Walter von Reichenau: Der braune Feldmarschall - WELT
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Zweiter Weltkrieg Walter von Reichenau

Der braune Feldmarschall

Kein anderer hoher Offizier hatte so früh Kontakt zu Hitler wie Walter von Reichenau.
Leitender Redakteur Geschichte
Polenfeldzug 1939, Hitler und Walter von Reichenau Polenfeldzug 1939, Hitler und Walter von Reichenau
Polenfeldzug der deutschen Wehrmacht, 1. September bis 6. Oktober 1939. Hitler begrüßt den Oberbefehlshaber der 10. Armee, Walter von Reichenau.
Quelle: pa/akg-images/akg

Politik: Bei diesem Wort rümpften die meisten höheren preußischen Offiziere die Nase oder runzelten wenigstens die Stirn. Politik – das war nichts für die oft adligen, traditionsbewussten Herren. Sie empfanden die Auseinandersetzungen mit der praktischen Regelung von Gegensätzen als unter ihrer Würde. Dass Angehörigen der Reichswehr während der Weimarer Republik von Verfassung wegen kein Wahlrecht zustand, empfanden sie nicht als Mangel, sondern als Auszeichnung.

Walter von Reichenau war anders. Obwohl standesbewusster Sohn eines preußischen Generalleutnants, bemühte er sich schon im April 1932 um ein persönliches Gespräch mit dem damaligen Kandidaten für die Reichspräsidentschaft Adolf Hitler. Der 48-jährige Oberst wurde nach der Machtübernahme mit dem wichtigen Posten des Chefs des Ministeramtes belohnt.

In dieser Funktion leitete er die Politisierung der Armee ein. Die Zerschlagung der Parteien und Gewerkschaften, die Gleichschaltung der Länder und die Abschaffung der Pressefreiheit gehörten für ihn zu den Erfolgen der nationalsozialistischen Regierung. Soldaten sollten „Nationalsozialisten auch ohne Parteibuch“ sein, verlangte Reichenau, „die besten, treuesten und ernstesten“.

Vereidigung aller Soldaten auf Hitler

Ende Juni 1934 gehörte Walter von Reichenau zu den Kräften innerhalb der Reichswehr, die Hitler zur mörderischen Niederschlagung des vermeintlichen „Röhm-Putsches“ drängten. Und als gerade einmal einen Monat später der Reichspräsident Paul von Hindenburg starb, forcierte Reichenau die Vereidigung aller Soldaten auf Adolf Hitler persönlich.

Fotografieren ließ sich der längst zum General beförderte Offizier am liebsten mit Monokel im rechten Auge; es wurde geradezu sein Markenzeichen. Doch gleichzeitig war er von manchmal geradezu dandyhafter Eitelkeit. Rein fachlich erwies sich Walter von Reichenau als flexibler, einfallsreicher General, der seine Truppen in den Feldzügen gegen Polen und Frankreich effizient und entschlossen führte. Dabei war ihm die Selbstdarstellung in der NS-Propaganda weniger wichtig als beispielsweise einem Aufsteiger wie Erwin Rommel.

Beim Überfall auf die Sowjetunion führte der 1940 zum Generalfeldmarschall beförderte Offizier die deutsche 6. Armee im Süden. Hier erwies er sich als Nationalsozialist im Geiste. Am 10. Oktober 1941 formulierte er einen folgenreichen Befehl: „Das wesentlichste Ziel des Feldzuges gegen das jüdisch-bolschewistische System ist die völlige Zerschlagung der Machtmittel und die Ausrottung des asiatischen Einflusses im europäischen Kulturkreis. Hierdurch entstehen auch für die Truppe Aufgaben, die über das hergebrachte einseitige Soldatentum hinausgehen.“

„Träger einer unerbittlichen völkischen Idee”

Diese allgemeine Anweisung präzisierte Walter von Reichenau: „Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völkischen Idee und der Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandtem Volkstum zugefügt wurden.“ Deshalb müsse der Soldat für die „Notwendigkeit der harten, aber gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum volles Verständnis“ haben.

Der „Reichenau-Erlass“ war nichts anderes als das Grundgesetz des Vernichtungskrieges. Wenig überraschend, dass Adolf Hitler höchstpersönlich den Befehl lobte und ihn allen anderen Oberbefehlshabern als „vorbildlich“ ans Herz legte. Der braune Feldmarschall dankte für diese Anerkennung, indem er „den Russen“ als „rote Bestie“ bezeichnete und die Führung in Moskau „völlig vertiert“.

Als der deutsche Vormarsch in der Sowjetunion erst im Schlamm, dann in der eisigen Kälte des November und Dezember 1941 steckenblieb, beförderte Hitler Reichenau zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd. Allerdings füllte er diese Position nur wenige Wochen aus. Am 15. Januar 1942 machte der gesundheitlich ohnehin angeschlagene General bei 40 Grad unter Null einen Waldlauf – und erlitt dabei einen schweren Schlaganfall. Zwei Tage später starb er auf dem Transport in ein Lazarett. Posthum schenkte Hitler seinen Erben eine Million Reichsmark als Anerkennung.

Dieser Artikel wurde erstmals 2012 veröffentlicht.

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