Vom Ich als Prinzip der Philosophie

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§ 15.

Das Ich ist, weil es ist, ohne alle Bedingung und Einschränkung. Seine Urform ist die des reinen, ewigen Seins; von ihm kann man nicht sagen: es war, es wird sein, sondern schlechthin: es ist. Wer es anders denn nur durch sein Sein schlechthin bestimmen will, muß es in die empirische Welt herabziehen. Es ist schlechthin, also außer aller Zeit gesetzt, die Form seiner intellektualen Anschauung ist Ewigkeit. Es ist unendlich durch sich selbst; auch nicht eine vage Unendlichkeit, dergleichen die Einbildungskraft, als an die Zeit gebunden, sich vorstellt, vielmehr ist es die bestimmteste, in seinem Wesen selbst enthaltene, Unendlichkeit, seine Ewigkeit ist selbst die Bedingung seines Seins. Insofern das Ich ewig ist, hat es gar keine Dauer. Denn Dauer ist nur in bezug auf Objekte denkbar. Man spricht von einer Ewigkeit der Dauer (aeviternitas), d.i. von einem Dasein in aller Zeit, aber Ewigkeit im reinen Sinne des Wortes (aeternitas) ist Sein in keiner Zeit. Die reine Urform der Ewigkeit liegt im Ich: dieser widerstrebt das Dasein des Nicht-Ichs in bestimmter Zeit, welchen Widerstreit dann die transzendentale Einbildungskraft durch das Dasein zu aller Zeit, d.h. durch die Vorstellung empirischer Ewigkeit, vereiniget. Der Gang aller Synthesis ist der, daß sie, was im absolut Gesetzten absolut gesetzt ist, im Entgegengesetzten bedingt (mit Einschränkung) setzt. So ist das Nicht-Ich in seiner ursprünglichen Entgegensetzung absolut, deswegen aber auch als schlechthin = 0 gesetzt, denn ein unbedingtes Nicht-Ich ist ein Widerspruch, d.h. schlechthin nichts. Nun erhält zwar das Nicht-Ich in der Synthesis Realität, verliert aber eben dadurch seine Unbedingtheit, d.h. es wird Realität mit Negation verbunden, bedingte (limitierte) Realität. So ist das Nicht-Ich ursprünglich außerhalb aller Zeit gesetzt, wie das Ich, dafür aber auch schlechthin = o; erhält es Realität, so verliert es dadurch sein Gesetztsein außer aller Zeit, und wird in bestimmte Zeit, durch eine neue Synthesis endlich in alle Zeit gesetzt, d.h. die absolute Ewigkeit des Ichs wird im Nicht-Ich, sofern es Realität durchs Ich erhält, empirische Ewigkeit. Allein diese empirische Ewigkeit (figürlich durch eine immerfort verlängerte Linie darstellbar) ist selbst ohne den Urbegriff reiner Ewigkeit nicht gedenkbar, und kann also unmöglich auf das absolute Ich, das die Urform alles Seins enthält, übergetragen werden. Das Endliche dauert; die Substanz schlechthin ist, durch ihre unendliche Macht, zu sein.

Anmerkung 1. Auch Spinoza hatte gegen diesen Begriff von Dauer, als Form des absoluten Seins, zu kämpfen. Ewigkeit ist ihm Form reiner intellektualer Anschauung, aber nicht relative, empirische, sondern absolute, reine Ewigkeit, Dauer, selbst Dauer in aller Zeit nichts als eine Form des (empirisch-bedingten) Subjekts, die aber selbst nur durch die höhere Form des ewigen Seins möglich wird. Versteht man unter Ewigkeit empirische Ewigkeit, so war ihm die absolute Substanz nicht – ewig, d.h. überall nicht durch diese Form bestimmbar, weder in bestimmter, noch in aller Zeit, sondern in gar keiner Zeit existierend. Eth. L. V., Prop. XXIII. Schol.: – aeternitas nec tempore definiri, nec ullam ad tempus relationem habere potest. At nihilominus sentimus experimurque, nos aeternos esse. Nam mens non minus res illas sentit, quas intelligendo concipit, quam quas in memoria habet. Mentis enim oculi, quibus res videt observatque, sunt ipsae demonstrationes. Quamvis igitur non recordemur, nos ante corpus extitisse, sentimus tamen, mentem nostram, quatenus corporis essentiam sub aeternitatis specie involvit, aeternam esse, et hanc ejus existentiam tempore definiri s. per durationem explicari non posse. Mens igitur nostra eatenus tantum dici potest durare, ejusque existentia certo tempore definiri, quatenus actualem corporis existentiam involvit, et eatenus tantum potentiam habet, rerum existentiam tempore determinandi easque sub duratione concipiendi.

