Anita Augspurg Geboren am in Verden/Aller Gestorben am in Zürich

Über Anita Augspurg

Kaum eine Frauenrechtlerin aus der Zeit des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik hat so polarisiert wie Anita Augspurg. Deutschlands erste Juristin fiel nicht nur durch luzide Analysen von Politik und Recht auf, sondern vor allem auch deshalb, weil sie öffentliche Konflikte rund um ihre Themen – rechtliche Gleichstellung von Frauen und eine friedliche internationale Ordnung – nicht scheute, ja geradezu provozierte.

Aus der Kleinstadt Verden in die Künstlerstadt München

Anita Augspurg wurde im norddeutschen Verden an der Aller als fünftes und letztes Kind der gut situierten Familie Augspurg geboren. Ihr Vater war Anwalt. Von Bildungshunger und Freiheitsdrang getrieben, verließ sie als Volljährige ihre Familie, um eine Lehrerinnenausbildung in Berlin zu absolvieren.1 Tatsächlich übte sie den Lehrerinnenberuf aber nie aus, sondern ging zunächst ihren künstlerischen Neigungen nach. Sie nahm in Berlin Schauspielunterricht, arbeitete anschließend an verschiedenen europäischen Theatern (unter anderem am angesehenen Meininger Hoftheater), bevor sie sich 1886 als Fotografin in München niederließ. Dort gründete sie mit ihrer Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin Sophia Goudstikker das Fotoatelier Elvira, das sich schnell zu einem profitablen Geschäft entwickelte und Augspurg finanziellen Spielraum für ihr künftiges frauenpolitisches Engagement gab. In der Isarmetropole gehörten Augspurg und Goudstikker zudem zum Kreis rund um die literarische Moderne. Allerdings war es weniger ihre konventionell gehaltene Porträtfotografie als ihr unkonventionelles Leben, das Literaten und Literatinnen wie beispielsweise Frank Wedekind, Erich von Wolzogen und Frieda von Bülow inspirierte. Augspurgs finanzielle und geistige Unabhängigkeit, ihr zu dieser Zeit frauenuntypisches Verhalten – zum Beispiel rauchte sie, fuhr Fahrrad und trug einen Kurzhaarschnitt –, die Etablierung von reinen Frauenzirkeln und schließlich ihre unerschrockenen feministischen Reden wurden in zahlreichen Novellen der Zeit verarbeitet.2

Zweiter Vorlesungsabend des Deutschen Frauenvereins Reform

Erstes feministisches Engagement: von Bildungs- zu Rechtsfragen

In Augspurgs Münchner Zeit fällt auch ihr erstes Engagement für die Frauenbewegung. Dabei strebte sie damals – wie viele bürgerliche Frauenrechtlerinnen ihrer Zeit – zunächst die Verbesserung der Mädchenbildung an.3 Eine Radikalisierung ihres feministischen Engagements trat allerdings in Zusammenhang mit ihrem Studium ein.

Parallel zu ihrer Tätigkeit als Fotografin in München begann Augspurg 1893, in Zürich Jura zu studieren, und schloss – in¬zwischen 40-jährig – das Studium mit einer Promotion über den englischen Parlamentarismus ab. Sie gilt damit als erste Juristin Deutschlands, obgleich sie diesen Beruf niemals ausübte.4 Vielmehr waren die darauffolgenden Jahre geprägt von einem weitreichenden Engagement für die bürgerliche Frauenbewegung, die sie zu politisieren suchte. Noch während des Studiums war Augspurg ins Zentrum der Macht, in die deutsche Hauptstadt Berlin, gezogen.

Anita Augspurg, Marie Stritt, Lily von Gizycki, Minna Cauer und Sophia Goudstikker (von li. nach re.)

