Uwe Boll: Der umstrittene Regisseur plant sein Comeback - WELT
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„Dann könnten die Faschisten regieren, noch bevor uns der Klimawandel umbringt“

Redakteur
„Da kommt Uwe Boll mit seinen Filmen genau richtig“

Es ist so weit: Uwe Boll kündigt sein Comeback als Regisseur an. Hier erzählt er exklusiv, was es mit seinem neuen Film auf sich hat. Und warum die Welt ganz dringend einen neuen Uwe-Boll-Film braucht.

Quelle: WELT

Autoplay
Uwe Boll wurde immer wieder als der „schlechteste Regisseur der Welt“ bezeichnet. Vor knapp drei Jahren hatte er genug und zog sich aus dem Filmgeschäft zurück. Doch jetzt plant er ein Comeback. Die Begegnung mit einem Mann, der sich Sorgen um unser Land macht. Und dem man Unrecht tat.

Dabei hatte der Tag noch begonnen, wie ein ganz gewöhnlicher Tag im Leben des Uwe Boll mittlerweile so beginnt, er, Boll, war gerade auf dem Weg zu seinem Auto, da bemerkte er, dass auf genau diesem Auto eine Leiche lag, hier mitten in Vancouver, Kanada. Eigentlich war das Auto bloß das Auto seiner Frau, aber das spielt keine Rolle, jedenfalls lag da ein Toter auf diesem Auto, keine Ahnung wer der Kerl war, keine Ahnung, wer ihn aus dem Fenster direkt auf das Auto geschmissen hatte, aber tot war er, so viel stand fest. Völlig hinüber. Alles voller Blut, eine absolute Schweinerei.

Boll rief die Polizei, die Polizei entfernte die Leiche von dem Autodach, naja, meine Güte, sagten die Beamten, das passiert halt, fahren Sie das Ding einmal durch die Waschanlage und alles ist wieder wie gehabt. Das war zu viel. Uwe Boll hatte endgültig die Schnauze voll. Er beschloss, Abschied von seinem Abschied zu nehmen.

Seinen ersten Abschied nahm Boll vor drei Jahren, es war der Abschied von seinem Lebenswerk, denn er nahm Abschied von der Filmbranche. Er wollte nicht mehr. Egal was er machte, egal welchen Film er auf den Markt brachte, er bekam diesen Ruf einfach nicht los, dieses Etikett, was an ihm haftete, das Etikett, dass er, Uwe Boll, der „schlechteste Regisseur der Welt“ sei. Also tat Boll dann das, was er sein Leben lang immer getan hatte, er zeigte den Menschen den Mittelfinger und verabschiedete sich. Vom Filmbusiness, so wie er sich schon 2013 von Deutschland verabschiedet hatte. Sollten die ihren Scheiß doch alleine machen, sagte er sich.

Mit Frau und Familie zog er nach Kanada und begann sein zweites Leben. In diesem zweiten Leben eröffnete er ein Restaurant, erhielt für dieses Restaurant hervorragende Bewertungen, engagierte einen Sterne-Koch und expandierte mit seinem Gastronomiekonzept sogar. Es schien, als hätte Uwe Boll endlich seinen Frieden gefunden.

Hallo Germany again. Boll is back

Frieden? Von wegen. Das Restaurant war zwar auf den ersten Blick ganz schön, aber die oberen Stockwerke des Hauses total verfallen, Ratten hätte es da gegeben, der Vermieter hätte sich um nichts gekümmert, ein Arschloch vor dem Herrn sei der Kerl gewesen, außerdem war Kanada nicht das, was Boll sich erhofft hatte, das Gesundheitssystem war völlig für den Arsch, das Schulsystem auch, und dann war Vancouver auch noch voller Junkies, ein Drogen-Hotspot, in der Stadt gab es im Jahr mehr Drogentote als in ganz Deutschland, erzählt Boll, manche lagen vor seinem Restaurant herum, andere auf seinem Auto, also dem Auto seiner Frau, das muss doch alles nicht sein. Nun also der Abschied von dem Abschied, goodbye Vancouver, hallo Germany again. Boll is back.

„Was will ich auch mit einem Restaurant, ich bin Filmemacher”, sagt Uwe Boll, 55, in seinem Haus in Mainz, verwaschenes Pink-Floyd-Shirt am Körper, hellwach und angriffslustig, wie zu seinen besten Zeiten. „Ich lebe dafür, Filme zu machen. Mir hat das gefehlt. Ich muss das tun, ich kann nicht anders“, sagt er und kündigt ganz nebenbei sein Comeback als Regisseur an. Das dürfte nicht jeden freuen. Uwe Boll hat sich in den 30 Jahren seiner Regiekarriere eine solide Basis von Menschen aufgebaut, die ihn leidenschaftlich hasst. Er hat auch so einiges dafür getan.

