zur Prostitution bzw. zu Abtreibungen gezwungen wurden. Das Teuflische ist also  � allgemein gesprochen � m�glicherweise gar nicht so jenseitig wie von vielen vermutet; wie gesagt, allgemein gesprochen, denn weder von Pfarrer Alt noch in den bekannt gewordenen Aufzeichnungen von Anneliese Michel gibt es ver�ffentlichte Aussagen in diese Richtung.
 
Doch was immer auch Anneliese Michel ihrer Meinung nach "gegen Gott" getan habe, sie benutzt es zu ihrer Selbstverurteilung � auch wenn sie dabei wom�glich nur einer weiteren Indoktrination aufgesessen ist.

Nach der katholischen Lehre verf�hrte die Schlange � als Symbol f�r Satan, auch "Luzifer" genannt, bzw. die dunkle Macht � die Frau, die anschlie�end den Mann verf�hrt. In der biblischen S�ndenfallgeschichte, auf die sich die katholische Kirche beruft, steckt auch viel sexuelle Symbolik, z. B. in 1. Mose 3, 7, wenn es hei�t, "... sie [Adam und Eva] wurden gewahr, dass sie nackt waren". Deshalb gilt die Schlange auch als Ur-Bild der sexuellen Verf�hrung.
Und sp�ter wird "Luzifer", die personifizierte "Schlange", einer der "D�monen" sein, der aus Anneliese spricht. Und es mutet wie eine makabre Fortsetzung der biblischen Geschichte an, wenn Anneliese sich unter seinem Einfluss sp�ter oftmals "gezwungen" f�hlt, sich vor anderen nackt auszuziehen � eine Sp�tfolge wom�glich von immer brutalerer Selbstkasteiung und gleichzeitig wohl ein gellender Hilferuf bzw. ein Protest und eine Anklage gegen die bigotte Pr�derie bzw. sexuelle Verkorkstheit in ihrem katholischen Umfeld. Ebenfalls unter dem Einfluss dieses "D�mons" nimmt sie ihren Angaben zufolge in ihren Empfindungen z. B. einzelne sexuelle "Verfehlungen"
von B�rgern am Rande des Klingenberger Festplatzes w�hrend des Volksfestes wahr. Sie selbst h�lt sich in dieser Zeit aber in einiger r�umlichen Entfernung zu den Geschehnissen in ihrer Wohnung auf.

Vielleicht spielen bei Anneliese Michels Selbstanklagen auch unausgesprochene Vorw�rfe an ihre Eltern eine Rolle, die sie den Berichten zufolge sehr gern hat, von denen sie sich jedoch kaum verstanden f�hlt und die ihr Leben einschr�nken. Unter dem "Zwang" der "D�monen" startet sie sp�ter manche wilde Kuss-Attacke auf ihren Vater, bzw. sie springt ihn mit "obsz�nen Gesten" an � auch hier Handlungsweisen einer v�llig aus dem Ruder laufenden K�rperlichkeit bzw. Sexualit�t. Dabei ist nahe liegend, dass es bei all� den dramatischen Ereignissen umfassender auch um das Aufbegehren gegen den katholischen Kinderglauben geht, der ja immer auch mit einer sehr strengen Sexualmoral verbunden ist. In klaren Augenblicken ist sich Anneliese selbst bewusst, dass sie den Anforderungen des katholischen Glaubens und ihrer katholischen Erziehung vielfach nicht entspricht, w�hrend sie nach au�en krampfhaft den Schein zu wahren versucht, was sich k�rperlich wom�glich bis hin zu den unkontrollierten Verkrampfungen der epileptischen Anf�lle zeigt, welche die �rzte diagnostizieren.

[Anmerkung: "Besessenheit" oder "Epilepsie" sind f�r den Autor nicht zwei Alternativen, die sich bei der Deutung von Anf�llen gegenseitig ausschlie�en m�ssen. Sie k�nnten unter Umst�nden � jedoch nicht generell � auch zwei unterschiedliche Aspekte des gleichen Komplexes sein; siehe dazu auch weiter unten].

Ob es also im wesentlichen diese hier dargelegten Komponenten sind, aus denen sich Anneliese Michels Schuldbewusstsein zusammensetzt oder ob es noch weitere gibt, kann man nicht genau wissen. Denn ihr Tagebuch, das einen detaillierteren Aufschluss �ber ihren Seelenzustand geben k�nnte, geht nach ihrem Tod in kirchlichen Kreisen "verloren". Wohl aus gutem Grund. M�glicherweise enthalten sie Aspekte oder gar handfeste Beweise des von Professor Laubenthal in Erw�gung gezogenen "sexuellen Missbrauchs". Und zum anderen k�nnte man aus ihren Aufzeichnungen vielleicht noch mehr �ber ihre verschwiegenen Gef�hle gegen�ber der Kirche erfahren; und eventuell mehr �ber die mit ihrer Selbstverurteilung verbundene panische Angst vor einer angeblichen ewigen Verdammnis. Und das w�rde ein noch schlechteres Licht auf die r�misch-katholische Kirche und ihre Amtstr�ger werfen, welche ihr das t�dliche Gift dieser Vorstellung eingetr�ufelt hat.

Doch auch so scheint klar: Um diese grausamste aller Vorstellungen abzuwehren, spaltet Anneliese in sich das aufkeimende Nicht-Katholische mehr und mehr ab als nicht zu ihr geh�rig, und sie liefert somit einen idealen N�hrboden f�r die "D�monen". Am Ende ihres Lebens ist Anneliese nicht mehr nur "schizoid", sondern wohl bereits innerlich geteilt, d. h. in mindestens zwei H�lften gespalten. In dieser Situation erlebt sie verst�rkt, wie nun offenbar fremde Kr�fte sich immer mehr der gegens�tzlichen bzw. unterschiedlichen Pers�nlichkeitsanteile in ihr bem�chtigen. Und diese Kr�fte kann sie immer weniger selbst steuern.

Und nicht nur das: Unter extremen Zwangsgef�hlen vollzieht Anneliese zudem Perversit�ten, bei denen man sich fragen kann, ob und wie viel dies noch mit Pers�nlichkeitsanteilen von ihr zu tun hat. Der Zusammenhang zu ihrem Leben ist zwar herstellbar, wenn sie z. B. "gezwungen" wird, endlos auf den Knien Rosenkr�nze zu beten oder sich die Kleider vom Leib zu rei�en und nackt auf dem Boden zu schlafen. Doch wie ist es, wenn sie "gezwungen" wird, bis zum k�rperlichen Zusammenbruch Kniebeugen zu machen, zwei Tage lang unter dem Tisch zu jaulen oder zu bellen wie ein Hund?
Und schlimmer noch: Sie "muss" z. B. Spinnen essen, einem toten Vogel auf dem Dachboden den Kopf abbei�en, Kohlen kauen, sich im Kohlenstaub w�lzen oder ihren eigenen Urin vom Boden aufschl�rfen. So scheint sie fast nach Belieben in Niederungen tiefster Degeneration hineingesteuert werden zu k�nnen. Doch warum entzieht sich die junge Frau nicht diesen ekelhaften und monstr�sen "Zw�ngen" bzw. "Befehlen"? Ihren eigenen Aussage zufolge, weil sich ihr "Ich" wie gel�hmt f�hlt und sie nicht die Kraft in sich versp�rt, sich dem zu widersetzen.
Selbst der Intellekt der jungen Frau wei� in wachen Stunden nicht mehr, wie er alles deuten soll. W�hrend Anneliese Michel manchmal glaubt, der "Heiland" w�rde ihr diese und jene furchtbaren Befehle geben, wird sie von den Exorzisten belehrt, "dass der Teufel auch in der Gestalt des Engels erscheinen und nat�rlich auch dessen Stimme nach�ffen kann" (Goodman, S. 193). Dies sagen die Priester jedoch nur, wenn der "Heiland" sich nicht in ihrem Sinne �u�ert. Falls er jedoch etwas sagt, was diese h�ren wollen, gilt der "Heiland" den Exorzisten als echt. W�hrenddessen nimmt die Trag�die der jungen Lehramtsstudentin ihren Lauf.

Anneliese Michel z. B. w�rtlich �ber den Zwang, sich auszuziehen:
"Ich wollte mich ins Bett legen, und dann fing es an: ausziehen! Das ist pl�tzlich da: ausziehen! ... Und dann ging es noch los, dass ich da hin�ber gehen soll ... Dann konnte ich mich wieder anziehen ... Ja, also, es ist wirklich wahr, da befiehlt ein anderer! Und zwar muss es deswegen von dort unten sein. Aber das Komische ist immer noch: Ich soll jetzt das und das machen, soll mich jetzt ausziehen, das merke ich erstens, und zweitens h�re ich es auch ein bisschen. Und dann meine ich immer, das w�re der Heiland."
Welche Gedanken und Gef�hle m�gen hier bei einer streng gl�ubigen Katholikin ausgel�st werden, wenn vielleicht gar der "Heiland" selbst m�chte, dass sich eine Frau auszieht; vielleicht, um wom�glich in einer gedanklichen Bilderwelt sexuelle Handlungen vorzubereiten, ihr wom�glich im Rahmen eines gedanklichen Kokons vielleicht sogar die "Jungfrauschaft" zu nehmen oder gar ein Kind mit ihr zu zeugen? Welche Empfindungen werden also ausgel�st, eventuell einmal mehr uneingestanden oder mehr schemenhaft bzw. ansatzweise? Vielleicht auch einfach einmal, indem der "Heiland" eine gl�ubige Katholikin in ihrer k�rperlichen Nacktheit betrachtet � ein Thema, das in Anneliese Michels famili�rem und religi�sem Umfeld ein angstbesetztes Tabu ist.
Hier ist also im konkreten Beispiel der Zusammenhang zwischen der Einsprache und den eigenen Pers�nlichkeitsanteilen sehr nahe liegend. Und wer kann schon wissen, welche Gedankenphantasien bei einem Menschen in der Zeit zuvor m�glicherweise aufgebaut worden sind?

Ein andermal spricht Anneliese Michel auch �ber den Zwang, sich in viel zu engen Schuhen die Haut aufzusch�rfen, was sie dann auch zwanghaft und masochistisch tut:
"Also, jedenfalls muss ich es so machen, ob es jetzt der Heiland ist oder der �Andere` [= Luzifer]. Ich muss es machen! Da kann ich mich �berhaupt nicht dagegen wehren. Ich wehre mich zwar, aber das hilft nicht �die Bohne`. Je mehr ich mich dagegen wehre und str�ube und will es absolut nicht machen, umso schlimmer wird es n�mlich." (Goodman, S. 191 ff.)  

Das Ritual beginnt

Und Heilung bzw. Befreiung von diesen massiven Zwangsvorstellungen und "Befehlen" erhofft sich Anneliese Michel nun ausgerechnet von der r�misch-katholischen Kirche, an deren Lehre sie innerlich erkrankt ist. Vermutlich h�tte es ihr geholfen, wenn jemand rechtzeitig versucht h�tte, ihr den Katholizismus � im �bertragenen Sinne � "auszutreiben" und ihr die M�glichkeit gegeben h�tte, einmal frei �ber ihre verdr�ngten Gef�hle bzw. unverdauten Erfahrungen zu sprechen, ohne sie dabei allerdings zu dr�ngen oder zu n�tigen. Denn jeder Mensch soll ja frei in seiner Entscheidung sein. So aber willigt Anneliese Michel immer wieder ein, dass an ihr der r�misch-katholische Exorzismus nach dem Rituale Romanum von 1614 durchgef�hrt wird, das von Papst Pius XII. im Jahr 1954 erweitert worden war. Und sie setzt sich dabei z. B. nachfolgendem Ritual aus:

"Ich beschw�re dich, unreiner Geist, jeden Einfluss des b�sen Feindes, jedes Gespenst und jede teuflische Heerschar, im Namen unseres Herrn Jesus Christus: Verschwinde und fahre aus von diesem Gesch�pf Gottes!" "Weichet von mir, ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist! Du Gottloser, und deine Engel werden W�rmer sein ... [Euch] wird ein unausl�schliches Feuer bereitet, da du der Anstifter des schimpflichen Mordes bist, der Meister der schlimmsten Frevel, der Lehrmeister aller Gottesl�sterung, der Lehrer der Irrlehrer, du Unz�chtiger. Weiche also, Gottloser! Weiche, Verruchter! Weiche mit all deinen T�uschungen!" (Agape Satana! Das Brevier der Teufelsaustreibung mit Rituale Romanum, Genf 1975, S. 207; zit. nach Wendezeit Nr. 2/2006, S. 34)

Mit solchen Beschw�rungsformeln versuchten katholische Exorzisten seit Jahrhunderten, "D�monen" auszutreiben � nach dem Desaster von Klingenberg in Deutschland unter noch gr��erer Geheimhaltung als zuvor; umso h�ufiger jedoch auch �ffentlich z. B. in Italien, Spanien und in L�ndern der Dritten Welt. Nach der Intensivierung der katholischen Exorzismus-Ausbildung durch Papst Benedikt XVI. seit Sommer 2005 k�nnte sich dies aber auch in Deutschland bald wieder ge�ndert haben. Denn die Ereignisse von Klingenberg liegen jetzt [2021] schon ca. 45 Jahre zur�ck.

Die beiden Exorzisten, Pfarrer Ernst Alt aus Ettleben bei Schweinfurt, und Pater Arnold Renz aus dem benachbarten R�ck-Schippach, der im Auftrag des damaligen Bischofs von W�rzburg, Josef Stangl (1907-1979, Bischof seit 1957), den katholischen Exorzismus durchf�hrt, bringen es auf 67 Sitzungen. Dabei gibt Pfarrer Alt offenbar ma�geblich die Strategie vor und f�hrt auch die Verhandlungen mit dem Bistum W�rzburg. Die erste Exorzismus-Sitzung dauert �ber viereinhalb Stunden. 42 Sitzungen werden auf Tonband aufgenommen, so dass die Prozeduren umfassend dokumentiert sind.
 
Die "D�monen", die aus Anneliese sprechen, nennen sich Kain, Nero, Judas, Luzifer oder Hitler, wobei haupts�chlich "Luzifer" und "Judas" t�tig geworden sein sollen. Zudem seien Vertreter der katholischen "Fraktion" anwesend wie der 1999 "selig" gesprochene Franziskanerpater Pio (1887-1968) oder die in der Familie verehrten Katholikinnen Barbara Weigand (1858-1943) und Therese von Konnersreuth (1898-1962). Oder es melden sich Seelen, die sich als "Joseph", "Maria" oder gar als der "Heiland" selbst ausgeben. Diese Seelen ben�tzen ihrerseits die "D�monen", indem sie diesen auftragen, was sie durch ihr Medium, Anneliese Michel, durchgeben sollen. So sind auch die "D�monen" ihrerseits mehr oder weniger "Medien", wenn sie im Auftrag der "anderen Seite", in diesem Fall der katholischen, sprechen. Dabei m�ssen sie auch in Worte fassen, was die r�misch-katholische Kirche �ber sie lehrt. Z. B.: "Ich bin verdammt in alle Ewigkeit, verdammt, verdammt." Oder "der Teufel muss bekennen, dass er an die unbefleckte Jungfrau Maria glaubt". (Pater Arnold Renz in einer Filmaufnahme aus dem Jahr 1976; Satan lebt, WDR 2006) (9)
Das gruselige Szenario hat auch starken Symbol-Charakter. Denn die beiden Seiten haben nicht irgendwelche "Vertreter" "geschickt", sondern jede Seite gibt vor, mit ihren "Spitzenkr�ften" anwesend zu sein, so wie dies im Katholizismus geglaubt wird. Auf der einen Seite der "Heiland" und "Maria", auf der anderen Seite "Luzifer" und "Judas", wobei sich auch die �brigen Gestalten als "hochkar�tige" Instanzen vorstellen. Dies kann nun � unabh�ngig von der wahren Identit�t der "D�monen" und angeblichen Lichtgestalten � vor allem als ein Symbol f�r die extrem gegens�tzlichen Kr�fte verstanden werden, die in Anneliese Michel mittlerweile wirken, wie es extremer gar nicht mehr vorstellbar ist. Die inneren Spannungen sind nun so stark, dass die junge Frau kurz davor steht, v�llig zerrissen zu werden.
Anneliese Michel versteht sich bei diesen gespenstischen Sitzungen jeweils als Objekt fremder Kr�fte. Zu ihrem Freund Peter sagt sie: "Ich spreche da �berhaupt nicht mehr. Meine Stimme wird einfach benutzt. Ich h�re mir praktisch zu. Ich bin das �berhaupt nicht. Ich h�re interessiert zu, und diese Bewegungen da und wie ich mich wehre, das mache ich auch nicht, das geschieht einfach mit mir. Ich stehe �ber der Sache und bin Beobachter." (Wolff, S. 218 f.)

Besessen, hysterisch oder hypnotisiert?

Was Anneliese Michel hier berichtet, klingt glaubhaft. Mittlerweile gibt es viele Erfahrungsberichte �hnlicher Art. Diese sind zumindest ein Indiz daf�r, dass "Besessenheit" m�glich ist und unter Umst�nden als geistiger Hintergrund auch mit dem Krankheitsbild einer Epilepsie in Verbindung stehen k�nnte, was jedoch nicht so sein muss. (N�heres dazu finden Sie hier.)
Anneliese Michels Schilderungen w�rden dann darauf hinweisen, dass sich ihre eigene Seele tats�chlich ganz oder teilweise au�erhalb des K�rpers befindet (und von dort das Geschehen an ihr
"beobachtet"), w�hrend haupts�chlich die fremden Seelen durch ihren K�rper agieren und dabei die extrem gegens�tzlichen Pers�nlichkeitsanteile in ihr benutzen, die sich bereits verselbstst�ndigt haben.
Es greift ganz offensichtlich zu kurz, ihr Verhalten
erg�nzend zur Epilepsie-Deutung als hysterisch bzw. als Hysterie oder "hysterische Psychose" diagnostizieren zu wollen.
Dies erfolgt von Seiten der Schulmedizin gelegentlich bei Menschen mit �hnlichem Verhalten (offenbar h�ufiger als die Diagnose Epilepsie); und vor allem dann, wenn man die M�glichkeit einer Besessenheit ausschlie�t. Zwar sind einige m�gliche Ursachen bei beiden Deutungen identisch (so z. B. eine �bersteigerte Religiosit�t, eine starke Empf�nglichkeit f�r Suggestion, verdr�ngte Sexualit�t, ausgepr�gte Schuldgef�hle und starke Gewissenskonflikte), aber es ist eben ein entscheidender Unterschied, ob man selbst eine Art
"Inszenierung" in die Wege leitet wie bei einer Hysterie oder ob man sich als Opfer einer Fremdsteuerung erlebt wie bei einer Besessenheit, wobei es nahe liegend ist, dass beides miteinander zu tun hat. Dabei ist auch die M�glichkeit flie�ender �berg�nge sehr wahrscheinlich. Demnach w�rde es Phasen geben, wo das menschliche Ich agiert und am ehesten ein Psychotherapeut oder ein Psychiater bzw. Nervenarzt ein helfender Begleiter sein k�nnte. Doch diese Phasen wechseln sich ab mit anderen, wo bereits andere Kr�fte das eigene Ich bzw. einzelne Komponenten des Ichs beherrschen und das medizinische Wissen nicht ausreicht.

So mag man als schulmedizinisch orientierter Zeitgenosse mit mehr oder weniger Recht �berlegungen zu Hysterie oder zu stark schizoiden bis schizophrenen Verhaltensweisen (oder auch zu Epilepsie oder zu neuropsychiatrischen Erkrankungen) anstellen und kann doch alleine damit die dahinter stehenden geistigen Kr�fte nicht erfassen.
Umgekehrt kann der in religi�sen oder esoterischen Kategorien denkende Mensch von Besessenheit, negativer Telepathie, schwarzer Magie sprechen, von D�monen oder Seelen, und er landet doch letztlich bei einer psychologischen Problematik des betroffenen Menschen, die den Ph�nomenen als deren Wurzel zugrunde liegt.
Dabei kann der eine Bereich nicht vom anderen isoliert werden, und es wird hier die These aufgestellt: Das menschliche Ich steht immer in der Gefahr, von anderen Kr�ften manipuliert oder gesteuert zu werden. Und umgekehrt: Der manipulierte oder gesteuerte (bzw. besessene) Mensch muss, um gesunden zu k�nnen, fr�her oder sp�ter zu den psychischen Wurzeln zur�ckgef�hrt werden, die dieser Manipulation oder Besessenheit einst den Weg geebnet hatten. Dabei gibt es eben nicht nur die beiden Typen
"Selbst handelnd" und "Besessen", sondern auch verschiedene Mischformen.
 