Eine „juristische Mißgeburt“5 : Kampf gegen das geplante BGB 1896

In Berlin stand 1896 die Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuches an, das auch die Grundlage unseres heutigen BGBs darstellt. Dank ihrer juristischen Kenntnisse, aber auch ihrer herausragenden Fähigkeiten als Rednerin – schließlich war sie eine ausgebildete Schauspielerin –, wurde Anita Augspurg zur Protagonistin einer breit angelegten Kampagne gegen das BGB. Im Zentrum der Kritik stand das geplante Eherecht, denn dieses sah unter anderem vor, Ehefrauen das Recht an dem von ihnen in die Ehe eingebrachten Vermögen zu nehmen ebenso wie die Entscheidungsbefugnis bei Fragen der Kindererziehung.6 Die damalige Presse nahm irritiert einen ‚Frauenlandsturm’ wahr. Und auch wenn sich am Eherecht substanziell nichts mehr änderte, so war der bürgerlichen Frauenbewegung doch ihre erste große politische Kampagne gelungen – und das in einer Zeit, in der Frauen die politische Betätigung in großen Teilen Deutschlands noch verboten war.7

Frontfrau bei den Rechtskämpfen der Frauenbewegung

Auch in ihren weiteren Berliner Jahren führte Anita Augspurg die Rechtskämpfe der bürgerlichen Frauenbewegung an und profilierte damit den sogenannten radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung in der Öffentlichkeit.8 Ihr publizistisches Forum, die Beilage Parlamentarische Angelegenheiten und Gesetzgebung, stellt dabei ein Novum in der deutschen Pressegeschichte dar. Von 1899 bis 1906 brachte Augspurg dieses hochpolitische Heft als Beilage zu Minna Cauers Zeitschrift Die Frauenbewegung heraus und analysierte darin Reichstagsdebatten, Gesetze und Gerichtsurteile daraufhin, wie sie sich auf Frauen auswirken würden. Das heißt Augspurg betrieb in diesem Blatt eine frühe Form des ‚Gender Mainstreaming’. Weiterhin begleiteten die Parlamentarischen Angelegenheiten und Gesetzgebung zahlreiche öffentlichkeitswirksame Kampagnen, die Augspurg vor allem gegen das Sexualstrafrecht und das Eherecht initiierte. Augspurg scheute in diesen Konflikten auch nicht davor zurück, sich selbst öffentlich zu exponieren, zum Beispiel indem sie 1902 ihre Verhaftung als Prostituierte inszenierte oder 1905 zum Eheboykott aufrief.9 Bezeichnend ist, dass Augspurg in all ihren Kampagnen stets die juristische Seite der Frauenfrage akzentuierte, wobei die liberalen Ideale der 1848er-Revolution für sie wegweisend waren: Freiheit und Gleichheit, die sie durch einen funktionierenden Rechtsstaat abgesichert und vor allem auch Frauen zugesprochen wissen wollte.10 Um ihren politischen Forderungen mehr Druck zu verleihen, gründete Augspurg 1902 nicht nur den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht, sondern versuchte darüber hinaus, außerhalb der Frauenbewegung für ihre Ideen zu werben, indem sie 1903 in die linksliberale Freisinnige Volkspartei eintrat und die Redaktion der Frauenseite der konservativen Berliner Tageszeitung Der Tag von 1901 bis 1907 übernahm.11

Doch blieben Augspurgs Versuche, die liberalen Parteien und breitere Bevölkerungskreise frauenpolitisch zu aktivieren, weitgehend erfolglos. Für das damalige Bürgertum scheinen ihre Ideen zu fortschrittlich gewesen zu sein. Dies gilt auch für die bürgerliche Stimmrechtsbewegung, die sich nicht dazu durchringen konnte, das demokratische Wahlrecht für alle zu fordern, wie die SPD, und 1913 schließlich auseinanderbrach.12

Rückzug und Übergabe an Lida Gustava Heymann

Entmutigt von diesen Misserfolgen, zog sich Augspurg sukzessive aus der journalistischen, politischen und frauenrechtlerischen Arbeit zurück. Ihre Aufgaben übernahm zunehmend die Hamburger Frauenrechtlerin Lida Gustava Heymann, mit der Augspurg seit 1902 eine Lebensgemeinschaft verband. So war auch Heymann die eigentliche Chefredakteurin der Zeitschrift für Frauenstimmrecht (1907–1912) und des Monatsblatts Frauenstimmrecht! (1912–1913), obgleich formal Augspurg die Redaktion oblag.13

