Wenn man im Wald wohnt, kann es schon mal sein, dass einem im Schlaf eine Schnecke die Nase hochkriecht. Jakob und Manu sind junge Obdachlose die sich von diesem Außen, von diesem gesellschaftlichen Außerhalb an Normale heranmachen. Sie sind sozusagen Dienstleister: Sie bieten emotionale Zuwendung gegen Kost, Logis und Taschengeld. Wobei sie sich ziemlich heranwanzen an ihre Kunden, die durchaus auch als Opfer gesehen werden können: denn Jakob und Manu bearbeiten sie subtil und beharrlich, sie wissen um die emotionalen Mängel, reißen diese Wunden auf und nisten sich ein. Sprich: Sie sind zarte Parasiten, die emotionale Zuwendungen gegen materielle tauschen.
Das Regieduo Christian Becker und Oliver Schwabe porträtiert mit rauen, digital-grieseligen, hartbeleuchteten Bildern diesen Zustand des Parasitären, und sie behandeln dabei auch die ausnehmenden Dialektik von Geben und Nehmen: passiv-aggressiv bieten sich Jakob und Manu an, ihr Produkt, das sie verkaufen: Nähe, Wärme, Menschlichkeit zumindest dem Schein nach , und sie wenden dabei modern-kapitalistische Methoden an, Mechanismen von Markt, Marketing, Bedarfsanalyse und Produktanpassung. Ihre Kunden werden ausgesucht, zielgruppengenau: Alte, Einsame, ein trauerndes Ehepaar. Sie platzieren ihr Produkt, ihre Emotionen, sehr genau, zur Not erschaffen sie das Bedürfnis, das sie dann gegen Bezahlung stillen. Auf der anderen Seite sind ihre Kunden auf so etwas angewiesen, sie bezahlen gerne, sie nehmen das Angebot an Becker und Schwabe erzählen von einer Welt emotionaler Bedürftigkeit, von Perspektivlosigkeit, von Leben, die Alternativen suchen zum eingefahrenen Weg.
Jakob bietet sich bei einem Ehepaar, das den Sohn verloren hat, als Sohnersatz an; Manu macht einer alten Frau den Haushalt, hält ihre Hand beim Einschlafen, tanzt für sie im Wohnzimmer, und auf besonderen Wunsch schläft sich auf dem Bettvorleger mit Jakob, für die Alte, die im Inneren noch immer Leidenschaft verspürt, auch wenn der Körper nicht mehr mitmacht. Das emotionale, figurale Gefüge im Film ist empfindlich, aber stabil zunächst. Denn als die alte Dame stirbt und Manu arbeitslos wird, fühlt sich Jakob zugleich mehr und mehr aufgehoben bei Martin und Claudia daraus ergibt sich der dramaturgische Konflikt, dass nun akut wird, was im Lebensentwurf von Jakob und Manu immer latent vorhanden war: dass aus dem parasitären Leben ein symbiotisches Verhältnis zum Kunden/Opfer werden könnte, dass sich auch bei Jakob und Manu Mängel auftun, die wiederum von ihren Wirten geheilt werden.
Das ist ein großer Entwurf über kleine Bedürftigkeiten des Lebens, die gestillt werden wollen, über das Gegen- und Miteinander beim emotionalen Austausch. Leider knirscht und knarzt es mitunter im Gefüge des Films, manches wird zu deutlich in Angriff genommen, zu offensichtlich arbeitet der Film auf bestimmte Szenen, Gesten, Themen hin nicht immer, aber immer wieder. Und zu gekünstelt wirken manche Dialoge, zu schriftdeutsch gesprochen, so dass es diesem Film, der vom Miteinander- und Voneinanderleben handelt, ein bisschen an eigenem Leben fehlt.
Fazit: Filmdrama um emotionale Mängel, um alternative Lebensstile, um das Leben mit- und gegeneinander mit spannender Gefühls- und Figurenkonstellation, dramaturgisch mitunter aber etwas unorganisch.