Zu diesen Mischformen w�rden auch die Handlungen geh�ren, die Menschen in einer Art Trance durchf�hren. So konnten durch Hypnose-Experimente z. B. k�rperliche Reaktionen beim Menschen hervor gerufen werden, die den Ph�nomenen bei einer Besessenheit teilweise gleichen, wobei auch Kr�fte frei gesetzt wurden, �ber die der betreffende Mensch normalerweise nicht verf�gt.
Lehnt man die M�glichkeit einer Besessenheit ab, w�rde sich der Betroffene nach diesem Erkl�rungsmuster in einer Art Selbstsuggestion bzw. Selbsthypnose in das Ph�nomen der
"Besetzung" hinein steigern, was dann durch die Beschw�rungsformeln des Exorzisten noch weiter verfestigt w�rde.
Diese Deutung kommt dem Sachverhalt zumindest etwas n�her als die Hysterie-Theorie, weil es den v�llig anderen Bewusstseinsstand des Betroffenen im Zustand der
"Besessenheit" ber�cksichtigt. Doch l�sst sich vieles, was der "Besessene" tut und sagt, eben nicht mit Selbstsuggestion erkl�ren, weil eine Suggestion mit diesen Inhalten in diesen F�llen schlicht nicht stattgefunden hat (z. B. wenn ein "Besessener" in einer Sprache redet, die er nie gelernt hat und vieles mehr). Und au�erdem wird damit nicht erkl�rt, dass "Anf�lle" eben auch ohne vorherige Suggestion erfolgen, so dass man auch von aktiven Kr�ften ausgehen kann, die zwar wie bereits oben beschrieben in enger Beziehung zum "Besessenen" stehen, aber nicht identisch mit ihm sind.
Betrachtet man die unterschiedlichen Deutungen, l�sst sich
allgemein gesprochen zudem feststellen, dass ein m�glicherweise identisches Ph�nomen von verschiedenen Schulrichtungen mit unterschiedlichen Interpretationen belegt wird. So kennt man in der Medizin mittlerweile auch die "multiple Pers�nlichkeit"
(aus einem Menschen sprechen unterschiedliche Ichs bzw. verschiedene Personen, die abwechselnd den Menschen steuern), was offenbar identisch mit einer "Besessenheit" ist.

Die m�glichen geistigen Hintergr�nde hinter den vordergr�ndigen Ph�nomenen k�nnten dann allgemein und in aller K�rze wie folgt skizziert werden:
Man w�rde zun�chst davon ausgehen, dass beim Tod eines Menschen jeweils die unsterbliche Seele ihre sterbliche H�lle, den K�rper, verl�sst. Die unsterbliche Seele lebt im Jenseits dann in dem Bewusstsein weiter, in dem der Mensch, in dem sie inkarniert war, verstorben ist. Dabei suchen manche Seelen wieder den Kontakt zur Erde und ihren Bewohnern. Und �ber Menschen, die sich f�r solche Einfl�sse freiwillig oder unfreiwillig �ffnen, so genannte Medien, kann eine Seele aus dem Jenseits nun auch mit unserer diesseitigen Welt Kontakt aufnehmen. Dies ist jedoch den Erfahrungsberichten zufolge nicht beliebig m�glich. Die jenseitigen Kr�fte werden vor allem dort t�tig, wo sie bei einem Menschen bereits Gleiches oder �hnliches vorfinden wie das, was sie dann durch ihr Medium durchgeben. Es handelt sich also um eine Art "geistigen Magnetismus" nach der Art "Gleiches zieht zu Gleichem".
Dies w�rde erkl�ren, warum Annelieses "D�monen" teilweise genaue Anweisungen geben, welchen Kurs die r�misch-katholische Kirche einzuschlagen hat, was sich in diesen F�llen mit Annelieses eigenen Anschauungen oder denen ihrer Eltern oder der Exorzisten deckt. Z. B. fordert ein D�mon, die Hostie d�rfe dem Gl�ubigen beim Abendmahl nicht in die Hand gegeben werden (die so genannte "Handkommunion"), sondern m�sse ihm wie die Jahrhunderte zuvor weiterhin in den Mund gesteckt werden (die so genannte "Mundkommunion"), so wie es der Exorzistenpater Arnold Renz auch glaubt. Die Gl�ubigen im Umfeld von Anneliese Michel deuten die Geschehnisse dann so wie die Freundin Thea Hein (12), die von einem Exorzismus u. a. berichtet: "Der Teufel hat gesagt, er muss noch allerhand sagen im Auftrag des Nazareners." (Satan lebt, WDR 2006)

Doch mit dem Mann aus Nazareth haben diese Besessenheits-Ph�nomene nichts zu tun, und es wird hier klar verneint, dass eine der beteiligten Seelen tats�chlich Christus bzw. der "Heiland" gewesen sein k�nnte, wie er manchmal genannt wird. Denn Jesus, der Christus, n�tigt weder einen "Teufel" noch einen "D�mon", irgendetwas in seinem Auftrag mithilfe eines furchtbar leidenden Mediums zu sagen, und solches ist auch nirgends im Neuen Testament zu finden. Und schon gar nicht vertritt er konservativ-katholische Vorstellungen, die mit ihm nichts zu tun haben (vgl. z. B. Der Theologe Nr. 25).
Hier stecken andere Kr�fte dahinter, und darunter eben auch ein falscher "Heiland". Und auch bei den "D�monen" muss bezweifelt werden, dass es sich bei ihnen wirklich um die Seelen von Adolf Hitler, Kaiser Nero, Judas, Kain oder Luzifer handelte, als die sie sich ausgegeben haben. Hier k�nnte es sich zumindest �berwiegend um Wichtigtuerei handeln. Sehr wahrscheinlich k�nnte sich jedoch tats�chlich die Seele von Pfarrer Valentin Fleischmann bemerkbar gemacht haben, die sich auch als solche vorstellte. Valentin Fleischmann war einer der Vorg�nger des Exorzisten Ernst Alt auf der Pfarrstelle in Ettleben,
der mehrere uneheliche Kinder zeugte. (8)
 
Dabei scheint hier eines gewiss, auch f�r den, der diese m�gliche Deutung nicht bef�rwortet:
Die "D�monen" aus Anneliese �u�ern sich nicht beliebig. Sondern sie spiegeln die mittlerweile extrem gegens�tzlichen Pers�nlichkeitsanteile der jungen Frau wieder, sowohl die katholischen als auch die der katholischen Kirche gegen�ber zutiefst feindlichen und aggressiven. So lehren die "D�monen" im Auftrag ihrer katholischen "Hinterm�nner" einerseits: "Theologen m�ssen sich bessern", sprich "bessere" Katholiken werden. Und andererseits zerrei�t ein "D�mon" dann in eigener Sache durch Anneliese immer wieder Rosenkr�nze, oder er wehrt sich mit unfl�tigen Spr�chen oder w�tendem Schreien gegen den Exorzisten, oder er tut es mit der Selbstbehauptung "Ich bin nicht unrein".
Einen solchen Widerspruch gegen die katholische Lehre h�tte die junge Frau Michel in Ich-Form niemals gewagt, weil sie Angst vor den Konsequenzen eines Widerspruchs hatte. Denn dann h�tte sie sich aus ihrem von der Kindheit her vertrauten sozialen Umfeld ausgeschlossen und h�tte nach r�misch-katholischer Lehre sp�ter ewig in die H�lle gemusst. Und genau in dieser indoktrinierten Furcht davor liegt die Hauptwurzel des ganzen �bels.
Und so scheinbar menschlich hart das in diesem Zusammenhang auch klingt: Welche andere M�glichkeit hatten die aus dieser Furcht heraus abgespaltenen Pers�nlichkeitsanteile Annelieses, um sich Geh�r zu verschaffen? So verb�ndeten sie sich eventuell mit fremden Seelen bzw. M�chten, um dann durch diese aus der jungen Frau mit aller Wucht zu schreien. Anneliese Michel gibt diesen Empfindungen in ihr wom�glich keine andere Chance und muss einen grausamen Preis daf�r zahlen. So zw�ngt sie sich � trotz gegens�tzlicher Empfindungen � immer wieder in das enge Korsett ihrer r�misch-katholischen Glaubenswelt zur�ck. Und damit schafft sie vermutlich die Voraussetzung, dass sich auch "die jenseitigen Vertreter des Katholizismus" dieser "D�monen" bedienen k�nnen, die sich bei Anneliese Michel den medialen "Kanal" geschaffen haben, durch den sie sich mitteilen k�nnen.

Die "D�monen" wollen nicht in die H�lle

Und hier treiben nun einige der "D�monen" mit der Angst der engagierten Katholikin, der Kirche zu widersprechen, sich mit ihrem sozialen Umfeld zu �berwerfen und am Ende ewig verdammt zu werden, ihre makabren und obsz�nen Spiele (Dauerkniebeugen, jaulen, nackt herumtoben, Spinnen essen und Urin trinken usw.; siehe oben). Und Anneliese Michel gehorcht immer � ein Leben lang und bis zum bitteren Ende. Ob bei klarem Bewusstsein oder unter dem von ihr als "Zwang" erlebten "Besessen-Sein". Sie gehorcht � sowohl der Kirche und ihren Drahtziehern als auch ihren "D�monen".

Anneliese Michels Wohnhaus in Klingenberg am Main

In diesem Haus im fr�nkischen Weinland versuchten die beiden Priester Renz und Alt, die "D�monen" aus der Studentin auszutreiben. Einen Tag nach dem 67. Exorzismus ist Anneliese Michel dort gestorben.


Die Austreibungsformeln des kirchenamtlichen Rituale Romanum, gesprochen durch den Exorzisten Arnold Renz, der mal auf Deutsch, mal auf Latein beschw�rt, tun ihr �briges und geben der Studentin ganz offenbar den Rest. Und so wie in nachfolgendem Beispiel geht es w�hrend des Exorzismus schier endlos hin und her.

"Pater Renz: �Wir werden die drei M�chte bitten, dass sie euch in die H�lle sto�en. Wir werden zu den Armen Seelen beten, zu den Schutzengeln, zu den Heiligen ...` Pater Renz beginnt mit dem Vater Unser.
�Nein, nein, nein, nein, nein!`, schreit es aus Anneliese.
�Heiliger Erzengel Michael ... du F�rst der himmlischen Heerscharen, wolltest du den Satan und die anderen b�sen Geister, die zum Verderben der Seelen in der Welt umherschweifen, mit Gottes Kraft in die H�lle hinab sto�en ...`
"
Felicitas D. Goodman, aus deren Buch Anneliese Michel und ihre D�monen (2) diese Zitate stammen, schreibt weiter:
"Endlich wehren sich die D�monen:
�Wir bleiben noch!` knurrt einer.
�Wer erlaubt euch das?`
�Die Dame!`, bellt er.
Pater Renz f�ngt von neuem an zu beten und versucht eine andere Taktik: �Es muss euch doch eine Qual sein, hier zu bleiben! Ihr solltet doch eigentlich mit Freuden ausfahren!`
�Nein!`
�Warum geht ihr nicht?`
�Weil�s dort viel schlimmer ist!`
"
(Goodman, S. 165 f.)

Diese makabren Dialoge offenbaren dem, der es wahrnehmen will, eine einfache Wahrheit. Vorausgesetzt, Anneliese Michel wurde tats�chlich als Folge ihrer schizoiden Lebenshaltung von jenseitigen Seelen besessen, n�mlich "ihren D�monen", dann ist es doch verst�ndlich, dass diese nicht in eine angeblich ewige H�lle wollen. Dahin hatte sie die katholische Kirche schon oft zu schicken versucht, und dahin wollen sie die kirchlichen Amtstr�ger nun einmal mehr wieder verbannen.
Doch wer will schon freiwillig in ein unendliches Grauen, in ewige Qualen? Niemand will dorthin. Und eventuell ist es f�r diese Seelen ein jenseitiges Aha-Erlebnis, dass man auch keineswegs dorthin muss! Lieber besetzen sie weiterhin ihr Opfer und schreien ihren Protest durch ihr Medium heraus – ein Protest, der f�r die kirchlichen Exorzismus-Vollstrecker nat�rlich gottesl�sterlich klingt. Dabei sind die Schreie der "D�monen" manchmal nichts anderes als eine Fundamental-Kritik an dieser scheinheiligen und furchtbaren r�misch-katholischen Kirchenlehre, die aus den von ihr verdammten Seelen – durch das Medium – heraus bricht!

So weit eine m�gliche Deutung. Doch selbst wenn man voraussetzt, es w�rde sich gar nicht um Seelen handeln, sondern "nur" um Pers�nlichkeitsanteile Annelieses, die im Kampf mit den Exorzisten liegen, dann w�re das im Ergebnis nicht viel anders. Auch hier ist es verst�ndlich, dass diese Anteile Annelieses nicht in die "Verdammnis" wollen. Sie wollen als Teil der Pers�nlichkeit erkannt werden, so dass ein gesunder Mensch entscheiden kann: Lebe ich das aus, was sich in mir an Gef�hlen und Vorstellungen auftut? Oder gestehe ich es mir ehrlich ein, gebe dem aber nicht nach, sondern bearbeite die aus meiner Sicht negativen Ursachen daf�r?
Oder finde ich einen goldenen Mittelweg? Bzw. beginne ich allm�hlich aufzuarbeiten, was mir eventuell andere einst angetan haben?
Doch bis zu dieser Fragestellung ist es bei Anneliese Michel gar nicht mehr gekommen. Die "D�monen" hatten sie in ihren letzten Monaten schon zu sehr im Griff.

Vor allem der "D�mon" mit dem Namen Judas war beteiligt. Und auch er hat verst�ndlicherweise kein Interesse an der H�lle:
"Wo soll ich denn hinfahren?"
"In die H�lle!"
"Nein!"
"Da geh�rst du hin!"
"Nein ... nein ... nein ... nein!"
"In die H�lle geh�rst du! Nur weil du�s verdient hast, bist du dort. Du wolltest ja nicht dienen!"
(Goodman, S. 170)
 
Neben Judas gibt es � wie bereits berichtet � v. a. den "D�mon" mit dem Namen Luzifer. Pater Arnold Renz wiederholt den exorzistischen Befehl unz�hlige Male. Dann hei�t es bei der Buchautorin Felicitas Goodman:
"Pater Renz wendet sich an die Heiligste Dreifaltigkeit, an Jesus, an die allerseligste Jungfrau Maria, den Erzengel Michael es n�tzt nichts. Der D�mon muss sich fast erbrechen und dennoch sagt er immer wieder: �Nein!` Nach drei weiteren exorzistischen Befehlen, er solle ausfahren und nie wiederkommen, scheint er endlich im R�ckzug begriffen:
�Ich bin verdammt ... weil ich nicht ... weil ich Gott nicht dienen wollte ... ich wollte selber herrschen ... obwohl ich nur Gesch�pf war.`
Dann wehrt er sich wieder und f�gt hinzu: �Ich geh nit!`
Wie Hagel prasseln ihm die vielen Befehle des Priesters auf den Buckel, aber er gibt sich nicht geschlagen. Er w�rgt furchtbar, mit �bermenschlicher Kraft, viermal hintereinander. Einige seiner Schreie ert�nen doppelt, so als habe er zwei M�uler.
�Du wolltest dich dem Himmel nicht unterwerfen, nun musst du in die H�lle!`

�Nein ... nein ... nein ... nein!`"
(Goodman, S. 171)

Die "D�monen" wehren sich auf solche Weise erfolgreich gegen die Versuche der kirchlichen Amtstr�ger, sie in eine ewige Verdammnis zu verbannen.
Wenn man solches liest und sich bewusst macht, dass all dies eben nicht nur auf die "D�monen", sondern auch auf die junge Studentin "niederprasselt", dass sie, die Studentin, sich erbrechen muss und vieles mehr � wundert es da noch, dass sie diese Prozedur des r�misch-katholischen Exorzismus letztlich in v�llige Hilflosigkeit und schlie�lich mit in den Tod treibt?

 Anneliese Michel �
ein Opfer des Dogmas der ewigen Verdammnis

Das Schicksal Anneliese Michels kann so zum Zeugnis daf�r werden, was das r�misch-katholische Dogma von der ewigen Verdammnis bei Menschen anrichten kann, wenn man diese Lehre und ihre allergr�sslichsten Folgen tats�chlich Ernst nimmt (siehe dazu auch Der Theologe Nr. 19 � Es gibt keine ewige Verdammnis). Und Anneliese Michel hat diese Lehre Ernst genommen. Es ist eine Lehre, die zu einer v�lligen Vergiftung der Seele f�hren kann, zu nicht endenden Schuldgef�hlen und unaufhebbarer Angst. Und damit k�nnen Gl�ubige lebenslang beherrscht und in Abh�ngigkeit gehalten werden, weil sie nicht wagen, etwas zu tun, was vielleicht dem Innersten ihrer Seele entspricht, was jedoch nach r�misch-katholischem Glauben in die angeblich ewige H�lle f�hrt.

Johannes Daniel Breit, der "Parochus Klingenbergiensis"

Johannes Daniel Breit, der r�misch-katholische "Parochus Klingenbergiensis" im Heimatort von Anneliese Michel. Bei Aussteigern, Abweichlern und "beharrlichen" Zweiflern kennt die Kirche keine Gnade ...

Anneliese Michel will ja eine besonders gute und folgsame Katholikin sein. Deshalb trifft es sie besonders hart.
Gerade empfindsame und sensible Gl�ubige sind f�r seelische Einflussnahmen besonders empf�nglich. Dadurch werden sie jedoch zwangsl�ufig krank � ekklesiogene, d. h. kirchenbedingte Neurose hei�t der Fachausdruck. Denn die Vorstellung einer Verworfenheit in alle Ewigkeit sowie die Vorstellung nie endender grausamer Schmerzen und Qualen widerstrebt fundamental der Sehnsucht jedes Menschen nach Gl�ck und nach einem Gott der Liebe, der keines Seiner Kinder auf ewig verdammt. Demgegen�ber verweigert der Gott der katholischen Kirche seine Barmherzigkeit selbst dann, wenn eine "verdammte" Seele nach katholischer Vorstellung im Jenseits ihre Vergehen bitter bereut und sich von Herzen danach sehnt, alles wieder gutzumachen, was sie an Negativem verursacht hat. "Das h�tte sie eben machen sollen, solange sie noch als Mensch auf der Erde war", so sinngem�� die kirchliche Antwort, wenn das Urteil zuvor auf "Verdammnis" gelautet hat. Jetzt gebe es nur noch allergrausamste Dauerfolter ohne die geringste Aussicht einer Linderung. Wenn man sich das nur einmal ansatzweise vorzustellen versucht ... Was f�r ein "Gott"!

