Wolfgang Bosbach (CDU) deutlich zu Chemnitz, Maaßen, Merkel, Seehofer, und die AfD
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Bosbach über Maaßen: „Es war bestimmt nicht seine Absicht der Kanzlerin Probleme zu bereiten“

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Wolfgang Bosbach.
Wolfgang Bosbach. © dpa / Britta Pedersen

Der Fall Chemnitz und die Causa Maaßen: Fragen, die das Land in diesen Tagen beschäftigen. Der langjährige Innenexperte der Union, Wolfgang Bosbach, nimmt dazu Stellung. Er verteidigt Seehofer und Merkel und kritisiert den Umgang mit der AfD.

München - Wolfgang Bosbach ist seit 1972 Mitglied der CDU. 23 Jahre prägte er die Berliner Politik im Bundestag mit. Jahrelang war er stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union, später Vorsitzender des Innenausschusses. 2017 schied der mittlerweile 66-Jährige aus dem Bundestag aus. Die Debatten um die Sicherheit im Lande sind nicht nur geblieben, sie sind stärker denn je. Auf Merkur.de* nimmt Bosbach Stellung. Dort finden Sie außerdem den zweiten Teil des Merkur.de*-Interviews mit Wolfgang Bosbach.

Herr Bosbach, wie geht es Ihnen und wie bekommt Ihnen der Ruhestand nach 23 Jahren Bundestag?

Von Ruhestand kann keine Rede sein, denn ich bin nach wie vor pausenlos in der Republik unterwegs. Ich bin zur Zeit wieder einmal im Wahlkampfmodus - auch in Bayern. Die zwei großen Änderungen gegenüber den letzten 23 Jahren sind, dass ich nicht 22 Wochen im Jahr in Berlin sein muss und mir schon den ein oder anderen Reisewunsch erfüllen konnte. Ich vermisse zwar die parlamentarische Arbeit, aber nicht die Art von Auseinandersetzung, wie wir sie in dieser Woche im Bundestag erlebt haben. Das vermisse ich überhaupt nicht.

Der vergangene Mittwoch wäre das Stichwort.

Ich fürchte, wenn das Parlament in dieser Tonlage weitermacht - und damit meine ich nicht nur die AfD - dann werden sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Nichts spricht gegen Härte in der sachlichen Auseinandersetzung, aber es sollten bitte die mitteleuropäischen Umgangsformen gewahrt bleiben.

Bosbach kritisiert Bundestags-Debatte wegen Umgang mit der AfD

Ist das der richtige Umgang mit der AfD?

Wenn die Herren Martin Schulz und Johannes Kahrs glauben, dass ihre temperamentvollen Reden dazu beitragen, die AfD klein zumachen, dann irren sie sich. Man muss in der Sache hart und kühl bleiben, aber sich im Ton moderat mit ihnen auseinandersetzen. Jede Form der Beschimpfung schweißt die Anhänger der AfD eher zusammen und nicht wenige Menschen, die mit dieser Partei nichts zu tun haben wollen, werden denken: in dieser Form sollte man mit denen nicht umgehen.

Wie blicken Sie als Innenexperte von außen auf die Vorgänge in Chemnitz und Köthen?

Wer wirklich trauert und betroffen ist, der zeigt seine Betroffenheit durch Ruhe, durch Stille, durch Anteilnahme mit der Familie und am Schicksal des Opfers aber läuft nicht pöbelnd durch das Land oder bedroht andere Menschen. Ich kann verstehen, dass sich viele Menschen Sorgen machen um die Sicherheit unseres Landes - und das nicht grundlos. Ich verstehe selbstverständlich auch, dass so ein abscheuliches Verbrechen aufwühlt und dass Menschen dann emotional reagieren. Aber das alles rechtfertigt unter keinem Gesichtspunkt die Bedrohung von Menschen, nur weil sie eine andere Hautfarbe, Staatsangehörigkeit oder Religion haben.

Waren Sie überrascht von den Reaktionen auf diese Ereignisse? Man kann das Gefühl bekommen, die Republik sei seit Tagen im Ausnahmezustand.

Nein, davon war ich nicht überrascht, weil jede schwere Straftat und jedes Opfer als Beleg dafür genommen werden, dass es so in der Flüchlingspolitik nicht weitergehen kann. Ich selbst stehe ja auch der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin sehr kritisch gegenüber, aber man sollte der Versuchung widerstehen, einzelne Taten zu instrumentalisieren um Menschen zu emotionalisieren. Zunächst sind die Strafverfolgungsbehörden am Zuge, um die Tat aufzuklären und die Täter zu überführen. Allerdings hat die Politik die Aufgabe alles dafür zu tun, die Bevölkerung noch besser vor Straf- und insbesondere Gewalttaten zu schützen.

Aber mich haben die Reaktionen überhaupt nicht verwundert, weil ich seit Monaten beobachte, dass wir in Deutschland dabei sind, Maß und Mitte zu verlieren, dass die Sprache härter wird und dass die politische in einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mündet und dort mit aller Härte geführt wird.

Hat Sie verwundert, dass die AfD mit Pegida und den Rechten auf die Straße ging?

Ehrlich gesagt nein, denn die AfD zieht ja ganz bewusst keine klaren Grenze zu Rechtsradikalen, denn in dem Moment, in dem sie dies deutlich tut, büßt sie eine große Anzahl an Unterstützern aus diesem Milieu ein.