Friedenspolitisches Engagement

Unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges intensivierte Augspurg ihr pazifistisches Engagement. Sie war eine der Initiatorinnen des Haager Frauenfriedenskongresses von 1915, einer Zusammenkunft internationaler Stimmrechtlerinnen, die Frauenrechte und Rechtsstaatlichkeit nicht nur innerhalb nationaler Grenzen verwirklichen wollten, sondern auch auf internationaler Ebene. Die Frauen von Haag plädierten nicht nur für einen sofortigen Frieden ohne Bedingungen, sondern auch für nachhaltigen Friedenserhalt mithilfe von internationalen Organisationen und Schiedsgerichten. Das, was nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Uno verwirklicht werden sollte, war in Den Haag bereits angedacht worden.14

Öffentliche Resonanz konnte Augspurg mit diesen pazifistischen Forderungen jedoch kaum erzielen – zumindest nicht in Deutschland. Sie erhielt kurz nach dem Haager Frauenfriedenskongress ein Publikations- und Betätigungsverbot, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges in Kraft blieb.15

Revolutionärin in Bayern

Deshalb trat Augspurg letztlich erst wieder im Anschluss an die Novemberrevolution von 1918 öffentlich in Erscheinung: als Abgeordnete des Provisorischen Nationalrats in Bayern, als (erfolglose) Kandidatin für den Bayerischen Landtag auf der Liste der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei und schließlich als Mitglied des Bayerischen Kongresses der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. In der Revolutionszeit hatte sich Augspurg gewandelt von einer Anhängerin des repräsentativen Parlamentarismus hin zu einer Verfechterin des Rätesystems.16

Radikale Pazifistin und Kritikerin der Weimarer Republik

Brief von Anita Augspurg an die Redaktion des Simplicissimus

In der Folge unterzog Augspurg die Verfassung und Politikpraxis der Weimarer Republik einer scharfen Kritik. Als Forum diente ihr die Monatsschrift Die Frau im Staat (1919–1933), die sie gemeinschaftlich mit Heymann herausgab. Dort veröffentlichte sie teilweise weltfremde Utopien, aber eben auch sehr luzide Analysen des Weimarer Rechtssystems. Beispielsweise erkannte sie die Problematik des Notstandsparagrafen der Weimarer Reichsverfassung lange, bevor das Hitlerregime ihn für den Ausbau seiner totalitären Herrschaft nutzte.17 Und auch Hitlers Gefährlichkeit war ihr bewusst, als sie Anfang 1923, das heißt Monate vor dem Hitler-Putsch im November 1923, seine Ausweisung nach Österreich forderte.18 Bekanntlich kam der bayerische Innenminister Franz Schweyer diesem Gesuch, das Anita Augspurg zusammen mit einer Frauendelegation vorgetragen hatte, nicht nach.

Weiterhin war sie 1919 Mitbegründerin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, einer Organisation, die im Haager Frauenfriedenskongress ihre Wurzeln hatte. Sie sah ihre Aufgabe darin, die Frauenliga auf radikalpazifistischem Kurs zu halten, und fungierte in der Öffentlichkeit als deren Grande Dame.19

1933 war Deutschland für Augspurg als dezidierte Gegnerin des Nationalsozialismus kein sicheres Land mehr. Sie emigrierte 76-jährig mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann. In Zürich lebten die beiden Freundinnen äußerst bescheiden, nachdem man ihre Vermögen in Deutschland eingezogen hatte und sie auf Zuwendungen von Freunden und Freundinnen angewiesen waren. Augspurg starb 1943 ein paar Monate nach ihrer Lebensgefährtin im Schweizer Exil – verarmt, einsam und dement.20

Stand: 14. Juli 2021
Verfasst von
Prof. Dr. Susanne Kinnebrock

ist Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Universität Augsburg. Sie hat mit einer kommunikationshistorischen Biografie über Anita Augspurg promoviert. Zu ihren weiteren Forschungsschwerpunkten gehören die transnationale europäische Kommunikationsgeschichte, der Wandel von Medien und Journalismus, die Gesundheitskommunikation sowie die Kommunikation innerhalb von Frauenbewegungen.

