Wie umgehen mit China, Frau von der Leyen? - ZDFheute

    Wie umgehen mit China, Frau von der Leyen?

    Interview

    EU-Kommissionspräsidentin:Wie umgehen mit China, Frau von der Leyen?

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    Mit der "Neuen Seidenstraße" verfolgt China ein ambitioniertes Projekt. Im Gespräch mit ZDFheute betont EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, warum es eine Alternative braucht.

    Ursula von der Leyen
    Setzt sich für engere Beziehungen der EU zum globalen Süden ein: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
    Quelle: reuters

    Die EU will ihre Partnerschaft mit dem globalen Süden - Indien, Indonesien und Brasilien - verstärken. 600 Milliarden Euro sollen fließen, um die Infrastruktur in diesen Ländern zu fördern. Im Gespräch mit ZDFheute erklärt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, warum sie eine Alternative zu Chinas Seidenstraße für notwendig hält.
    Neben der Frage nach Investitionen in den globalen Süden, äußert sich von der Leyen auch zum jüngsten Sanktionspaket gegen Russland - und wie man Sanktionsumgehung nun entgegen wirken will.

    Von der Leyen: Wollen Alternativen zu Chinas Seidenstraßen-Initiative bieten

    ZDFheute: Frau Kommissionspräsidentin, Sie haben bei dem Thema globaler Süden doch sehr starke Worte gefunden, indem Sie gesagt haben, Russland biete eigentlich nur Waffen und China nur Schulden. Was haben Sie damit gemeint?
    Ursula von der Leyen: Nun, uns ist wichtig, dass wir tatsächliche Alternativen bieten zu Chinas Seidenstraßen-Initiative zum Beispiel. Und hier ist unsere gemeinsame Initiative zur Investition in Infrastruktur außerhalb Europas, außerhalb der G7.
    Das ist ein Paket von 600 Milliarden Euro, das wir gemeinsam mit den USA und anderen auf den Weg bringen, um ganz gezielt in Infrastruktur im globalen Süden zu investieren. Und da geht es uns darum - anders als China - dass wir nicht nur sagen, 'wir bringen jetzt unsere Beschäftigten vor Ort und nehmen dann den Mehrwert mit zurück nach China', sondern dass es eine win-win-Situation tatsächlich wird für die Partnerländer.

    EU-Kommissionspräsidentin: Entscheidend, dass globaler Süden zu Partner wird

    ZDFheute: Würden Sie den Begriff der Zeitenwende verwenden für das Verhältnis zum globalen Süden? Also hat der Westen verstanden, dass er mehr tun muss, als sie einmal im Jahr auf den Gipfel einzuladen?
    Ursula von der Leyen: Es ist für uns, in unserem Interesse, entscheidend, dass der globale Süden zum Partner wird, denn es entscheidet darüber, welche gemeinsamen Werte verteidigen wir.

    Es entscheidet aber eben auch darüber: Gelingt es uns, gemeinsam mit unseren Partnern im globalen Süden, den Sprung in eine klimaneutrale Zukunft zu bewältigen.

    Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

    Das sind Riesenschritte, die vor uns liegen. Und gelingt es uns, dem wachsenden Bevölkerungsanteil im globalen Süden auch die Chancen auf ein gutes Leben und den Aufstieg aus der Armut zu ermöglichen? Gigantische Aufgaben.

    Von der Leyen zu Sanktionsumgehung: Müssen Riegel vorschieben

    ZDFheute: Wie beurteilen Sie das Verhalten von Indien? Würden Sie den Vorwurf machen, Indien als Land zu kategorisieren, das die Sanktionen umgeht?
    Ursula von der Leyen: Wenn man solche Sanktionen einrichtet, gibt es die Versuche, sie zu umgehen. Das sind nicht unbedingt Staaten, sondern das sind oft Unternehmen. Deshalb ist jetzt im elften Sanktionspaket auch eine Lösung dafür da, dass wir direkt diese Unternehmen sanktionieren können, wo wir sehen.
    Schaltgespräch mit Andreas Kynast am 19.05.2023
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    ZDF-Korrespondent Andreas Kynast zu den bisherigen Sanktionen:
    Und dann spielt es keine Rolle, wo sie sind, dass sie die Sanktionen umgehen. Zum Beispiel, wenn Sie einen Handel anfangen, den es vor 2022 - also vor dem Krieg (in der Ukraine) - nicht gab und der auffällig ein Handel ist mit den Produkten, die sanktioniert sind, und wo wir dann sehen, dass über diese Unternehmen diese Produkte dann doch in Russland landen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.

    Kommissionspräsidentin zu neuem Paket: Sanktionieren 90 Unternehmen

    ZDFheute: Ich würde sagen, es spielt schon eine Rolle, wo diese Firmen sind. Hat die EU die Kraft, in das Sanktionspaket chinesische Firmen reinzuschreiben und die Gegenmaßnahmen wirklich durchzuhalten?
    Ursula von der Leyen: Wir meinen es ernst, dass wir die Sanktionsumgehung unterbinden wollen. Und deshalb haben wir in dem elften Paket über 90 Unternehmen weltweit, wo wir klare Beweise haben, dass sie die Sanktionen brechen, also sanktionierte Güter direkt nach Russland liefern aus der Europäischen Union mit der Umgehung über Drittländer.
    Zu sehen sind Joe Biden (USA) und Fumio Kishida (Japan) beim Handschlag vor ihrem jeweiligen Landesflaggen.
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    Und bei diesen über 90 Unternehmen sind etwa acht Unternehmen, die auch in China lokalisiert sind. Das heißt nicht, dass das chinesische Unternehmen sein müssen.

    Das sind Unternehmen, die zum Teil auf dem Papier existieren und Besitzer haben, die andere Nationalitäten haben.

    Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

    Aber sie sind in China gemeldet und hier werden wir klar sein. Das gilt übrigens auch für alle anderen Unternehmen der über 90, die wir sanktionieren, dass wir das nicht tolerieren und deshalb eine Sanktion dieser Unternehmen vorgenommen wird.

    Von der Leyen: EU hat gemeinsame Strategie geformt

    ZDFheute: Gibt es in der Europäischen Union unterschiedliche Interessen, wenn es um China geht?
    Ursula von der Leyen: Natürlich gibt es unterschiedliche Interessen unserer verschiedenen Mitgliedstaaten, gar keine Frage.

    Aber die Tatsache, dass China sich so stark verändert hat und wir deshalb unsere Politik gegenüber China schärfen müssen, darüber besteht Einigkeit.

    Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

    Und in den letzten Wochen und Monaten war die Diskussion sehr gut darüber, denn es hat mehr und mehr die gemeinsame Strategie geformt, die wir verfolgen wollen. Und das ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist, aber er zeigt eben, dass wir gemeinsam sehen, wo nicht nur die Vorteile der Interessen mit China sind, sondern vor allen Dingen auch, wo die Risiken sind. Und da müssen wir dem klar ins Auge schauen.
    Das Interview führte Ulf Röller, Leiter des ZDF-Studios in Brüssel.

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