Was Anneliese Michel betrifft, kann man diesen ihren Glauben und seine Auswirkungen wie folgt zusammenfassen:
Aus Angst vor der ewigen Verdammnis wagt sie nichts zu f�hlen, zu denken oder zu tun, was sie ihrer Meinung nach in Gefahr bringen k�nnte, dort zu enden. Und die Bedingungen der Kirche k�nnen knallhart sein (siehe z. B. Der Theologe Nr. 18). Gleichzeitig glaubt sie daran, dass Verfluchungen oder Verw�nschungen ihr etwas anhaben k�nnen, und sie �ffnet ihr Bewusstsein zus�tzlich f�r diese weiteren �ngste anstatt ihnen die Stirn zu bieten. So f�hlt sie sich auch von daher ziemlich nahe an dem angeblich endg�ltigen gr�sslichen Abgrund, so wie in die r�misch-katholische Kirche lehrt.
Nun ist sie aber auch eine nat�rlich denkende und empfindende und zudem intelligente und anmutige junge Frau mit einem gro�en positiven charakterlichen Potenzial. Nur kann sie aber nicht beides zugleich leben. Die beiden Bereiche geraten immer wieder in Spannung und Widerspruch zueinander. Und auch bei realen Fehlern und "S�nden", die sie � wie alle Menschen � bei sich erlebt, bieten beide Lebensentw�rfe ganz unterschiedliche Antworten an, um damit umzugehen bzw. etwas an sich zu ver�ndern.
Anneliese Michel bleibt dabei ihrem r�misch-katholischen Glauben verhaftet, obwohl sich ihre nat�rlich empfindende Seele mit Macht dagegen wehrt. Die junge Frau wird von diesem Konflikt schlie�lich zerrissen und auf diese Weise auch zum Spielball dunkler Kr�fte. 
Der Exorzismus ist dabei der Versuch des einen Bereichs (der ja auch ein geistiges Energiefeld darstellt), den immer verworreneren Konfliktherd mit magischer Gewalt zu vernichten. Die obersten Instanzen der Kirche (angeblicher "Heiland", angeblich Maria und Josef, Kirchenheilige usw.) schlagen sich in Annelieses Inneren dabei mit den "niedersten" Instanzen (angeblich Luzifer, Judas, Kain usw.) herum, bis die junge Frau unter entsetzlichen Qualen daran stirbt.
Und auch daf�r konstruiert der Katholizismus noch eine scheinheilige Erkl�rung, mit der die "Kirchenschafe" weiter im Pferch gehalten werden sollen, in diesem Fall eine angebliche "S�hnebesessenheit", was weiter unten noch etwas ausgef�hrt wird.
H�tte Anneliese Michel nicht an das r�misch-katholische Dogma von der ewigen Verdammnis geglaubt, w�re sie mit hoher Wahrscheinlichkeit frei geworden. So aber ist sie zu einem Opfer der Kirche und deren Lehre der ewigen Verdammnis geworden.

Dabei ist diese Lehre nicht von Anfang an Glaubensgut der Kirche gewesen. Bis ins 6. Jahrhundert war der Glaube an eine einstige R�ckkehr aller gefallenen Wesen zur�ck zu Gott sogar in der Kirche noch weit verbreitet. Erst auf dem Konzil von Konstantinopel im Jahr 553 wurde der Glaube an die schlussendliche R�ckkehr aller Seelen und Menschen zu Gott aus der kirchlichen Lehre gestrichen und durch das neue Dogma von der ewigen Verdammnis ersetzt. Und ausgerechnet die Erfinder dieser Lehre bieten nun an, allein ihr Glaube k�nne auch vor ihrer Erfindung bewahren. So hei�t es bereits drohend beim Kirchenlehrer Cyprianus (3. Jahrhundert): "Extra ecclesia nulla salus = Au�erhalb der Kirche gibt es kein Heil", d. h. keine Rettung.
Diese Lehre wurde vom Laterankonzil im Jahr 1215 bekr�ftigt und z�hlt heute zu den "unfehlbaren" Glaubenss�tzen der Kirche (siehe Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr. 375). Also ohne die Kirche nur niemals endende, ewige H�llenqualen?

"Die Teufel und die anderen D�monen wurden zwar von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber durch sich b�se" (4. Konzil im Lateran 1215: DS [Dogmensammlung Denzinger-Sch�nmetzer] 800) ... Wegen des unwiderruflichen Charakters ihrer Entscheidung und nicht wegen eines Versagens des unendlichen g�ttlichen Erbarmens kann die S�nde der Engel nicht vergeben werden. "Es gibt f�r sie nach dem Abfall keine Reue, so wenig wie f�r die Menschen nach dem Tode" (Johannes von Damaskus, f. o. 2, 4) ... Die Lehre der Kirche sagt, dass es eine H�lle gibt und dass sie ewig dauert. Die Seelen derer, die im Stand der Tods�nde [Anmerkung: wozu z. B. der Abfall vom katholischen Glauben geh�rt] sterben, kommen sogleich nach dem Tod in die Unterwelt, wo sie die Qualen der H�lle erleiden, "das ewige Feuer".

Aus: Katechismus der Katholischen Kirche 1992, Nr. 392, Nr. 393 und Nr. 1035; ma�geblich verfasst von Joseph Kardinal Ratzinger, autorisiert von Papst Johannes Paul II.

Mit dieser t�dlichen Drohung, die heute meist subtiler gehandhabt und verbreitet wird, versucht die Kirche bis in die Gegenwart, ihre Gl�ubigen zu disziplinieren, was �brigens auch in verschiedenen Varianten in evangelischen Kirchen geschieht. Nicht ins Kalk�l passen dabei nat�rlich solche "Betriebsunf�lle" wie bei Anneliese Michel, die � getreu der kirchlichen Ethik � nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschen vor der ewigen H�lle retten m�chte.
"Ich habe immer gedacht, ich will auch f�r die anderen Leute leiden, damit die nicht in die H�lle kommen, aber dass das so schlimm ist und so grausam, und so furchtbar! ... dann will man keinen Schritt mehr", bekennt sie gegen�ber Pater Arnold Renz (Goodman, S. 190). Dennoch schreitet sie weiter auf ihre Peiniger zu.

Deshalb zeigt Anneliese Michels Leiden und Sterben, wenn man so schlussfolgern will, auch ein gescheitertes Aufbegehren gegen�ber dieser Religion des Todes. Gescheitert letztlich, weil die nach Befreiung Ringende voller Angst an ihren Peinigern und deren Lehren festh�lt und diese nicht zu hinterfragen wagt. Dabei h�tte sie dazu mehrfach Gelegenheit gehabt.
So ist sie z. B. irritiert, dass sie unter anderem zum Beten gezwungen wird:
"Ich muss sehr viel beten. Das ist alles so widerspr�chlich. Ich mache das schon freiwillig, aber trotzdem ist manchmal ein Druck dahinter ... Dann wieder musste ich stundenlang knien und bis nachts um zw�lf oder ein Uhr einen Rosenkranz nach dem anderen beten. Der Papa hat mitgebetet. Das musste ich. Das war furchtbar! Oh, Pater Arnold, ich habe ein Grauen bekommen, ... dass ich �berhaupt nichts mehr wissen wollte von heiligen Dingen ..."
Sch�chtern begr�ndet sie diese zeitweise Abneigung gegen den r�misch-katholischen Glauben damit, dass der Heiland
"zugelassen hat, dass das so grausam war" (Goodman, S. 194 f.). Einen weiter gehenden Widerspruch wagt sie in der Ich-Form jedoch auch hier nicht. Das ist dann wieder die Sache der "D�monen".
Sp�testens an dieser Stelle wird deutlich, dass diese Zwangshandlungen nicht durch einen Exorzismus zu
"heilen"
sind, sondern dass dieser den Irrsinn nur verst�rkt. 

Der katholische Exorzismus hat mit Jesus nichts zu tun

Besetzung und Umsetzung, d. h. Besessenheit und Umsessenheit von Menschen, scheinen zu allen Zeiten Realit�t, und von solchen Ph�nomenen wird auch aus verschiedenen Kulturkreisen berichtet.
Doch die dauerhafte Heilung einer solchen Besessenheit kann niemals durch ein Exorzismusritual erfolgen
. Es kommt allenfalls zu einem kurzzeitigen Zur�ckdr�ngen dieser Kr�fte, die � lange bevor sie sich auf diese schlimme Weise verselbstst�ndigten � h�tten als Botschaften erkannt und seelisch aufgearbeitet werden m�ssen.
Genauso wenig erfolgreich wie ein Exorzismus ist allerdings auch eine Medizin, welche die geistig-seelischen Vorg�nge hinter den k�rperlichen Symptomen leugnet oder davon nichts wissen will.
Am hilfreichsten w�re wohl eine rechtzeitig beginnende Psychotherapie, die sich der Hilfe zur Selbsterkenntnis und einer verantwortbaren Ethik verpflichtet wei�.
Sind die Besetzungs-Ph�nomene jedoch schon ausgepr�gt und verfestigt, wird eine m�gliche Heilung �u�erst schwer. Hierzu bed�rfte es neben der Einsicht des Betroffenen in seine Situation einer humanen Medizin in Verbindung mit sehr viel therapeutischem Geschick. Dabei bek�me es der Arzt oder der Therapeut je nachdem entweder mit dem Betroffenen selbst und seiner nach Befreiung ringenden Seele zu tun oder den ihn bedr�ngenden "fremden M�chten".
Der katholische Exorzismus hingegen besteht darin, die angeblichen oder tats�chlichen D�monen mit einem erniedrigenden Wort-Ritual zu attackieren, wodurch man den Ursachen des Leidens nicht auf die Spur kommt und wodurch sich die Situation des Betroffenen meist noch weiter verschlimmert.

Wenn die Kirche in Sachen D�monenaustreibung auf Jesus von Nazareth verweist, so ist das, bemessen an ihrem Tun, unredlich. Denn Jesus schickte die "b�sen Geister" nicht in eine ewige Verdammnis – weil es eine solche bei einem Gott der Liebe, den Jesus lehrte, und der jedem Verlorenen nachgeht (vgl. die Gleichnisse vom verlorenen Sohn, Schaf bzw. Groschen), nicht gibt. Solches steht auch nirgends in der Bibel geschrieben. Das dort in diesem Zusammenhang manchmal gebrauchte Wort aionios bezeichnet einen "�on", eine sehr lange Zeit, aber nicht die Unendlichkeit (vgl. dazu Der Theologe Nr. 19).

Als Jesus offenbar einmal einen Besessenen heilte, warfen ihm die damaligen Theologen vor, er vollbringe die Austreibung mit Beelzebub, dem Obersten der "Teufel". Doch dies war nichts anderes als eine Projektion ihrer eigenen erfolglosen Austreibungspraxis.
Und die heutigen katholischen Theologen tun das Gleiche wie die damaligen Theologen. Sie sind es, die "den Teufel mit dem Beelzebub" auszutreiben versuchen, wie es im Sprichwort hei�t, also: Das Teuflische verbirgt sich, indem es vorgibt, den "Teufel" auszutreiben. Und es stellt sich hier auch die Frage, ob die angeblichen "Teufelsaustreiber" nicht eher "Teufelseintreiber" sind (siehe dazu auch unten).
Mit Ritualen und einem unheimlichen monotonen Gebets-Murmeln versuchen also auch die heutigen Theologen, die D�monen auszutreiben. Und der Hilfe suchende Gl�ubige bleibt dabei meist auf der Strecke.
Im Gegensatz dazu hatte Jesus wohl die oben dargelegten F�higkeiten, zu der Wurzel der Besessenheit vorzudringen und auch zu der Lebenssituation der beteiligten fremden Seelen, womit die Voraussetzung f�r eine dauerhafte L�sung der Problematik gegeben war. Denn er wusste dank seiner offenbar ungebrochenen inneren Verbindung zu Gott bzw. zum G�ttlichen in ihm, was beim Betroffenen zugrunde lag und wer ihn warum "besetzte".
Dass Jesus einmal "D�monen" ersatzweise in Schweine geschickt haben soll, die sich darauf hin in einen See in den Tod gest�rzt haben sollen, ist sehr wahrscheinlich eine antike Exorzismus-Legende mit heidnischem Tieropfer-Motiv und keine tats�chliche Begebenheit (Matth�us 8, 28 ff.). Denn Jesus hat auch sonst nie Menschen geholfen, indem er anderen Menschen oder Tieren schadete. Und selbst in der biblischen Legende wird nicht ausdr�cklich gesagt, dass Jesus die "D�monen" aktiv in die Tiere umgeleitet h�tte. Seine Vollmacht bestand demnach darin, dass er die Menschen und Seelen durchschaute und folglich auch schwierige Situationen richtig einsch�tzen und entsprechend handeln konnte.

Anders die kirchlichen Exorzisten, welche zur Verst�rkung ihrer Austreibungspraxis auch so genannte Reliquien benutzen. Auch das hat nicht das Geringste mit Jesus zu tun, sondern mehr mit dem Voodoo-Kult, wo bei den Exorzismus-Ritualen ebenfalls zahlreiche Reliquien benutzt werden.
Der Exorzismus-Forscher Uwe Wolff schreibt: "Am Freitag, dem 21. November, benutzt Pater Renz einen Splitter vom Kreuze Christi, Reliquien des Vinzenz von Paul, des im Kampf gegen den Teufel erprobten Pfarrer von Ars, und vor allen Dingen eine Reliquie von Papst Pius X ..." (Wolff, S. 235)
Die unmittelbare Folge: "Anneliese wird durch diese Sitzung so weit aus der Bahn geworfen, dass sie die kommende schulpraktische Pr�fung f�r die Missio canonica [die kirchenamtlichen Bef�higung zur katholischen Religionslehrerin] nur unter gro�en Schwierigkeiten besteht."
Und ihr Freund Peter Himsel muss eingestehen: "Man hat ja gemerkt, wenn man hinkommt, betet den Exorzismus, da wird�s ja eigentlich schlimmer. Das war ja irgendwie das Tragische daran, jedenfalls in der letzten Zeit." (Wolff, S. 243)

Religion des Todes

Und damit das Ganze nicht ans Tageslicht dringt, muss diese unselige Prozedur nat�rlich m�glichst im Verborgenen vollzogen werden. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum der W�rzburger Bischof Josef Stangl zun�chst z�gert, die Erlaubnis zum Exorzismus an Anneliese Michel zu erteilen. "Die gebotene Diskretion soll auf jeden Fall gewahrt werden � keinerlei Medien d�rfen w�hrend des Exorzismus zugelassen werden und weder vor noch nach der Exorzismushandlung d�rfen sie dar�ber �ffentlich informieren", hei�t es in dem neuen Exorzismusdekret des Vatikan aus dem Jahre 1999.
Zudem soll im Vorfeld eines m�glichen Exorzismus die Situation intensiver medizinisch und psychologisch durchleuchtet werden. So beschwichtigt der Jesuit Alfred Singer im Hinblick auf die aktuellen Anwendungen: "Der Exorzismus ist Liturgie, ist Gebet f�r einen kranken Menschen". (Main-Post, 9.7.2007)
Die M�nner der Kirche in Rom werden wissen, warum sie hinsichtlich der Inhalte des Exorzismus derzeit lieber etwas leiser treten, vor allem in Deutschland.

Denn es wird nat�rlich nicht nur "gebetet". So wird bei einem Exorzismus den Betroffenen mitunter auch das Kruzifix mit dem zu Tode geschundenen Jesus vor die Nase gehalten, so wie Inquisitoren es in der Vergangenheit den verbrennenden Frauen und M�nnern auf dem Scheiterhaufen entgegen streckten. Und so wie viele Opfer der Kirche noch im Todeskampf standhaft blieben und sich von dem Kruzifix abwandten, so wehrt sich auch ein "D�mon" in Anneliese: "Weg mit dem Ding!"

Einer, der die Kirche sehr gut kennt, der ehemalige Dekan der r�misch-katholischen Fakult�t der Universit�t Wien und Religionswissenschaftler Professor Hubertus Mynarek, weist auf die tiefenpsychologische Bedeutung des Kruzifix in der Kirche hin, die eine ganz andere ist als die vordergr�ndige Bedeutung, wonach das Kruzifix auf ein angebliches stellvertretendes S�hneleiden von Christus f�r die Menschheit hinweisen soll.
Die Kirchen-Oberen, so Mynarek, "stellen immerfort den maltr�tierten, misshandelten, gequ�lten, blut�berstr�mten Leichnam dar. Warum? Weil sie eine Religion des Todes und nicht des Lebens sind! Da kann der Papst noch hunderte Male von der Kultur des Lebens sprechen, die die katholische Kirche versinnbildlichte, und sie der Kultur des Todes entgegen stellen. In Wirklichkeit ist die Kirche die Kultur des Todes, des gequ�lten Leichnams, und glaubt selber nicht an das Leben." (3)
Man k�nnte den Gedanken des Religionswissenschaftlers noch weiterf�hren: Mit dem toten Mann am Kreuz w�rde unterschwellig und entgegen den oberfl�chlichen theologischen Erkl�rungen etwas ganz anderes symbolisiert. N�mlich: "Jesus ist tot, wir haben ihn besiegt."
Religionsph�nomenologisch ist das Kruzifix demnach vergleichbar den barbarischen Troph�en archaischer Kriegsv�lker, welche die K�pfe bzw. Skalps ihrer hingerichteten Gegner triumphierend vor sich hertragen. Besonders drastisch veranschaulicht wird diese katholische Dauer-Todesdemonstration z. B. durch das Handkruzifix von Papst Johannes Paul II., an dem er den furchtbar gekr�mmten K�rper des sterbenden Jesus demonstrativ vor sich hertrug. Und ein gutes Beispiel ist auch der Sendemast von Radio Vatikan, an dem ein besonders geschundener Jesus-K�rper h�ngt
(siehe das 2. Foto auf der Seite
www.dw-world.de).

Wer es so sehen m�chte, der erkennt darin eine tiefere Botschaft, die im Gegensatz zur oberfl�chlich verk�ndeten Botschaft eines angeblichen S�hneleidens steht: Die Kirche w�re demnach die Gegenspielerin von Jesus. Und sie bedient sich nur seines Namens, um ihr eigentliches Wesen zu verbergen.
Es w�re �hnlich, wie es der gro�e russische Literat Fjodor Dostojewski (1821-1881) in seinem Werk Die Br�der Karamasov darlegte, als der Kirchenmann, der Gro�inquisitor, gegen�ber dem wieder gekommenen Jesus erkl�rte: "Wir haben deine Tat verbessert." Und w�hrend Jesus nicht vor dem Versucher niederfiel, hat es die Kirche getan und daf�r vom Versucher als Belohnung die irdische Macht erhalten. "Wir sind schon seit langer Zeit nicht mehr mit dir im Bunde", so der Gro�inquisitor, "sondern mit ihm, schon acht Jahrhunderte lang. Acht Jahrhunderte ist es her, dass wir von ihm das annahmen, was du unwillig zur�ckwiesest: Wir haben von ihm Rom empfangen und das Schwert des Kaisers und haben uns selbst als die Herren der Erde, als ihre einzigen Herren erkl�rt."
Und so hat es auch die Kirche zu ihrem "unfehlbaren" Lehrsatz gemacht, dass sich jeder Mensch und "alle V�lker" dem Stuhl Petri, dem Papst unterwerfen m�ssen. (Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr. 368, 430 und 434)

Umdeutung zur Heiligenlegende

Anneliese Michel wird anfangs unfreiwillig, sp�ter bewusst zur Zeugin dieser machtvollen Todesreligion. Denn als sich mehr und mehr heraus stellt, dass das katholische Exorzismus-Ritual die "D�monen" nicht nur nicht vertreibt, sondern die grausame Situation versch�rft, gr�bt sich die junge Studentin noch tiefer in die katholische Kruzifix-Lehre ein und versucht, best�rkt durch die beiden Exorzisten, die katholische Jesusvorstellung nachzuahmen.
So deutet sie ihre uns�glichen Leiden schlie�lich als S�hne f�r andere, womit sie an die makabren Umst�nde nach ihrer Geburt ankn�pft, als sie bereits von ihrer Mutter zum "S�hnopfer" erkl�rt worden war � damals f�r die uneheliche Zeugung und Geburt ihrer Halbschwester Martha. Der "Fluch", den angeblich bei ihrer Geburt eine fremde Frau �ber sie ausgesprochen haben soll, erscheint harmlos gegen�ber der fluchartigen Bestimmung, "S�hnopfer" sein zu sollen, die ihr aus den Reihen der eigenen Familie aufoktroyiert wurde und die sie am Ende ihres Lebens in ihre eigene religi�se Vorstellungswelt �bernimmt.

Diese neue Deutung der uns�glichen magischen Rituale stellt den entscheidenden Einschnitt bei den Exorzismus-Sitzungen dar.
Anfangs war sich Anneliese Michel noch sehr unsicher und voller Zweifel im Hinblick auf die Identit�t einzelner Stimmen und den Sinn des ganzen Leidens. Und dabei kalkulierte sie urspr�nglich auch mit ein, dass sie von den monstr�sen M�chten get�uscht w�rde. Doch unter dem Druck des dauernden Misserfolgs bei den "Austreibungsversuchen" kristallisierte sich bei den Exorzisten auf einmal die neue Deutung heraus, die "Besetzungen" w�rden nun Gottes Willen entsprechen, damit Anneliese Michel auf diese Weise ihr "S�hnopfer" bringen k�nne.
Und nun beginnt sich der Horror-Kreislauf allm�hlich zu schlie�en. Die letzte Phase ist eingeleitet.
Dabei sind die jenseitigen katholischen "Instanzen" bzw. "Seelen", welche die "D�monen" als Vermittler ihrer Botschaften benutzen, die eigentlichen Inspiratoren dieser neuen Theorie.

