Von Oliver Ohmann
Legendärer TV-Moment: Der aus der Versenkung aufgetauchte Wolfgang Neuss nimmt sich vor laufender Kamera den Regierenden Bürgermeister vor. Richard von Weizsäcker spielt das Spiel glänzend mit. Neuss und „Ritchie“ sorgten vor genau 40 Jahren in der Leute-Talkshow für eine Sternstunde.
Der Kabarett-Stern des vor 100 Jahren geborenen Wolfgang Neuss ging gleich nach Kriegsende auf. Mit seinem Bühnenpartner Wolfgang Müller wird er zum Bühnen-, Fernseh- und Kino-Liebling der Wirtschaftswunderjahre. Neuss und Müller drehen viele Kassenschlager, darunter 1958 „Das Wirtshaus im Spessart“ mit dem Gassenhauer „Ach, das könnte schön sein“.
„Dann stürzte Wolfgang Müller 1960 mit dem Flugzeug ab und starb“, berichtet Johannes-Sebastian Strauss (58), ein Großcousin von Müller, im neuen History Podcast der B.Z. „Neuss hatte den Freund und Bühnenpartner verloren und spielte die Programme nun allein.“
Ungeheuer von Loch Ness
Der Künstler erfand sich neu, wurde in den 1960er-Jahren immer politischer, unterstützte die Anti-Springer-Kampagne. In den 1970er-Jahren der Ausstieg aus der Öffentlichkeit. O-Ton Neuss: „Ich habe lange gebraucht, bis ich endlich oben war. Jetzt arbeite ich am Gegenteil: Wie werde ich unbekannt.“
Körperlich ging es ihm nicht gut. Neuss hatte Leberkrebs, darum schluckte er Pillen und rauchte Joints. In seiner Charlottenburger Wohnung an der Lohmeyerstraße lebte er wie ein Einsiedler. Kollegen besuchten ihn und holten sich Kabarett-Texte ab.
Sein Kopf blieb bis zu seinem Tod am 5. Mai 1989 hellwach. Laut, klug, immer auf den Punkt – das Ungeheuer von Loch Neuss. Zum 100. ein Blick zurück auf allen Podcast-Portalen, auf bz-berlin.de oder einfach via QR-Code auf dem Smartphone.
Hannes Strauss, der gerade eine Biografie über Wolfgang Müller verfasste, gehört zu den Machern von „Legalize Neuss“. Vom 1. bis 5. Dezember gibt’s in der Ufa-Fabrik viele Veranstaltungen, Vorträge und Filme zu Wolfgang Neuss. Infos zur Festwoche: ufa-fabrik.de.
Sie finden die neue Folge vom BLICK ZURÜCK Ihrer B.Z. überall, wo es Podcasts gibt. Natürlich finden sie auch alle älteren Folgen des History Podcasts kostenfrei zum Nachhören.