Hanau: Wolfgang Kubicki in Hanau: Politisch und polarisierend
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Wolfgang Kubicki in Hanau: Politisch und polarisierend

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Gastgeber und Gastredner: Hans Michael Ockenfels, Präsident des Lions Clubs Main-Kinzig Interkontinental (links), mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki.
Gastgeber und Gastredner: Hans Michael Ockenfels, Präsident des Lions Clubs Main-Kinzig Interkontinental (links), mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. © Patrick Scheiber

Die Stuhlreihen im Weißen Saal von Schloss Philippsruhe sind an diesem Abend bis auf den letzten Platz besetzt. Der Lions Club Main-Kinzig Interkontinental hat zum traditionellen Neujahrsempfang geladen und rund 150 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind der Einladung gefolgt, was nicht zuletzt auch am Ehrengast aus Berlin liegt: Wolfgang Kubicki.

Hanau – Der gebürtige Braunschweiger ist seit 2013 stellvertretender Bundesvorsitzender der Freien Demokraten. Seit 2017 gehört er wieder dem Bundestag an, wurde Ende Oktober 2017 zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages gewählt und 2021 im Amt bestätigt.

Landrat Thorsten Stolz (SPD) nennt ihn in seiner Begrüßung „einen Mann der klaren Kante – und das über Parteigrenzen hinweg“. Doch bevor der zum Thema „Demokratie in der Krise“ ans Mikrofon tritt und das Publikum unterhält – mal polarisierend, mal analysierend, dabei immer launig –, stellt Lions-Präsident Professor Hans Michael Ockenfels die Arbeit und wichtige Rolle des Service-Clubs heraus.

1,3 Millionen Mitglieder haben die 1917 gegründeten Lions heute weltweit. Mit rund 45 000 Clubs sind die Lions die größte von der UNO anerkannte Nicht-Regierungs-Organisation, die mehr als 700 Millionen Dollar pro Jahr für öffentliche Projekte gibt, zum Beispiel gegen Erblindung von Menschen in afrikanischen Ländern. Der Lions Club Main-Kinzig Interkontinental gehört noch zu den jüngeren, wurde vor elf Jahren gegründet und hat seither mehr als 200 000 Euro für Projekte und Initiativen – viele davon in der Region – gespendet, unter anderem das Frauenhaus in Wächtersbach, das Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Hanau oder die Sporthilfe Hessen, die behinderte Sportler unterstützt. Dass die Arbeit nicht nur bürgerschaftliches Engagement bedeutet, sondern längst auch finanzielle Löcher der kommunalen Kassen stopft, betont denn auch Ockenfels.

Voller Saal: Mehr als 150 Gäste sind der Einladung zum neunten Lions-Jahresempfang gefolgt.
Voller Saal: Mehr als 150 Gäste sind der Einladung zum neunten Lions-Jahresempfang gefolgt. © Patrick Scheiber

Dass ein Service-Club auch zum Netzwerken da ist und verschiedene Berufsgruppen zusammenbringt, sieht man auch im Weißen Saal. Die Gäste lauschen gespannt, als der Rechtsanwalt Kubicki seine Rede beginnt. Krisen, sagt er, habe es in den zurückliegenden Jahren genügend gegeben. Feinstaub-, Corona-, Flüchtlings- und Klimakrise.

Wolfgang Kubicki verteidigt in Hanau Kritik an Corona-Politik der damaligen Bundesregierung

Dass es mit ihnen immer auch politische Gewinner gebe, liege in der Natur der Sache. Sorgen dürfte dem 70-Jährigen der massive Vertrauensverlust in das politische System machen, der sich immer wieder in Umfragen niederschlägt. Ist also die Demokratie in der Krise?, fragt Kubicki. Anzeichen dafür gebe es. Er lobt den regelbasierten Streit – beispielsweise im Bundestag –, moniert, dass Kritiker der Corona-Maßnahmen pauschal diskreditiert wurden, Querdenkern das Versammlungsrecht genommen wurde, man Behörden vor lauter Pandemie-Bürokratie gar nicht mehr habe ernst nehmen können. Er kritisiert „Die letzte Generation“ („Die bleiben lieber kleben, als einen Krankenwagen durchzulassen.“), die Journalisten in Berlin, die nicht hinterfragt, sondern sich während der Pandemie hätten instrumentalisieren lassen von der Bundesregierung („die über die gesteuerte Berichterstattung Druck auf die Bundesländer ausüben wollte“). Dass er selbst in eine Ecke mit Querdenkern gestellt worden sei, nur weil er jene Corona-Politik infrage gestellt habe – nein, das sei falsch.

Nach fast 45 Minuten gibt’s einen Weißwein für den Gast aus Berlin und jede Menge Fragen und Wortmeldungen aus dem Publikum. Kubicki spricht sich für die Verkleinerung des Bundestags und ein „vernünftiges“ Wahlrecht aus, fragt sich, was der Gesundheitsminister Karl Lauterbach künftig ohne das Virus machen wird und sagt, dass junge Leute freitags lieber in die Schule gehen sollen. Manches, was er sagt, regt zum Nachdenken an, anderes ist polarisierend und plump.

Am Ende schlägt er den Bogen zu den Lions, lobt die Arbeit von Service-Clubs und Charity-Organisationen. „Ich würde sofort fünf Prozent mehr Einkommenssteuer zahlen“, sagt Wolfgang Kubicki, „wenn ich bestimmen dürfte, wohin das Geld geht.“

Von Yvonne Backhaus-Arnold

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