WELT: Herr Hagen, nach vier verlorenen Landtagswahlen am Stück in diesem Jahr: Was muss die FDP-Führung ändern, damit diese Negativserie gebrochen werden kann?
Martin Hagen: Sie sollte jedenfalls nicht auf diejenigen hören, die sagen, dass die Partei in der Ampel-Koalition jetzt braver und angepasster werden müsse. Das Gegenteil ist richtig. Die FDP muss ein klares, liberales Profil zeigen.
WELT: Das heißt konkret?
Hagen: Beispiel Energieversorgung: Wir müssen alle Register ziehen, um eine sichere und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten. Es ist gut, dass die Ampel mit der Strom- und Gaspreisbremse jetzt einen wirtschaftlichen Schutzschirm für Bürger und Unternehmen aufspannt.
Aber es muss sich auch auf der Angebotsseite etwas bewegen. Dazu gehört neben heimischer Gasförderung auch die Kernkraft. Da nehmen die Grünen mit ihrer Blockadehaltung die anderen beiden Ampel-Parteien ein Stück weit in Geiselhaft. Als FDP müssen wir hier noch deutlicher auftreten. Und eigentlich wäre jetzt auch mal ein Machtwort des Bundeskanzlers fällig.
WELT: Woran hat es aus Ihrer Sicht in diesem Jahr vor allem gehapert?
Hagen: Wir haben uns im ersten Halbjahr sehr schwergetan, unser wirtschafts- und finanzpolitisches Profil in einer Koalition mit zwei linken Partei sichtbar zu machen. In den letzten Monaten ist das schon besser gelungen: Stichwort kalte Progression, Stichwort Schuldenbremse.
Die Bürger sind aber momentan durch Inflation und Energiekrise massiv verunsichert. Sie trauen den Ampel-Parteien insgesamt nicht ausreichend Problemlösungskompetenz zu – deswegen haben in Niedersachsen auch so viele Wähler aus Protest der AfD die Stimme gegeben. Da muss die Ampel insgesamt besser werden.
WELT: Nach dem Wahlabend in Niedersachsen sind auch Stimmen laut geworden, nach denen die FDP die Ampel-Koalition im Bund möglichst bald aufkündigen sollte. Wäre das ein möglicher Weg aus der Krise?
Hagen: Ich bin kein Fan der Ampel-Koalition. Sie ist auch definitiv kein Modell für uns hier in Bayern. Aber die Menschen würden uns zu Recht übelnehmen, wenn wir mitten in einer schweren Krise einfach hinschmissen. Für uns gilt: erst das Land, dann die Partei. Und deshalb sind derartige Ausstiegsszenarien momentan fehl am Platz.
WELT: Kann es auch sein, dass es in Krisenzeiten wie diesen ein allzu großer Spagat ist, gleichzeitig FDP-Vorsitzender und Finanzminister einer Bundesregierung zu sein, die ein ausgabenorientiertes Krisenmanagement zu vertreten hat?
Hagen: Das ist ohne Zweifel ein Spagat. Aber ich wüsste keinen besseren Parteichef als Christian Lindner. Er hat meine volle Rückendeckung, und ich hoffe sehr, dass er im kommenden Jahr als Bundesvorsitzender mit uns in den Landtagswahlkampf zieht.
WELT: Wie ausgeprägt ist Ihre Sorge, dass die Liberalen wie schon 2013 auch nach dieser Regierungsbeteiligung im Bund wieder in der außerparlamentarischen Opposition landen? Zuvor womöglich auch in Bayern.
Hagen: Diese Sorge ist für uns kein Thema. Wir führen das Land jetzt durch diese schwierigen Zeiten, dem gilt unser Augenmerk. Was die Bayern-Wahl angeht, bin ich guter Dinge. Wir haben eine sehr gute Ausgangslage, mehr Mitglieder als je zuvor und sind auch als Landtagsfraktion gerade noch einmal gewachsen: Der frühere Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer ist von der CSU zu uns übergetreten. Die Landtagswahlen nächstes Jahr werden für die FDP die Trendwende bringen.
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