Empfohlene Zitierweise
Prof. Dr. Susanne Kinnebrock (2021): Anita Augspurg, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/anita-augspurg
Zuletzt besucht am: 17.04.2024

Netzwerk von Anita Augspurg

Zitate von Anita Augspurg

Biografie von Anita Augspurg

Geburt in Verden/Aller

Anita Augspurg wird in Verden an der Aller als Tochter des Obergerichtsanwalts Wilhelm Moritz Augspurg und seiner Frau Auguste, geb. Langenbeck, geboren. Sie ist das fünfte Kind der Familie.

1874

Ende der Schulausbildung. Augspurg führt das Dasein einer ‚Höheren Tochter‘.

1878 - 1879

Augspurg geht nach Berlin. Sie legt 1879 das Lehrerinnenexamen ab und beginnt dann eine Ausbildung zur Schauspielerin.

1886 - 1887

Umzug nach München. Augspurg eröffnet 1887 zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Sophia Goudstikker ein Fotoatelier und bewegt sich in Kreisen der literarischen Moderne.

1890 - 1891

Beitritt zum ‚Frauenverein Reform‘, seit 1891 Vorstandsmitglied.

1893

Augspurg hält die Festrede anlässlich der Eröffnung des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe, das auf Initiative des Frauenvereins Reform entstanden ist. Augspurg geht nach Zürich und nimmt dort ein Jurastudium auf.

1894

Augspurg tritt aus dem Vorstand des Frauenvereins Reform aus, den sie 1895 dann ganz verlässt, und gründet in München den Verein für Fraueninteressen, aus dem sie 1899 wieder ausscheidet. Zudem erscheint 1894 ihre erste dezidiert feministische Schrift, die Broschüre ‚Die ethische Seite der Frauenbewegung‘.

1895

Augspurg schreibt von Beginn für die Zeitschrift ‚Die Frauenbewegung‘. Zudem startet sie eine Kampagne gegen das Ehe- und Familienrecht im geplanten Bürgerlichen Gesetzbuch, die 1896 ihren Höhepunkt erreicht.

Teilnahme am Internationalen Frauenkongress.
Auf der Internationalen Frauenkonferenz in Berlin lernt Augspurg ihre spätere Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann kennen.

1897

Augspurg kehrt als promovierte Juristin nach Berlin zurück.

1898

Mitbegründerin des deutschen Zweigverbands der Internationalen Abolitionistischen Förderation in Hamburg

1899

Gründung (Verband Fortschrittlicher Frauenvereine)

Augspurg gründet gemeinsam mit Minna Cauer und weiteren Vertreterinnen des radikalen Flügels den ‚Verband Fortschrittlicher Frauenvereine‘. Sie wird Herausgeberin einer hochpolitischen Beilage zur Zeitschrift ‚Frauenbewegung‘ mit dem Namen ‚Parlamentarische Angelegenheiten und Gesetzgebung‘. Zudem organisiert sie Frauendemonstrationen in Deutschland anlässlich der I. Haager Friedenskonferenz.

1903

Eintritt in die Hamburger ‚Freisinnige Volkspartei‘ und Wahlkampf für den Reichstagsabgeordneten Ernst Müller-Meinigen. Beginn der Lebensgemeinschaft mit Lida Gustava Heymann.

1904

Mitbegründerin und zweite Vorsitzende des ‚Weltbundes für Frauenstimmrecht‘

1905

Augspurgs Kampagne gegen die Geschlechtsjustiz kulminiert im Protest gegen die ‚Blankeneser Notzuchtaffäre‘. Ihr Aufruf zum Eheboykott (‚Ein typischer Fall der Gegenwart‘) erregt viel Aufsehen und Empörung.

