Den Unterschied zwischen einer seriösen TV-Diskussion und einer bloßen Talk-„Show“ machen die Gäste aus. Seit vielen Jahren geht es in den alles überwuchernden Runden des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks eigentlich nur um die Selbstdarstellung von Politiker und Aktivisten. Ernsthaft an der Sache orientiert dagegen war die allererste derartige Sendung, der „Internationale Frühschoppen“ wöchentlich am Sonntagvormittag. Am 30. August 1953 wurde diese Diskussionssendung unter der Moderation von Werner Höfer, die seit 1952 im Radio lief, im Fernsehen zum ersten Mal ausgestrahlt. Hier sprachen sechs renommierte Journalisten aus fünf Ländern miteinander über das politische Thema der Woche. Eitle Pseudoexperten, Partei- oder Staatsvertreter hatten keinen Platz.
Unproblematisch aber war diese Sendung deshalb keineswegs. Und das lag vor allem an der Person des Moderators. Werner Höfer, geboren 1913, war 1933 mit 20 Jahren der NSDAP beigetreten – die meisten der sogenannten „Märzgefallenen“, also der nach Hitlers Machtübernahme am 30. Januar bis zum Aufnahmestopp zum 1. Mai 1933 aufgenommenen Parteimitglieder, taten das aus Opportunismus.
Höfer, selbst aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, studierte Geisteswissenschaften in Köln und wurde mit 25 Jahren 1938 Feuilletonredakteur erst am Rhein, später in Berlin. Vom Wehrdienst freigestellt, schrieb er ab 1941 als Pressereferent verschiedener NS-Behörden und des Rüstungsministeriums weiter frei Texte für das „12-Uhr-Blatt“.
Einer dieser Texte beendet schließlich seine Karriere als längstdienender TV-Moderator der Bundesrepublik. Denn am 20. September 1943 erschien ein von ihm gezeichneter Artikel zum Thema: „Künstler – Beispiel und Vorbild“. Höfer beschrieb darin zunächst einen Arbeiter, der von früh bis spät seine Verpflichtungen im Krieg erfülle. Dagegen stellte der Feuilletonist ein nicht namentlich genanntes „Künstlerleben 1943“.
Von keinem Künstler, so weiter im Text, würden „Volksreden“ erwartet, „wohl aber, dass er dort, wo er sich durch Worte oder Taten bemerkbar macht und aufgrund seines Ansehens doppelt auffällig bemerkbar machen muss, es mit politischem Erfolg tut: durch Worte die bei seinen ,Zuhörern’ – und seien es nur ein paar Beleuchter im Atelier – einen Zuwachs an aufrechter Gesinnung bewirken, durch Taten, die bei seinen ,Zuschauern’ – und seien es nur die Nachbarn seines bombardierten Hauses – einen Gewinn an unverdrossener Hoffnung wecken“. Wer sich daran halte, habe nichts zu befürchten.
Dann fuhr der Artikel fort: „Wie unnachsichtig jedoch mit einem Künstler verfahren wird, der statt Glauben Zweifel, statt Zuversicht Verleumdung und statt Haltung Verzweiflung stiftet, ging aus einer Meldung der letzten Tage hervor, die von der strengen Bestrafung eines ehrvergessenen Künstlers berichtete.“
Obwohl kein Name genannt wurde, war klar, wer gemeint war. Denn es hatte nur eine derartige Meldung „in den letzten Tagen“ gegeben, nämlich am 14. September; sie lautete: „Am 7. September 1943 ist der 27 Jahre alte Pianist Karlrobert Kreiten aus Düsseldorf hingerichtet worden, den der Volksgerichtshof wegen Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt hat. Kreiten hat durch übelste Hetzereien, Verleumdungen und Übertreibungen eine Volksgenossin in ihrer treuen und zuversichtlichen Haltung zu beeinflussen versucht.“
Höfers Artikel fuhr fort: „Es dürfte heute niemand Verständnis dafür haben, wenn einem Künstler, der fehlte, eher verziehen würde als dem letzten gestrauchelten Volksgenossen. Das Volk fordert vielmehr, dass gerade der Künstler mit seiner verfeinerten Sensibilität und seiner weithin wirkenden Autorität so ehrlich und tapfer seine Pflicht tut, wie jeder seiner unbekannten Kameraden aus anderen Gebieten der Arbeit. Denn gerade Prominenz verpflichtet!“ Das konnte man nur als Bekenntnis zum Todesurteil gegen Kreiten verstehen.
Zum ersten Mal ruchbar geworden war dieser Artikel 1962. Weil allerdings der Chefpropagandist der SED, Albert Norden, den prominenten WDR-Journalisten attackierte, nahm das niemand ernst. In der Tat log Norden skrupellos, um die kommunistische Ideologie zu befördern. Dass er wie im Falle Höfer wenigstens zum großen Teil richtig lag, war die Ausnahme.
So kam es erst ein Vierteljahrhundert später zum Eklat. Höfer, inzwischen bis auf die wöchentliche Moderation im Ruhestand, behauptete wie 1962, ihm seien die üblen Sätze „hinein redigiert“ worden. Als aber in acht Kolumnen Höfers allein aus dem Oktober bis Dezember 1943 zahlreiche Durchhalteparolen im Sinne der NS-Diktatur dokumentiert wurden, gab der 74-Jährige 1987 auf; der „Internationale Frühschoppen“ wurde nach 1874 Sendungen eingestellt und durch den ähnlich konzipierten „Presseclub“ ersetzt.
Musste die TV-Legende Werner Höfer stürzen? Im strafrechtlichen Sinne war ihm nichts vorzuwerfen. Aber sein Verhalten im Zusammenhang mit der Kolumne bewies, dass er aus der Kritik zu wenig gelernt hatte. Der absurde Rechtfertigungsversuch zeigte, wie sehr ihm das Urteilsvermögen in eigener Sache abging.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk übrigens ließ den bestens versorgten Pensionär Höfer nicht hängen: Ab 1992 durfte er noch einige Mal das Gesprächsformat „Bühler Begegnungen“ präsentieren. Im Alter von 84 Jahren starb er 1997.
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