In einer Exorzismus-Sitzung fragt etwa Pater Renz:
"�Und mit dem B��en, da kann sie S�nden abb��en f�r andere?`
Anneliese: �Ja, ja, ja!`
Renz: �Damit kann sie Seelen retten, damit kann sie andere Seelen retten?`
... �Die muss dir [Luzifer] noch viele Seelen abspenstig machen. Drum d�rft ihr sie piesacken?!`
Anneliese: �B��h!`
Renz: �Je mehr ihr sie piesackt, um so mehr Seelen werden gerettet. Stimmt das? Ja?
...`
Anneliese: �Ja, nein, nein, nein.`
"
(Wolff, S. 223)

Drei Nein bei nur einem Ja k�nnten eigentlich auch eine klare Botschaft sein. Doch die W�rdentr�ger h�ren nur, was sie h�ren wollen, n�mlich das eine "Ja". Und der Exorzistenpater Arnold Renz will durch solche suggestive Fragen seine Theorie der S�hnebesessenheit bei Anneliese Michel best�tigt sehen. Und diese geht notgedrungen darauf ein. Sie sitzt in der Todesfalle und fl�chtet nun immer mehr in die Identifikation mit dem leidenden und sterbenden Jesus, so wie es die r�misch-katholische Lehre f�r die Kranken und Sterbenden vorsieht.
So ist im Katechismus der katholischen Kirche von der "Vereinigung des Kranken mit dem Leiden Christi" die Rede, und es wird das Sakrament der "Letzten �lung" z. B. mit folgenden Worten erkl�rt:
"Durch die Gnade dieses Sakraments erh�lt der Kranke die Kraft und die Gabe, sich mit dem Leiden des Herrn noch inniger zu vereinen. Er wird gewisserma�en dazu geweiht, durch die Gleichgestaltung mit dem erl�senden Leiden des Heilands Frucht zu tragen. Das Leiden, Folge der Erbs�nde, erh�lt einen neuen Sinn; es wird zur Teilnahme am Heilswerk Jesu." (Nr. 1521)
Leiden, Krankheit und Not sollen demnach bei einem gl�ubigen Katholiken nicht mittelbar oder unmittelbar mit eigenem Fehlverhalten in Beziehung stehen, sondern werden als "Heil" interpretiert. Und von dieser allen kranken Katholiken angebotenen Deutung der "Gleichgestaltung mit dem erl�senden Leiden des Heilands" ist es nur noch ein kleiner Schritt zur speziellen katholischen Deutung, dass auch der einzelne kranke Katholik stellvertretend zur S�hne f�r die S�nden anderer leiden k�nne.

Und mit ihrem Intellekt konstruiert Anneliese Michel genau eine solche Deutung ihres Leidens auf die hier dargelegte extrem-katholische Weise. Dadurch versucht sie, den Schlund des Abgrunds doch irgendwie zu schlie�en, der sich aufgetan hatte, und sie rei�t ihn doch nur noch ein gro�es St�ck weiter auf. Dabei f�hlt sie sich im Vorfeld ihres Todes sowohl durch Pater Arnold Renz best�tigt als auch durch eine der vielen Stimmen, die sie vernommen hat und die sie f�lschlicherweise als "Heiland" deutet. Diese Stimme sagt ihr am 20. Oktober 1975: "Du wirst eine gro�e Heilige werden." (Wolff, S. 232)
 

Die Hohkreuzkapelle - ein Ursprung des Wahns der S�hnebesessenheit?

Ein Ursprung des Wahns der "S�hnebesessenheit", nur wenige Meter entfernt von Anneliese Michels Elternhaus in Klingenberg � ein �berlebensgro�es Kruzifix mit der Inschrift �ber dem Balken: "O� alle, die ihr diesen Weg vorbeigeht, sehet, ob nicht ein Schmerz sei wie mein Schmerz." Kurz vor ihrem qualvollen Tod deutet die junge Studentin ihren Schmerz tats�chlich wie "seinen" Schmerz. Die so genannte Hohkreuzkapelle z�hlt zu den �ltesten katholischen Feldkapellen Frankens.

Ein solches Deutungsmuster entsteht nicht von einem Tag auf den anderen. Anneliese Michel wollte schon als Jugendliche mehr tun als das, was die Kirche vom einzelnen Katholiken verlangt (siehe oben). Nun schlie�t sich am Ende ihres irdischen Lebens der kirchliche Teufelskreis. Sie w�hnt sich gar im Glauben, �hnlich wie angeblich Jesus ihr Leben als "S�hnopfer" bringen zu sollen [PS: Die Kirche lehrt ja, dass der Tod von Jesus ein "S�hnopfer" gewesen sein soll, was eine Vorstellung ist, die aus antiken G�tzenkulten stammt; vgl. zum Thema hier]. Sie m�chte ihr "S�hnopfer" dabei unter anderem f�r Priester bringen, die das Z�libat brechen � auch hier wieder die sexuelle Dimension des Geschehens, und wer wei�, ob hier nicht auch Ereignisse aus der eigenen Biografie oder der anderer Familienmitglieder eine wichtige Rolle spielen. Es kann vermutet werden.

Der Exorzismus-Experte Uwe Wolff erkl�rt dazu: "Wie ihr himmlischer Br�utigam will sie ein S�hneopfer sein" (S. 250). Und durch eine solche Verbr�mung ihres am Ende in einer Sackgasse endenden Lebens versucht sie, ihre letzten Lebenswochen irgendwie zu ertragen. Es ist vergleichbar einer starken Droge, deren Dosierung auf h�chstem Niveau gehalten wird. In den letzten Tagen vor ihrem Tod scheint Anneliese Michel vollends in dem Identifikationsversuch mit dem gekreuzigten Jesus aufzugehen.
Uwe Wolff schreibt: "Anneliese ist tief eingetaucht in das Geheimnis ihres am Kreuz leidenden Br�utigams und zitiert immer wieder dessen Todesworte: �Bringt mir Wasser!`" (S. 258)
Angesichts des Ausma�es ihres Leidens kann man dieser letzten Lebensl�ge, die sie von ihrem Exorzisten Renz �bernommen hatte, gro�es Verst�ndnis entgegenbringen. Eine Lebensl�ge bleibt es dennoch, denn Jesus war eine klare und geradlinige Pers�nlichkeit und wurde von seinen Gegnern gefoltert und umgebracht. Anneliese hingegen scheiterte an dem t�dlichen Gift ihrer Kirche und an sich selbst.
Auch beinhalten die Todesumst�nde von Jesus nicht die Aufforderung oder Einladung zur �u�eren Nachahmung.
 
Etwas v�llig anderes ist im Vergleich dazu die schlichte Nachfolge Jesu, indem man dessen friedvolle Botschaft der N�chsten- und Feindesliebe ohne Dogmen, Sakramente und Zeremonien beherzigt.
Da diese Nachfolge unbequem ist, k�nnen daraus zwar auch sehr leidvolle Konflikte entstehen. Eine Nachahmung des Leides von Christus oder eine Identifikation von selbstverschuldetem Leid mit dem Leid von Christus oder gar eine masochistische Leidenssehnsucht sind demgegen�ber Perversionen der Nachfolge Jesu.
Der bekannte Psychotherapeut Carl Gustav Jung hat den Unterschied einmal mit den Worten kommentiert: "Christus kann bis zur Stigmatisierung nachgeahmt werden, ohne dass der Nachahmende auch nur ann�hernd dem Vorbild und dessen Sinn nachgefolgt w�re."
Letztlich wird dabei versucht, den einen Irrsinn � das Dogma der ewigen Verdammnis � durch einen anderen Irrsinn � die materielle Nachahmung des Leidens Christi (das diesem jedoch andere zugef�gt hatten) � zu �berwinden.

"Sie haben sie umgebracht"

Sp�testens jetzt ist der Horror nicht mehr zu stoppen. Wurde in der ersten Phase der Exorzismen versucht, die "D�monen" auszutreiben, soll jetzt der "Heiland" umgekehrt wollen, dass die D�monen in Anneliese drin bleiben, weil sie auf diese Weise ihr "stellvertretendes Leiden" bzw. ihr "S�hneopfer" angeblich noch vergr��ern k�nne. Diese Deutung des Geschehens kann in seiner wahnhaften Zuspitzung nun nicht mehr �berboten werden: Jetzt sind es n�mlich die "D�monen", die immer h�ufiger freiwillig "ausfahren" wollen, doch nun soll es ausgerechnet der "Heiland" sein, der dies wegen der gerade beschriebenen Strategie�nderung verhindern m�chte. Und eine solche Deutung beinhaltet auch eine Steigerung der Verh�hnung des gro�en Friedens- und Weisheitslehrers Jesus von Nazareth.

"Bei der ist es nicht mehr zum Aushalten. Die hockt den ganzen Tag in der Kirche ... Wir wollen raus, und der da oben l�sst uns nicht!" klagen jetzt neuerdings die "D�monen" (19.12.1975, zit. nach www.najukorea.de), und die Exorzisten deuten den "da oben" als "Heiland" bzw. "Gott".
Zudem wollen die D�monen verst�ndlicherweise auch die "H�lle" verlassen, doch das wird ihnen nach der grausamen r�misch-katholischen Lehre von der ewigen Verdammnis niemals erlaubt.
"Dann schreien die Stimmen aus der Tiefe in unendlichen Variationen: �Wir wollen raus, raus, raus, raus! Wir wollen raus, raus, raus, raus!`" (Wolff, S. 237)
"�Wollt ihr aus der H�lle raus oder aus Anneliese?`, fragte der Pater. �Aus beiden` ist die Antwort." (Goodman, S. 196) 
Doch die Vertreter der r�misch-katholischen Kirche lassen es jetzt nicht mehr zu, dass ihr Medium nun in letzter Minute wom�glich doch noch eine gro�e Chance bekommt, ein gro�es St�ck frei zu werden. Sondern sie benutzen jetzt das Medium Anneliese Michel, um noch m�glichst viele
"d�monische" bzw. "jenseitige Anweisungen" aus ihr heraus zu holen � und zwar bis zuletzt. Und das immer brutalere Leid und der rasante k�rperliche Verfall der jungen Frau wird von nun an von den Priesterm�nnern mit in ihre Theorie der "S�hnebesessenheit" eingebunden.
Und von vern�nftigen �rzten, welche das t�dliche Ende der Trag�die vielleicht noch h�tten stoppen k�nnen, wird die Studentin abgeschirmt und fern gehalten.

Im April 1976 bietet sich f�r Anneliese Michel dann eine der letzten Chancen, noch lebend aus dem Grauen heraus zu kommen.
Dem Exorzisten Ernst Alt erz�hlt sie: "Ich hab so furchtbare Angst davor. Ich f�rchte mich. Ich glaube, ich durchsteh das nicht." "Ich habe keine Kr�fte mehr, ich will nicht mehr." (Satan lebt, WDR 2006)
Und der Exorzist gibt seine Antwort an Anneliese Michel im Interview mit den Worten wieder: "Fr�ulein Anneliese, wenn sie jetzt den Willen Gottes, der sich ja offensichtlich zeigt bei ihnen, ausschlagen und sie w�rden sp�ter einsehen, was sie vers�umt haben dadurch, w�r� ihnen das Recht?" Damit suggeriert der Theologe der jungen Frau praktisch ihr Todesurteil. Und unter seinem Einfluss antwortet sie einmal mehr gehorsam: "Nein, das w�r mir nicht recht. Dann mach ich weiter."


Anneliese Michel erkl�rt also trotz ihres k�rperlichen Verfalls, der Kirche weiterhin als Medium zur Verf�gung zu stehen. Und die Exorzisten versuchen � wie bereits darauf hingewiesen � nun �berhaupt nicht mehr, die "D�monen" aus dem Medium auszutreiben, sondern sie bem�hen sich stattdessen, diese bei den Sitzungen extra herbei zu holen und auszufragen.
Und obwohl sich die "D�monen" in den letzten Lebenswochen Annelieses dann tats�chlich seltener und irgendwann gar nicht mehr melden � was verst�ndlich ist, denn sie wollen ja schlie�lich "raus" und vielleicht haben sie jetzt auch Mitgef�hl und Erbarmen mit der jungen Frau �, f�hrt der vom Bischof von W�rzburg beauftragte Pater Arnold Renz im klerikalen Rausch bis zuletzt mit seinen suggestiven Beschw�rungen erbarmungslos fort. Und die beiden Exorzisten sind damit von erfolglosen "Teufelsaustreibern" im wahrsten Sinne des Wortes zu erfolgreicheren "Teufelseintreibern" geworden.
Als der jungen Frau der Exorzistenpater Alt zwischenzeitlich einmal die "Gnade, Liebe und Vergebung Gottes" zuspricht, reagiert Anneliese Michel spontan mit den Worten: "Das war gut! Das war besser als der ganze Exorzismus!" (Wolff, S. 257)
Unmittelbar danach bricht sie jedoch in Verzweiflung aus, da ihr in einzelnen wachen und geistig klaren Momenten m�glicherweise bewusst ist, was sich hinter dem r�misch-katholischen Schein verbirgt und dass sie sich in eine furchtbare Situation hinein man�vriert hat. "Mir macht keiner mehr was vor. Ich wei� jetzt, wo�s hingeht," so ihre eigenen eindringlichen und verzweifelten Worte.
Die Falle scheint zugeschnappt, und es ist nun leider nur noch eine Frage der Zeit, bis die darin Gefangene vollends zugrunde gegangen ist.

In ihrer Examensarbeit zum Thema "Angstbew�ltigung" hat sie ihre Lebenssituation jedoch noch einmal verbr�mt dargestellt und offiziell in folgende Worte gefasst: "Zum Schluss sei noch gesagt, dass es F�lle gibt, wo einer, obwohl er gebeichtet hat und im Inneren im Frieden mit Gott lebt, von einer merkw�rdigen Angst geplagt wird, einer Leidens- und Todesangst, von dem man einen Menschen nicht befreien darf. Man kann, wenn das einem Menschen auferlegt ist, nur schweigend stehen und beten, dass er auch durch diese Angst hindurch gef�hrt wird. Es gibt das besondere Teilhaben am Kreuz Christi und seiner Todesangst. Die wichtigste Grundhaltung f�r das seelsorgerische und �rztliche Bem�hen ist die Ehrfurcht vor dem Geheimnis der Geschichte eines Menschen mit Gott." (Wolff, S. 264)
Das sind hehre und monumental klingende Worte. Doch was steckt wirklich dahinter? Auf diese Weise
konstruiert der Intellekt der gehorsamen Katholikin eine Deutung f�r ihre Todes�ngste, bei der sie Gott und Christus mehr oder weniger mit daf�r verantwortlich macht. Und dies ist trotz des Verst�ndnisses, das man ihrer gedanklichen Konstruktion gegen�ber aufbringen kann, nur eine Variante der Gottesvergiftung.


Und entsprechend schlecht geht es ihr auch dabei. Von einem
"Frieden mit Gott" "im Innern" zeugen nachfolgende Worte jedenfalls nicht, die sie auf ein Manuskript-Papier f�r eben diese Examensarbeit geschrieben hat. Das sind die ehrlichen Worte, tief aus ihrer Seele, im Unterschied zu den katholisch-korrekten Worten in ihrer Examensarbeit von einem angeblichen "Frieden mit Gott":
"Mut verl�sst, das zu sagen, was ich wollte. Ich bin ein S�nder, das habe ich heute in der Kapelle klar erkannt, auch wenn ich mir etwas anderes eingebildet habe. Ich hab keinen Mut, verzweifelt. Ich habe Angst, ... kein Vertrauen, ich stehe am Scheideweg; entweder Leben oder Tod. Tief verletzt, all die Jahre durch, (hab mich nicht mehr) gewehrt, jetzt auch nicht. Ich bin nach der hl. Kommunion verzweifelt, im Geiste u. im Herzen; eine eiserne Kette h�lt mein Herz umklammert. Angst, Entsetzen. Mein Geist ist gel�hmt, wird er freier(?) � gleich steigt Verzweiflung hoch; das schlimmste ist, dass ich keine Wahl mehr habe, das sehe ich manchmal blitzartig klar. Hoffnungslosigkeit sitzt an der Wurzel, wo das Leben ist, sie ist ein Zustand geworden. Stolz uns�glicher gibt mich nicht mehr frei. Wenn ich rede, redet mein Herz nicht mit. Ich hab Angst, dass man an mir verzweifelt. L�hmung ... gefesselt; es wird von Tag zu Tag schlimmer, wenn nicht ein Damm gebaut wird." (zit. nach Goodman, S. 106)

Dies ist ein letzter Hilferuf, bei dem jedes Wort sitzt. Doch wer h�tte den Damm denn bauen sollen? Sie selbst schafft es nicht und verr�t auch den Grund daf�r: "Ich hab keinen Mut". Das klingt wie eine Schlussabrechnung �ber ihr eigenes Leben. Denn sie hatte auch in all den Jahren zuvor nie den Mut, sich von dem frei zu machen, was sie in die Krankheit und in den Tod trieb. Anneliese Michel ruft stattdessen immer wieder nach dem Bischof. Und Bischof Josef Stangl wird auch im Detail �ber die Situation informiert, doch er schweigt (siehe unten). Und Pater Renz h�lt sich w�hrenddessen weiter unbeirrt am r�misch-katholischen Exorzismus-Ritual fest. Und er qu�lt die immer wehrlosere junge Frau auch dann mit seinen Beschw�rungsformeln, wenn bzw. obwohl sich gar keine "D�monen" bemerkbar machen. Denn die Studentin k�nne ja bei diesen Torturen wenigstens weiter f�r andere Menschen s�hnen, so die Beschwichtigung bzw. Lebensl�ge der Exorzisten und der in diesem Sinne Gl�ubigen.
Durch diese Theorie sind nun auch die beiden Kirchenm�nner zu gnadenlosen "Besessenen" geworden, welche die ihnen Anbefohlene immer weiter in Richtung Tod treiben.
Uwe Wolff schreibt: "Unterdessen setzt Pater Renz in Klingenberg sein Werk fort, obwohl Anneliese immer wieder klagt: �Ich kann nicht mehr!`" (Wolff, S. 262)
Beim letzten Exorzismus am 30. Juni 1976, nur wenige Stunden vor ihrem Tod, ist Anneliese Michel bereits v�llig abgemagert. Sie hat eine Lungenentz�ndung und hohes Fieber. Trotzdem qu�lt sie sich noch einmal � auf "Befehl" der "D�monen" bzw. in selbstm�rderischem Wahn � mit zwanghaften und schnellen Kniebeugen. Ihre Eltern st�tzen sie dabei. "Bitte um Lossprechung", st�hnt sie Pater Renz zu. Sie bittet nun wirklich ein allerletztes Mal darum. Denn es ist bereits der Todeskampf.

Anneliese Michel ist damit bis zuletzt diesem katholischen Gott verhaftet geblieben, der "in Klingenberg mal richtig auf den Putz gehauen hat", wie es der kirchliche Exorzismus-Beauftragte Adolf Rodewyk in Worte gefasst hatte. 
Doch Anneliese Michel wird diese "Gottesvergiftung", deren Opfer sie letztlich geworden ist, nicht als Lehrerin an Kinder im r�misch-katholischen Religionsunterricht weiter geben. Viereinhalb Wochen, nachdem sie ihre Examensarbeit an der W�rzburger Universit�t eingereicht hat, ist sie tot. Als sie sich am Abend des 30. Juni 1976 nach dem 67. Exorzismus schlafen legen will, bittet sie ihre Mutter Anna Michel, bei ihr zu bleiben: "Mutter bleib da, ich habe Angst." Das sind ihre letzten Worte. Schlie�lich l�st ihr Vater ihre Mutter ab "und beobachtete, wie sich Anneliese von einer Seite zur anderen warf und sehr lange schrie" (Goodman, S. 218). Irgendwann nach Mitternacht h�rt sie auf zu schreien und schl�ft. Als es dann Morgen ist, liegt sie in ihrem Bett und ist tot.

