Annalena Baerbock im Porträt: Kinder, Mann, Karriere - Das ist die mögliche Merkel-Nachfolgerin der Grünen
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Annalena Baerbock im Porträt: Kinder, Mann, Karriere - Das ist die mögliche Merkel-Nachfolgerin der Grünen

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Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen. Der Bundesvorstand der Grünen nominierte sie am Montag für den Spitzenposten.
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen. © Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Schon 2017 setzte Annalena Baerbock ihren späteren Co-Chef Robert Habeck unter Druck. Nun soll sie Merkel-Erbin werden: Die Grüne-Kanzlerkandidatin im Porträt.

Berlin - Es ist entschieden: Annalena Baerbock ist die erste Kanzlerkandidatin in der Geschichte der Grünen. Ihr Kollege in der Parteispitze, Robert Habeck, stellt auf dem Weg zur Bundestagswahl eigene Ambitionen zurück. Seit 2018 führen die beiden Bündnis 90/die Grünen gemeinsam - erstmals als ein Duo von zwei „Realo“-Politikern. Zuvor hatten sich die Pragmatiker der Partei die Spitze meist mit „Fundis“ geteilt. Doch Baerbock und Habeck erledigten den Job für die eigene Partei offenbar so zufriedenstellend, dass beide als geeignete Kanzlerkandidaten gehandelt wurden - letztlich hat Baerbock das Rennen gemacht.

Dabei waren für sie die Voraussetzungen nicht einfach: Anders als Habeck war Baerbock vor ihrem Sprung ins Amt der Parteichefin nicht sonderlich bekannt in der Bevölkerung. Doch die Parteilegende erzählt, dass die 40-Jährige den aus der Regierung in Schleswig-Holstein schon länger bekannten Habeck bereits bei der Kandidatur für die Partei-Doppelspitze unter Zugzwang setzte: Baerbock habe Habeck im Dezember 2017 kurzfristig über ihre Ambitionen informiert, heißt es - der musste dann ebenfalls mit seinen Ambitionen an die Öffentlichkeit. Einen Tag früher als geplant.

Annalena Baerbock: Grüne-Chefin startet als große Unbekannte - und läuft Habeck noch die Kanzlerkandidatur ab

„Anfangs dachte ich: Die drängelt ja ganz schön. Aber Annalenas Kraft ist ein Vorwärtsdrang. Auf dem Parteitag Anfang 2018 hat Annalena eine bombastische Rede gehalten“, berichtete Habeck im Frühjahr 2021 der taz. Trotz besagter Rede galt Habeck der breiten Öffentlichkeit lange als heimliche Nummer Eins der Partei. Erst Ende 2020 mehrten sich Stimmen, die Baerbock mehr inhaltliche „Substanz“ zusprachen. Habeck hatte sich in den Jahren zuvor dann und wann mit Uninformiertheiten in Interviews, in der Außenwirkung fragwürdigen Fotoshootings und allzu forschen Tweets in die Nesseln gesetzt.

Auch Annalena Baerbock langte öffentlich schon einmal daneben - Stichwort „Kobold“. Doch vor allem erarbeitete sich die zweifache Mutter den Ruf einer akribischen politischen Arbeiterin. „Sie fällt auf durch eine extrem gute Vorbereitung, sie wirkt sehr kompetent, zugleich wirkt sie dynamisch, sie hat eine sehr unmittelbare Art, das Publikum anzusprechen“, sagte die Publizistin Liane Bednarz im Deutschlandfunk Kultur. Das komme bei den Deutschen gut an.

Und Baerbock positionierte die Grünen schon vor dem Wahljahr weiter als realpolitische Kraft in Deutschland - beispielsweise mit dem Ruf nach weiteren Ausgaben für die Bundeswehr. Bei ihrem Parteitag 2020 und in der Corona-Politik gab sich die Partei betont staatstragend. Baerbock ist nun das Wahlkampf-Gesicht für diesen Kurs - und die einzige weibliche Spitzenkandidatin auf der Jagd nach Angela Merkels Erbe.