Ebenso stark erklärt sich auch in seinen Briefen gegen diese Verwechslung der Ewigkeit und der Dauer, sowie überhaupt gegen alle Vermischung der reinen Urbegriffe des Seins mit den abgeleiteten Formen der empirischen Existenz. S. vorzüglich Opp. posth. p. 467.

Anmerkung 2. Nun ist es auch Zeit, das Ich selbst vollends ganz zu bestimmen, und allen möglichen Vermengungen mit anderen Begriffen vorzukommen. Oben bestimmten wir das Ich bloß als das, was schlechterdings niemals Objekt werden kann. Wollten wir also vom Ich als Objekt etwas aussagen, so würden wir allerdings in einen dialektischen Schein verfallen. Denn insofern es Objekt einer bloßen Idee wäre, hätte es allerdings keine Realität, und insofern es überhaupt Objekt wäre, müßten wir, um es als solches zu realisieren, auf eine objektive Anschauung hinausgehen, was notwendig auf Widersprüche führte.

Allein wir haben das Ich selbst bloß dadurch bestimmt, daß es schlechterdings nicht Objekt werden könne; wir haben ferner gezeigt, daß es ebensowenig eine bloße Idee sein kann, daß also hier die einzigmögliche intellektuale Anschauung gegeben sei. Ich wünschte sehr, irgend eine Deduktion des absoluten Ichs aus Begriffen zu sehen. Eben deswegen behauptete Kant, daß keine Philosophie aus Begriffen möglich sei, weil er wußte, daß die einzig mögliche Philosophie, die kritische, auf einem letzten Grund beruhe, der durch keine objektiven Begriffe erreicht wird. Daß eine Deduktion des Ichs aus bloßen Begriffen unmöglich sei, hat Kant schon dadurch angedeutet, daß er den ursprünglichen Satz: Ich bin! der keine Folge des Satzes: Ich denke, sondern in diesem enthalten ist, Das absolute Ich ist ohne allen Bezug auf Objekte, also nicht dadurch, daß es überhaupt denkt, sondern dadurch, daß es nur sich selbst denkt. Eben deswegen konnte Cartesius mit seinem Cogito, ergo sum, nicht weit kommen. Denn er setzte dadurch als Bedingung des Ichs sein Denken überhaupt, d.h. er hatte sich nicht bis zum absoluten Ich erhoben. als vor allen Begriffen vorhergehend, und sie nur, gleichsam als Vehikel, begleitend, aufgestellt hat. Will man aber, daß es gar kein absolutes Ich gebe, so muß nach dem Obigen nicht nur alle Freiheit, sondern selbst alle Philosophie geleugnet werden. Denn selbst der niedrigste Grad von Spontaneität in der theoretischen Philosophie offenbart eine ursprüngliche Freiheit des absoluten Ichs so gut, als der höchstmögliche in der praktischen Philosophie. Auch ist durch Leugnung des absoluten Ichs der Dogmatismus förmlich begründet. Denn, wenn das Dasein eines empirisch-bedingten Ichs nicht durch Voraussetzung eines absoluten Ichs erklärt werden kann, so bleibt keine andere Erklärung übrig, als aus dem absoluten Nicht-Ich, d.h. aus dem Prinzip alles Dogmatismus, das sich selbst widerspricht. Mithin ist mit Aufhebung eines absoluten Ichs nicht nur eine bestimmte, sondern alle Philosophie aufgehoben. Die Behauptung eines absoluten Ichs ist

1. nichts weniger als transzendente Behauptung, so wenig als der praktische Übergang ins übersinnliche Gebiet transzendent ist. Vielmehr, da gerade diejenige Behauptung transzendent ist, die das Ich überfliegen will, so muß die Behauptung eines absoluten Ichs die immanenteste aller Behauptungen, ja die Bedingung aller immanenten Philosophie sein. Die Behauptung eines absoluten Ichs würde allerdings transzendent, wenn sie über das Ich hinausginge, d.i. wenn sie ihm zugleich sein Dasein als Objekt bestimmen wollte. Allein der Sinn jener Behauptung ist ja gerade der, daß das Ich schlechterdings kein Objekt sei, und daß es also unabhängig von allem Nicht-Ich, ja sogar alles Nicht-Ich ursprünglich ausschließend, sein Sein in sich selbst habe, sich selbst hervorbringe. In der transzendentalen Dialektik bleibt der von Kant aufgedeckte Paralogismus nicht beim reinen Ich stehen, vielmehr sucht er das durch Nicht-Ich bedingte, also selbst zum Objekt gewordene Ich als Objekt einerseits und doch andererseits als Ich, d.h. als absolute Substanz, zu realisieren. Das absolute Ich aber realisiert sich selbst; ich darf, um zu seinem Sein zu gelangen, nicht über seine Sphäre hinausgehen, und der Satz: Ich bin! unterscheidet sich eben dadurch als der einzige, mit keinem anderen vergleichbare, von allen Existentialsätzen. Der ganze Paralogismus der transzendentalen Psychologie beruht also gerade darauf, daß man das, was bloß dem absoluten Ich zukommt, durch ein Objekt realisieren will. (Denn die ganze Dialektik geht auf Zerstörung des absoluten Ichs und Realisierung des absoluten Nicht-Ichs [= Ich], d.i. des Dings an sich).