Das Grab von Anneliese Michel

Das Grab Anneliese Michels in Klingenberg. Zahlreiche katholische Pilger verehren sie dort wie eine Selige oder Heilige.

Weil Anneliese Michel selbst zuletzt ihr Leiden und Sterben als S�hneopfer verstanden hat, ist es nicht verwunderlich, dass interessierte Kreise aus ihrer Geschichte eine Heiligenerz�hlung machen wollen. Ein solches Deutungsmuster h�lt die katholische Kirche in der Tat f�r viele, die an ihrer Lehre zerbrochen sind, bereit.
"Ich hatte einfach den Eindruck, sie haben ihr das Leben genommen. Die erste Reaktion, als ich von ihrem Tod erfahren hab, war, sie haben sie umgebracht", sagt die ehemalige Kommilitonin Mechthild Westiner aus dem Studentenwohnheim in W�rzburg (Satan lebt, WDR 2006). Und: "Dieses religi�se Treiben geht einfach weiter, und es gibt niemanden mehr, der von ihr auch berichtet, wie sie eigentlich gewesen ist." Die ehemalige Mitstudentin kennt Anneliese Michel n�mlich auch ganz anders.
Doch im Mittelpunkt des �ffentlichen Interesses steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts erneut der Exorzismus, welcher derzeit einen gro�en Aufschwung erf�hrt � mit allen seinen Seitentrieben und verqueren Vorstellungen und unz�hligen Varianten konfusen "religi�sen Treibens". Die Kommilitonin sagte: "Sie haben sie umgebracht."

Und worin besteht das "religi�se Treiben" nach dem Tod von Anneliese Michel?
Etliche ihrer Verehrer w�nschen zun�chst ihre Seligsprechung und stricken unter anderem an der Legende, ihr K�rper verwese nicht. Eine Nonne aus einem Allg�uer Karmeliterkloster berichtet von einer "Erscheinung" Annelieses. Demnach h�tte die Seele von Anneliese Michel der Nonne aus dem "Himmel" folgende Botschaft mitgeteilt: "Mein Tod war ein S�hnetod f�r die Rettung und Umkehr meines deutschen Volkes" (Wolff, S. 23). Zum Zeichen der Macht "Gottes" sei ihr Leichnam unverwest, und "man solle den Sarg am Samstag, dem 25. Februar 1978, �ffnen".
Aus diesem Grund werden nun Annelieses Michels sterbliche �berreste tats�chlich am 25. Februar 1978 auf amtliche Anordnung und im Beisein ihres Vaters Josef Michel hin ausgegraben und �berpr�ft. Dabei zeigt sich, dass die Verwesung sogar weiter fortgeschritten ist als �blich, weil – so das Bestattungsunternehmen Kraus aus dem nahen Aschaffenburg bzw. der Bestatter Emil Schweibert und der Klingenberger B�rgermeister Walter Riermaier – die Frau zum Todeszeitpunkt nur noch Haut und Knochen war.
Die Exhumierung hat gl�ubige Katholiken allerdings nicht davon abgehalten, weiterhin folgende Verschw�rungstheorie zu verbreiten: Der Leichnam w�re tats�chlich unverwest gewesen (wie �brigens auch der Leichnam Marias nach offizieller r�misch-katholischer Lehre bis zu ihrer leiblichen Auferstehung unverwest im Grab gelegen haben soll; siehe dazu Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche, Nr. 483 und Nr. 485), weswegen die Augenzeugen die Zulassung weiterer Zeugen angeblich zu verhindern suchten. Vor allem der Sachverhalt, dass der Exorzisten-Pater Arnold Renz nicht zu den Leichenresten vorgelassen wurde, n�hrt diese Theorie bis heute. Doch selbst wenn man Pater Renz oder andere fanatische Anh�nger dieser Theorie mit als weitere Zeugen der Verwesung hinzu gebeten h�tte, w�ren wohl anschlie�end andere aufgetreten, die den Sachverhalt doch bestritten h�tten. So klammern sich Gl�ubige bis heute auch an das Ger�cht, einer der damaligen Bestatter h�tte sp�ter Anneliese Michels Mutter aufgesucht und ihr gebeichtet, dass deren Leichnam nach der Exhumierung unverwest gewesen sei. Die Aschaffenburger Staatsanwaltschaft h�tte ihn jedoch "gezwungen, die Unwahrheit zu sagen". Nachpr�fbar ist freilich nichts, da dieser Bestatter ausgerechnet kurz darauf verstorben sei.

Das Ergebnis der Obduktion

Doch Anneliese Michels K�rper ist schon in den letzten Monaten vor ihrem Tod zunehmend verfallen, und sie hat diesen Prozess durch Selbstgei�elungen (z. B. Bluterg�sse oder Selbstverletzungen an den K�rperstellen, an denen Jesus am Kreuz festgenagelt war) und Nahrungsverweigerung beschleunigt, so dass man auch von einem indirekten Selbstmord auf Raten sprechen k�nnte. Auch diese Verhaltensweise kann als Ausfluss des zwangsneurotischen Systems der katholischen Kirche verstanden werden, in dem nicht selten gilt: Wer sich selbst niedermacht, wer sich gei�elt, kommt dadurch Gott n�her. Ein nicht eingestandenes Aufbegehren gegen die krankmachende Lehre der Kirche oder gegen einzelne ihrer seelisch kranken Lehrer w�rde sich dann selbstzerst�rerisch gegen die eigene Person richten anstatt gegen die Verursacher. Dies geschieht vor allem dann, wenn sich kirchliche Indoktrination, verbunden mit Angst und Schuldgef�hlen, in der eigenen Seele als �berm�chtig erweist. Die Selbstzerst�rung nimmt dann ihren Lauf, und der Exorzismus kann diesen Prozess in schlimmer Weise verst�rken bzw. er tr�gt zu seiner Vollendung bei wie bei Anneliese Michel. Da ein bewusster Selbstmord f�r einen gl�ubigen Katholiken aber einmal mehr die ewige Verdammnis nach sich ziehen w�rde und deshalb nicht in Frage kommt, k�nnen Gewalteinwirkungen von anderen oder "Befehle" von "D�monen" hier zu makabren Erf�llungsgehilfen der eigenen Selbstzerst�rung werden.
Daran �ndert sich auch nichts, wenn man als zeitlich letzte Todesursache eine zu hohe �rztliche Dosierung eines krampfl�senden Medikaments annimmt, worauf man nat�rlich spekulieren kann und womit das katholische Umfeld von Anneliese Michel sowohl die amtlich ermittelten als auch die tiefer liegenden Todesursachen ausblenden m�chte. Der Obduktionsbericht der Gerichtsmedizin schlie�t jedoch ausdr�cklich aus, dass die junge Frau Michel an Medikamenten gestorben ist. Weil sich jedoch die katholischen Bef�rworter des Exorzismus an Anneliese Michel bis heute vehement an diese These klammern, soll zum Abschluss noch einmal etwas ausf�hrlicher darauf eingegangen werden.

Zur allgemeinen Information: Jeder Obduktionsbericht enth�lt neben einer "unmittelbaren Todesursache" die "vorangegangenen Ursachen", z. B. "Krankheiten, welche die unmittelbare Todesursache herbeigef�hrt haben" sowie andere "wesentliche Krankheiten".
 
Nun spielt in dem gerichtsmedizinischen Bericht eine Medikamentendosierung aber �berhaupt keine Rolle. Als Todesursache sind "Abmagerung", "Lungenentz�ndung" und "extreme k�rperliche Beanspruchung w�hrend der letzten Lebenstage" angegeben. Es hei�t, ihre Verfassung "lasse sich am ehesten vergleichen mit der get�teter Lagerinsassen im Zweiten Weltkrieg" (S. 14). Und im Gerichtsurteil hei�t es auf Seite 40 sogar ausdr�cklich: "Jede andere Todesursache ist ausgeschlossen" (zitiert bei Goodman, S. 295). In der �ffentlichen Berichtserstattung ist in diesem Sinne manchmal auch "Unterern�hrung" zu lesen. (z. B. Main-Echo, 5.4.2014)
 
Im Gegensatz dazu beharrt die Autorin und Anthropologie-Professorin Felicitas D. Goodman (2) auf ihrer These, dass Anneliese Michel durch das anti-epileptische Mittel Tegretal "umgebracht" worden sei (das ihre roten Blutk�rperchen gesch�digt habe), wobei sie auch durch Entzugserscheinungen, nachdem sie nicht mehr richtig schlucken konnte, erheblich geschw�cht gewesen sei.
Doch bereits bei Felicitas D. Goodmans Versuch, dies seri�s darzulegen, kommen einem unvoreingenommenen Leser erhebliche Zweifel. So muss auch die Professorin z. B. zugeben, dass Anneliese Michel Ende 1973 nach der medikament�sen Umstellung auf Tegretal sich "einige Zeit sehr wohl" f�hlte.
Und gar aus dem Ruder laufen die Deutungen der Autorin, wenn sie z. B. den gro�en Exorzismus vom 31.10.1975 mit den Worten beschreibt: "Die gro�e Austreibungsszene wurde zu einem gigantischen Kampf zwischen der jugendlichen Kraft von Annelieses Gehirn und der Wirkung des Medikaments" (S. 291). Eine kraftvolle Jugendliche k�mpfte demnach gegen ein schlimmes Medikament.
Obwohl ein unpassendes Medikament nat�rlich grunds�tzlich ein bestehendes Chaos noch vergr��ern kann, sp�rt man hier sehr deutlich den Beginn der Legendenbildung. Und diese wirkt sich auch auf andere Teile des Buches von Frau Goodman aus, z. B. bei der besch�nigenden Darstellung des katholischen Milieus, in dem Anneliese Michel aufgewachsen ist oder durch Verschweigen von �u�erungen von Anneliese Michel, die nicht so gut zu diesem Milieu passen.
Eine weitere Studienfreundin Anneliese Michels aus der W�rzburger Zeit dr�ckt ihre Wut �ber die Verbr�mung und Besch�nigung der kirchlichen Schuld mit drastischen Worten aus, indem sie sagt, die Studie der Anthropologin Felicitas D. Goodman sei "keine wissenschaftliche Arbeit", sondern ein "Schund-Roman" und Anneliese Michel werde darin "missbraucht". (Satan lebt, WDR 2006; vgl. dazu eine andere Stellungnahme oben)

Doch selbst wenn man annimmt, dass der Obduktionsbericht der Gerichtsmedizin falsch oder unvollst�ndig sei und die Nebenwirkungen eines Medikaments als "urs�chlich" oder "mit-urs�chlich" f�r den Tod erg�nzt werden m�ssten � was w�rde sich dadurch an den in dieser Studie dargelegten Zusammenh�ngen �ndern und an den Einwirkungen des religi�sen Milieus? Es w�rde sich nichts �ndern.
Denn es geht nicht nur um den zeitlichen Schlusspunkt der furchtbaren Ereignisse, sondern um die gesamte Trag�die, die lange vor der Einnahme von Tegretal und von anderen Medikamenten begonnen hatte. Zudem: Mediziner und dabei vor allem die als sehr penibel bekannten Gerichtsmediziner, die in der Regel alles Denkbare untersuchen und jedem Mikrogramm eines Stoffes Bedeutung beimessen, ziehen diese Theorie nicht einmal in Erw�gung.

 S�ndenbocksuche statt Aufarbeitung

Es deutet also nahezu alles darauf hin, dass es hier von Seiten von Exorzismus-Bef�rwortern darum geht, einen nichtkirchlichen S�ndenbock zu finden (hier einen Arzt) bzw. ein � im wahrsten Sinne des Wortes � "Totschlag"-Argument, um von den tats�chlichen Mordverd�chtigen abzulenken (siehe oben). Damit wir versucht, die Aufarbeitung der ganzen Last von Schuld und Verstrickungen abzublocken bzw. sie wird dem zuletzt behandelnden Arzt zugeschoben oder auch seinen Vorg�ngern, wenn man die anderen Medikamente ebenfalls mit heranzieht.

Es formt sich dann etwa folgende zusammenfassende Sichtweise, die einer Legendenbildung die Wege bereitet:
Eine engagierte junge Katholikin w�re ohne eigenes Verschulden von D�monen besetzt worden, um dadurch die sexuellen "S�nden" ihrer Umgebung und einiges mehr s�hnen zu k�nnen. Anschlie�end h�tte sie durch den gro�en Exorzismus des Rituale Romanum der r�misch-katholischen Kirche wieder von diesen D�monen befreit werden k�nnen. Leider h�tten aber ungl�ubige �rzte dies verhindert, indem sie ihr zerst�rerische Drogen einfl��ten, die ihre Widerstandskraft gegen�ber den D�monen geschw�cht bzw. gebrochen haben, so dass der heilsame Exorzismus sein Ziel nicht erreichen konnte. Schlie�lich w�re sie durch ein solches Medikament sogar, wenn auch unabsichtlich, umgebracht worden.
So oder so �hnlich w�rden viele gl�ubige Katholiken die Geschichte gerne deuten, und wer das tut, bezeugt einfach nur, was er gerne glauben m�chte. Und wenn Anneliese Michel in einigen Jahren oder Jahrzehnten deswegen "selig" oder gar "heilig" gesprochen wird, nachdem sich gen�gend Geldgeber f�r eine solche Prozedur im Vatikan gefunden haben, braucht das auch niemanden mehr zu wundern. Einen Gefallen t�te man damit aber am allerwenigsten Anneliese Michel selbst.
 
Dennoch offenbart das Schicksal der P�dagogik-Studentin auch ein Versagen der Schulmedizin.
Anneliese Michels Eltern und sie selbst hatten n�mlich auf diesem Gebiet zun�chst kaum etwas unversucht gelassen, um zu einer Heilung oder Besserung zu kommen. Doch Nerven�rzte, Psychiater und medizinische Experten aller in diesem Zusammenhang denkbaren Fachrichtungen bissen sich an der jungen Studentin aus Klingenberg genauso die Z�hne aus wie sp�ter die katholischen Exorzisten (vgl. dazu einige Hinweise zur Epilepsie). Die �rztlichen Verordnungen, Therapien und Medikamentendosierungen f�hrten zwar immerhin zu zwischenzeitlichen Besserungen (vgl. demgegen�ber die Aussage von Anneliese Michels Freund �ber die Wirkung des Exorzismus: "Man hat ja gemerkt, wenn man hinkommt, betet den Exorzismus, da wird�s ja eigentlich schlimmer", S. 243), aber nicht zu einer dauerhaften. Dies ist aber bei der hier dargelegten seelischen bzw. "ekklesiogenen" bzw. kirchlichen Krankheitsgeschichte auch kein Wunder. Dieser Zusammenhang wurde offenbar von manchen Medizinern nicht oder zu wenig ber�cksichtigt oder v�llig untersch�tzt.
Im Unterschied dazu sind den Medizinern Gefahren und m�gliche Nebenwirkungen einzelner Medikamente bekannt, und kein Arzt kann einfach "auf Teufel drauf los" verordnen. So ist es auch selbstverst�ndlich, dass man nicht ausschlie�en kann, dass ein Medikament im Einzelfall das Chaos bei der ausgemergelten Studentin noch vergr��erte, da schlie�lich eine Vielzahl unterschiedlicher Kr�fte, Interessen und Inhaltsstoffe von Medikamenten auf sie einwirkte. Und es kommt ja auch sonst h�ufig vor, dass man eine eventuell falsche Medizin f�r ein Leiden verantwortlich machen will. In diesem Fall soll damit aber wohl bewusst oder unbewusst verhindert werden, dass man den wahren Ursachen f�r das Leiden und den Tod der jungen Frau auf den Grund kommt.
Und hier bieten sich Mediziner als S�ndenb�cke geradezu an, und so ist es fast zwangsl�ufig, dass es auch in diesem Fall passierte.
Doch eines sollte in diesem Zusammenhang klar gestellt werden, bei aller berechtigten Kritik an der Psychiatrie oder der Schulmedizin: Unter der Obhut von �rzten w�re Anneliese Michel wohl kaum wie "ein Lagerinsasse im 2. Weltkrieg" abgemagert, und sie w�re am Leben geblieben. Unter der Obhut der Beauftragten der Kirche ist ihr K�rper jedoch extrem verfallen, was schlie�lich mit ihrem Tod endete.
Man stelle sich die �ffentliche Reaktion vor, wenn unter der Betreuung durch irgendeine andere Institution in unserer Gesellschaft solches geschehen w�re. Sie w�re noch um einiges heftiger ausgefallen.

Zusammenfassend kann man sagen: Fast jedes Medikament hat eine erw�nschte positive Wirkung und eine oder mehrere unerw�nschte Nebenwirkungen, und das wird bei den Medikamenten, die Anneliese Michel einnahm, nicht anders gewesen sein. Die erw�nschte Wirkung wird dabei zur D�mpfung mancher Ausnahmesituation beigetragen haben. Doch selbst hilfreiche bzw. beruhigende Medikamente k�nnen nichts ausrichten, wenn der Wahn, der letztlich in die Katastrophe f�hrte, parallel dazu auf die Spitze getrieben wird.

Nat�rlich gibt es heute auch Menschen, die bekennen, dass ihnen ein r�misch-katholischer Exorzismus geholfen habe, um von ihren "D�monen" frei zu werden.
Hier kann zun�chst bezweifelt werden, ob dies dauerhaft anh�lt. Und weiter handelt es sich hierbei offenbar ausnahmslos um Zeitgenossen, die sich wieder in das r�misch-katholische Glaubenssystem integrieren lie�en, was die innerlich gespaltene Seele der ja schon als Kind hochintelligenten Anneliese Michel im Grunde ihres Wesens und mit ihrer Gef�hls- und Empfindungswelt aber nicht mehr konnte. Deshalb �ndern diese einzelnen Stellungnahmen gl�ubiger Katholiken auch nichts an den Schlussfolgerungen dieser Studie.

Diese deckt sich auch mit dem Ergebnis eines weiteren wissenschaftlichen Untersuchungsberichts. Auch dieser macht den katholischen Exorzismus nach dem Rituale Romanum f�r die ausbleibende Genesung von Anneliese Michel entscheidend mitverantwortlich. Der Bericht von Johannes Mischo und Prof. Dr. Ulrich J. Niemann S. J., einem Jesuiten, ist unter dem Titel Die Besessenheit der Anneliese Michel in interdisziplin�rer Sicht in der Zeitschrift f�r Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie Nr. 25, 1983 erschienen.
Darin hei�t es auf Seite 186: "Besessenheit und Gro�er Exorzismus gem�� dem Rituale Romanum von 1614 (in Vollmacht von Papst Pius XII. 1954 neu angeordnet und erweitert, Anm. der Verfasserin) sind geeignet, die nach dem heutigen Stand medizinischer, psychiatrischer und psychologischer Erkenntnis als wahrscheinlich anzunehmenden Krankheiten und Krankheitsursachen zu verdecken, zu verst�rken und zu perpetuieren und damit eine m�gliche Heilung zu erschweren oder gar auszuschlie�en." (zitiert bei Goodman, S. 342) (13)

Anneliese Michel hat also nicht den Teufel besiegt, wie die an ihrem Grab Rosenkranz betenden Pilger glauben � sie wurde eher das Opfer einer "Teufelsreligion". Und diese weist u. a. beim Exorzismus eine gro�e N�he zum Voodoo-Kult auf.
Der ehemalige katholische Theologieprofessor und Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek schreibt hierzu grunds�tzlich: "Das Opfer spielt in der katholischen Religion fast dieselbe Rolle wie in der Voodoo-Religion. Es muss Blut flie�en und es muss ein Opfer sein" (Voodoo auf katholisch, a.a.O. (3), S. 40). Und es gibt noch zahlreiche weitere Parallelen. Neben den in beiden Kulten verwendeten Reliquien, wie oben schon dargelegt, betet man auch im Exorzismus des Voodoo-Kultes zu Maria. Oder der Priester verwendet eine Fetisch-Flasche mit geweihtem Wasser �hnlich dem katholischen Weihwasser. Und auch beim Voodoo f�hren geweihte "Mittler", die in Kontakt zur Geisterwelt stehen oder stehen sollen � �hnlich den katholischen Priestern � den Exorzismus durch. Dabei verwenden sie ritualisierte Wiederholungsgebete vergleichbar den katholischen Rosenkr�nzen oder anderen katholischen Exorzismus-Formeln.

