Silly ohne Anna Loos: „Es gab unterschiedliche Bedürfnisse“

Silly ohne Anna Loos: „Es gab unterschiedliche Bedürfnisse“

Die Ära mit Anna Loos ist vorbei. Zwölf Jahre war die Sängerin und Schauspielerin die Frontfrau bei der Berliner Band Silly – als Nachfolgerin der 1996 an Krebs verstorbenen Sängerin Tamara Danz. Vor wenigen Tagen verkündete die Band überraschend auf ihrer Seite im Internet, dass sie im kommenden Jahr ohne Anna Loos auf Tour gehen werde. An ihrer Stelle sollen Anna R. (einst Rosenstolz) und Julia Neigel als Gastsängerinnen auf der Bühne stehen.

Das führte zu Spekulationen und zu Berichten in der Öffentlichkeit, es habe hinter den Kulissen Streit gegeben zwischen den Musikern und der bisherigen Frontfrau Anna Loos. Die Berliner Zeitung traf sich am Mittwoch mit den Silly-Musikern Ritchie Barton und Uwe Hassbecker im Büro ihres Managements zum ersten Interview nach der Trennung von Anna Loos. Die Musiker bezeichnen den neuen Zustand als Beziehungspause.

Herr Barton, Herr Hassbecker, wann fiel in der Band die Entscheidung, ohne Anna Loos auf Tour zu gehen?

Uwe Hassbecker: Es gab keine Entscheidung, es war ein Prozess. Man muss dazu sagen, dass wir in den vergangenen zwölf Jahren vor allen Dingen eine glückliche Zeit mit Anna hatten. Wir haben voneinander profitiert, sind aneinander gewachsen, haben gemeinsam tolle Alben gemacht. Es war eine wichtige Zeit für uns, ein wichtiges Kapitel unserer Bandgeschichte. Das alles ist nun in den letzten Tagen öffentlich teilweise falsch und ungerecht dargestellt und in den Schmutz gezogen worden. So haben wir es jedenfalls empfunden.

Wie verlief dieser Prozess? Was ist schiefgelaufen?

Hassbecker: Den Moment hat vielleicht jeder schon einmal erlebt. Wenn es in einer Beziehung zu einem Bruch kommt, wo man denkt, jetzt ist es besser, vielleicht einmal zurückzutreten, die Pausentaste zu drücken und zu schauen, ob man noch miteinander kann. So etwas passiert auch nach zwölf Jahren des Zusammenseins in einer Band. Es gab unterschiedliche Bedürfnisse bei Silly. Anna wollte sich solistisch verwirklichen. Das können wir als Künstler natürlich sehr gut nachvollziehen. Aber für uns drei, Ritchie, Jäcki und mich, ist die Band in allererster Linie Berufung und Beruf ...

Ritchie Barton: ... und unser Lebenswerk ...

Hassbecker: ... und wir wollten nicht warten, bis Annas Solo-Projekt beendet ist. Silly gehört auf die Bühne, wir wollen spielen.

„In einer Band ist es wie in einer Familie“

Was drängt die Band?

Hassbecker: Wir haben uns in den letzten Jahren zu sehr auf die neuen Alben konzentriert und damit einen Teil unserer Vergangenheit vernachlässigt. Da schlummern ein paar Schätze, die es sich lohnt, wieder auf die Bühne zu bringen. Songs, die wir noch nie oder lange nicht mehr gespielt haben.

Barton: Daraus entstand die aufwendige Idee, Ende 2019 in zehn Städten zu touren, an jedem Abend Titel eines der zehn Silly-Alben in den Vordergrund stellen – neben den anderen großen Hits. Wie das ablaufen soll, daran arbeiten wir gerade.

Zurück zu Anna Loos. Es war von Reibereien um ihre Texte die Rede, wobei angeblich auch der langjährige Silly-Texter Werner Karma zurückstecken musste.

Hassbecker: Das hat in dieser Phase überhaupt keine Rolle gespielt. Die Darstellung ist falsch, wir weisen sie entschieden zurück. Richtig ist, dass man in Schaffensphasen zu jedem Album auch über die Texte und Songs diskutiert. Das gehört zum normalen Arbeitsprozess einer Band.