Seine Schauspieler bezeichnete er mal als „geldgeile Huren“, mit einigen seiner Kritiker stieg er in den Boxring (und schlug sie alle), und auch sonst legte er sich gut und gerne mit jedem an, mit dem man sich in Filmdeutschland so anlegen konnte. Aber damit konnte er gut leben, die Rolle des Outlaw war wie für ihn gemacht, nur diese eine Sache, die Sache mit dem Etikett, die ließ ihm dann doch keine Ruhe. Das Etikett, das besagt, dass er der „schlechteste Regisseur der Welt“ sei.

„Schon wieder“, sagt Boll. „Es hört einfach nicht auf“

Einmal, da kamen zwei Redakteure von der amerikanischen „Vanity Fair“, erzählt Boll. „Vanity Fair“, wichtiges Magazin, eine große Story habe man da geplant. Geld in die Hand genommen. Zwei Redakteure habe man extra einfliegen lassen, aus den Staaten, zwei Tage wären die geblieben, ein Fotoshooting noch dazu. „Wir haben richtig gute Gespräche gehabt“, sagt Boll, er habe die Männer in sein Restaurant eingeladen, gutes Essen, guter Wein, gute Debatten, die ganze Nacht lang, er habe sich verstanden gefühlt, zum ersten Mal seit langer Zeit verstanden gefühlt von der Presse, kam ja auch nicht allzu häufig vor in den letzten Jahren.

Als er dann einige Wochen später die „Vanity Fair“ aufschlug, da fand er die Fotos, die man von ihm gemacht hatte, toll sahen die aus, gar keine Frage, aber über den Fotos, da stand die Schlagzeile „Game Over, Uwe Boll“ und in dem Artikel wurden auch nur wieder die alten Klischees und Stereotype aufgewärmt. „Schon wieder“, sagt Boll. „Es hört einfach nicht auf.“

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Aber wie konnte es eigentlich so weit kommen? Auch wenn Boll über Boll gerne die Geschichte kultiviert, dass er von Beginn seiner Karriere an mit dem Rücken zur Wand stand, ist das doch nur ein Teil der Wahrheit. Mit seinem Frühwerk hatte er sich durchaus gute Startbedingungen geschaffen. „German Fried Movie“ (1992), eine episodenhafte Persiflage auf das deutsche Fernsehen war die sehr frühe, anarchische Vorwegnahme von Serienformaten wie „RTL Samstag Nacht“, für die Boll später auch eine kurzfristige Anstellung als Autor bekam. „Amoklauf“ (1994) war eine ziemlich feine bundesrepublikanische Milieustudie, für die Boll auch sogar für den Max-Ophüls-Preis nominiert wurde, und ja, auch Fördergelder bekam er zugesprochen.

Zumindest eine Zeit lang, aber Boll war eben Boll und betonte bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie beschissen er die Filmfördergremien doch fand und ganz besonders den Chef der Filmstiftung NRW, Dieter Kosslick, und kurz darauf gab es für die Boll-Filme dann auch keine Filmförderungen mehr.

„Die Leute sollen sich nicht in die Hose scheißen“

Aber Boll wollte weiter Filme drehen, also suchte er andere Mittel und Wege, um drehen zu können. Als besonders lukrativ erwies sich das Genre der Videospielverfilmungen, das sich dank des aufkommenden Direct-To-DVD-Geschäfts Anfang der 00er-Jahre als eine regelrechte Goldgrube erwies. „House Of The Dead“, „Alone In The Dark“, „Bloodrayne“. Boll, der sich nach eigener Aussage „einen Scheiß“ für diese Spiele interessierte, setzte sie um, wie er sie sah, als klassische Unterhaltungsfilme, es waren Filme, die er sich selber im Kino nicht angeschaut hätte, sagt er selber, ein Brotjob halt, nicht das, was er eigentlich machen wollte, es ging um, na klar, Geld.

In der Videospielverfilmung zu „Postal“, da sieht man Uwe Boll, wie er sich in einer Szene mit dem Entwickler des Spiels prügelt. „Ich hasse Videospiele“ spricht der Film-Boll aus, was auch der echte Boll denkt. Die Gamingszene hat ihm das nie verziehen. Die Leute „sollen sich nicht in die Hose scheißen“, sagt Boll. Von nun an war er Staatsfeind Nummer eins. Auf Conventions wurde er ausgebuht, eine Petition, dass er die Finger vom Film lassen sollte, fand 300.000 Unterzeichner.