1906

Im Prozess wegen angeblicher Beleidigung von Schutzmännern und Falschmeldungen über Einsätze der Hamburger Polizei gelingt es Augspurg, die Polizei und ihre Machenschaften an den Pranger zu stellen. Das Presseecho ist enorm.

1907

Zeit des langsamen Rückzugs: Augspurg gibt die Beilage ‚Parlamentarische Angelegenheiten und Gesetzgebung‘ sowie ihre Frauenseite im ‚Tag‘ auf und gibt formell die ‚Zeitschrift für Frauenstimmrecht‘ heraus. Letztere wird allerdings stark von Lida Gustava Heymann geprägt.

1908

Augspurg zieht mit Heymann auf den Siglhof bei Peißenberg in Oberbayern. Sie gründet den ‚Bayerischen Landesverein für Frauenstimmrecht‘, dessen Vorsitz sie bis 1919 innehat.

1909

Ostentativer Rücktritt als 2. Vorsitzende des Weltbundes für Frauenstimmrecht, um so die Protestweise der englischen Suffragetten zu unterstützen.

1911

Ablehnung der Wiederwahl als Vorsitzende des Deutschen Verbands für Frauenstimmrecht

1912

Zweite Brandstiftung auf dem Siglhof, Augspurg muss aus gesundheitlichen Gründen die Landwirtschaft aufgeben und zieht zurück in ihr Haus Wiesel in Irschenhausen. Sie übernimmt die Herausgabe und Redaktion der neu gegründeten Zeitschrift ‚Frauenstimmrecht!‘.

1913

Entzug der Redaktion von ‚Frauenstimmrecht!‘, Augspurg erklärt ihren Austritt aus dem ‚Deutschen Verband für Frauenstimmrecht‘ zusammen mit dem von ihr angeführten ‚Bayrischen Landesverband für Frauenstimmrecht‘.

1914

Verzweiflung über den Ausbruch des I. Weltkriegs, Verweigerung der Mitarbeit am ‚Nationalen Frauendienst‘.

Teilnahme am Internationalen Frauenfriedenskongress.
Der Kongress war auf Initiative von Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann sowie auf Einladung der niederländischen Ärztin, Pazifistin und Frauenrechtlerin Aletta Jacobs mitten im Ersten Weltkrieg organisiert worden.

1916

Augspurg erhält als Pazifistin ein Publikations- und Redeverbot. Ihre Post wird kontrolliert. Augsburg verfällt in Lethargie.

1918

Nach der Proklamation der Republik ist Augspurg Mitglied im ‚Provisorischen Nationalrat‘ Bayerns, sie lässt sich als parteilose Landtagskandidatin auf der Liste der USPD aufstellen.

1919

Mitgliedschaft im ‚Kongress der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte in München‘, wo Augspurg Frauenräte und das Rätesystem unterstützt. Augspurgs Kandidatur zur Sozialministerin geht nicht durch. Nach dem Niederschlag der zwei bayerischen Räterepubliken flieht sie aus Bayern. Gemeinsam mit Lida Gustava Heymann gibt sie die Zeitschrift ‚Die Frau im Staat‘ heraus, die bis März 1933 erscheint.

1923

Heymann und Augspurg fordern in einem Gespräch mit dem bayerischen Innenminister Schweyer die Ausweisung des Österreichers Hitler aus Bayern wegen der Terrorisierung von Pazifisten und Pazifistinnen. Schweyer lehnt ab, es kommt zum Hitler-Putsch in München

1924

‚Augspurg-Skandal‘: Ein pazifistischer Vortrag in London zieht eine große Hetze der nationalistischen Presse in Deutschland nach sich, Augspurg und Heymann meiden daraufhin München.

1926

Augspurg kämpft innerhalb der ‚Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit‘ für einen radikalpazifistischen Kurs.

Januar 1933

Am Tag der nationalsozialistischen Machtübernahme befinden sich Heymann und Augspurg auf einer Urlaubsreise. Nach einer Konferenz der ‚Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit‘ in Genf bleiben sie im Schweizer Exil und ziehen nach Zürich. In Deutschland wird Augspurgs Vermögen eingezogen, in der Schweiz erhält sie ein Verbot der politischen und journalistischen Betätigung.