Die L�ge des Bischofs und die Folgen

Juristisch wird der Tod Anneliese Michels am 21. April 1978 abgeschlossen. Die Eltern Anna und Josef Michel, die auf ihre Weise ebenfalls Opfer ihrer Kirche sind, und die von ihrem Bischof Josef Stangl beauftragten Exorzisten Arnold Renz und Ernst Alt werden wegen "fahrl�ssiger T�tung" und "unterlassener Hilfeleistung" von der ersten gro�en Strafkammer des Landgerichts Aschaffenburg zu Freiheitsstrafen von je sechs Monaten verurteilt, die auf je drei Jahre zur Bew�hrung ausgesetzt werden. Der verantwortliche Bischof und mit ihm die r�misch-katholische Kirche als Institution kommen jedoch v�llig ungeschoren davon. Hier stellt sich die Frage, wie ihnen das in der f�r ihr Ansehen und ihre Machtstellung nicht ungef�hrlichen Situation gelungen ist. Man w�hlte dabei einen schnellen und effektiven Weg, die plumpe L�ge.
Durch seinen Sprecher l�sst der Bischof von W�rzburg n�mlich kurz nach dem Tod Anneliese Michels verlauten: "Wir haben von allem nichts gewusst! ... Uns wurde der Fall erst nach dem Tode des M�dchens bekannt. Ich habe niemanden die Genehmigung zu den Exorzismus-Gebeten erteilt." (Welt am Sonntag, 25.7.1976)
Tats�chlich hatte Bischof Stangl aber in seinem offiziellen Brief an Pater Arnold Renz vom 16. September 1975 geschrieben: "Hiermit beauftrage ich nach reiflicher �berlegung und guter Information H. H. P. Renz, Salvatorianer, Superior in R�ck-Schippach, bei Fr�ulein Anna Lieser [= Deckname f�r Anneliese Michel ("Anna Lieser" als Verfremdung von "Anneliese") aus Gr�nden der weitm�glichsten Geheimhaltung] im Sinne von CIC can. 1151 � 1 zu verfahren. Mein Gebet gilt seit l�ngerer Zeit diesem Anliegen
. M�ge Gott uns helfen! Ich danke aufrichtig f�r diesen Einsatz. Mit herzlichen Segensw�nschen; gez. Josef Bischof von W�rzburg" (nach Kaspar Bullinger, Anneliese Michel und die Aussagen der D�monen, zit. bei www.anneliese-michel.de.ms; auch bei Wolff, S. 21; (4)). Und aufgrund der eindeutigen Beweislage wird dies mittlerweile auch offiziell zugegeben. So hei�t es unmissverst�ndlich in einer offiziellen Presseerkl�rung der Deutschen Bischofskonferenz vom 15. November 2005, kurz vor dem Kinostart von Der Exorzismus von Emily Rose: "Pfarrer Alt ersuchte im Sommer 1975 um die Erlaubnis zum Gro�en Exorzismus. Der damalige Bischof von W�rzburg Josef Stangl erteilte diese nach Vorlage eines Gutachtens des Jesuiten P. Adolf Rodewyk, und P. Arnold Renz erhielt die Erlaubnis zur Durchf�hrung." Im Jahr 1976 log man jedoch noch: "Wir haben von allem nichts gewusst" (siehe oben).

Foto rechts: Denkmal von Bischof Josef Stangl im W�rzburger Dom. Seine linke Hand erhebt er dabei wie zum Schwur.

Dies ist insofern sogar von krimineller Dreistigkeit, da auf diese Weise ein m�gliches Ermittlungsverfahren und eine eventuelle Bestrafung des Bischofs von vorne herein vereitelt wurde. Und tats�chlich haben die Exorzisten den Bischof immer wieder bis ins Detail �ber den Zustand von Anneliese Michel und die Wirkungen des Exorzismus informiert. Ein Beispiel daf�r ist der Brief von Pfarrer Ernst Alt vom 24. Juni 1976, eine Woche vor dem Tod der Studentin:
"Anneliese ist bis zu einem Skelett abgemagert".
"Anneliese sagte �fters �Ich kann nicht mehr`".
"Mit dem Kopf ging sie durch die Scheibe der Korridort�r."
"Mit den Z�hnen hat sie ein Loch in die Wand gebissen, so dass ein Teil der Vorderz�hne abbrach. Immer wieder biss sie sich selbst in den Arm."
"Es ist uns nicht gelungen, den Teufel wieder zum Reden zu bringen. Mir scheint es bewiesen zu sein, dass es sich hier um den typischen Fall einer S�hnebesessenheit handelt."
"Zur Zeit wird sie meistens gefesselt auf der Couch an den H�nden und F��en. Das hat den Vorteil, dass sie sich nicht wesentlich verletzen kann."
Sie "hat sich hin und her geworfen", "das Gesicht zerschlagen, die Nase blutig".
"Anneliese richtet sich so zu, dass ihre beide Augen so aussehen, als ob man sie mit F�usten rot, blau und schwarz geschlagen h�tte." (Satan lebt, WDR 2006)
Das also und noch weit mehr wusste der Bischof, der gegen�ber dem Staatsanwalt "von allem nichts gewusst" haben wollte.

Ein Besuch von Bischof Josef Stangl war schlie�lich die allerletzte und einzige Hoffnung, an die sich die sterbenskranke junge Frau noch klammerte. Und auch ihre Familie, alle ihre Freunde und die Exorzisten hofften immer wieder auf den Bischof. Doch Josef Stangl sa� den Exorzismus der Anneliese Michel bis zum bitteren Ende aus und l�sst dann dreist verlauten: "Wir haben von allem nichts gewusst." So k�nnte man dem Bischof hier symbolisch die Worte aus dem 1. Buch Mose in der Bibel zusprechen, die lauten: "Kain, wo ist dein Bruder? Wo ist deine Schwester?"
Vielleicht ahnte der Bischof schon das t�dliche Ende seiner Anordnung und organisiert bereits vorab den Versuch einer kirchenpolitischen "Schadensbegrenzung". Denkbar ist zwar auch, dass Drahtzieher im Hintergrund ihm einige Briefe und Hilferufe vorenthalten haben. Dass er aber von nichts gewusst haben will, ist auf jeden Fall eine nachgewiesene L�ge, denn er schrieb ja am 16.9.1975 anl�sslich der Genehmigung des Exorzismus an Pater Renz: "Mein Gebet gilt seit l�ngerer Zeit diesem Anliegen".

Die "Bauernopfer" der Bischofskonferenz

Schlie�lich versuchte man von Seiten der r�misch-katholischen Kirche auch, den aufgrund der Ereignisse irritierten Katholiken Sand in die Augen zu streuen, als es um die genauen Vorg�nge geht, die zur Genehmigung des Exorzismus f�hrten. Anneliese Michel w�re ja gar nicht "besessen" gewesen, sondern nur seelisch krank, und die Exorzisten einschlie�lich des katholischen Chef-D�monologen und kirchlich weltweit anerkannten Experten, Pater Rodewyk, h�tten mit ihren Diagnosen eben geirrt. Wieder glaubt man als Au�enstehender fast, seinen Augen und Ohren nicht mehr trauen zu k�nnen. Betonen doch die Kirchenf�hrer sonst bei jeder passenden Gelegenheit die Existenz von Teufel und D�monen und die M�glichkeit ihrer Austreibung. Und stimmt doch der Sachverhalt bei Anneliese Michel in Klingenberg ganz mit den allgemeinen Darlegungen der r�misch-katholischen Kirche zu diesem Thema �berein.
Doch das Bistum W�rzburg distanziert sich schon bald nach dem Tod Anneliese Michels von den Exorzismus-Sitzungen, und die Deutsche Bischofskonferenz zieht in diesem Sinne nach. Man setzt eine Kommission zur "Untersuchung" der Vorg�nge ein, die dann zu dem Ergebnis kommt, dass bei Anneliese Michel "keine Besessenheit vorgelegen habe" (Rheinischer Merkur Nr. 15, 14.4.1978, zitiert bei Goodman, S. 322 (5)) eine an Verlogenheit und Heuchelei nicht mehr zu �berbietende Stellungnahme. (zur weiteren T�tigkeit der Kommission siehe (14))
Wohlgemerkt: In �hnlichen F�llen ohne t�dlichem Ausgang sind nach katholischer Lehre die D�monen echt. Geht die Sache schief wie in Klingenberg, sind die D�monen im Nachhinein eben nicht echt gewesen, und einige "Bauernopfer" m�ssen den Kopf hinhalten.
Anneliese Michel wird auf diese Weise nach ihrem Tod noch ein weiteres Mal ein Opfer der trickreichen Kirchenf�hrung – jetzt zusammen mit ihren Eltern und den kirchlichen Helfern. Anna und Josef Michel, Ernst Alt und Arnold Renz � sie alle werden am 21. April 1978 vom Landgericht Aschaffenburg verurteilt. Obwohl sie ihrer Kirche treu ergeben waren und nur das taten, was die Kirchenleitung ihnen auftrug, riet und erlaubte, werden sie von den Kirchenf�hrern auf dem Altar der Justiz und der �ffentlichen Meinung (die z. B. die unterlassene medizinische Hilfeleistung in der Endphase der Exorzismus-Sitzungen zurecht massiv anklagt) geopfert, w�hrend die geistig Verantwortlichen und Auftraggeber im Hintergrund, gleichzeitig die "Garanten" der kirchlichen Exorzismus-Lehre, einmal mehr unbehelligt bleiben. Die Agierenden und Betroffenen im Vordergrund werden demgegen�ber fallen gelassen, denn die "Heiligkeit" der Kirche soll ja bekanntlich so wenig wie m�glich "behindert" werden (vgl. Katholischer Katechismus, Nr. 829).
Und hier ist die Kirche auch im Einzelfall brutal: "Kein Wort des Trostes kommt aus W�rzburg, kein Schuldbekenntnis, kein Eingest�ndnis, die Situation zumindest falsch beurteilt zu haben, nicht einmal Solidarit�t in der Trauer", schreibt Uwe Wolff (S. 33).
 
Doch geht es hier nicht nur um eine weitere kriminelle oder zumindest moralisch-sittliche Verfehlung der Kirchenoberen. Deren Verhalten hat hier auch unmittelbare Folgen f�r die Rechtssprechung. Denn im Strafverfahren gegen die Eltern von Anneliese Michel und die beiden Exorzisten h�tte es ber�cksichtigt werden m�ssen, wenn sich Bischof Josef Stangl und die r�misch-katholische Amtskirche zu ihrer tats�chlichen Verantwortung bekannt h�tten. Auch h�tte die Staatsanwaltschaft wohl ein Ermittlungsverfahren gegen�ber Bischof Josef Stangl einleiten m�ssen.
So aber l�sst die Kirche entgegen den Tatsachen mitteilen, Exorzisten und Eltern h�tten sich nach r�misch-katholischer Lehre grunds�tzlich falsch verhalten. (6) Dahinter steckt eine in der Kirchengeschichte vielfach erprobte trickreiche strategische Man�verleistung, die man mit den Worten zusammenfassen kann: Die Kirche steht immer auf allen Seiten. Und im Konfliktfall steht sie immer auf der Seite, die der Zeitgeist gerade erfordert, um den kirchlichen Einflussbereich auf die Gesellschaft und die Seelen der Menschen erhalten und vergr��ern zu k�nnen. (7)
Und Bischof Josef Stangl widmet sich bald auch wieder "H�herem". So weiht er z. B. am 28. Mai 1977 den sp�teren Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, zum Erzbischof von M�nchen und Freising.

Doch wenigstens Anneliese Michels gute Bekannte, die Katholikin und Organisatorin der Wallfahrten nach San Damiano, Thea Hein (12), nimmt das Verhalten der r�misch-katholischen Amtskirche nicht duldsam hin. So verweigert sie z. B. eine Hausdurchsuchung, wodurch die Vertreter der Kirchenf�hrung in den Besitz von Tonb�ndern Annelieses kommen wollten. Weiterhin bringt sie die L�ge von Bischof Josef Stangl in einen Zusammenhang mit seinem weiteren Schicksal: "Da habe ich gesagt: �Gebt acht, das bricht dem Bischof das Genick!` Und genau ein Jahr danach war er tot. Er hat ja den Verstand verloren; das werden Sie ja wissen," so Thea Hein, die Nachbarin Annelieses (Wolff, S. 21), und der Autor Uwe Wolff entlehnt aus ihrer Stellungnahme seinen Buchtitel.

Was wusste Joseph Ratzinger?

Was ist mit Bischof Josef Stangl kurz darauf passiert? Das Gehirn des Bischofs wird seit 1978 "nicht mehr richtig durchblutet", so die medizinische Umschreibung des Leidens. "Und der Tod der beiden P�pste Paul VI. und Johannes Paul I. im August und September 1978 setzen dem Bischof zus�tzlich zu", glaubt der Pressedienst des Ordinariats W�rzburg. (POW, 24.3.2004)
Schlie�lich glauben die beiden Nonnen Gottwalda Fahrmeier [+ 1.6.1997] und Alberadis Sch��ler [*1926] am Morgen des 8. April 1979: "Heute wird Bischof Josef in das himmlische Jerusalem einziehen" (Main-Post, 7.4.2004). Gegen Mittag ist er dann tot.
Drei Tage sp�ter, am 11. April 1979, kommt der ihm vertraute sp�tere Papst Benedikt XVI., Erzbischof Joseph Ratzinger, der von Stangl 1977 zum Erzbischof von M�nchen und Freising geweiht worden war, eigens nach W�rzburg. Erzbischof Ratzinger w�rdigt Bischof Stangl im Requiem im W�rzburger Dom nun als "gro�en Seelsorger, der sein Bistum durch das Beispiel seines Glaubens und seine �berzeugende G�te gelenkt hatte" (Main-Post, 6.9.2006). Er war der 86. Bischof von W�rzburg. Josef Stangl wurde am 12.8.1907 geboren (weswegen die Kirche im Jahr 2007 ein Stangl-Jahr feierte), und er "residierte" als Bischof vom 12.9.1957 bis zum 8.1.1979. Zum Vergleich: Anneliese Michel lebte vom 21.9.1952 bis zum 1.6.1976. Beide Lebensl�ufe sind also schicksalhaft verwoben.

Das Stangl-Grab im W�rzburger Dom � Hat sich der W�rzburger Bischof mit Joseph Ratzinger �ber den Exorzismus an Anneliese Michel beraten?

Die Rolle von Joseph Ratzinger bei den Exorzismus-Sitzungen an Anneliese Michel ist dabei bis heute ungekl�rt. Der einstige Theologie-Professor k�nnte z. B. zu den Beratern von Josef Stangl geh�rt haben. "Ratzinger hat Stangl pers�nlich hoch gesch�tzt", so die W�rzburger Main-Post (6.9.2006) mit einem gewissen Stolz, und sie schreibt �ber eine "tiefe Beziehung" der beiden W�rdentr�ger zueinander. Auch von daher ist es sehr unwahrscheinlich, wenn der sp�tere Papst (der schon damals als Experte f�r alle kirchlich wesentlichen Themen galt) von den Exorzismus-Sitzungen ebenfalls "nichts gewusst" h�tte, so wie es der Sprecher von Josef Stangl entgegen der Wahrheit von seinem Bischof behauptete.

Die offizielle Distanzierung der damaligen Kirchenleitung und der Kommission der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz von Anneliese Michels Eltern und dem kirchenamtlich beauftragten Exorzisten Renz und seinem Kollegen Alt hat dabei aber nicht nur die hier dargelegten moralischen und juristischen Dimensionen, sondern eine noch tiefere existenzielle. Denn ein solches kirchenamtliches Handeln kann in einem gl�ubigen Katholiken auch Seelen�ngste ausl�sen, die wohl nur der wirklich erahnen kann, der selbst dieses Milieu erfahren hat.
"Der sei ausgeschlossen", hei�t es bis heute in zahlreichen kirchlichen Lehrdokumenten gegen�ber in Einzelf�llen Andersdenkenden oder Zweiflern, und damit verbunden ist nach angeblich unfehlbarer Kirchenlehre die wiederum angebliche ewige Verdammnis (vgl. dazu Der Theologe Nr. 68).
Mit einer kirchenamtlichen Distanzierung schlie�t man den Gl�ubigen zwar noch nicht aus. Man r�ckt ihn aber gef�hrlich nahe an den Abgrund heran, vor dem jeder gl�ubige Katholik bis ins Mark Angst haben soll und vor dem auch Anneliese Michel zeitlebens in unfassbarer panischer Angst lebte, von der sie sich nicht befreien konnte. "Ich habe Angst", das waren dann ja auch ihre letzten Worte. Sie hatte immer Angst.

Doch kein Opfer der Kirche muss ein Opfer bleiben. Und f�r jeden Menschen, der die Wurzeln daf�r findet, warum er zum Opfer geworden ist, kann sich ein neuer Weg zum Leben auftun – im Diesseits und, wer daran glauben m�chte, warum nicht auch im Jenseits? Das ist auch die gute Hoffnung f�r Anneliese Michel.
Und ohne dass sie es plante oder wusste, hat die Aufarbeitung ihres Lebens schon heute dazu beigetragen, dass unz�hlige Menschen die h�llischen Abgr�nde der kirchlichen Lehre besser erkennen und verstehen k�nnen. Ihr Leiden und Sterben ist nicht vergeblich gewesen.
 



Anmerkungen und biografische Daten:


(0) Pater Adolf Rodewyk (* 1894 in M�lheim) hat mehrere Studien zum Thema Exorzismus geschrieben, darunter das r�misch-katholische Standardwerk D�monische Besessenheit heute. Tatsachen und Deutungen, Aschaffenburg, Imprimatur 1966. Aufgrund der pers�nlichen Kontakte mit Anneliese Michel und ihrer Familie diagnostizierte er 1975 zun�chst "einen Verdacht auf Besessenheit". Der Verdacht wurde f�r ihn mit der Zeit aber zur Gewissheit. W�hrend des sp�teren Prozesses gegen die Exorzisten und die Eltern von Anneliese Michel erkl�rte er, dass er ohne jede Einschr�nkung von der Besessenheit von Anneliese Michel �berzeugt sei (Goodman, siehe unten unter (2), S. 321). Er ist am 9.11.1989 im Alter von 95 Jahren in M�nster/Westfalen verstorben.

(1) Uwe Wolff: Das bricht dem Bischof das Kreuz � Die letzte Teufelsaustreibung in Deutschland, TB rororo, Reinbek 1999. Der Autor (geboren 1955 in M�nster) wohnt in Bad Salzdetfurth und war Fachleiter f�r Evangelische Religionslehre am Studienseminar in Hildesheim. Im Jahr 2006 erschien die Neuauflage seines Buches unter dem Titel Der Teufel ist in mir � Der Fall Anneliese Michel, die letzte Teufelsaustreibung in Deutschland, M�nchen 2006. Von einer "letzten Teufelsaustreibung" kann allerdings nicht die Rede sein, siehe hier. Im Jahr 2020 trat er aus der evangelischen Kirche aus und die r�misch-katholische Kirche ein und ist Privatdozent an der Universit�t Hildesheim.

(2) Felicitas D. Goodman: Anneliese Michel und ihre D�monen, Christiana-Verlag, Stein am Rhein/Schweiz, 3. Auflage, 1993; Felicitas Goodman (1914-2005) standen alle 42 Tonbandprotokolle der Exorzismussitzungen zur Verf�gung. Die Anthropologin lebte zuletzt in Cuyamungue/New Mexico/USA.

(3) Voodoo auf Katholisch, Freie Christen f�r den Christus der Bergpredigt, Marktheidenfeld 2004; im Internet als PDF-Datei siehe hier. Als Druckschrift gratis erh�ltlich �ber den "Theologen".

(4) Nach der 3. Auflage des CIC (Codex Iuris Canonici) von 1983 handelt es sich mittlerweile um Can. 1172 � 1: "Niemand kann rechtm��ig Exorzismen �ber Besessene aussprechen, wenn er nicht vom Ortsordinarius eine besondere und ausdr�ckliche Erlaubnis erhalten hat."