»Ich denke. Ich bin!« das sind lauter analytische Sätze. Aber die transzendentale Dialektik macht das Ich zum Objekt, und sagt: was denkt, ist; was als Ich gedacht wird, ist Ich. Dies ist: ein synthetischer Satz, wodurch ein Denkendes überhaupt als Nicht-Ich gesetzt wird. Ein Nicht-Ich aber bringt sich nicht selbst durch sein Denken hervor, wie Ich!

Das absolute Ich ist

2. ebensowenig gleichbedeutend mit dem logischen Ich. Im bloß empirischen Denken komme ich auf das Ich überhaupt nur als auf logisches Subjekt und auf Bestimmbarkeit meines Daseins in der Zeit; dagegen in der intellektualen Anschauung das Ich sich als absolute Realität außerhalb aller Zeit hervorbringt. Wenn wir also vom absoluten Ich sprechen, wollen wir nichts weniger als das logische im Bewußtsein enthaltene Subjekt bezeichnen. Allein dieses logische Subjekt ist doch selbst nur durch die Einheit des absoluten Ichs möglich. (Mein empirisches Ich wird in Wechsel gesetzt, damit es aber doch wenigstens im Wechsel sich gleich bleibe, strebt es, die Objekte selbst, durch die es in Wechsel gesetzt wird, zur Einheit zu erheben – [Kategorien] – und bestimmt durch die Identität seines Strebens die Identität seines Daseins als eines im Wechsel der Zeit beharrenden Prinzips der Vorstellungen). Die Einheit des Bewußtseins bestimmt also nur Objekte, kann aber nicht hinwiederum das Ich als Objekt bestimmen; denn als reines Ich kommt es im Bewußtsein gar nicht vor, und käme es darin vor, so könnte es doch als reines Ich nie zum Nicht-Ich werden; als empirisches Ich aber hat es gar keine Realität, als nur in der Einheit der Apperzeption, und bloß in bezug auf Objekte. Ich denke! ist bloßer Ausdruck der Einheit: der Apperzeption, die alle Begriffe begleitet, also nicht in intellektualer Anschauung, wie der Satz: Ich bin! sondern nur in bezug auf Objekte, d.i. nur empirisch, bestimmbar. Es ist Ausdruck nicht einer absoluten, sondern nur in bezug auf Vielheit denkbaren Form der Einheit, dadurch das Ich weder als Erscheinung, noch als Ding an sich (also überhaupt nicht als Ding), aber ebensowenig als absolutes Ich, sondern nur als Prinzip eines in der bloßen Einheit des Denkens bestimmten, also außer dem Denken alle Realität verlierenden Etwas bestimmt wird. Dagegen ist doch dieses bloß denkbare, nur in der Einheit des Bewußtseins enthaltene Ich einzig nur durch eine ursprünglich und absolut vorhandene Einheit eines absoluten Ichs begreiflich. Denn gibt es kein absolutes Ich, so begreift man nicht, wie ein Nicht-Ich ein logisches Ich, eine Einheit des Denkens hervorbringen solle, überhaupt aber nicht, wie nur überhaupt Nicht-Ich möglich sein solle, woher es auch kommt, daß jeder, der es versucht das absolute Ich in Gedanken aufzuheben, sich alsobald genötigt fühlt das Nicht-Ich selbst zum Ich zu erheben. (Wie dies auch bei Spinoza der Fall war). Denn es gibt schlechterdings nichts Denkbares für mich ohne Ich, wenigstens ohne logisches Ich, und logisches Ich kann unmöglich durch Nicht-Ich, also nur durch absolutes Ich hervorgebracht sein.

Wenn also vom absoluten Ich die Rede ist, so reden wir

1. nicht vom logischen Ich, denn dies ist bloß in bezug auf Objekt denkbar, und bloßer Ausdruck des Strebens des Ichs, seine Identität im Wechsel der Objekte zu erhalten. Eben deswegen aber, da es nur durch jenes Streben denkbar ist, ist es selbst Bürge des absoluten Ichs und seiner absoluten Identität.