1938 - 1941

Lida Gustava Heymann verfasst die gemeinsamen Lebenserinnerungen (1972 erschienen unter dem Titel: ‚Erlebtes – Erschautes. Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden 1850-1940‘). Augspurg redigiert die Passagen über ihre Jugend.

Tod in Zürich

Fußnoten

  • 1Heymann, Lida Gustava (in Zusammenarbeit mit Anita Augspurg): Erlebtes – Erschautes. Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden 1850-1940, Frankfurt a. M. 1992 [1941], S. 13–34.
  • 2Vgl. Herz, Rudolf  / Bruns, Brigitte (Hg.): Hof-Atelier Elivra 1887-1928: Ästheten, Emanzen, Aristokraten, München 1985.
  • 3Vgl. Kinnebrock, Susanne: Anita Augspurg (1857-1943). Feministin und Pazifistin zwischen Journalismus und Politik. Eine kommunikationshistorische Biographie, Herbolzheim 2005, S. 121–136.
  • 4Vgl. Berneike, Christiane: Die Frauenfrage ist Rechtsfrage. Die Juristinnen der deutschen Frauenbewegung und das Bürgerliche Gesetzbuch, Baden-Baden 1995.
  • 5Vgl. Augspurg, Anita: Die Frau und das Recht (2), in: Die Frauenbewegung, 2. Jg., 1896, H. 18, S. 167–168, hier S. 167.
  • 6Vgl. Augspurg, Anita: Gebt acht, solange noch Zeit ist!, in: Die Frauenbewegung, 1. Jg., 1895, H. 1, S. 4 5.
  • 7Vgl. Kinnebrock: Anita Augspurg, S. 192–200.
  • 8Vgl. dies.: Pionierinnen der Öffentlichkeitsarbeit. Das Beispiel Anita Augspurg, in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, 19. Jg., 2003, H. 44, S. 22–29.
  • 9Augspurg, Anita: Ein typischer Fall der Gegenwart. Offener Brief, in: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik, 1. Jg., 1905, H. 7, S. 311–314 sowie in: Die Frauenbewegung, 11. Jg., 1905, H. 11, S. 81–82.
  • 10Vgl. Augspurg, Anita: Rechtspolitische Schriften. Kommentierte Studienausgabe. Herausgegeben von Christiane Henke, Köln, Weimar, Wien 2013.
  • 11Vgl. Kinnebrock: Anita Augspurg, S. 215–307.
  • 12Vgl. ebenda, S. 308–369.
  • 13Vgl. ebenda.
  • 14Vgl. Baetens, Freya: The Forgotten Peace Conference. The 1915 International Congress of Women, in: Wolfrum, Rüdiger (Hg.): Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Oxford 2010 (online). Zugriff am 08.01.2018 unter: https://ssrn.com/abstract=2230667.
  • 15Vgl. Kinnebrock: Anita Augspurg, S. 405–417.
  • 16Vgl. ebenda, S. 421–455.
  • 17Augspurg, Anita: Die deutsche Verfassung. Ein Fetzen Papier?, in: Die Frau im Staat, 1. Jg., 1919, H. 11-12, S. 1 ff.
  • 18Vgl. Kinnebrock: Anita Augspurg, S. 541.
  • 19Vgl. Lütgemeier-Davin, Reinhold / Wolff, Kerstin: Unterschiedliche Wege – aber ein Ziel! Die friedenspolitischen Netzwerkerinnen Anita Augspurg, Lida Gustava Heymann und Helene Stöcker, in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, 30. Jg., 2014, Nr. 66, S. 15–23.
  • 20Vgl. Kinnebrock, Susanne: „Man fühlt sich, als wäre man geistig ein lebender Leichnam“: Lida Gustava Heymann (1868-1943): Eine genuin weibliche Exilerfahrung?, in: Behmer, Markus (Hg.): Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945: Positionen – Personen – Perspektiven, Münster 2000, S. 108–133.

Ausgewählte Publikationen