(5)  Da der Artikel im
Rheinischen Merkur zu Prozessbeginn 1978 erschien, kann der Beschluss der Kommission nicht 1979 erfolgt sein, wie Frau Goodman auf S. 321 schreibt. Oder die Jahreszahl der Quellenangabe ist fehlerhaft. F�r eine R�ckmeldung zu den exakten Datumsangaben bin ich dankbar. Der Verfasser.

(6) Der Haupt-Exorzist, der Salvatorianerpater Arnold Renz, starb am Pfingstsamstag, den 17.5.1986, "unbemerkt von der �ffentlichkeit" (Goodman, S. 305). 30 Jahre sp�ter werden gegen ihn von einer Frau Vorw�rfe des sexuellen Missbrauchs erhoben.

Pater Ernst Alt konnte sp�ter "unter dem Schutz des Erzbischofs Josef Stimpfle" in Augsburg untertauchen. Im Jahr 1994 sprach er mit dem Autor Uwe Wolff nur telefonisch, nicht pers�nlich, da Wolff ihm mitteilte, dass er nicht katholisch sei. "Die pers�nliche Begegnung", so Wolff, "scheute er deshalb mit der Begr�ndung: �Der Exorzist muss sich rein halten`"
(Wolff, S. 268 f.).
Noch in j�ngerer Zeit [2011] war er offenbar als Exorzist t�tig. So schrieb uns Frau Klara H. aus N�rnberg im Jahr 2008 von einer r�misch-katholischen S�uglingstaufe, bei der Pfarrer Ernst Alt auf Latein exorzistische Formeln �ber dem wehrlosen Kind murmelte (nach kirchlicher Lehre ist bereits der S�ugling mit der Erbs�nde "befleckt" und der "Teufel" m�sse auch aus ihm "ausgetrieben" werden). Im Jahr 2016 wird bei ihm auch wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs ermittelt.

Von Anneliese Michels Vater Josef Michel (* 1917 in Klingenberg) ist bekannt, dass er 1983 in den Ruhestand ging und die Firma an die "n�chste Generation" �bergeben hat. Er richtete auf eigenem Grund auch eine Privat-Kapelle f�r seine Tochter Anneliese ein und ist offenbar um das Jahr 2000 verstorben, ebenso nach dem Vater die Mutter Anna Michel, geb. F�rg (* 1920 in Leiblfing; + 16.6.2012 in Klingenberg im Alter von 91 Jahren). Die Erben, die Geschwister von Anneliese Michel, haben nach dem Tod der Mutter die Privat-Kapelle dauerhaft geschlossen.

(7) Anmerkung am Rande: Auf �hnliche Weise ist es der Kirche auch gelungen, z. B. mit zahlreichen Diktaturen im Bunde zu sein (z. B. 1976-1983 mit der Milit�rjunta in Argentinien) und nach deren Fall sofort auf Seiten der neuen Machthaber zu stehen. Entweder indem man zum richtigen Zeitpunkt einfach die Seiten wechselte. Oder indem man auf allen Seiten seine Leute hatte und hat. Und je nach den Erfordernissen des Zeitgeistes werden die einen hochgehoben und die anderen l�sst man bedeckt oder umgekehrt.

(8) Pfarrer Valentin Fleischmann war von 1552-1575 der Priester der r�misch-katholischen Kirchengemeinde in Ettleben bei Schweinfurt. Er galt als sehr gewaltt�tig und hat u. a. einen Mann in seinem Pfarrhaus erschlagen. Und einer Frau f�gte er durch Schl�ge schwere Verletzungen zu. Bei vier Kindern ist seine au�ereheliche Vaterschaft unbestritten. Der katholische Priester soll einer der "D�monen" gewesen sein, die durch Anneliese Michel gesprochen haben. So z. B. am 24.10.1975, als "Fleischmann" durch Anneliese Michel von den Priestern die Einhaltung des Z�libats forderte. W�rtlich:
"Es darf kein Priester heiraten. Er ist Priester auf ewig. Und mit den Ordensleuten ist es nicht anders. Sie m�ssen ihrem Beruf treu bleiben." Nach einer anderen Anmerkung h�tte er zudem "in seinem Pfarrhaus ein M�dchen umgebracht, nachdem er es verf�hrt hatte" (Dr. Harald Wiesendanger in "Das Gro�e Buch vom Geistigen Heilen", zit. nach Wendezeit Nr. 2/2006). Vielleicht liegt hier aber eine Verwechslung mit dem Mord des Priesters an dem Mann vor.

(9) Der WDR-Film Satan lebt � Die R�ckkehr des Exorzismus von Helge Cramer wurde erstmals am 27.3.2006 in der ARD gezeigt (wdr.de, 2007/0709).

(10) Ein Hintergrund der Ereignisse von Klingenberg ist die innerkirchliche Auseinandersetzung zwischen den "Reformern", die sich vom 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) ermuntert sehen und den "Traditionalisten", welche Reformen der Kirche beargw�hnen. Das religi�se Umfeld von Anneliese Michel und ihrer Exorzisten wird den "Traditionalisten" zugerechnet. So sind z. B. die Marienerscheinungen in San Damiano bzw. Assisi in der Toskana, an denen auch Anneliese Michel mehrmals teilnahm, bis heute kirchenoffiziell nicht "best�tigt". Sie sind jedoch fest in der katholischen Volksfr�mmigkeit verwurzelt. Der damalige W�rzburger Bischof Josef Stangl wird hingegen zu den "Reformern" gez�hlt. Praktisch �berschneiden und erg�nzen sich jedoch beide Fl�gel. Dies gilt auch f�r den Exorzismus an Anneliese Michel. So handelten die beiden Exorzisten Renz und Alt ganz offiziell im kirchenamtlichen Auftrag und mit dem offiziell daf�r vorgesehenen Rituale Romanum. Und die Kritik an diesem Exorzismus sowie seiner Vorgeschichte und seinen Folgen trifft nicht nur einen Fl�gel der Kirche, sondern die r�misch-katholische Kirche und ihre Dogmen in ihrer Substanz.

(11) Zwei Fotos von Anneliese Michel fr�her einsehbar unter blogultura.com
oben im Studentenwohnheim in W�rzburg und unten, schwer gezeichnet, kurz vor ihrem Tod.

(12) Thea Hein, Pilgerleiterin, die einen gro�en Einfluss auf Anneliese Michel aus�bte und auch als deren "Freundin" galt, misstraute dem Umgang der Kirche mit Anneliese Michel und kritisierte offen das Verhalten von Bischof Josef Stangl. Sie wohnte in Ebersbach, Gemeinde Leidersbach, einige Kilometer von Klingenberg entfernt und teilte die Ansichten von Anneliese Michel, welche f�r die junge Studentin letztlich zur Todesfalle wurden. Thea Hein (* 29.6.1927) starb am 12.8.2008 im Alter von 81 Jahren
.
Sie war im Besitz von Tonb�ndern der Exorzismus-Sitzungen. Wo sich diese heute befinden, ist uns nicht bekannt.

(13) Prof. Dr. med. Ulrich Niemann, Jesuit, der ein Gutachten �ber Anneliese Michel verfasst hatte, starb am 30.6.2008 im Alter von 73 Jahren.

(14) Eine von der Deutschen Bischofskonferenz aufgrund des �ffentlichen Drucks im Jahr 1979, drei Jahre nach dem Tod von Anneliese Michel, eingesetzte Kommission leitete acht Jahre nach ihrem Tod, im Jahr 1984, auch ein "Gesuch" beim Vatikan ein, das die Bitte enthielt, den Exorzismus gem�� dem Rituale Romanum von 1614 in "Liturgie zur Befreiung vom B�sen" umzubenennen. Weitere 15 Jahre sp�ter, im Jahr 1999, hatte die vatikanische "Kongregation f�r den Gottesdienst und die Sakramentenordnung" dann in dieser f�r vatikanische Verh�ltnisse typischen Geschwindigkeit das Rituale Romanum von 1614 dann tats�chlich �berarbeitet und die Einbeziehung von Psychologen und Medizinern vorgeschrieben. Man spricht dabei jedoch weiterhin von "Exorzismus".

 


 

Weitere Hinweise zum Thema ab ca. 2008:

Das Hamburger Abendblatt und Die Welt berichteten am 20.5.2008 von Teufelsaustreibungen in Deutschland.
abendblatt.de, 20.5.2008
welt.de
, 20.5.2008

Dabei wurden bei Exorzismen im Erzbistum Paderborn eigens ein erfahrener "Priester aus Bayern" eingesetzt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem Zusammenhang auch Pfarrer Ernst Alt weiterhin t�tig ist, einer der beiden Exorzisten von Anneliese Michel, der nach Zeugenaussagen bei einer S�uglingstaufe einen Exorzismus auf Lateinisch durchf�hrte.

Mindestens ein Exorzist f�r jede Di�zese

 Vermeintlich liberaler deutscher Katholizismus h�lt sich zur�ck

Teufelseintreiber

Doppelz�ngigkeit und Scheinheiligkeit

Einfallspforten der Beeinflussung

Sprunghafte Zunahmen beim Exorzismus in S�deuropa

Mindestens ein Exorzist f�r jede Di�zese

Weiteren Presseberichten zufolge stand 2008 die Berufung eines Exorzisten f�r jede r�misch-katholische Di�zese unmittelbar bevor. Papst Benedikt XVI. wollte zu diesem Zweck 3000 neue Exorzisten berufen (siehe z.B. derwesten.de, 12.3.2008). Das dies tats�chlich geschehen ist, best�tigt �gidius Engel, Sprecher des Erzbistums Paderborn im Jahr 2014 (Focus Nr. 2/2014). Ihre T�tigkeiten seien im "erzbisch�flichen Geheimarchiv" dokumentiert.

Die Zeitung Bild ver�ffentlichte am 21.5.2008 schlie�lich das Protokoll eines Exorzismus an der 22-j�hrigen Heike H. in einem Kloster bei Ingolstadt.
bild.de, 21.5.2008. Dabei versuchte Pfarrer Otto Maurer � �hnlich wie die Exorzisten bei Anneliese Michel � die dabei wirkenden Kr�fte in die angeblich ewige Verdammnis zu schicken ("Ab in die H�lle mit dir"). Die junge Frau schrie, w�hrend sie mit Weihwasser besprengt wurde. Am 24.5.2008 wurden weitere Details erg�nzt:
bild.de, 25.5.2008)

 Vermeintlich liberaler deutscher Katholizismus h�lt sich zur�ck

Entwicklung in Deutschland � Im PM-Magazin Nr. 2/2009 wird berichtet, dass der liberale deutsche Katholizismus � mit verursacht durch das Desaster um Anneliese Michel � nur noch sehr selten einen Exorzismus durchf�hrt. "Pro Jahr melden sich etwa 50 Menschen, die glauben besessen zu sein", sagt Markus Roentgen vom "Arbeitskreis Exorzismus" des Erzbistums K�ln. Und: Allen wurde mitgeteilt, "dass ein Exorzismus f�r sie nicht infrage kommt". Und beim "M�nchner Kreis" von katholischen �rzten, Priestern und Psychologen gab es im Jahr 2008 350 Anfragen nach Exorzismen � doch nur f�nf Mal seien diese Leute mit exorzistischen "Heilgebeten" behandelt worden. Dazu der Pallotinerpater J�rg M�ller (Autor des Buches Verw�nscht, verhext, verr�ckt oder was?): "Die meisten Menschen, die sich an uns wenden, sind psychisch krank. Sie f�hlen sich fremdgesteuert, sehen Schatten, f�hlen sich ber�hrt."

Die kirchlichen Ansprechpartner in Deutschland verzichten demnach bei weitaus den meisten Anfragen auf das Exorzismus-Ritual, weshalb unz�hlige Deutsche, �sterreicher und Schweizer zum Exorzismus ja auch nach Italien fahren, wie auch das PM-Magazin schreibt. Doch davon darf man sich nicht t�uschen lassen. Denn die Vorg�nge in Deutschland sind nicht die Richtung, die der Vatikan und Papst Benedikt XVI. vorgegeben haben, wonach der Exorzismus stark ausgeweitet wird (siehe dazu unter #Exorzismus).

Die Teufelseintreiber

Und der r�misch-katholische Exorzismus, der au�erhalb Deutschlands weiterhin zehntausendfach angewandt wird und dessen Anwendung derzeit weiter sprunghaft zunimmt (vor allem in S�deuropa und in der Dritten Welt), richtet dabei kurz- bzw. langfristig auch noch mehr Schaden an als ohnehin schon erkennbar ist. Der Grund daf�r sind die damit verbundenen destruktiven Glaubensvorstellungen, z.B. die katholischen H�llenlehren oder eine katholische Bewertung von "Gut" oder "B�se", die nicht mit den Wertvorstellungen der Hilfesuchenden �bereinstimmt, die sich z. B. am "gesunden Menschenverstand" orientieren (siehe oben unsere Studie). Kritiker bezeichnen im Volksmund deshalb katholische Exorzisten manchmal ja auch als "Teufelseintreiber".

Das andere Extrem innerhalb der r�misch-katholischen Kirche ist nun also der vom Vatikan noch geduldete liberale vor allem deutsche Katholizismus. Dieser bezieht bei seinen Diagnosen den m�glichen Einfluss von jenseitigen "Seelen" auf unz�hlige Menschen nach den bekannt gewordenen Berichten nicht einmal ein. Doch viele Menschen sp�ren intuitiv, dass sie von bestimmten Kr�ften beeinflusst bis nahezu gesteuert werden, die nicht ihre eigenen seien.
Und geht man von dieser M�glichkeit auch aus (siehe dazu oben), kann den davon betroffenen Menschen folglich in nicht kirchenoffiziellen liberal-katholischen Beratungsgespr�chen keine Einsicht in ihre Situation vermittelt werden.
So spricht der liberal-katholische Journalist Marcus Wegner (Autor der Rundfunksendung Beten auf Teufel komm raus. Exorzismus in Deutschland heute, WDR 2008; Buchautor von Exorzismus heute, G�tersloh, M�rz 2009) auch nur �ber "austherapierte, psychisch kranke Menschen, die lieber besessen sein wollen als verr�ckt". Fahren sie deshalb zum "Exorzismus" nach Italien oder Spanien, geraten sie jedoch vom Regen in die Traufe, und die "D�monen" werden dort wohl noch weiter entfesselt.

Doppelz�ngigkeit und Scheinheiligkeit

Die Zeitschrift Focus Nr. 2/2014 vom 4.1.2014 best�tigt diese Entwicklung, wobei Scheinheiligkeit und Doppelz�ngigkeit noch zugenommen haben, um die gegens�tzlichen Extreme im Katholizismus zu �bert�nchen. Doch auch so mancher als "liberal" geltende kircheninterne Experte wie J�rg M�ller sagt heute, in manchen F�lle helfe nur der "Ex" = "der gro�e Exorzismus". Dabei testet er zuvor die Hilfesuchenden. "Er stellt zwei Sch�sseln Wasser auf den Tisch. Dann will er von ihnen wissen, in welcher das Weihwasser sei." Br�llt oder zuckt der Notleidende bei der falschen Sch�ssel, gelte er offenbar als "L�gner", der eine Besessenheit nur vort�usche. Was f�r ein Kriterium!
"Dadurch, dass �ber hundert Exorzisten sich in Deutschland verstecken m�ssen und die Bisch�fe so tun, als g�be es sie nicht, ger�t das Ganze in die H�nde von zwielichtigen Gestalten." (Die Kirchenhistorikerin und Vatikan-Mitarbeiterin Alexandra von Teuffenbach, zit. nach Focus Nr. 2/2014)
"Zwielichtige Gestalten", das sind dann diejenigen r�misch-katholischen Exorzisten, die man kirchenamtlich wieder nach vorne schiebt und von denen man sich offiziell distanziert, wenn etwas "schief" geht, so wie 1976 bei den kirchenamtlich bestellten Exorzisten Renz und Alt.
Dass der katholische Exorzismus nichts bringt, erkl�rt z. B. Sarah Pohl  von der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg. "Denn auf Dauer k�nne kein Exorzist helfen", so wird sie von Focus wiedergegeben. "Letztlich blieben sie [die Hilfesuchenden] aber mit ihren D�monen allein".

Einfallspforten der Beeinflussung

Der m�gliche Einfluss von jenseitigen Seelen l�sst sich also weder durch ein "weichgesp�ltes" katholisches Beratungsgespr�ch (vom Vatikan noch geduldeter liberaler deutscher Katholizismus) noch durch einen Exorzismus absch�tteln (klassischer Katholizismus, Katholizismus in S�deuropa und in der Dritten Welt, Papst, Vatikan). Sondern dies w�re, wenn, dann nur durch strengste Selbstdisziplin einschlie�lich Gedankendisziplin m�glich, um "Einfallspforten" der Beeinflussung (die sich im Extremfall eben bis zu einer Besetzung ausweiten k�nne) Zug um Zug zu schlie�en (siehe dazu die ausf�hrlichen �berlegungen in unsere Studie oben). Solche "Einfallspforten" w�ren beispielsweise massive Schwachpunkte in der Pers�nlichkeitsentwicklung, �ber die der Hilfesuchende immer wieder in Extremzust�nde "abkippt". Doch ob der Betroffene dazu noch ganz oder wenigstens teilweise in der Lage ist? Oder ist die Pers�nlichkeit schon gespalten, was dann z. B. zu der Diagnose "Schizophrenie" f�hrt? Wenn der Hilfesuchende die Z�gel seines Lebens �berwiegend nicht mehr selbst in die Hand nehmen kann, besteht nach Expertenberichten nur die M�glichkeit, ihn dann medikament�s ruhig zu stellen.

Sprunghafte Zunahmen beim Exorzismus in S�deuropa

2013/2014 � Katholische Kirche forciert Exorzisten-Ausbildung � Der Erzbischof von Madrid, Antonio Maria Rouco Varela, spricht von einem "noch nie vorgekommenen Zuwachs" d�monischer Besessenheiten in unserer Zeit (Frankfurter Allgemeine, 24.2.2014). Derzeit l�sst er acht Priester zu katholischen Exorzisten ausbilden. Nach Kardinal Rouco sei durch die katholische Taufe das Katholische zwar zum Teil "unserer DNS" geworden, also des genetischen Erbguts, was jedoch nicht ausreichend vor dem Teufel sch�tze. Im Namen von Papst Bergoglio, der auch sehr viel vom Teufel spricht, "intensiviert die Kirche vor allem im S�den Europas die Ausbildung von Teufelsaustreibern. Die Di�zese Mailand lie� jetzt sieben Priester zu Exorzisten ausbilden. In Neapel sind es drei. Aus Sardinien haben gerade drei Priester ihren Kurs abgeschlossen" (FAZ, 24.2.2014). Auch Anneliese Michel ist mehrfach nach Italien gefahren, um am Kult um den "heilig" gesprochenen Pater Pio zu huldigen.
 



KLINGENBERG UND W�RZBURG AKTUELL: 2013 � 2023

15.6.2013 / 30.4.2014 Klingenberg und die "D�monen" der Anneliese Michel kommen auch im 21. Jahrhundert nicht zur Ruhe. Am 6.6.2013 ging das S�gewerk ihres Vaters in Flammen auf, das zuletzt eine Schwester Anneliese Michels und deren Mann betrieben hatten, das aber bereits still gelegt war. Auch die benachbarte Villa brannte mit ab. Auf Fotos von dem verheerenden Gro�brand (fr�her unter main-netz.de einsehbar) glauben manche Betrachter, rechts auf dem Balkon im Feuer schemenhafte Konturen einer menschlichen Seele zu sehen. Auch rechts unter dem Balkon k�nne man in den lodernden Flammen Konturen wie die eines Menschen sehen, woraus manche Betrachter mit entsprechenden �berzeugungen schlie�en, dass eine Seele auch dort anwesend war, die normalerweise unsichtbar sei, durch das Feuer jedoch schemenhaft sichtbar hatte werden k�nnen.