2. Ebensowenig vom absoluten Subjekt in der transzendentalen Dialektik, wodurch das logische Subjekt, das ursprünglich nichts als bloß formales Prinzip der Einheit des Denkens, bloßes Korrelatum der Apperzeption ist, als Objekt realisiert werden soll, was sich unmittelbar widerspricht. Das dialektische Subjekt entsteht durch bloße Abstraktion, und durch die paralogistische Voraussetzung, daß das Ich im Bewußtsein als unabhängig vom Bewußtsein bestimmbares Objekt denkbar sei. Dadurch unterscheidet sich das dialektische Ich ebensowohl vom logischen als vom reinen Ich. Denn keines von diesen beiden ist durch Abstraktion entstanden. Jenes ist nichts als formales Prinzip der Einheit des Denkens (und also der Abstraktion selbst), dieses ist höher denn alle Abstraktion, und nur durch sich selbst setzbar.

Das absolute Ich ist also weder bloß formales Prinzip, noch Idee, noch Objekt, sondern reines Ich in intellektualer Anschauung als absolute Realität bestimmt. Wer also einen Beweis fordert, »daß ihm außer unserer Idee etwas entspreche«, der weiß nicht, was er fordert; denn 1. ist es durch keine Idee gegeben, 2. realisiert es sich selbst, es bringt sich selbst hervor, und braucht also nicht erst realisiert zu werden. Denn, sollte es auch realisierbar sein, so würde die Handlung selbst, durch die es realisiert werden sollte, es schon voraussetzen, d.h. seine Realisierung, als eines außer sich selbst gesetzten Etwas, hebt sich selbst auf. Es ist entweder nichts, oder durch sich selbst und in sich selbst – nicht als Objekt, aber als Ich realisiert.

Die Philosophie wird also gerade dadurch, daß das absolute Ich als Prinzip aufgestellt wird, vor allem Schein gesichert. Denn das Ich, als Objekt, ist, wie wir selbst erwiesen haben, nur durch dialektischen Schein möglich, das Ich in logischer Bedeutung aber hat keine Bedeutung, als bloß insofern es Prinzip der Einheit des Denkens ist, verschwindet also mit dem Denken selbst, und hat gar keine als bloß denkbare Realität. Dadurch fällt der Satz des Bewußtseins als Prinzip der Philosophie von selbst. Denn es zeigt sich, daß durch ihn weder Objekt noch Subjekt anders als bloß logisch bestimmt sind, daß er also wenigstens, solange er höchstes Prinzip sein soll, gar keine reale Bedeutung hat. Kein Philosoph hat auf diesen Mangel an Realität im Satz des Bewußtseins stärker hingedrungen, als Salomo Maimon. – Oder soll das Prinzip aller Philosophie ein Nicht-Ich sein, so muß man eben damit auf alle Philosophie Verzicht tun. Denn Nicht-Ich selbst ist ursprünglich gar nicht als nur im Gegensatz gegen das Ich bestimmbar, und hat keine Realität, wenn das absolute Ich keine Realität hat.

Anmerkung 3. Es ist auffallend, daß die meisten Sprachen den Vorteil haben, das absolute Sein von jedem bedingten Existieren unterscheiden zu können. Ein solcher Unterschied, der durch alle ursprünglichen Sprachen hindurchgeht, weist auf einen ursprünglich vorhandenen Grund zurück, der schon bei der ersten Bildung der Sprache, ohne daß man es sich bewußt war, denselben bestimmte. Aber ebenso auffallend ist es, daß der größte Teil der Philosophen diesen Vorteil, den ihnen ihre Sprache anbot, noch nicht benutzten. Fast alle gebrauchen die Worte: Sein, Dasein, Existenz, Wirklichkeit, beinahe ganz gleichbedeutend. Offenbar aber drückt das Wort Sein das reine, absolute Gesetztsein aus, dagegen Dasein schon etymologisch ein bedingtes, eingeschränktes Gesetztsein bezeichnet. Und doch spricht man z.B. allgemein vom Dasein Gottes, In der theoretischen Philosophie soll Gott als Nicht-Ich realisiert werden, hier ist also jener Ausdruck an seiner Stelle. Dagegen er in der praktischen Philosophie anders nicht denn nur polemisch gegen diejenigen, die Gott zum Objekt machen wollen, gebraucht werden kann. als ob Gott wirklich dasein, d.h. bedingt und empirisch gesetzt sein könnte. (Das wollen übrigens die meisten Menschen, und, wie es scheint, selbst Philosophen aller Zeiten und Parteien). Wer vom absoluten Ich sagen kann: es ist wirklich, weiß nichts von ihm. Auch das Streben des moralischen Ichs kann nicht als Streben nach Wirklichkeit vorgestellt werden, deswegen, weil es strebt, alle Realität in sich zu setzen. Vielmehr strebt es, umgekehrt alle Wirklichkeit zum reinen Sein, und sich selbst, da es, durchs Nicht-Ich bedingt, in die Sphäre des Daseins herabfällt, wieder aus dieser zu erheben. Aber das reine Sein kann als Objekt des Strebens eines moralischen Subjektes, d.h. eines bedingten Ichs, nur schematisch, d.h. als Dasein in aller Zeit, dargestellt werden. Darin liegt eben die unendliche Aufgabe der praktischen Vernunft, absolutes Sein und empirisches Dasein in uns identisch zu machen. Weil empirisches Dasein in alle Ewigkeit nicht zu absolutem Sein erhoben, dieses aber niemals im Gebiete der Wirklichkeit, als wirklich uns, dargestellt werden kann, fordert die Vernunft unendliches Dasein für das empirische Ich; denn das absolute hat Ewigkeit in sich selbst, und kann durch den Begriff von Dauer, selbst unendlicher Dauer, niemals erreicht werden. Sein drückt das absolute, Dasein aber überhaupt ein bedingtes, Wirklichkeit ein auf bestimmte Art, durch eine bestimmte Bedingung, bedingtes Gesetztsein aus. Die einzelne Erscheinung im ganzen Zusammenhang der Welt hat Wirklichkeit, die Welt der Erscheinungen überhaupt Dasein, das Absolutgesetzte aber, das Ich, ist. Ich bin! ist alles, was das Ich von sich aussagen kann.

