Anfangs missverstanden, inzwischen wiederentdeckt: David Lynchs "Twin Peaks - Der Film" bald wieder im Kino - Kino News - FILMSTARTS.de
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    Anfangs missverstanden, inzwischen wiederentdeckt: David Lynchs "Twin Peaks - Der Film" bald wieder im Kino
    Michael Meyns
    Michael Meyns
    -Freier Autor
    Michael Meyns arbeitet seit Ende der 90er Jahre als freier Journalist und schreibt vor allem über Filme, Bücher und Ausstellungen. Für FILMSTARTS schreibt er seit 2012.

    Im Rahmen der „Best Of Cinema“-Reihe kehrt am 5. September 2023 ein Film in die Kinos zurück, der sogar viele Fans von Meisterregisseur David Lynch und dessen Serie „Twin Peaks“ verstörte: „Twin Peaks - Der Film“.

    Nach ungefähr 30 Minuten erklingen in „Twin Peaks - Der Film“ die unverwechselbaren Takte von Angelo Badalamentis Musik, jene tiefen, langsamen Klänge, die längst zu den bekanntesten Melodien der Fernsehgeschichte zählen. Dazu das Bild von der Landstraße, die nach Twin Peaks führt, und dann sieht man sie: Laura Palmer.

    Nachdem ihre Darstellerin Sheryl Lee in der TV-Serie nur in ein paar kurzen Rückblenden, vor allem aber als wunderschöne Leiche zu sehen war, wird sie fortan in fast jedem Moment zu sehen sein – um am Ende wieder zur in Plastik eingehüllten Leiche geworden zu sein.

    Von Komik zu Tragik, von Skurrilität zu Abgründen

    Bevor Laura Palmer die Bühne von „Twin Peaks - Der Film“ betritt, hatte David Lynch den „Twin Peaks“-Fans Futter gegeben: Da wirkte dieses kurz nach der Serie entstandene Prequel wie eine Fortsetzung im zwar manchmal düsteren, aber doch meist schrulligen Ton der Serie.

    Ein Jahr zuvor hatte ein Mord schon mal das FBI auf den Plan gerufen, diesmal nicht etwa in Gestalt von Agent Dale Cooper, dessen Darsteller Kyle MacLachlan hier nur eine kleine, aber sehr wichtige Rolle hat, sondern von den Agenten Chester Desmond und Sam Stanley, gespielt vom jungen Kiefer Sutherland und dem Sänger Chris Issak.

    Dessen Hit „Wicked Game“ hatte Lynch in „Wild At Heart“ verwendet. Und der Erfolg dieses Films in Frankreich, wo er die Goldene Palme in Cannes gewann, hatte Lynch erst zu den französischen Geldgebern gebracht, die nun den „Twin Peaks“-Film finanzierten. Mit der Besetzung Isaaks schloss sich also ein Kreis, doch der Sänger war nicht der einzige Popstar mit einem Auftritt: Auch David Bowie gibt sich für eine kurze Szene die Ehre, ein Auftritt, der so seltsam wirkt, dass man ihn fast als geschickte Ablenkung verstehen kann.

    Twin Peaks - Der Film
    Twin Peaks - Der Film
    Starttermin 20. August 1992 | 2 Std. 15 Min.
    Von David Lynch
    Mit Sheryl Lee, Ray Wise, Mädchen Amick
    Pressekritiken
    3,0
    User-Wertung
    3,6
    Filmstarts
    4,5

    Denn nach gut einer dreiviertel Stunde ist Schluss mit lustig, spätestens wenn Laura zusammen mit ihrer besten Freundin Donna (diesmal nicht gespielt von Lara Flynn Boyle sondern Moira Kelly) in einem schmierigen Laden beim Gruppensex mit ebenso schmierigen Typen zu sehen ist, werden die Abgründe angedeutet, die Lynch für den Rest des Films ausloten wird. Zwar treten in kurzen Szenen aus der Serie bekannte Figuren wie Bobby, James oder Leo auf, doch der Fokus liegt auf Laura und ihrer zerstörten Psyche.

    Dass sie von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde, hatte man schon in der Serie erfahren. Welche Folgen dieser Missbrauch auf die junge Frau hatte, schildert Lynch in einem zunehmend surrealen Bilderrausch, der tief in das Geheimnis des Roten Zimmers in der Black Lodge führt, wo sie auf den Mann von einem Anderen Ort, den einarmigen Philip Gerrard, natürlich Bob, aber auch Agent Cooper trifft, und erst im Tod Erlösung findet.

    Ein missverstandenes Meisterwerk

    Als „Twin Peaks - Der Film“ im Mai 1992 beim Festival in Cannes seine Weltpremiere erlebte, wurde er ausgebuht, die Kritiken waren schlecht, das Publikum blieb aus. Auch Quentin Tarantino, der damals mit seinem Debüt „Reservoir Dogs“ in Cannes war, war entsetzt und äußerte sich nicht unbedingt zitierfähig, aber googelt gerne selbst...

    Doch solch herbe Kritik an einem sonst so geschätzten Regisseur verrät auch eins: Dass dieser Regisseur sich nicht einfach wiederholt, sondern sich in völlig neue Richtung bewegt. So hat es Lynch schließlich schon immer gehalten und dabei hintereinander so völlig unterschiedliche Filme wie „Der Elefantenmensch“ und „Dune“ oder später „Lost Highway“ und „The Straight Story“ gedreht, vier Filme, die zwar völlig anders, aber doch durch und durch Lynch sind.

    Und so mag man allen Lynch-Fans, die bislang auf Grund der schlechten Presse oder sonstigen Vorbehalten einen Bogen um „Twin Peaks - Der Film“ gemacht haben, nur ans Herz legen, diesem unterschätzten Film eine erste oder eine zweite Chance zu geben.

    Gerade im Kino, nah an der Leinwand, wo die impressionistischen Bilder in Kombination mit der wie so oft bei Lynch markanten, von brummenden, unheimlichen Tönen geprägten Tonspur sich geradezu physisch bemerkbar machen, ist „Twin Peaks - Der Film“ ein besonderes Seherlebnis.

    Nicht unbedingt ein durch und durch schönes, schließlich geht es um die Psyche einer missbrauchten jungen Frau. Aber wer auch deswegen ins Kino geht, um mit Abgründen konfrontiert zu werden, Dinge zu sehen und zu erfahren, die man im normalen Leben meist (zum Glück) nicht erlebt, sollte am 5. September 2023 zur Wiederaufführung dieses unterschätzten Meisterwerks ins Kino gehen.

    DIE "BEST OF CINEMA"-REIHE – PRÄSENTIERT VON FILMSTARTS

    Mehr zur Event-Reihe „Best of Cinema“, die wir gemeinsam mit Kabel Eins präsentieren, findet ihr auf der „Best of Cinema“-Website. Als offizieller Medienpartner wird euch FILMSTARTS auch über die kommenden Kinostarts der Reihe auf dem Laufenden halten, die jeden Monat einen weiteren großen Klassiker zurück in die Lichtspielhäuser bringt.

    Ab heute im Kino: Wer was mit trockenem norddeutschen Humor anfangen kann, wird diesen Film lieben!

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