Volker Wissing (FDP) zu Verkehr: „Mobilität wird sich komplett wandeln“ - WELT
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Deutschland Verkehrsminister Wissing

„Die Mobilität der Menschen wird sich komplett wandeln“

Verkehrsminister Volker Wissing Verkehrsminister Volker Wissing
Verkehrsminister Volker Wissing
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT
Neue Mobilität ja, Zwang nein: Verkehrsminister Wissing (FDP) erklärt, wie die Deutschen den Umstieg auf klimafreundliche Fortbewegungsmittel als Fortschritt verstehen sollen. Mit Blick auf Russland warnt er vor Cyberattacken gegen die kritische Infrastruktur in Deutschland.

WELT AM SONNTAG: Herr Wissing, was ist nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Ihre größte Sorge als Verkehrs- und Digitalminister?

Volker Wissing: Das Verhalten von Russland ist irrational, aggressiv und unberechenbar. Zunächst muss ich als Verkehrsminister sicherstellen, dass es nicht zu Risiken im Luftraum kommt. Deshalb habe ich für deutsche Luftfahrzeuge ein Flugverbot in die und über der Ukraine ausgesprochen.

Außerdem sehe ich das Risiko, dass Cyberangriffe drohen. Deswegen sind wir mit allen relevanten Stellen in Deutschland in Kontakt, um insbesondere die Betreiber kritischer Infrastruktur zu begleiten und vorzubereiten, falls es zu entsprechenden Cyberangriffen kommt.

>>> Alle Entwicklungen in der Ukraine im Liveticker <<<

WELT AM SONNTAG: Gibt es Hinweise auf bevorstehende Cyberattacken?

Wissing: Wir haben derzeit keine konkreten Hinweise, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ist damit zu rechnen. Wir beobachten, dass die russische Propaganda und Desinformation im Zuge des Ukraine-Konflikts zunehmen. Wir sind vorbereitet, wachsam und jederzeit handlungsfähig.

WELT AM SONNTAG: Ist angesichts dieses Angriffs noch Personen- und Güterverkehr zwischen der EU und Russland vorstellbar?

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Wissing: Wir haben uns in enger Abstimmung mit unseren Partnern auf ein Maßnahmenpaket verständigt. Selbstverständlich werden wir bei Bedarf auch im Infrastruktur- und Verkehrsbereich reagieren. Ich habe alle Vorbereitungen unternommen, um innerhalb kürzester Zeit handeln zu können.

WELT AM SONNTAG: Gehört dazu auch ein Start- und Landeverbot für russische Fluggesellschaften in der EU?

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Wissing: Das Ausmaß der Aggression Russlands gegen die Ukraine zwingt uns dazu, im Rahmen der Sanktionen alle Optionen abzuwägen. Ich kann derzeit nichts ausschließen.

WELT AM SONNTAG: Würden Sanktionen im Verkehrsbereich Lieferketten gefährden, sodass sie auch der deutschen Wirtschaft schaden?

Wissing: Das Grundelement unseres westlichen Werteverständnisses ist es, dass die Durchsetzung des Völkerrechts Vorrang haben muss. Was wir gegenwärtig sehen, ist eine eklatante Verletzung des Völkerrechts durch Russland. Deshalb können sich Sanktionen nicht in erster Linie an wirtschaftlichen Interessen orientieren.

Selbstverständlich werden wir Sanktionen so gestalten, dass sie vor allen Dingen Russland treffen, denn von dort geht die Aggression aus. Aber es ist klar, dass solche Sanktionen auch Auswirkungen auf den eigenen Wirtschaftsraum haben werden.

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WELT AM SONNTAG: Manche Transporte aus Asien erfolgen inzwischen per Zug durch Russland oder Länder unter russischem Einfluss. Muss man das überdenken?

Wissing: Der Überfall auf ein anderes Land innerhalb Europas zwingt uns, viele Dinge grundlegend neu zu denken.

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WELT AM SONNTAG: Gehört dazu auch die Elektrifizierung des Verkehrs? Macht uns die Elektromobilität noch abhängiger von russischen Gaslieferungen?