Bosbach zu Chemnitz: Ist es wirklich so wichtig, ob es „Verfolgungen“ oder „Hetzjagden“ waren?

Haben Sie Verständnis für die Debatte um den Begriff "Hetzjagd"?

Ich frage mich, wie diese Debatte enden soll. Eine gesetzliche Definition gibt es nicht, auch nicht strafrechtlich. Ist es wirklich so wichtig, ob es „Verfolgungen“ oder „Hetzjagden“ waren? Wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder Staatsangehörigkeit bedroht oder beleidigt werden, ist das schlimm genug. Statt Streit um Begriffe wäre eine Debatte über die richtigen Strategien gegen diese Form des Hasses wichtiger.

War es klug von Frau Merkel, sich umgehend zu äußern?

Ich beobachte seit Jahren, dass es eine völlig widersprüchliche Erwartungshaltung gibt, die von den Medien aus befördert wird. Sie verlangen beides gleichzeitig: die sofortige politische Reaktion und die Aufklärung des gesamten Sachverhalts. Heute neigen wir alle dazu eine Stellungsnahme abzugeben - ich im Übrigen auch - und dann darauf zu verweisen, dass der Sachverhalt erst noch aufgeklärt werden muss. Will man das abwarten, bevor man sich äußert, heißt es schnell "Bosbach ist sprachlos" oder "findet nicht die richtigen Worte". Egal wie man sich in dieser Lage verhält, es ist immer falsch.

Wolfgang Bosbach nimmt Stellung.
Wolfgang Bosbach nimmt Stellung. © dpa / Oliver Berg

Haben Sachsens Ministerpräsident Kretschmer und Verfassungsschutz-Chef Maaßen die Kanzlerin attackiert?

Ich bin überrascht, wie oft ich das gelesen habe. Es ist in Deutschland nicht verboten, der Kanzlerin zu widersprechen und eine eigene Meinung zu haben. Es wird ja der Eindruck erweckt, dass sich Maaßen der Bild-Zeitung aufgedrängt hat, nach dem Motto: ich habe da einen Knüller für Euch. So war es ja nicht. Es war ein Auszug aus einem verabredeten Gespräch, mit dessen Publizierung er einverstanden war.

Maaßen wurde am Donnerstag von mehreren Seiten stark belastet. Es ging auch um die Nähe zur AfD. Dazu fordert die SPD seine Ablösung. Ist Maaßen aus Ihrer Sicht noch tragbar?

Es war bestimmt nicht seine Absicht der Kanzlerin Probleme zu bereiten oder gar eine Kraftprobe zu veranstalten. Da würde er immer den Kürzeren ziehen. Sondern seine Intention war wohl, einer Desinformationskampagne zuvorzukommen. Ich kenne Herrn Maaßen seit vielen Jahren und habe sein großes Engagement und seine fundierte Sachkenntnis stets geschätzt. Das Interview war sicherlich etwas unglücklich, weil es zu wilden Spekulationen Anlass gab und nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter beigetragen hat. Aber es ist kein Grund, Herrn Maaßen das Vertrauen zu entziehen, zumal er für Klarstellung gesorgt hat.

Maaßen hat gesagt, er würde das Interview noch einmal geben. Ob er das noch einmal wortwörtlich geben würde, daran wage ich zu zweifeln. Dem Interview kommt eine politische Dimension bei, das es tatsächlich nie hatte.

Bosbach: „Es ist wichtig, dass Seehofer hinter Maaßen steht“

Welche Rolle trauen Sie Herrn Seehofer in der Causa zu?

Das weiß ich nicht, ich war ja nicht dabei und weiß nicht, was Maaßen und er vorab besprochen haben. Horst Seehofer hat den Chef des Verfassungsschutzes weder angestiftet das Interview zu geben, noch dessen Inhalt redigiert. Hinter allem was Horst Seehofer tut oder sagt eine Attacke auf die Kanzlerin zu vermuten ist doch albern. Im Moment kann er machen was er will, Ärger kriegt er garantiert.

Ist es richtig, dass sich der Innenminister nach wie vor so deutlich hinter Maaßen stellt? Auch nach der SPD-Forderung, Merkel solle im Fall Maaßen handeln?

Es war richtig und wichtig, sich hinter ihn zu stellen. Denn es ist entscheidend, ob der Präsident des Bundesverfassungsschutzes noch das Vertrauen des Innenministers genießt. Und daran darf es keinen Zweifel geben. Also entweder unterstützen oder ablösen. Aber ich finde es richtig, dass Seehofer Maaßen nicht wegen dieses Interviews des Amtes enthebt. Ich kann nur hoffen, dass die Union nicht vor der SPD einknickt und Maaßen sein Amt aufgeben muss. Horst Seehofer hat ihm ausdrücklich sein Vertrauen ausgesprochen und auf Zuruf der SPD kann er ihm das doch nicht entziehen. Und daran die Koalition scheitern zu lassen wäre lächerlich. Die SPD würde noch weiter abrutschen.

Teil zwei des Interviews lesen Sie am Samstag auf Merkur.de*. Darin geht es um Seehofers Aussagen zur Migrationspolitik und die Auswirkungen auf die Wahl in Bayern - und um mögliche Nachfolger für die Vorsitzenden der Union Seehofer und Merkel.

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