Impfstoff-Deal mit Pfizer: Erste Klage gegen Ursula von der Leyen

Impfstoff-Deal mit Pfizer: Erste Klage gegen Ursula von der Leyen

Wegen der verschwundenen Pfizer-SMS hat ein Belgier Klage gegen die EU-Kommissionspräsidentin erhoben. Der Richter muss ermitteln.

Ursula von der Leyen am 19. April mit Charles Michel (l.) und Irlands Leo Varadkar bei einer Konferenz in Belfast. 
Ursula von der Leyen am 19. April mit Charles Michel (l.) und Irlands Leo Varadkar bei einer Konferenz in Belfast. Photo by Niall Carson/POOL/AFP

Der belgische Lobbyist Frédéric Baldan hat am 5. April beim erstinstanzlichen Gericht in Lüttich Klage eingereicht. Das melden Le Vif, Politicio und Euractiv sowie France Soir. Euractiv schreibt, Baldan sei der Ansicht, dass die mutmaßlichen Verstöße von der Leyens „die öffentlichen Finanzen seines Landes und das öffentliche Vertrauen untergraben haben“.

In der Beschwerdeschrift wird dieses als „kollektives Vertrauen in den Staat als institutionelle Macht, die für das Gemeinwohl arbeitet“ definiert. Baldan wirft von der Leyen die Straftatbestände der Aneignung von Funktionen, der Vernichtung öffentlicher Urkunden und der Korruption vor. Ursula von der Leyen sei gar nicht autorisiert gewesen, mit Pfizer zu verhandeln, weil sie nicht Mitglied der dafür zuständigen Steuerungsgruppe gewesen sei.

Der Richter müsse nun ermitteln und kann die Klage nicht für unzulässig erklären, so die Anwältin des Klägers, Diane Protat, in einem Interview mit Baldan für France Soir am 14. April. Euractiv schreibt: „Dies würde bedeuten, dass der Richter möglicherweise die Aufhebung der Immunität von der Leyens beantragen muss, um die Ermittlungen durchführen zu können.“ Baldan sagte Euractiv, dass er den zuständigen Untersuchungsrichter bitten werde, die Textnachrichten einzusehen. Dies sei im Rahmen einer Untersuchung rechtlich möglich.

Le Vif schreibt, mit der Klage werde erstmals die Strafverfolgung in einem der 27 Mitgliedstaaten der EU verlangt. Es sei im vorliegenden Fall nicht mehr die EU-Kommission, die wegen Intransparenz ins Visier genommen wird. Die Klage richte sich direkt gegen die Kommissionspräsidentin für Handlungen, die nach dem belgischen Strafgesetzbuch strafbar sind.

Baldan arbeitet für die Lobbyfirma Cebiz, die sich um China-Geschäfte bemüht. Laut Le Vif war er unter anderem 2019 bei einer Konferenz in Shenzhen anwesend. Das Unternehmen ist zwar im EU-Lobbyregister aufgeführt, die Website des Unternehmens führt jedoch ins Nichts.

Alberto Alemanno, Professor für EU-Recht an der HEC Paris, sagte Politico, der Fall sei „ziemlich beispiellos“. Alemanno, der über 20 Jahre Erfahrung in europäischen öffentlichen Angelegenheiten hat, sagte, es sei das erste Mal, dass er Beobachter einer an ein einzelnes Mitglied der Kommission gerichteten Klage vor nationalen Gerichten sei. Er sagte, die Klage könnte als Provokation gegen die EU-Kommission gewertet werden, weil diese sich bisher geweigert hat, an der Aufklärung mitzuwirken. Sowohl Anfragen der EU-Ombudsfrau als auch des EU-Rechnungshofs wurden ignoriert. Auch die New York Times hat kürzlich auf Herausgabe der Textnachrichten geklagt.

Es geht um Milliarden-Deals, die von der Leyen direkt mit Pfizer-Chef Albert Bourla verhandelt hatte. Es geht um den Verdacht, dass die beiden über Textnachrichten direkt eine Vertragsverlängerung über 1,8 Milliarden Euro für zusätzliche Dosen an EU-Länder ausgehandelt haben. Heute haben viele EU-Länder Probleme mit der viel zu großen Bestellung: Millionen Dosen müssen entweder vernichtet oder an andere Länder verschenkt werden, wodurch die öffentlichen Haushalte in vielen Ländern belastet werden.

Die Europaabgeordnete Michèle Rivasi (Grüne/EFA) schrieb auf Twitter: „SMSgate nimmt eine kriminelle Wendung. Die Präsidentin der Europäischen Kommission wird der ‚widerrechtlichen Aneignung von Funktionen und Titeln‘, der ‚Vernichtung von öffentlichen Dokumenten‘ und der ‚illegalen Interessenwahrnehmung und Korruption‘ beschuldigt. Die laufenden Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft sind zu verfolgen.“