Erst am 18.5.2013 war eine Garage in unmittelbarer N�he zum Grab Anneliese Michels abgebrannt. Der Brand wurde Angaben der Kriminalpolizei zufolge von einem Grablicht verursacht, das dorthin verbracht wurde. Und in der Nacht zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr am 13.6.2013 wurde dann der Auto-Anh�nger der Klingenberger Musikanten abgefackelt, also eine Woche nach dem Gro�brand im S�gewerk. Auch hier ist eine inhaltliche Parallele zu dem Grauen der 70er-Jahre herstellbar: Eine mutma�liche Seele, die Anneliese Michel "besetzte" und durch sie sprach, hatte einst "sexuelle Verfehlungen" von B�rgern beim Klingenberger Volksfest angeprangert, wo nat�rlich auch Musikanten im Einsatz sind.
 
Am Donnerstag, den 13.6.2013 � nach dem dritten Brand in k�rzester Zeit und ca. eine Woche nach der Zerst�rung des einstigen Betriebs von Anneliese Michels Eltern reagierten auch Katholiken,
"die sich vor der Brandruine wieder und wieder bekreuzigten und den Rosenkranz beteten" (Main-Echo, 15.6.2013). Viele m�chten eine Heiligsprechung der nach den Exorzismen gestorbenen Studentin erreichen.
Die Anwohnerin Birgit Simon, die in der gleichen Stra�e wohnt wie einst Anneliese Michel, "erz�hlt von Ger�chten, am Abend vor dem Gro�feuer sei ein Kreuz vom Grab Michels gestohlen worden"
(Main-Echo). Und so mancher fragte sich, ob das Grablicht, das zuvor die Garage in Brand gesetzt hatte, vielleicht auch von dort genommen wurde.

Noch im September 2013 wurde schlie�lich ein 19-j�hriger Jung-Feuerwehrmann aus Klingenberg als T�ter festgenommen, vermutlich auch ein Katholik, wie die meisten Einwohner der Stadt. Sein Motiv wurde nicht �ffentlich bekannt gemacht. Auch nicht, ob er sich mit den Geschehnissen in den 70er-Jahren einmal n�her besch�ftigt hatte.
So manches wird dabei als purer Zufall abgetan, und Querverbindungen zu fr�heren Geschehnissen als Hirngespinste nicht ernst zu nehmender Zeitgenossen. Wer jedoch davon ausgeht, dass die Verstorbenen in der jenseitigen Welt keineswegs in "Frieden ruhen", sondern dass unbereinigte Dramen dort weiter eskalieren (und einst "Besessene" nun selbst auch zu "Besetzenden" werden k�nnen), der wird nicht �ber vermeintliche Gespenster spotten oder die Geschehnisse als nur "zuf�llig" betrachten. Er wird eher nachdenklich werden und vielleicht den Leidtragenden einige gute Gedanken zukommen lassen.
Das Gel�nde war 2014 dann bereits eingeebnet und wurde als Fl�che f�r Gewerbeansiedlung zur Verf�gung gestellt. Der T�ter bekam eine Bew�hrungsstrafe.



10.4.2014 / 1.7.2016 / 2.2.2020 2014: Angeblich "wissenschaftliche" Untersuchung des Todes von Anneliese Michel im Dienst der "Entlastung" der Amtskirche � Im April 2014 erschien die im Jahr 2012 von der Universit�t W�rzburg als "Doktorarbeit" angenommene Ausarbeitung der evangelischen Universit�tsabsolventin im Fach Geschichte, Petra Ney-Hellmuth, als Buch. Der Titel: Der Fall Anneliese Michel Kirche, Justiz, Presse, W�rzburg 2014.
Frau Dr. Ney-Hellmuth "stie� ... allerdings nicht auf fundamental neue Erkenntnisse �ber das Geschehen im Jahr 1976", hei�t es dazu in der Lokalzeitung Main-Echo vom 7.4.2014 �ber ihre Promotion. Und die Autorin zeigt sich auf dem zugeh�rigen Foto anl�sslich der Buchvorstellung zusammen mit dem kurz darauf verstorbenen r�misch-katholischen Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand (+ 22.11.2014) und mit Dr. Johannes Merz, dem Leiter des Di�zesanarchivs W�rzburg.
Das wortreiche Buch hat die klare Tendenz, die vatikanische Amtskirche und den damaligen Bischof Josef Stangl zu entlasten, was die Autorin indirekt auch zugibt: "Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Di�zesanarchivdirektor Professor Johannes Merz mussten also keine Angst haben", da das Interesse der Autorin Petra Ney-Hellmuth angeblich "wissenschaftlich" sei und nicht "popul�r oder sensationsheischend", so die Lokalzeitung
Mainpost am 3.5.2014. Doch die "Wissenschaft" oder das, was als "wissenschaftlich" ausgegeben wird, wird hier einmal mehr als Mittel zu einem entsprechenden Zweck instrumentalisiert.

Den "konservativen Reformkritikern" in der Vatikankirche, aus deren Reihen Anneliese Michel selbst stammte, wird jedoch umgekehrt von der Autorin vorgehalten, den Tod der vermeintlich "an Epilepsie erkrankten" jungen Frau f�r ihre Interessen zu "instrumentalisieren".
(welt.de, 10.4.2014)
Weiterhin gibt die Autorin zu: "Ich war ja dort [im Bistum] auch bereits bekannt, weil ich an der Ausstellung �ber Bischof Stangl mitgearbeitet habe."
Zur Verdeutlichung
: Das Bistum W�rzburg hatte anl�sslich des 100. Geburtstag der 1979 verstorbenen Exzellenz das Jahr 2007 zum "Stangl-Jahr" ausgerufen und den Bischof mit der besagten Ausstellung geehrt.

 
Von einer Autorin, die also einen Teil ihres Arbeitslebens � offenbar, ohne Ansto� daran zu nehmen � bereits der Ehrerbietung von Bischof Stangl gewidmet hat, kann man auch nicht erwarten, dass sie bei ihren "Untersuchungen" etwas "findet", was diese klerikalen Selbstbeweihr�ucherungen in Frage stellt, das erhebliches Belastungsmaterial gegen�ber dem Bischof in dieser Angelegenheit bekr�ftigt oder gar Weiteres in diese Richtung hinzuf�gt. Man darf es dann aber nicht als Ma� der "Wissenschaft" betrachten � gerade, wenn man wei�, was "Wissenschaft" f�r die Kirchenm�nner und f�r ihr Gefolge in Wirklichkeit bedeutet.
So wird dann von Frau Ney-Hellmuth auch die nachweisliche L�ge des Bischofs, womit er u. a. seine Genehmigung des Exorzismus abstritt, auch 2016 wieder mit den Worten sch�ngeredet:
"Man kann Stangl nicht unterstellen, dass er sich ausmalen konnte, was da in Klingenberg passierte." (zit. nach main-echo.de, 1.7.2016)
Zur Erinnerung: ... obwohl er dar�ber fortlaufend, auch �ber grausige Einzelheiten, informiert wurde. Da brauchte er sich also nichts auszumalen. Man hatte ihm ja die Bilder pr�sentiert.



3.5.2014 / 2.2.2020 Weitere Anmerkung zur "Dissertation" von Petra Ney-Hellmuth �ber Anneliese Michel: Tod nach Beten? Als "erste wissenschaftliche Analyse" (Mainpost, 3.5.2014), als "Dissertation", welche "die Fakten richtig" stellt (neue bildpost, 19.4./20.4.2014) oder als Doktorarbeit �ber den Fall, der auf diese Weise "erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet worden sei" (Main-Echo, 25.4.2014), wurde das Buch der evangelischen Autorin Petra Ney-Hellmuth in der �ffentlichkeit "verkauft" � ein Etikettenschwindel, wie so vieles, bei dem die Kirche ihre H�nde im Spiel hat. Es l�uft letztlich darauf hinaus, dass sich die r�misch-katholische Kirche hier nun auch noch das M�ntelchen "wissenschaftlich" umzuh�ngen versucht.
Auf die Frage, ob sie auch mit den Betroffenen gesprochen hat, verneinte die kirchenkonforme evangelische Autorin. "Ich sa� allein ein Jahr lang im Staatsarchiv und im Di�zesanarchiv und habe die Akten gesichtet" (Mainpost, 3.5.2014). Vorschl�ge, mit "Leuten aus dem Spessart zu reden", die �ber "spezielle Informationen" verf�gten, lehnte sie als "nicht von Nutzen" von vorne herein ab. Auch �berging sie die betroffene Familie. Also das Di�zesanarchiv der Kirche als eine Art angeblich "wissenschaftliches" Nonplusultra. Das allein sagt schon sehr viel aus.

Helge Cramer, der Autor des informativen WDR-Beitrags Satan lebt R�ckkehr des Exorzismus (2006), findet in seinem Leserbrief an die S�ddeutsche Zeitung (28.4.2014) dann dazu auch deutliche Worte. Am Ende seines Briefes hei�t es: "Es wird nicht mal die Frage untersucht, wieso der �ber Inhalte und Ziel des Treibens fortlaufend unterrichtete Bischof denn diesen neun Monate (!) w�hrenden Spuk nicht fr�hzeitig beendet hat. Stattdessen lesen wir, dass der Bischof bestimmt ganz lautere Motive hatte, genauso wie das bisch�fliche Ordinariat, als es den bisch�flichen Auftrag leugnete, und zuletzt das eindringlich wiederholte wissenschaftliche Res�mee dieser Forschungsarbeit: dass Teufelsaustreibung �im eigentlichen Sinne` doch nicht mehr ist als �das Sprechen von Gebeten` in einer �seelsorgerlichen Betreuungssituation`. Der Fall Anneliese Michel Tod nach Beten? H�tte eine der in den letzten Jahren vorgelegten Forschungsarbeiten �ber die NS-Vergangenheit deutscher Unternehmen vergleichbare Qualit�ten gezeigt � die Emp�rung der Medien k�nnte kaum lauter sein. Und hier?"


3.7.2014 Vatikan erkennt Exorzisten-Verein von Padre Amorth offiziell an Die International Association of Exorcists (IAE) wurde vom Vatikan am 13.6.2014 voll kirchenrechtlich anerkannt, so der L�Osservatore Romano am 1.7.2014. Der IAE wurde von dem ber�chtigten Vatikan-Exorzisten Gabriele Amorth in den 90er-Jahren gegr�ndet und hat 2014 250 Mitglieder.
Der Exorzist Amorth z�hlt mit ca. 160.000 Exorzismen zu den erfahrensten vermeintlichen Teufelsaustreibern der Romkirche. Er ist auch ein Gegner Harry Potters, der Roman- und Filmfigur, die f�r Amorth ein "Werkzeug des Satans" sei. Passend dazu gibt es umgekehrt Parallelen zwischen dem Papsttum und dem Potter-Gegner Lord Voldemort.



21.4.2015 T�glich zahlreiche Teufelsaustreibungen in Deutschland / Deutscher Exorzismus-Experte der Vatikankirche: "Ich denke, ein Exorzismus sollte so normal sein wie die Kommunion" "In der Bundesrepublik gibt es t�glich zahlreiche Teufelsaustreibungen. Viele verlaufen brutal und k�nnen schlimme Folgen f�r die Betroffenen haben", schreibt focus.de am 18.4.2015. "Da gehen Menschen zugrunde", warnt der Journalist Marcus Wegner vor allem im Hinblick auf Exorzismen im evangelisch-evangelikalen Bereich. Er sch�tzt zwei bis drei katholische und sechs bis sieben evangelikale Exorzismen pro Tag.
Der Exorzismus Experte der Romkirche Pater Helmut Moll versucht hingegen, den Menschen, die Angst vor den Praktiken der Kirche zu nehmen, da es klare "Faktoren" f�r eine Besessenheit gebe: "Ich denke, ein Exorzismus sollte so normal sein wie die Kommunion."
(focus.de)


31.7.2015 Auch im Protestantismus gibt es den Exorzismus � Nicht nur in der Vatikankirche, auch in evangelischen Freikirchen ist der Exorzismus weit verbreitet, und er ist in diesen Varianten vor allem �ber die USA nach Deutschland gelangt. Die Austreibungsformeln wurden dabei "individuell" je nach Gemeinschaft erfunden. Auch hier wird sich zu Unrecht auf Jesus von Nazareth berufen und man hat es ebenfalls mit jenseitigen Seelen zu tun. Weit verbreitet sind Exorzismus-Praktiken vor allem in so genannten "Pfingstkirchen" oder "charismatischen" Kirchen.
Im Dezember 2014 kam eine Frau aus Korea bei einem Exorzismus von ihren Verwandten in einem Hotel in Frankfurt ums Leben.



1.7.2016 � Die unterfr�nkische Lokalzeitung Main-Echo ver�ffentlichte anl�sslich des 40. Todestags von Anneliese Michel ein Dossier mit sieben Artikeln zum Thema. Wesentlich Neues war dort aber nicht zu lesen. Die Zeitung beinhaltete eine kurze Reportage �ber Olof Dahl Bjurwill, Kirchenmusikstudent und katholischer Priesteramtskandidat aus Schweden, der direkt von Rom aus nach Klingenberg ans Grab von Anneliese Michel gepilgert ist. Was viele Zeitzeugen aber mit ins "Grab" nahmen, ist weit �ber 40 Jahre [2020] nach den Ereignissen immer schwerer recherchierbar. Doch vieles ist auch bekannt bzw. offensichtlich. Auch deshalb diese Untersuchung Exorzismus � Todesfalle Kirche: Warum musste Anneliese Michel sterben?

PS [2021 / 2023]: Auf Wikipedia wird unsere ausf�hrliche Studie zum Thema mittlerweile totgeschwiegen. Die katholischen Lobbyisten bzw. materialistische Wissenschaftsgl�ubige
haben den dortigen Wikipedia-Lexikon-Eintrag v�llig in Beschlag genommen und ordnen nun alles um die kirchengef�llige Dissertation von Frau Petra Ney-Hellmuth (die diese im Einvernehmen mit den Kirchenm�nnern verfasst hat) herum an.


25.8. / 27.8.2021 Das unterfr�nkische Lokalblatt Mainpost ver�ffentlicht einen Radio-Podcast unter dem Namen Der Exorzismus der Anneliese Michel, einen Beitrag aus der Reihe Mordsgespr�che, und hier Teil 5. Dabei kommen ausschlie�lich Stimmen aus dem so genannten Main-Stream zu Wort, und man plaudert �ber eine Stunde dar�ber, ob die Trag�die entweder spirituell-religi�s oder wissenschaftlich zu deuten sei, wobei nahezu ausschlie�lich die Lehre der katholische Kirche und die dortigen internen Diskussionen f�r die angeblich "spirituelle" Sicht herangezogen werden. Und als "Experte" fungiert ausschlie�lich der Sektenbeauftragte des Bistums W�rzburg, der katholische Theologe Dr. J�rgen Lohmeyer, der redegewandt zwischen "religi�s" und "wissenschaftlich" hin und her pendelt und typisch verlogen abstreitet, dass Verfluchungen heute Teil der r�misch-katholischen Lehre seien. Dabei sind Verfluchungen dort bis heute zentral. In den bis heute g�ltigen Dogmensammlungen hei�t es ca. 700 mal "Anathema sit" = "der sei verflucht", die insgesamte Anzahl gehrt dar�ber hinaus. Es sind m�rderische Fl�che einer m�rderischen Lehre, die ma�geblich f�r den Tod von Anneliese Michel verantwortlich ist, was hier in dieser Untersuchung auch aufgezeigt und nachwiesen wird wird.
Dem katholischen Sektenbeauftragten zur Seite steht in diesem Radio-Podcast die Main-Post-Redakteurin Christine Jeske, die selbst die Kompetenz des damaligen evangelischen (und seit 2020 katholischen) Theologen Uwe Wolf und sein Buch Das bricht dem Bischof das Kreuz in Frage stellt, da Wolf eben kein universit�r diplomierter Psychologe oder Therapeut einer anerkannten Main-Stream-Organisation sei � ein Beispiel f�r die moderne Wissenschaftsgl�ubigkeit frei nach dem Motto
"Hauptsache die Worth�lse stimmt", obwohl sich deren Inhalte vielfach mehr durch intellektuelle �berheblichkeit auszeichnen als durch klare Fakten und N�he zur Wahrheit.
Und kein Wort erf�hrt man in dem Mainpost-Podcast zu dem Anliegen des damaligen Missbrauchsbeauftragten der Di�zese W�rzburg und sp�teren [seit 2019] Richters am Bayerischen Obersten Landgerichts, Professor Dr. Klaus Laubenthal, der im Jahr  2016 forderte, nachdem beiden Exorzisten von Anneliese Michel sexueller Missbrauchs in anderen Zusammenh�ngen vorgeworfen wurde: "Zu beiden zeitlich und �rtlich v�llig unabh�ngig voneinander vorgebrachten Vorw�rfen meint Professor Laubenthal, dass k�nftige Forschungen zum Fall Anneliese Michel auch den Aspekt des sexuellen Missbrauchs in Erw�gung ziehen sollte" (mainpost.de, 10.10.2016). Doch diese Verbrechen werden ja bekanntlich schon Jahrzehnte vertuscht. Und obwohl es hier massive Indizien gibt, n�mlich die Anklagen gegen die beiden Exorzisten, ist es nicht verwunderlich, dass das Interesse an Nachforschungen seitens der Kirche hier offenbar null ist. In unserer Untersuchung haben wir einige Anmerkungen dazu gemacht.

 



Tipps zum Weiterlesen
:

Das Thema "Exorzismus" sorgt immer wieder f�r Schlagzeilen. Als Beispiel der Artikel in Bild vom 9.2.2008 �ber die US-amerikanische S�ngerin Britney Spears - um den Artikel zu lesen, bitte auf das Bild mit dem Artikel klicken

 

 

Auch die Zeitung die aktuelle berichtete am 22.2.2008 �ber die Sorge der Mutter der S�ngerin Britney Spears � um den Artikel zu lesen, bitte auf das Bild rechts klicken)

Sind auch Sie nach r�misch-katholischer Lehre bereits ewig verdammt? Sie glauben nicht? Machen Sie zur Sicherheit den Glaubenstest !

Filmbesprechung zum Film "Der Exorzismus von Emily Rose"


Im Jahr 2006 war in den Kinos ein weiterer Film zu sehen, dessen Handlung an das Schicksal der deutschen Studentin Anneliese Michel ankn�pft, die 1976 nach einer Reihe von Exorzismen gestorben ist. "Requiem" lautet der Titel des deutschen Regisseurs Hans-Christian Schmid. Der Film wurde im Februar bereits bei der Berlinale, den Berliner Filmfestspielen, gezeigt, und die Hauptdarstellerin Sandra H�ller erhielt f�r ihre Leistung einen "Silbernen B�ren". (Das zu diesem Anlass erfolgte aufschlussreiche Interview mit dem Regisseur des Films bei www.wdr.de ist leider nicht mehr abrufbar.) Der Regisseur "interessiert sich f�r die Mechanismen, die eine solch (selbst-)m�rderische Eskalation des Glaubens zugelassen haben", schreibt Focus (Nr. 9/2006). Und in seinem Film wird das r�misch-katholische Milieu, das f�r die Hauptdarstellerin zur t�dlichen Sackgasse wurde, sehr realit�tsnah dargestellt. Der Trailer zum Film bei requiem-der-film.de

Anneliese Michel soll nach dem Willen von ihren Anh�ngern irgendwann "heilig" gesprochen werden.
Zum Vergleich: Im 13. Jahrhundert lebte eine Frau, die nicht viel �lter wurde als sie. Elisabeth von Th�ringen starb mit 24 Jahren und wurde "heilig" gesprochen. Lesen Sie dazu Der Theologe Nr. 30
Elisabeth von Th�ringen � wie die Kirche zerst�rt und "heilig" spricht.

Der Theologe Nr. 65 � Hildegard von Bingen, Gottesprophetin � zur "Kirchenlehrerin" degradiert

 


Der Text kann wie folgt zitiert werden
:
Zeitschrift "Der Theologe", Hrsg. Dieter Potzel, Ausgabe Nr. 9: Tod nach Exorzismus � Warum musste Anneliese Michel sterben? Wertheim 2004, zit. nach theologe.de/theologe9.htm, Fassung vom 11.9.2023;
Copyright �, Impressum und mehr zum Autor dieser Studie siehe hier.
 

 

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