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Am Ende wollte Ulrich Mühe nur noch seine Ruhe

Dreharbeiten zur ZDF-Serie "Der letzte Zeuge" Dreharbeiten zur ZDF-Serie "Der letzte Zeuge"
Erlag seinem Krebsleiden: der Schaupieler Ulrich Mühe
Quelle: dpa-Zentralbild
Der 54-Jährige erlag am Sonntag seinem Krebsleiden, wie seine Familie mitteilte. Vorher gab es noch ein großes Treffen mit seiner Familie, bei dem sich alle versöhnten. Bekannt wurde Mühe unter anderem als Stasi-Offizier in dem Oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen".

Der Schauspieler Ulrich Mühe ist tot. Er starb im Alter von 54 Jahren in Walbeck in Sachsen-Anhalt. Die Familie des Schauspielers teilte mit, dass „unser Vater am Sonntag, den 22. Juli, gestorben ist, und er heute auf eigenen Wunsch im engsten Kreis der Familie beigesetzt wurde. Wir bitten Freunde und Kollegen um Verständnis.“ WELT ONLINE erfuhr aus dem Freundeskreis von Ulrich Mühe, dass sich der Schauspieler in sein Wochenendhaus in Walbeck bei Haldensleben zurückgezogen hatte. Er wollte dem Medienrummel um seine Person entfliehen. Zum Teil sei er von Freunden auf der Rückbank seines Wagens aus der Garage geschmuggelt worden, um ohne von den Paparazzi belästigt zu werden, einen Spaziergang machen zu können.

Vor etwa einer Woche war seine gesamte Familie zu seinem Treffen zusammengekommen, bei dem sich alle versöhnten. Schon da sei klar gewesen, dass Ulrich Mühe nur noch wenige Wochen zu leben hätte. Im August habe man sich noch einmal gemeinsam treffen wollen - aber nun sei der Tod dem zuvor gekommen.

Erst vor wenigen Tagen hatte sich Mühe in der "Welt am Sonntag" erstmals öffentlich über sein Krebsleiden geäußert.

Schauspielerin Martina Gedeck, die mit Mühe in diesem Film spielte, reagierte mit Bestürzung auf die Todesnachricht. „Ich habe wahnsinnig gern mit ihm gespielt, sein Spiel war von ungeheurer Klarheit und Eleganz, es war einzigartig“, sagte Gedeck. „Und er war ein wunderbarer Partner. Ich vermisse ihn sehr. Sein Tod ist ein schwerer Verlust für uns alle.“

Bekannt aus Film und Fernsehen – aber eigentlich war er Theatermann

Berlines Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sagte: „Die Kulturstadt Berlin trauert um einen großen Künstler. Er war ein Könner, der vor allem durch seine Vielseitigkeit immer wieder überraschte.“ Er erinnerte an Mühes Arbeit am Theater, aber auch im Fernsehen und im großen Kinofilm. Sein eindringlicher Auftritt in der Rolle des Stasi-Mannes in dem Oscar-prämierten Streifen „Das Leben der Anderen“ werde unvergesslich bleiben. Das Thema hat den Mit-Initiator der Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz vom 4. November 1989 auch sehr persönlich immer wieder tief berührt, erklärte Wowereit.

Ulrich Mühe war auf dem Gipfel seines Ruhms, sein Tod kam tragisch früh. Im Kino wurde der Schauspieler mit „Das Leben der Anderen“ zum internationalen Star. Im ZDF avancierte der vielseitige Star als Rechtsmediziner in der Krimiserie „Der letzte Zeuge“ zum Publikumsliebling. Aber eigentlich war Ulrich Mühe ein Theatermann. Mit Heiner Müller feierte der gebürtige Sachse große Erfolge. Nach dem Mauerfall 1989 blieb er seinem Fach treu und erhielt als Charakterdarsteller viele Preise.

