Der Manager der Einheit | Vorwärts
Kultur

Der Manager der Einheit

von Hubertus Sanner · 28. April 2014

Walter Momper war Westberlins Regierender Bürgermeister, als die Mauer fiel. Während dieser Zeit setzte er sich mit Weltpolitikern über die großen Fragen der Jahre 1989/90 auseinander. Und brachte sich zugleich sensibel in die Details des Umbruchs ein, der zur Einheit Deutschlands führte.

In seinem Buch „Berlin, nun freue dich!“ beschreibt Walter Momper nicht nur die Ereignisse, sondern bewertet auch die Entwicklungen, die zum Fall der Mauer und später zur Einheit führten. Gekonnt verknüpft er beides miteinander. So erklärt er beispielsweise die überraschende Maueröffnung mit dem Unvermögen von Egon Krenz, Günter Schabowski und anderen SED-Politikern, die gesellschaftliche Dynamik in der DDR richtig einzuschätzen. Auch die US-amerikanische Diplomatie bewertet er. Infolge ihrer Sorgfalt und Detailkenntnis seien die Amerikaner früh zu der Erkenntnis gelangt, dass der Weg zur deutschen Einheit notwendig ist. Erst dadurch sei diese Einsicht auch bei der französischen und britischen Regierung schnell gewachsen. Damit hebt sich Mompers ausführlicher Bericht von rein deskriptiven Texten ab und bekommt eine persönliche Note.

Gespräch mit Erich Honecker

Seine persönlichen, teilweise sehr detailreichen Schilderungen machen die Geschichte der Einheit greifbarer und nachvollziehbarer als jedes Lehrbuch. Der Leser bekommt einen authentischen Einblick in den Job eines Politikers in jener Zeit. Auch die politischen Hintergründe von damals verdeutlicht Momper, indem er über seine Gespräche mit wichtigen Akteuren berichtet. So wird ihm in einem Austausch mit Erich Honecker im März 1989 die Absicht der DDR-Führung deutlich, Berlin von Bonn abzukoppeln, indem Reiseerleichterungen für Westberliner als Geschenke an die rot-grüne Landesregierung wirken sollen.

Einsätze für die Details

Neben solchen Treffen mit wichtigen Politikern erzählt Momper auch von seinen Einsätzen für die Details, die kleinen Schritte zur Einheit. Die Frage, wo die historische Null-Uhr-Zeremonie am 3. Oktober 1990 stattfinden sollte, war so ein scheinbares Detail, das Momper mit viel Sensibilität und Rücksicht klärte. Während die Bundesregierung in Bonn die Zeremonie vor dem Brandenburger Tor mit Fahnenhissung wollte, empfanden Momper und seine Kollegen diese Idee als ausgesprochen geschmacklos. Außer bei den Nazis habe am Brandenburger Tor nie eine Flagge gehangen. Momper telefonierte schließlich mit Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Kanzleramtsminister Seiters und Innenminister Schäuble und schaffte diese Idee aus der Welt. Die Berliner Vertreter setzten sich bei den Verhandlungen mit den Cheforganisatoren vom Bundesinnenministerium durch und die Zeremonie fand vor dem Reichstagsgebäude statt.

Gänsehaut-Momente ohne Pathethik

Die kurzen Kapitel strukturieren das 400 Seiten starke Buch sehr gut und fördern den Lesefluss. Es enthält keine pathetischen Passagen über die Einheit. Ganz im Gegenteil, die Gänsehaut-Momente sind sehr nüchtern beschrieben und passen in den Gesamtkontext eines politischen Buches. Ein solcher Moment ist beispielsweise die Situation am Kontrollpunkt Invalidenstraße nach Schabowskis Äußerungen am 9. November 1989. An jenem Kontrollpunkt spricht Momper zu den Berlinern.

 

Walter Momper: „Berlin, nun freue dich! Mein Herbst 1989“, Verlag Das neue Berlin, Berlin 2014, 400 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-360-02180-9

Autor*in
Hubertus Sanner

ist Volontär in der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz und absolviert zurzeit ein Praktikum beim vorwärts (2014).

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