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Wissing: Wir verfolgen mit neuen Antrieben und Veränderungen im Mobilitätssektor Klimaschutzziele und keine geostrategischen Ziele. Klar ist aber auch, dass wir uns nicht in eine vertiefte Abhängigkeit von einem Land begeben können, von dem eine derartige Aggression ausgeht.

Die Schlacht um Kiew ist in vollem Gange

Von Norden, Osten und Süden dringen Putins Truppen immer weiter in die Ukraine vor. Die UN erwartet bis zu vier Millionen Flüchtlinge aus dem Land, falls sich die Situation weiter verschlechtert. Und danach sieht alles aus.

Quelle: WELT / Matthias Herreiner

WELT AM SONNTAG: Begeben wir uns durch die Elektromobilität in eine solche stärkere Abhängigkeit?

Wissing: Unser Ziel ist es, das zu vermeiden, indem wir durch den Ausbau regenerativer Energien unsere Energieversorgung möglichst selbst klimaneutral sicherstellen. Dieser Transformationsprozess ist eingeleitet, wir werden ihn jetzt deutlich beschleunigen. Die Unabhängigkeit der Energieversorgung wird an Bedeutung zunehmen.

WELT AM SONNTAG: Erwarten Sie durch den Angriff Russlands weiter steigende Energiepreise in Deutschland?

Wissing: Dieser von Russland begonnene Krieg wird Auswirkungen auf die Energiepreise haben. Wir werden das genau beobachten und alles tun, damit wir gut durch diese Krise hindurchkommen.

WELT AM SONNTAG: Die Koalition hat Entlastungen zum Beispiel über eine höhere Pendlerpauschale beschlossen. Reicht das?

Wissing: Wir haben ein ganzes Entlastungspaket beschlossen. Uns ging es darum, die Mitte der Gesellschaft, die diesen Staat trägt, nicht allein zu lassen. Ich mache mir große Sorgen um die arbeitende Mitte, die pendelt und hohe Mehrbelastungen beim Kraftstoff erlebt.

Diese Menschen dürfen nicht die Verlierer des gegenwärtigen Transformationsprozesses werden, denn wenn wir sie verlieren, dann verlieren wir den Teil der Gesellschaft, der unseren Wohlstand und Sozialstaat finanziert.

So sollen die Bürger jetzt entlastet werden

Mit einem Entlastungspaket will die Bundesregierung die gestiegenen Energiepreise kompensieren. Auf der Agenda stehen unter anderem EEG-Umlage, Heizkostenzuschuss und Pendlerpauschale. Lange wurde im Koalitionsausschuss darüber verhandelt, was ins Paket kommt.

Quelle: WELT / Eybe Ahlers

WELT AM SONNTAG: Dafür sollen ein paar Cent mehr bei der Pendlerpauschale reichen?

Wissing: Wichtig ist das Signal, dass wir es den die Gesellschaft tragenden Menschen leichter machen wollen. Wir haben neben der Pendlerpauschale auch Maßnahmen im Bereich der Einkommensteuer beschlossen, die der Mitte der Gesellschaft zugutekommen. Gleichzeitig müssen wir auch auf solide Staatsfinanzen achten.

Die Euro-Krise ist nicht gelöst. Deshalb mussten wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Entlastungen und soliden Staatsfinanzen finden, das ist uns gelungen.

WELT AM SONNTAG: Wo können Sie als Verkehrsminister sparen, um den Haushalt zu entlasten?

Wissing: Meine Aufgabe ist es, die Gesellschaft über diesen Transformationsprozess hinweg mobil zu halten. Das setzt sehr viele Investitionen voraus. Die Ausgaben, die wir hier im Ministerium für Digitales und Verkehr tätigen, sind weit überwiegend Investitionen und die sollte man nie vernachlässigen – auch in Krisenzeiten nicht.

WELT AM SONNTAG: Also schließen Sie die Streichung von Investitionen im Schienen- oder Straßenbau aus?