Man dachte wohl sonst, das reine Sein komme den Dingen an sich zu. – Ich glaube aber, daß das, was Kant von Dingen an sich sagt, sich schlechterdings nicht anders denn nur aus seinem durchgängig beobachteten Herablassungssystem erklären läßt. Denn die Idee von Ding an sich muß nach den kantischen Deduktionen selbst eine widersprechende Idee sein. Denn Ding an sich heißt nichts mehr und nichts weniger, als ein Ding, das kein Ding ist. Wo sinnliche Anschauung ist, da ist Nicht-Ich, und wo Nicht-Ich ist, sinnliche Anschauung. Intellektual wird gar kein Nicht-Ich, sondern bloßes Ich angeschaut. Man kann also z.B. nicht sagen, Gott schaue die Dinge an sich an. Freilich schaut Gott keine Erscheinungen, aber ebensowenig Dinge an sich, sondern gar kein Ding, bloß sich selbst, und alle Realität als sich gleich gesetzt, an (woraus erhellt) daß Gott Etwas ist, das wir nur ins Unendliche fort zu realisieren streben können). Ist Gott (nach Spinoza) als Objekt, aber unter der Form der Unendlichkeit bestimmbar, so müssen alle Objekte in ihm enthalten sein, und der Spinozismus ist nur dadurch widerlegbar, daß Gott als mit dem absoluten Ich (das alles Objekt ausschließt) identisch vorgestellt wird. Freilich hat Kant seinem Akkommodationssystem zufolge von den Formen der sinnlichen Anschauung als bloßen Formen der menschlichen Anschauung gesprochen; allein die Formen der sinnlichen Anschauung und der Synthesis des Mannigfaltigen derselben sind Formen der Endlichkeit überhaupt, d.h. sie müssen aus dem bloßen Begriff des durch ein Nicht-Ich bedingten Ichs überhaupt deduziert werden, woraus folgt, daß, wo Objekt ist, auch sinnliche Anschauung sein muß, und also Nicht-Ich außerhalb aller sinnlichen Anschauung (Ding an sich) sich selbst aufhebt, d.h. gar kein Ding, bloßes Nicht-Ich, also schlechthin nichts ist. – Man sagte wohl auch sonst, es sei Schuld der Schwäche der menschlichen Vernunft (ein Wort, womit man von jeher viel Mißbrauch getrieben hat), daß wir die Dinge an sich nicht erkennen; man könnte noch eher sagen, die Schwäche liege darin, daß wir überhaupt Objekte erkennen.

[Die Begriffe vom Idealismus und Realismus werden nun erst, nachdem der Begriff von Nicht-Ich im Gegensatz gegen das absolute Ich bestimmbar ist, ihre richtige Bedeutung erhalten. Man verwechselt beide in empirischer und reiner Bedeutung. Reiner Idealismus und Realismus hat gar nichts mit Bestimmung des Verhältnisses des vorgestellten Objekts zum empirischen Subjekt zu tun. Beide bekümmern sich nur darum, die Frage zu lösen: wie es möglich sei, daß dem Ich überhaupt etwas ursprünglich entgegengesetzt, d.h. daß es überhaupt empirisch sei. – Die Antwort darauf nun könnte beim Idealisten nur diese sein, daß das Ich gar nicht empirisch sei, in welchem Fall also die Nötigung desselben, sich etwas schlechthin entgegenzusetzen, mithin die Befugnis zur theoretischen Philosophie überhaupt geleugnet würde. Transzendenter und immanenter Idealismus fallen zusammen, denn immanenter Idealismus könnte nichts als das Dasein der Objekte in den Vorstellungen leugnen, was der transzendente gleichfalls leugnen muß. Denn eben, weil er Idealismus ist, und keine objektive Welt zuläßt, müßte er auch die Gründe seiner Behauptung nur im Ich suchen, also im Grunde immanenter Idealismus sein. Dieser Idealismus ist aber nur als Idee (des letzten Endzwecks) in praktischer Absicht (als praktisches Regulativ) denkbar, denn als theoretischer Idealismus hebt er sich selbst auf. Mithin gibt es keinen reinen theoretischen Idealismus, und da der empirische kein Idealismus ist, überhaupt keinen Idealismus in der theoretischen Philosophie.

