25.12.2018

Sich verzettelnde Boulevard-Kom�die

Zettl

Der 2015 verstorbene Regisseur Helmut Dietl hatte 1986 den TV-Mehrteiler "Kir Royal" erschaffen. Es war gro�e Fernsehunterhaltung, ein Klassiker, jede der Folgen brillant. 2012 versuchte Dietl den Erfolg zu wiederholen, nun f�rs Kino. Aber was ist daraus geworden? Eine allzu zahme Kopie, die scheitert, zum Scheitern schon allein deswegen verurteilt ist, weil die "Kir Royal"-Hauptfigur Baby Schimmerlos nicht vorkommt: Darsteller Franz Xaver Kroetz wollte nicht mitmachen. Der Anfang von "Zettl" erkl�rt Baby Schimmerlos f�r tot, verungl�ckt auf dem Motorrad am Brandenburger Tor. Ja, in Berlin war der Klatschreporter aktiv, nicht mehr in M�nchen. Dietl schickt Michael "Bully" Herbig in die Fu�stapfen von Kroetz, Herbig mimt einen Max Zettl, der zu Beginn ein Chauffeur ist, Chauffeur mit selbsterkl�rt guten Kontakten, daher w�re er gerne der Nachfolger von Schimmerlos. Bis er der Boulevard-Journalist ist, braucht der Film allein viel zu viel Zeit f�r den Aufbau einer Grundstruktur.

Ist die Struktur des Films schlie�lich von Dietl errichtet, gewinnt "Zettl" auch nicht an Fahrt, die Handlung ist schematisch, uninteressant. Der Regisseur und sein Co-Drehbuchautor, der Pop-Literat Benjamin von Stuckrad-Barre, haben zwar den Einfall, gleich auf die h�chste Ebene zu gehen, n�mlich den Bundeskanzler (G�tz George) himself von Max Zettl verfolgen zu lassen, aber das Siechtum des todkranken Regierungschefs ist so malade wie der Film: Zettl findet heraus, dass die Getreuen des Kanzlers Olbrich "Olli" Ebert seine Krankheit verschweigen, er im Krankenhaus liegt. Gut, dass Zettl einen getreuen Fotografen an seiner Seite hat, den er in die Klinik schleust: Dieter Hildebrandt wiederholt seine "Kir Royal"-Rolle des braven wie journalistisch hinterlistigen Herbie; dass Hildebrandt mitwirkt, ist ein Lichtblick im Film. Auch Schimmerlos-Freundin Mona alias Senta Berger ist mit von der Partie. Nur hat sie im Film nun wirklich nicht viel zu tun, es ist ein Gastauftritt Bergers, der nur f�r sich steht, f�r nichts anderes.

Die Kranker-Kanzler-Geschichte bleibt nicht allein. Auch die Regierende B�rgermeisterin Berlins (Dagmar Manzel) mit Kanzlernachfolge-Ambitionen hat Geheimnisse, die Zettl entlarvt, und die dann von ihm aus pers�nlichen Gr�nden nicht in seinem Online-Magazin ver�ffentlicht werden, ist die ebenfalls kranke Politikerin doch seine Mutter. Oder sein Vater? Die M�chtigen Berlins jedenfalls, denen das Herumschn�ffeln Zettls nicht gef�llt, haben noch mehr Dreck am Stecken � doch Dietl holt aus den Figuren nichts heraus. Er setzt auf Running Gags, die nicht ziehen: Ein M�chtiger in Berlin ist der Ministerpr�sident von Mecklenburg-Vorpommern, der aber schrecklich viel schw�belt. Ja, das kann sein Darsteller, der mit falscher Glatze ausgestattete Harald Schmidt, im schw�bischen N�rtingen aufgewachsen. Ein anderer M�chtiger Berlins ist ein den Zuschauer qu�lend bayerisch schwatzender Gewerkschafter (Christoph S��, zuvor nicht als Filmschauspieler aufgefallen, sondern aus der BR-Satire-Sendung "quer" bekannt). In Schwyzerd�tsch versucht sich Ulrich Tukur, der Zettls Verleger spielt. Und ja, damit qu�lt auch er den Zuschauer. Wenigstens Karoline Herfurth spricht Hochdeutsch in ihrer Rolle als Geliebter des kranken Kanzlers und Geliebter Zettls (gleichzeitig!).

Helmut Dietl und "Das Parfum"-Schriftsteller Patrick S�skind schrieben einst die "Kir Royal"-Episoden. Ein Duo, das funktionierte. Dietl holte an S�skinds Stelle einen anderen Dichter, Benjamin von Stuckrad-Barre, und glaubte, so den Erfolg wiederholen zu k�nnen, aber von Stuckrad-Barre ist nicht S�skind. Dietl und der Pop-Literat haben Ideen, die die Hauptstadt-Gesellschaft durch den Kakao ziehen sollen. Daf�r setzen sie aber zu sehr auf Zugereiste, Bayern wie Zettl und Herbie und der Gewerkschafter, Schwaben und Schweizer. Von Berlin bleibt da nicht viel �brig, Dietls Film guckt, damit das gesellschaftliche Berlin �berhaupt irgendwie vorkommt, in einen Schickimicki-Club in einem Rohbau, guckt rein, ohne dass es in der Handlung Sinn macht.

"Kir Royal" wirkte einst als Satire �ber die M�nchner Bussi-Bussi-Gesellschaft, auch unter dem Begriff "Schickeria" bekannt. Der Kino-Nachfolger "Zettl" ist, noch freundlich formuliert, eine sich verzettelnde, weil zu viel Inhalt verpackende und alles andere als gut aufdr�selnde Boulevard-Kom�die mit einem herum zappelnden Michael "Bully" Herbig; ein Film, mit dem der Zuschauer wenigstens Abschied nehmen kann von den Film- und Fernsehgr��en G�tz George, Dieter Hildebrandt und Gert Voss (als Klinik-Leiter), die wie Regisseur Dietl in den vier auf den "Zettl"-Drehschluss folgenden Jahren starben.  

Michael Dlugosch / Wertung: * (1 von 5)