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Kultur Bernhard Wicki

Filmlegende, Visionär und Menschenschinder

Regisseurin Elisabeth Wicki-Endriss Regisseurin Elisabeth Wicki-Endriss
Quelle: pa/ddp/Oliver Lang
Als Regisseur ging er nicht schonend mit seinen Schauspielern um. In seinem größten Erfolg , dem Antikriegsfilm "Die Brücke" warf Wicki Kindern Sand ins Gesicht, um sie zum weinen zu bringen. Nun versucht sich seine Witwe an einer Dokumentation über den Filmemacher.

Beim „Spinnennetz“, seinem letzten Film, lässt er sie töten. Nicht einfach erschießen; nein, das Hirn muss richtig spritzen. Dafür wurde eine Sprengzündung unter ihrer Halbperücke angefertigt, prompt kam sie mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus. Wie fühlt man sich da, wenn der eigene Lebensgefährte so mit einem verfährt? „Das war nicht Bernies Schuld“, sagt Elisabeth Wicki-Endriss. Man hat zwar gelesen, wie Bernhard Wicki die Szene wieder und wieder drehen ließ. Aber in Wahrheit seien die Schaumplättchen vergessen worden: „Ich lag gleich auf der Matte.“

Man hätte es ihm schon zugetraut: Wicki galt als Menschenschinder. Er hat alles aus seinen Schauspielern herausgeholt, und die dankten es ihm. Aber er war nicht zimperlich dabei. Er hat die Jungs aus „Die Brücke“ angeschrien und ihnen Sand ins Gesicht geworfen, um sie zum Heulen zu bringen. Hat die Darsteller in „Die Eroberung der Zitadelle“ gezwungen, wieder und wieder echte Zementsäcke einen Berg hochzuschleppen. Echte Sisyphos-Arbeit.

Immer in Begleitung von zwei Frauen

Ein Berserker, das war er auch: Bernhard Wicki, beliebter Filmstar in Opas Kino und dann einer der wichtigsten deutschen Regisseure der Nachkriegszeit. Der es mit seinem Antikriegsklassiker „Die Brücke“ bis nach Hollywood brachte. Der dann aber, unverzeihlicher Fehler, vom Jungen Deutschen Film schnöde ignoriert wurde – und lange „nur“ fürs Fernsehen drehte. Bis er mit „Das Spinnennetz“ (1986-1989) eine letzte, große Kinoanstrengung unternahm.

Wicki: eine Legende. Ein Visionär. Ein Fels in der Brandung – oft bemühtes Klischee, das an ihm pappte wie die Schablonenrollen in den Schablonenfilmen der Fuffziger. Eine hat ihn anders gekannt: Elisabeth Endriss lernte ihn 1977 kennen (ihr Vater hatte den Polizisten in „Die Brücke“ gespielt) und lieben.

Wicki war mit Agnes Fink verheiratet, hätte sie auch nie verlassen. Folglich bildeten sie eine Art Ehe zu dritt. Auch wenn man, so Wicki-Endriss heute, darunter etwas anderes verstehe. Immerhin: Zu jedem öffentlichen Ereignis brachte Wicki beide Damen mit. Ein Fressen für die Boulevardpresse. Erst als Agnes Fink gestorben war, hat Wicki Elisabeth Endriss dann doch geheiratet.

Endriss will ihrem Mann ein Denkmal setzen

Sie hat 23 Jahre mit ihm gelebt, bis zu seinem Tod 2000, hat an seinen Filmen mitgearbeitet, hat ihm bei der Arbeit über die Schulter geschaut. Nachdem er bei den Dreharbeiten vom „Spinnennetz“ eine Hirnblutung erlitt, hat sie ihn auch gepflegt. Hat mit ihm noch das nie Filmprojekt „Die Sirene“ entwickelt, das nicht mehr realisiert wurde. Und kam auf die Idee, ihn sein Leben erzählen zu lassen.

Das gelang ihr erst nicht: „Ach, Pupilein, wen interessiert das denn?“ Sie musste einen Trick anwenden. Überredete beider Trauzeugen Richard Blank, Gespräche mit ihm aufzuzeichnen. Und ärgerte sich danach über die Qualität: Blank hatte gebrauchte Bänder benutzt („Da war teils noch der Rap seiner Kinder drunter“), weil er nur an das Buch dachte, das er daraus entwickelte („Jenseits der Brücke“).

Aber die Witwe, die auch den Wicki-Gedächtnis-Fonds initiierte und den Wicki-Filmpreis, wollte einen Film daraus machen. Wollte ihrem Mann ein ihm adäquates Denkmal setzen. Erstmals entschied sich die Schauspielerin, dabei selbst Regie zu führen.

Zu viel Nähe für eine Dokumentation

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Ein ganz persönlicher Film sollte es werden. Ein lyrischer zudem: „Verstörung und eine Art von Poesie – Die Filmlegende Bernhard Wicki“. Wurde er aber nicht. Brav, fast wie im Schulfernsehen, wird das Leben chronologisch abgehakt, mit Wickis Freund Maximilian Schell als Erzähler und mit unbekannten Gedichten Wickis, die Klaus-Maria Brandauer, der „Spinnennetz“-Mime, rezitiert.

Nur bemüht werden zuweilen Bilder gefunden, um das Audiomaterial zu untermalen, am deutlichsten wird das, wenn es um Wickis Haft im KZ Sachsenhausen geht. Ganz spät erst kommt die Ehe zu dritt zur Sprache, hier überlässt die Witwe Herrn Schell den Kommentar, den doch sie geben müsste.

Ein persönlicher Film? Es gibt prägnantere Dokumentationen über den visionären Filmemacher, etwa von der Dürrenmatt-Witwe Charlotte Kerr, einer guten Freundin von Wicki, die gleichwohl eine kritische Annäherung schuf. Zu viel Nähe ist vielleicht doch hinderlich für eine adäquate Würdigung. Ein Trost immerhin: Von allen Filmen, die Wicki inszenierte, ist ihm nur einer missraten. Eine Dokumentation über seinen Freund Curd Jürgens.

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