Heiner Müller holte ihn an die Volksbühne

Sein Theaterhandwerk lernte der Sohn eines Kürschnermeisters in Leipzig und in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, wo er 1979 sein erstes Engagement erhielt und in einem Ibsen-Stück debütierte. In den 80er-Jahren entdeckte ihn Heiner Müller für die Ost-Berliner Volksbühne. Er wurde Ensemblemitglied am traditionsreichen Deutschen Theater und erntete viel Beifall für seine Rollen in Goethes „Egmont“ oder Lessings „Nathan der Weise“. Seine Theaterkarriere führte ihn bis ans Burgtheater Wien.

Aus seinen frühen Filmen ragt besonders sein Part als skrupelloser Karrierist in Bernhard Wickis Alterswerk, der Literaturverfilmung „Das Spinnennetz“ (1989) nach Joseph Roths Roman, hervor – Seite an Seite mit Klaus Maria Brandauer. Danach reichte Mühes Spanne von Komödien wie „Rennschwein Rudi Rüssel“ bis zu dem grausamen Drama „Funny Games“. Herausragende Rollen hatte er in der Verfilmung des Hochhuth-Dramas „Der Stellvertreter“ und in der Verwechslungskomödie „Goebbels und Geduldig“.

Mit seiner Frau Susanne Lothar war er unter anderem im Kinofilm „Schneeland“ von Hans W. Geißendörfer zu sehen, einem Familiendrama, in dem er einen sadistischen Vater spielt, eine archaische Geschichte, „die leider ein bisschen zu sentimental“ geworden ist, wie Mühe ganz offen sagte. In Dani Levys Komödie „Mein Führer“ zeigte er zuletzt wieder sein komisches Talent als Hitlers jüdischer Schauspiel-Lehrer an der Seite von Helge Schneider als Diktator.

Er wollte kein "DDR-Schauspieler sein"

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Millionen TV-Zuschauer schalteten freitagabends ein, wenn Mühe als Gerichtsmediziner Robert Kolmaar seit 1998 in der ZDF-Serie „Der letzte Zeuge“ Verbrechen aufklärte – „Hamlet ermittelt“, nannte ein Kritiker diese Mischung aus Bühnenkönnen und Fernsehkrimi einmal. Aus TV-Produktionen hat sich Mühe aber nicht viel gemacht. „Mit Fernsehen vertut man doch ’ne Menge Zeit, wenn man sich drauf einlässt“, meinte er. Ihn ärgerte es, wenn von „DDR-Schauspielern“ die Rede war. „Ich fand das ziemlich diskriminierend in den 90er-Jahren, als immer in Klammern stand „DDR-Schauspieler“ - so etwas hat man bei Uschi Glas nicht gemacht.“

Im November 1989 demonstrierte Mühe mit anderen Künstlern gegen den SED-Staat. In seinem Privatleben blieb die DDR-Vergangenheit ein großes Thema. Mit seiner mittlerweile ebenfalls an Krebs gestorbenen Ex-Frau Jenny Gröllmann stritt Mühe erbittert vor Gericht, ob er sie als IM bezeichnen durfte, wie im Buch zu „Das Leben der Anderen“ geschehen. Er durfte nicht, eine bittere Erfahrung für Mühe und Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der ihm stets den Rücken stärkte.

Als Künstler kannte Mühe die Repressalien des SED-Staates. Auf die Frage, wie er sich auf „Das Leben der Anderen“ vorbereitet hat, sagte der DDR-Theaterstar schlicht: „Ich habe mich erinnert.“ Unvergessen ist Kinozuschauern die Szene, in der Mühe alias Offizier Gerd Wiesler mit seinen dunklen Augen zusammengesunken über Kopfhörer der Melodie lauscht, die aus der von ihm überwachten Wohnung kommt.

Über seine Krankheit hatte Mühe vor wenigen Tagen erstmals öffentlich in der "Welt am Sonntag" und auf WELT ONLINE gesprochen: „Ja, ich habe Krebs, ich unterziehe mich den entsprechenden Therapien und hoffe, dass es mir bald wieder besser geht.“ Der Schauspieler, der in Berlin lebte, hinterlässt fünf Kinder aus drei Ehen.

mh/memo/dpa

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