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Wissing: Investitionen im Verkehrssektor sind Zukunftsinvestitionen. Wenn wir sie kürzen, kürzen wir unsere Zukunft. Das sollten wir nicht tun. In die Infrastruktur muss weiter investiert werden, wir sehen ja die Probleme zum Beispiel an unseren Brücken. Wenn eine Autobahnbrücke gesperrt werden muss, weil sie nicht mehr den Sicherheitsanforderungen genügt, führt das schnell zu massiven Auswirkungen auf den Alltag der Menschen.

WELT AM SONNTAG: Wenn Sie bei den Investitionen nicht sparen wollen, wie sieht es mit den Subventionen aus? Es gibt im Verkehrssektor diverse staatliche Förderungen wie das Dieselprivileg.

Wissing: Die höhere Kfz-Besteuerung beim Diesel ist sicherlich kein Privileg.

WELT AM SONNTAG: Es geht um die niedrigere Besteuerung von Dieselkraftstoff.

Wissing: Dem steht ja die höhere Kfz-Steuer gegenüber. Es ist sicher so, dass wir auch im Verkehrssektor Subventionen überprüfen werden, das muss man kontinuierlich tun.

Subventionen sind ein süßes Gift. Sie werden gerne angenommen, aber sie sind auf Dauer eben auch mit Nebenwirkungen verbunden – nicht nur für den Bundeshaushalt, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung.

WELT AM SONNTAG: Wollen Sie deshalb auch die Pendlerpauschale grundlegend verändern? Sie soll noch in dieser Legislaturperiode sozial-ökologisch überarbeitet werden. Wie soll das aussehen?

Wissing: Ich habe noch keine genaue Vorstellung, wie wir die Pendlerpauschale verändern werden. Aber ich sehe, dass über sie seit vielen Jahren gestritten wird und dass auch sehr viele Missverständnisse gepflegt werden. Daher lohnt es sich, die Frage zu stellen, ob man daran nicht etwas verändern sollte.

Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Die Mobilität der Menschen wird sich komplett wandeln, und es ist meine Aufgabe als Verkehrsminister, dass dieser Wandel von den Menschen als Fortschritt wahrgenommen wird. Manche glauben, dass man den Menschen zu einem anderen Verhalten zwingen muss. Ich glaube, dass man mehr erreicht, wenn man Probleme oder Hindernisse aus dem Weg räumt und damit Chancen eröffnet.

WELT AM SONNTAG: Wie soll das gehen?

Wissing: Wir sollten es den Menschen möglichst attraktiv und leicht machen, mit dem Fahrrad oder dem Pedelec zum nächsten Bahnhof zu fahren, dort das Rad wirklich sicher abstellen zu können und dann gute Bahn-Verbindungen zu haben. Das ist etwas ganz Anderes, als wenn man sie zum Fahrradfahren zwingen möchte.

Ich möchte nicht, dass den Menschen immer mehr Druck gemacht wird. Dann schaffen wir es auch, diese Gesellschaft im Transformationsprozess zusammenzuhalten, alles andere führt zu Spaltung.

WELT AM SONNTAG: Bislang scheint das nicht aufzugehen, es gibt immer radikalere Proteste, Menschen kleben sich im Berufsverkehr auf Autobahnen fest.

Wissing: Wir sind eine offene Gesellschaft, die miteinander diskutiert und sich nicht blockiert, weil Einzelne meinen, ihren Willen anderen aufzwingen zu wollen. Das sind Radikalisierungstendenzen, die ich ablehne.

WELT AM SONNTAG: Nicht nur die Bürger klagen über die hohen Energiepreise. Auch die Bahn-Unternehmen fordern als Entlastung eine dauerhafte Reduzierung oder einen Erlass der Trassenpreise, die sie für die Benutzung des Schienennetzes an die staatseigene DB Netz AG zahlen müssen. Was halten Sie davon?

Wissing: Ich nehme diese Sorgen sehr ernst und bin im Gespräch mit der Bahn. Aber wir können nicht mit öffentlichen Mitteln jeden Anstieg der Energiepreise ausgleichen. Wir brauchen auf der Schiene ein System des Wettbewerbs, der Anreize und der Vielfalt, das sich marktwirtschaftlich selbst finanziert und nicht darauf angewiesen ist, dass der Staat als Dauersubventionierer eingreift.

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