Ulrich Tukur und Martina Gedeck: „Und wer nimmt den Hund“. Trailer & Kritik - WELT
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Film Tukurs Ehe-Drama

Lasst uns doch endlich mit Scheidungskomödien in Ruhe

Redakteur Feuilleton
„Und wer nimmt den Hund?“ – Wenn zwei sich scheiden

Ein Ehepaar steuert auf die Scheidung zu, weil der Mann eine wesentlich jüngere Geliebte hat. Der Versuch, die Trennung mit einer gemeinsamen Therapie gütlich zu regeln, geht allerdings gründlich schief.

Quelle: Majestic

Autoplay
Das Scheitern einer Beziehung konnte im Kino ganz schön lustig sein. Jetzt ist es nur noch traurig – das zeigt „Und wer nimmt den Hund“ mit Ulrich Tukur und Martina Gedeck. Und wer ist schuld? Das Alter. Und der Feminismus.

Das Familienleben im Allgemeinen schließt einen ja leider aus der Zielgruppe so ziemlich sämtlicher Filme aus, in denen es um Familie geht. Warum soll man sich – es sei denn, man leidet unter einem eklatanten Mangel an Selbsterkenntnis und -ironie – im Kino anschauen, was den normalen bürgerlichen Alltag unerträglich macht?

Danke, Feminismus!

Man ertappt sich, wenn man so einmal die normale Familienrunde durchhat (Liebe, Kinder, Ehe, Scheidung, Liebe, Ehe), nämlich dabei, dass man das ziemlich unerträgliche Gefühl hat, bloß nachzuerleben, was Schauspielerinnen und Schauspieler in mindestens einem Dutzend Filmen durchgemacht haben, mit viel lustigeren oder böseren oder tragischeren Dialogen.

Mir – Liebe, Ehe, Kind, Scheidung, Liebe, Ehe, Kinder – sei es deswegen vielleicht verziehen, dass ich Rainer Kaufmanns „Und wer nimmt den Hund“ trotz Ulrich Tukur und Martina Gedeck nur deswegen halbwegs ertragen habe, weil ich dem Feminismus sehr dankbar bin.

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Das bin ich sowieso, natürlich und überhaupt. Was Scheidungsfilme angeht aber ganz besonders. „Und wer nimmt den Hund“ kann man sich nämlich, das ist meine gar nicht stille Hoffnung, sehr gut als Grabmal über alle Scheidungsfilme der Geschichte vorstellen.

Ein letztes Auflachen vor dem Ende. Es wird Filme dieser Art nicht mehr geben, weil es die Rollenverteilung, auf der sie beruhen, aus der sie nicht unbeträchtliche Teile ihrer Dramaturgie und ihres Witzes beziehen, nicht mehr gibt. Oder nur noch im Kino.

Tukur und Gedeck sind Georg und Doris. Es ist alles, wie es halt alles so ist in Scheidungsfilmen.

Georg und Doris wohnen in einem schicken Klinkerbungalow in einem beschaulichen Teil von Hamburg. Seit einem Vierteljahrhundert sind sie verheiratet. Die Kinder – ein Mädchen, ein Junge, die klassische Rama-Familie halt – sind aus dem Haus. Der Hund, der – das ist wirklich lustig – Töpperwien heißt wie die Fußballkommentatorendynastie im deutschen Fernsehen, noch nicht.

Ein Film mit Quallen

Georg ist Zoologe, Chef von Tausenden von Fischen im Aquarium von Hamburg und Experte für Quallen (vor allem für Aurelia aurita, die in Notzeiten überlebt, indem sie sich selbst auffrisst).

Doris, die er vor den Quallen das erste Mal traf, hat früher gemalt, ganz kleine Bilder, um die Distanz vom Kunstwerk zum Betrachter ganz gering zu machen, weil man halt ganz nah herangehen muss, damit man was erkennt.

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Dann kamen die Kinder und der Haushalt. Dann lebte man sich so in seiner Blase in größter Vertrautheit auseinander, ohne dass man’s wirklich merkte und begriff.

Dann kam eine Geliebte namens Laura, die sich – nicht mehr ganz junge Doktorantin im Aquarium – über das Geschlechtsleben der Quallen in die Arme und das nach Abwechslung und Abenteuer sehnsüchtelnde Herz von Georg schlich.

Dann sitzt man, so geht der Fernsehfilm los, der „Und wer nimmt den Hund“ eigentlich ist, beim Therapeuten und soll Bilanz ziehen und Wege finden zurück oder endgültig in zwei verschiedene Richtungen.

Tragödie? Komödie?

Haben Sie jetzt schon gegähnt? Da haben Sie recht dran getan. Es gibt so gut wie nichts, was einen an Kaufmanns Familienaufstellung wirklich überrascht.

Vielleicht abgesehen davon, dass es sich noch weniger als andere Scheidungsdramen entscheiden kann, ob es nun Tragödie oder Komödie, realistisches Beziehungsdrama oder satirische Entliebungsschmonzette sein will.

Von ein paar selbstironischen Metaschleifen möglicherweise, in denen Georg und Doris sich selbst und dem jeweils anderen zeigen, dass sie ganz genau wissen, auf welchem Berg perfekt geschnittener Dialoge sie ihr finales Ehedrama herunterspielen.

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Natürlich kann man sich Kaufmanns Duell gut ansehen. Gedeck und Tukur nutzen jede herumliegende Klinge, um sich als Doris und Georg ordentlich wehzutun. Und sie bringen die nötige Größe auf, dass man ihnen den Schmerz glaubt, der sich dabei in ihren Gesichtern spiegelt.

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Dass Georgs Bandscheibe, die ruckartige Bewegungen unmöglich macht, Lauras Kinderwunsch zeugungsmäßig entgegensteht, ist lustig. Dass Doris, das malende Heimchen am Herd, tatsächlich ein Kunstmagazin gründet, eher nicht. Am Tiefpunkt der Klischeesuppe, die Kaufmanns „Hund“ eben auch ist, wartet dann Doris’ Teilzeitgeliebter, ein eitler, schleimiger Extremfeuilletonist, der es tatsächlich schafft, noch dämlicher und schleimiger und eitler zu sein, als es Extremfeuilletonisten normalerweise sind.

Altersgrenze für Scheidungsdramen

Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass die Protagonisten von Scheidungsdramen immer älter werden. Tukur und Gedeck spielen die Ehepartner an der Grenze zur Frühpensionierung, die sie selbst inzwischen sind.

„Und wer nimmt den Hund“ muss man deswegen eigentlich als Rückzugsgefecht betrachten, als letzten Versuch, als Auslaufmodell. Schon für die Endvierziger stimmt die ganze Grundanlage des Plots, des Duells nicht mehr. Weil natürlich keine Frau mehr das Heimchen am Herd gibt, das nach dem Abitur der Jüngsten sich verpuppt und als schöner Schmetterling in eine neue Freiheit fliegt.

Dafür braucht es aber neue Geschichten, neue Dialoge, neue Geschlechterrollen. Die gibt es nicht. Was es gibt ist „Und wer nimmt den Hund“.

Das taugt eigentlich – intellektuell, filmisch und gesellschaftspolitisch – nur noch als nostalgisches Menetekel für den durchschnittlichen Konsumenten des linearen Mittwochabendfernsehens.

Das sind immer noch im Durchschnitt sechs Millionen. Sie mögen ruhen in Frieden in ihrer Familienaufstellung.

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