Boll against the world: Uwe Boll auf der Berlinale 2009 - dem Jahr, in dem er seine besten Filme drehte
Boll against the world: Uwe Boll auf der Berlinale 2009 - dem Jahr, in dem er seine besten Filme drehte
Quelle: © JÖRG KRAUTHÖFER

Seitdem ist Boll-Bashing ein Volkssport in sozialen Medien geworden, es geht leicht von der Hand, aber wenn man sich tatsächlich einmal die Mühe macht, seine Filmografie, das Boll‘sches Ouevre in seiner Gesamtheit zu betrachten, dann wird man sehr schnell feststellen, wie ungerecht dieses Label ist, das man ihm da verpasst hat. Denn Boll hat auch Filme gemacht, in die er wirklich Herzblut gesteckt hat, die weit entfernt sind von plumper Unterhaltung. Etwa die „Rampage“-Trilogie (2009-2016).

Eine Filmreihe über einen Typen, der wahllos Menschen erschießt, ein intensiver Ritt, ein verstörender, ein zynischer Kommentar auf die Absurdität der westlichen Konsumgesellschaften und ihrer Doppelstandards, ein Angriff auf jede Form von Moral. „Rampage“ erschüttert seine Zuschauer, lässt sie wütend zurück und emotionalisiert ungemein – damit erreicht Boll genau das, was ein guter Film erreichen soll. „Rampage“ ist eines der radikalsten filmischen Werke, die es in den letzten Jahren von einem deutschen Filmemacher gab.

Ja, in seiner seltenen Kompromisslosigkeit ist der Film sogar ein kleines Meisterwerk. Es gab immer wieder solche Momente, in denen es Boll gelang, durchdringend großartig zu sein, wie etwa bei „Darfur“ (2009) oder teilweise auch in „Siegburg“ (2009).

Das Kapital einer neuen Zeit

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Boll ist immer dann gut, wenn man Boll einfach mal Boll sein lässt. Und wenn Boll ganz Boll ist, dann ist Boll ein durch und durch politischer Mensch. „Betrachten wir es doch realistisch“, sagt er in Anbetracht der gegenwärtigen politischen Lage, die ihn nahezu ununterbrochen zu beschäftigen scheint: „Wir sind völlig am Arsch!“ Das Hauptproblem sieht er im Klimawandel, „denn wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff kriegen, dann kriegen wir die Migration nicht in den Griff, und wenn wir die Migration nicht mehr im Griff haben, dann könnten in Europa die Faschisten regieren, noch bevor uns der Klimawandel umbringt.“

Der Mann macht sich Sorgen. „Wir schlittern da gerade in eine Katastrophe rein, und irgendwie scheint das niemand zu sehen.“ Darum will er gegensteuern. Mit seinen Mitteln. „Deutschland im Winter“ soll sein Comeback-Film werden, eine dystopische Zukunftsvision, in der die Rechten in Deutschland an die Macht gekommen sind, ein „radikaler Film, in dem es keine Guten mehr gibt“, sagt Boll, kein Pädagogik-Zeug, kein Film mit Sorge und Verständnis, sondern wieder voll in die Fresse. Boll halt.

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Er sei derzeit in Gesprächen mit verschiedenen Sendern und Streamingdiensten, die Interesse hätten, das Projekt zu realisieren, sagt er. Die Chancen stehen wohl ganz gut, auch weil der Markt, den Uwe Boll damals verlassen hat, nicht mehr der Markt ist, den Uwe Boll heute vorfindet. Im Zeitalter der Streamingdienste, da gibt es weniger Berührungsängste mit Männern wie ihm, denn im Zeitalter der Streamingdienste, da ist Aufmerksamkeit die härteste Währung, die man finden kann.

Und wer sorgt wohl für mehr Aufmerksamkeit als der Mann, der als der „schlechteste Regisseur der Welt“ gilt, auch wenn der schlechteste Regisseur der Welt gar nicht der schlechteste Regisseur der Welt, sondern einfach nur ein missverstandener Filmemacher ist. Aber wen interessiert das schon? Vielleicht wird dieser Uwe Boll in seinem neuen, alten Leben ja noch einmal alle überraschen. In einer Zeit der gesellschaftlichen Polarisierung, da sind Filmemacher, die radikale Antworten finden, vielleicht gefragter als je zuvor.

Sollte ihm dieses Comeback gelingen, dann wäre es das wohl größte Fuck You, in einer langen Reihe von sehr vielen Fuck Yous, das Uwe Boll seinen Kritikern bereits entgegensetzten konnte.

„Schauspieler sind halt alles kleine Nutten“

Eigentlich sollte Hollywood-Regisseur Uwe Boll bei unseren Freunden von HyperboleTV nur User-Kommentare beantworten. Doch wenn man einen Löwen reizt, kommt am Schluss die Abrechnung mit einer ganzen Branche heraus.

Quelle: HyperboleTV

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