Der reine Realismus setzt das Dasein des Nicht-Ichs überhaupt, und dieses entweder gleich dem reinen absoluten Ich, wie man allenfalls den Idealismus Berkleys deuten könnte – (sich selbst aufhebender Realismus).

Oder unabhängig vom Ich überhaupt, wie bei Leibniz und Berkley, der sehr fälschlich unter die Idealisten gezählt wird ( transzendenter Realismus).

Oder abhängig vom Ich, durch die Behauptung, daß überhaupt nichts existiere als was das Ich setze, und daß das Nicht-Ich nur unter Voraussetzung eines absoluten, noch durch kein Nicht-Ich bedingten, Ichs denkbar, also selbst nur durch das Ich setzbar sei. (Nämlich um 1. das Nicht-Ich überhaupt setzen zu können, muß das absolute Ich zuvor gesetzt sein, weil jenes nur im Gegensatz gegen dieses bestimmbar ist. Im ursprünglichen Setzen aber ist es eben deswegen bloßes Entgegensetzen mit absoluter Negation. Um es also 2. überhaupt setzbar zu machen und ihm Realität mitzuteilen, muß es ins absolute Ich, durch welches allein alles, was ist, setzbar ist, gesetzt, d.h. zur Realität erhoben werden. Realität aber kann es nur durch einen absoluten Inbegriff aller Realität erhalten – immanenter kantischer Realismus). Durch diesen Realismus wird zugleich der Naturforschung ihr eigentümliches Gebiet bezeichnet, daß sie nämlich schlechterdings nicht darauf gehen kann, » in das Innere der Objekte einzudringen«, d.h. die Erscheinungen als ihrer Realität nach unabhängig vom Ich bestimmbar anzunehmen, sondern die gesamte Realität, die ihnen zukommt, bloß als Realität überhaupt, die keinen in den Objekten selbst gegründeten Bestand hat, sondern nur in Beziehung (aufs Ich) denkbar ist, zu betrachten, also auch den Objekten keine von dieser geliehenen Realität unabhängige Realität zuzuschreiben, und sie selbst als außer derselben vorhanden vorauszusetzen, da sie vielmehr, wenn man von jener übergetragenen Realität abstrahiert, schlechterdings = o sind; weswegen auch ihre Gesetze schlechterdings nur in bezug auf ihre erscheinende Realität bestimmbar sind, und nicht vorausgesetzt werden kann, daß die Realität in der Erscheinung noch durch die Kausalität irgend einer ändern nicht in der Erscheinung enthaltenen Realität, durch ein noch außer der Erscheinung wirkliches Substrat des Objekts bestimmbar sei; vielmehr würde man, wenn man noch gleichsam hinter der erscheinenden (übergetragenen) Realität eine andere, dem Objekt ursprünglich zukommende suchen wollte, auf nichts als Negation stoßen.

Oder endlich zwar ursprünglich unabhängig vom Ich, aber in der Vorstellung nur durch und für das Ich vorhanden – (transzendent-immanenter [unbegreiflicher] Realismus vieler Kantianer, und namentlich Reinholds, Anders kann ich mir wenigstens den Ausdruck nicht erklären: die Dinge an sich geben den Stoff zu den Vorstellungen. (Die Dinge an sich geben nichts als die Schranken der absoluten Realität in der Vorstellung). – Man sehe statt alles ändern den 29. Paragraph der Theorie des Vorstellungsvermögens, wiewohl dieser nach spätem Erklärungen des Verfassers eine philosophische – Exkursion sein soll!, der sich übrigens den Sektennamen Kantianer selbst verbeten hat).

Empirischer Idealismus ist entweder ohne Sinn, oder nur in bezug auf reinen transzendenten Realismus denkbar. So war Leibniz (auch Descartes), indem er das Dasein der äußern Gegenstände als Körper leugnete, dagegen aber das Dasein eines Nicht-Ichs überhaupt unabhängig vom Ich annahm, in Rücksicht auf jenes empirischer Idealist, in Rücksicht auf dieses reiner, objektiver Realist.