Was spielte denn nun eine Rolle?

Barton: Wie gesagt, die unterschiedlichen Ambitionen.

Hassbecker: Ich komme wieder auf die Beziehung zurück. In einer Band ist es wie in einer Familie...

Barton: ...unter Umständen auch genauso anstrengend.

Hassbecker: Es ist hoch anzurechnen, wenn eine Band so lange durchhält. Wenn einem eine Beziehung etwas wert ist, die irgendwann an einem Punkt steht, an dem man die Pausentaste drückt, sollte man ein paar Prinzipien einhalten. Erstens: Druck aus der Sache nehmen. Zweitens: die Probleme, die es in jeder Beziehung oder Familie gibt, nicht öffentlich austragen. Unsere Probleme gehören in die Silly-Familie, dort sollen sie auch bleiben.

Barton: Was da an Dingen von einigen in die Öffentlichkeit getragen wurde, hat so nicht stattgefunden. Es hat uns schon überrascht, was wir da alles lesen mussten.

Hassbecker: Anna Loos wurde ausgebootet oder Ähnliches: Die Spekulationen trieben so wilde Blüten, dass wir uns nun dazu äußern mussten. Vielleicht hätten wir das schon viel eher machen müssen.

Barton: Im Leben macht man ja auch nicht immer alles richtig.

Sie sprechen von einer Beziehungspause mit Anna Loos. Wird es ein Comeback geben?

Hassbecker: Das kann man jetzt noch nicht so sagen. Das wird Anna für sich selber entscheiden. Diese Entscheidung muss bei ihr im Kopf genauso reifen wie bei uns.

Barton: Die Situation ist für sie genauso neu wie für uns. Wir haben uns mit Anna verabredet, eine Pause einzulegen.

Wie lange soll die Pause dauern?

Barton: Wir können nicht einfach Jahre vorausschauen. Wenn Anna mit ihrem Solo-Album und ihrer Tour durch ist, dann setzt man sich zusammen und schaut, wie es miteinander aussieht.

War nicht jetzt sogar die Zeit reif für ein neues Silly-Album? Es ist ja nun schon zwei Jahre her, dass mit „Wutfänger“ die letzte Platte erschien.

Hassbecker: Für ein neues Studio-Album gab es keine Pläne. 

„Für uns ist entscheidend, dass es am Ende immer der gleiche Geist ist, der diese Band begleitet“

Überraschend ist, dass am Solo-Album von Anna Loos Peter Plate mitgearbeitet hat. Und ausgerechnet seine einstige Rosenstolz-Partnerin Anna R. wird jetzt bei Silly Gastsängerin.

Barton: Das ist Zufall. Wir kennen Anna R. sehr lange. Sie war bei uns schon Gastsängerin, als wir Jahre nach dem Tod von Tamara Danz erstmals als „Silly & Gäste“ tourten. Anna R. war von der Idee auch gleich begeistert, wieder mit Silly auf Tour zu gehen.

Und wie war es bei Julia Neigel, die im nächsten Jahre ebenfalls als Gast auf der Tour dabei ist, bei der Silly am 28. November 2019 in Berlin auftritt?

Hassbecker: Sie kenne ich gut aus der Zusammenarbeit bei einem Solo-Album von Dieter „Maschine“ Birr, bei dem ich als Gastmusiker mit dabei war. Wir sahen ein Konzert mit ihr und mussten gar nicht lange überlegen, sie für unser Tourprojekt zu fragen. Sie ist eine Ausnahmekünstlerin.

Wie sehen Sie Silly jetzt als Band?

Hassbecker: Wir haben so viele Phasen erlebt und gehen jetzt in eine neue. Für uns ist entscheidend, dass es am Ende immer der gleiche Geist ist, der diese Band begleitet, die eine lange Bandgeschichte hat, zu der alles gehört: unsere frühen Alben genauso wie die mit Anna Loos.