Baerbock soll Grüne ins Kanzleramt führen: Parteichefin ohne Regierungserfahrung - „Trete an für Erneuerung“

Das bundespolitische Parkett kennt Baerbock: Seit 2013 sitzt die Hannoveranerin als Abgeordnete im Deutschen Bundestag. In der Legislaturperiode 2017–2021 war Baerbock stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, im Wirtschafts- und Energieausschuss, im beratenden Ausschuss für die Fragen des sorbischen Volkes beim Bundesministerium des Inneren sowie Mitglied der Landesgruppe Ost der Grünen. Zuvor, von 2009 bis 2013 war sie vier Jahre lang Parteivorsitzende des eher kleinen Grünen-Landesverbands in Brandenburg. Eine Parteigröße, Winfried Kretschmann, rechnet ihr diese Historie auch als Pluspunkt im Ringen um ostdeutsche Stimmen an.

Regierungserfahrung hat die Kanzlerkandidatin jedoch noch nicht. Dazu sagte die Grünen-Chefin nach ihrer Nominierung als Kanzlerkandidatin in Berlin: „Ja, ich war noch nie Kanzlerin, auch noch nie Ministerin. Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.“ Ein Satz, der sich als kleines Kokettieren mit der Rolle als neue Stimme jenseits des Berliner „Establishment“ deuten ließe.

Spekulationen über eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit hat sie zuvor selbstbewusst gekontert: „Drei Jahre als Parteichefin, Abgeordnete und Mutter kleiner Kinder stählen ziemlich“, erklärte Baerbock.

Kanzlerkandidatin der Grünen: Annalena Baerbock studierte Völkerrecht und ist Mutter von zwei Töchtern

Baerbock wurde am 15. Dezember 1980 südlich von Hannover geboren und lebt mittlerweile mit ihrem Ehemann Daniel Holefleisch und zwei Töchtern im Kindergarten- und Grundschulalter in Potsdam. Dort bewirbt sie sich auch um ein Direktmandat. Einer ihrer Konkurrenten im Wahlkreis ist ausgerechnet SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD). Baerbock hat als Jugendliche Trampolinspringen als Leistungssport betrieben - und gilt als eine bodenständige Person, die sich auch sozial engagiert, beispielsweise in Potsdam bei einem Flüchtlingshilfeverein, berichtet die AFP.

Nach dem Abitur studierte die Kanzlerkandidatin der Grünen Öffentliches Recht und Politikwissenschaften in Hamburg. Im Jahr 2005 schloss Baerbock ihr Masterstudium in Völkerrecht an der London School of Economics ab. Danach arbeitete sie als Journalistin für die Hannoversche Allgemeine Zeitung und von 2005 bis 2008 war Annalena Baerbock Büroleiterin von der Grünen-Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter in Brüssel. Von 2008 bis 2009 war die Kanzlerkandidatin der Grünen als Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik der Bundestagsfraktion ihrer Partei tätig.

Als Pluspunkt für Baerbock erwies sich bei der Kandidatenkür, dass die Bundestagsabgeordnete in der Partei gut vernetzt ist. Bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen im Jahr 2017 hat sich Baerbock zudem als Europa- und Klimaexpertin einen Namen gemacht.

Kanzlerkandidatin der Grünen: Baerbock setzt sich für Klimaschutz ein und fordert Kohleausstieg

So streitet die studierte Völkerrechtlerin für einen konsequenten Klimaschutz und warnt zugleich davor, „Öko gegen Sozial“ auszuspielen: Sie präsentierte sich einst als basisnahe Kämpferin, die für den Kohleausstieg „raus auf die Straße“ will, aber auch das Gespräch mit Kohlekumpels sucht.

In der Corona-Krise sprach die Mutter zweier Töchter frühzeitig das Familien-Thema in der Pandemie an. Es ist das erste Mal, dass die Grünen sich für eine Kanzlerkandidatur entschieden haben. Formal muss das noch ein Parteitag im Juni besiegeln lassen. Dann sollen Baerbock und Habeck auch zum gemeinsamen Spitzenduo für den Wahlkampf gekürt werden. (dp/AFP)

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