Ehrendoktorwürde Matti Klinge

Prof. Dr. Matti Klinge, © Hans-Werner Hausmann
Prof. Dr. Matti Klinge, © Hans-Werner Hausmann

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Der bekannte finnische Historiker Matti Klinge, Ehrendoktor an der Universität Greifswald, ist am 5. März 2023 in Helsinki in seinem 86. Lebensjahr verstorben. Er war der meist bekannte Historiker Finnlands mit internationalem Renommee und hat mit seinen umfangreichen Werken, übersetzt in 17 Sprachen, Generationen von in- und ausländischen Wissenschaftlern inspiriert und beeinflusst.

Die Philosophische Fakultät verlieh ihm am 7. Juli 2006 die Ehrendoktorwürde. Mit der Verleihung wurden seine herausragenden Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte und Kultur- und Zivilisationsgeschichte sowie seine Verdienste um Finnland und die Ostseeregion gewürdigt. Die Ehrung wurde anlässlich des 550-jährigen Gründungsjubiläums der Universität im Dom St. Nicolai vollzogen.

Mit Prof. i.R. Dr. Matti Klinge ehrte die Universität Greifswald einen herausragenden internationalen Wissenschaftler mit einem markanten Ostseeraumprofil. Durch seine prägnante Forschungstätigkeit sowohl mit geisteswissenschaftlichen national-regionalen Aspekten im Ostseeraum als auch mit europäisch-historischen Themen erreichte er ein großes Publikum und beeinflusste Forscher im In- und Ausland. Durch weit über hundert Bücher und Werke, die in vielen Sprachen übersetzt worden sind, ein überaus umfang- und facettenreiches Euvre geprägt von grundlegendem Respekt von der Bildung, veröffentlichte er markante Thesen mit europäischem Ausblick. Er trennte sich als junger Historiker von früheren nationalen Auffassungen und fand Inspiration u. a. in Schweden, wo ein starkes Interesse für bildungs- und ideengeschichtliche Studien herrschte. In seinen universitätsgeschichtlichen Werken mit europäischer Verankerung hob er vor allem zwei Faktoren hervor, das Aufkommen nationaler Identität im Licht der Nationsbildung und die Organisation der Bürgergesellschaft. Er brachte in der finnischen Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung zahlreiche neue Aspekte und Perspektive ein, u. a. die Entstehung und Bedeutung nationaler Mythen, Symbole, Landschaftsideale und Gruppen in der Ständegesellschaft.

Ein großes und zentrales Thema in seinen Forschungen stellt die Geschichte des Ostseeraumes und Finnlands Position in dieser Region dar. Er schuf neue Seeperspektiven auf Finnlands Frühgeschichte und argumentierte erfrischend für die Existenz zweier Mächte in Finnlands Urgeschichte. In seinem Buch „Die Ostseewelt“ (1994) lieferte er eine fundierte synthesegeprägte Darstellung der Geschichte des Ostseeraumes von der Zeit der Völkerwanderung bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion. In späteren Werken mit ostseehistorischen Themen setzte er die Hinterfragung alter herkömmlicher Sichtweisen fort. Ein drittes Thema seines beeindruckenden Schaffens stellt seine Beschäftigung mit der europäischen Zivilisation und Bildungstradition dar. Die römisch-französische Zivilisation führte seine Arbeiten zu neuen Dimensionen, indem die Zivilisation als Grundlage für die Identität des Individuums und des Nationalgefühls begriffen wurde. Er argumentierte für die kulturelle Gemeinschaft als Grundlage für die wirtschaftliche und politische Integration im heutigen Europa. Er war an der Entwicklung des Hauses der europäischen Geschichte in Brüssel beteiligt. 

Professor Matti Klinge bekleidete in seiner Laufbahn zahlreiche akademische Ämter, war Chefredakteur der finnischen Nationalbiographie, Mitglied der Königlichen Akademie in Stockholm, die Wissenschaftsakademie Finnlands, und wurde für seine Bücher und Werke mehrmals ausgezeichnet. 

Zur Person
Matti Klinge wurde 1936 in Helsinki geboren. Er schloss seine Studien an der dortigen Universität als Magister 1960 erfolgreich ab, arbeitete als Kurator für die einflussreiche Studentenkorporation und engagierte sich früh für gesellschaftlichen Fragen. Er promovierte 1967 über „Die Entstehung der nationalbürgerlichen Mentalität 1853 bis 1871“. Im darauffolgenden Jahr nahm er die Tätigkeit als Dozent an der Universität Helsinki auf, bis er 1975 zum Professor für Nordische Geschichte ernannt wurde. Diesen Lehrstuhl hatte er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 inne. Von 1970 bis 1972 war er Gastprofessor an der Universität Sorbonne. Neben seiner umfassenden Forschungstätigkeit zu Finnland, der Ostseeregion und Europa war er als Kritiker und Autor aktiv, u. a. veröffentlichte er in den letzten Jahren eine Reihe von gelehrten Reise- und Tagebüchern. In diesen Publikationen festigte er seine europäischen Positionen und untermauerte seinen Namen als die führende kulturelle Persönlichkeit Finnlands.