Transzendenter Realismus ist notwendig empirischer Idealismus und umgekehrt. Denn da der transzendente Realismus die Objekte überhaupt als Dinge an sich ansieht, kann er das Wandelbare und Bedingte an ihnen nur als Produkt des empirischen Ichs ansehen, und sie nur, insofern sie die Form der Identität und Unwandelbarkeit haben, als Dinge an sich betrachten. So mußte Leibniz, um die Identität und Unwandelbarkeit der Dinge an sich zu retten, zur prästabilierten Harmonie seine Zuflucht nehmen. Kurz zu sagen, muß der Dogmatismus (der das Nicht-Ich als das Absolute behauptet) die Dinge an sich unter denjenigen Formen vorstellen, die nach dem Kritizismus dem Ich (als dem einigen Absoluten) eigentümlich sind, und erst von diesem (in der Synthesis) aufs Nicht-Ich übergetragen werden (identische Substantialität, reines Sein, Einheit usw.); dagegen er diejenigen Formen, welche das Objekt in der Synthesis vom ursprünglichen Nicht-Ich erhält (Wechsel, Vielheit, Bedingtheit, Negation usw.) als bloß der Erscheinung des Dings an sich zugehörig betrachten muß. Das Nicht-Ich ist nur in der absoluten Entgegensetzung gegen das Ich bestimmbar, eben deswegen aber absolute Negation der Relation nach ist es in der ursprünglichen Entgegensetzung als absolute Bedingtheit bestimmt, denn es ist dem Absoluten entgegengesetzt, also dieses bedingt, zugleich aber schlechthin entgegengesetzt, d.h. unbedingt. Was dem Absoluten schlechthin entgegengesetzt ist, ist also notwendig zugleich bedingt und unbedingt, d.h. schlechthin = o. Der Quantität nach ist es als absolute Vielheit bestimmt, absolute Vielheit aber ist ein Widerspruch, denn Vielheit ist bedingt durch Einheit. Der Modalität nach ist es als Sein, das dem absoluten Sein schlechthin entgegengesetzt ist, d.h. absolutes Nichtsein, der Qualität nach als Qualität, die der absoluten Realität schlechthin entgegengesetzt ist, d.h. absolute Negation bestimmt. Soll also das absolute Nicht-Ich Realität erhalten, so ist dies nur dadurch möglich, daß es dem Absoluten nicht schlechthin entgegen – d.h. in den absoluten Inbegriff aller Realität selbst gesetzt wird. Nun ist der Gang aller Synthesis dieser, daß, was in der Thesis und Antithesis schlechthin gesetzt ist, in ihr mit Einschränkung, d.h. bedingt, gesetzt werde. Also wird die absolute Einheit des Ichs in der Synthesis zu empirischer, d.h. nur in bezug auf Vielheit denkbarer Einheit (Kategorie der Einheit), die absolute Vielheit des Nicht-Ichs zur empirischen, nur in bezug auf Einheit denkbaren Vielheit (Kategorie der Vielheit), die absolute Realität des Ichs zur bedingten, nur in Bezug auf einschränkende Negation denkbaren Realität (Kategorie der Realität), die absolute Negation des Nicht-Ichs zur nur in bezug auf Realität denkbaren Negation (Kategorie der Negation), die absolute Unbedingtheit des Ichs zur empirischen, nur in bezug auf Bedingtheit denkbaren Unbedingtheit (Kategorie der Substanz), das absolute Sein des Ichs zu einem nur in bezug auf Nichtsein bestimmbaren Sein (Kategorie der Möglichkeit), das absolute Nichtsein des Nicht-Ichs zu einem nur in bezug auf Sein bestimmbaren Nichtsein (Kategorie des Daseins).

(Diese Anmerkung ist im zweiten Abdruck weggeblieben, vielleicht nur aus Versehen, da sie in der Originalausgabe auch nicht im Texte, sondern im Verzeichnis der Verbesserungen und Zusätze stand. A. d. O.)
Deswegen die leibnizischen Monaden die Urform des Ichs (Einheit und Realität, identische Substantialität und reines Sein, als vorstellende Wesen) haben; dagegen alle diejenigen Formen, welche vom Nicht-Ich aufs Objekt übergehen (Negation, Vielheit, Akzidentalität, Kausalität in passiver Bedeutung, d.i. Bedingtheit), als bloß in der sinnlichen Vorstellung desselben vorhanden empirisch-idealistisch erklärt werden mußten. – Im konsequenten Dogmatismus hat also der empirische Idealismus Sinn und Bedeutung, denn er ist notwendige Folge des transzendenten Realismus. Soll er aber als Erklärungsgrund des Nicht-Ichs überhaupt gedacht werden, so hebt er sich selbst auf. Denn es ist lächerlich, das Nicht-Ich seinem Dasein nach bloß als Produkt eines empirischen Vermögens, z.B. der Einbildungskraft, begreiflich machen zu wollen. Denn man will ja wissen, wie Nicht-Ich überhaupt, d.h. wie empirisches Vermögen überhaupt möglich werde].

Leibniz, oder besser noch, der konsequente Dogmatismus, sieht die Erscheinungen als ebenso viele Einschränkungen der unendlichen Realität des Nicht-Ichs an; nach dem kritischen System sind sie ebenso viele Einschränkungen der unendlichen Realität des Ichs. ( Erscheinungen also sind vom Ich nicht der Art [Realität], sondern nur der Quantität nach verschieden. Leibniz hatte wohl recht) wenn er sagte, die Erhaltung der Welt der Erscheinungen sei derselbe Akt des absoluten Objekts, wie die Schöpfung. Denn die Welt der Erscheinungen entsteht und beharrt dem Dogmatismus zufolge bloß in der Einschränkung des absoluten Nicht-Ichs. – Schöpfung ist also nach dem kritischen System, das nur immanente Behauptungen zuläßt, nichts als Darstellung der unendlichen Realität des Ichs in den Schranken des Endlichen. Bestimmung derselben durch eine außer dem absoluten Ich wirkliche Kausalität – durch ein Unendliches außer dem Unendlichen – hieße das Ich überfliegen.) Bei Leibniz ist alles, was da ist, Nicht-Ich, selbst Gott, in dem alle Realität, aber außerhalb aller Negation vereinigt ist; nach dem kritischen System (das von einer Kritik der subjektiven Vermögen, d.h. vom Ich ausgeht) ist das Ich alles; es befaßt Eine unendliche Sphäre, in welcher sich endliche Sphären (durchs Nicht-Ich beschränkt) bilden, die gleichwohl nur in der unendlichen Sphäre und durch sie möglich sind, auch alle Realität nur von dieser und in dieser erhalten Der Ausdruck vieler Schwärmer: das Sinnliche sei im Übersinnlichen, das Natürliche im Übernatürlichen, das Irdische im Himmlischen befaßt, leidet also eine sehr vernünftige Deutung. Überhaupt enthalten ihre Ausdrücke sehr häufig einen Schatz geahneter und gefühlter Wahrheit. Sie sind, nach Leibnizens Vergleichung, die güldnen Gefäße der Ägypter, die der Philosoph zu heiligerem Gebrauche entwenden muß. ( Theoretische Philosophie.) In jener unendlichen Sphäre ist alles intellektual, alles absolutes Sein, absolute Einheit, absolute Realität, in diesen alles Bedingtheit, Wirklichkeit, Einschränkung: durchbrechen wir diese Sphären (praktische Philosophie), so sind wir in der Sphäre des absoluten Seins, in der übersinnlichen Welt, wo alles Ich außer dem Ich nichts, und dieses Ich nur Eines ist.

*

... Ich wünschte mir Platons Sprache oder die seines Geistesverwandten, Jacobis, um das absolute, unwandelbare Sein von jeder bedingten, wandelbaren Existenz unterscheiden zu können. Aber ich sehe, daß diese Männer selbst, wenn sie vom Unwandelbaren, Übersinnlichen sprechen wollten, mit ihrer Sprache kämpften – und ich denke, daß jenes Absolute in uns durch kein bloßes Wort einer menschlichen Sprache gefesselt wird, und daß nur selbsterrungenes Anschauen des Intellektualen in uns dem Stückwerk unsrer Sprache zu Hilfe kommt.

Selbsterrungenes Anschauen. Denn das Unbedingte in uns ist getrübt durch das Bedingte, das Unwandelbare durch das Wandelbare, und – wie, wenn du hoffst, daß das Bedingte dir selbst wieder das Unbedingte, die Form der Wandelbarkeit und des Wechsels die Urform deines Seins, die Form der Ewigkeit und der Unwandelbarkeit, darstellen werde? –

Weil du mit deiner Erkenntnis an Objekte gebunden bist, weil deine intellektuale Anschauung getrübt und dein Dasein selbst für dich in der Zeit bestimmt ist, wird selbst das, wodurch du allein zum Dasein gekommen bist, in dem du lebst und webst, denkst und erkennst, am Ende deines Willens nur ein Objekt des Glaubens für dich – gleichsam ein von dir selbst verschiedenes Etwas, das du ins Unendliche fort in dir selbst als endlichem Wesen darzustellen strebst, und doch niemals als wirklich in dir findest – der Anfang und das Ende deines Wissens dasselbe – dort Anschauung, hier Glaube!


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