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Der „gute Diktator“ aus der Kleinstadt

(c) EPA (VASSIL DONEV)
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Umstrittene Feiern zum 100. Geburtstag des Bulgarischen Kommunistenführers Todor Schiwkow. Sein Ex-Leibwächter und heutiger Premier Borissow gibt sich indes kleinlaut.

Prawez.Prawez. Der Ruhm von Prawez ist lange dahin. Doch gestern wähnte sich das Städtchen im Schatten der bulgarischen Hauptstadt Sofia wieder in seiner goldenen Ära. Mit Pomp beging Prawez den 100. Geburtstag seines großen Sohnes Todor Schiwkow, dem längsten Herrscher des früheren Warschauer Paktes. Tausende Schaulustige und so mancher Politiker wurden erwartet.

In Prawez sehnt man sich nach den alten Zeiten zurück, als Schiwkow die Stadt ausbauen ließ und ihr ein Computerwerk schenkte, in dem der bulgarische PC „Pravets“ zusammengebaut wurde. Als später Dank eröffnete man die Schau „Schiwkow und die Welt“ und enthüllte eine Büste im Hof des Schiwkow-Museums. „Ich, Todor Schiwkow, nutzte meine ganze Macht zum Wohl meines Volkes“, steht auf ihr geschrieben. Es ist nicht die erste Huldigung hier: Seit zehn Jahren steht im Zentrum ein überlebensgroßer Schiwkow, der versonnen in die Gegend blickt. Proteste gegen die Huldigung des kommunistischen Führers – von Verbänden von Opfern des Kommunismus – blieben nicht aus. Die Direktorin des Museums, Tanja Borissowa, entgegnete, die Schau habe keine politischen Inhalte.

Dem „Mann aus dem Volk“, wie man ihn im Volksmund nannte, wurde nach der Wende der Prozess gemacht; statt einer Gefängnisstrafe verbüßte er bis zu seinem Tod 1998 Hausarrest. Sein Leibwächter in diesen Tagen war ein junger Mann namens Bojko Borissow. Er ist heute Premier des Landes. Bekannt für seine polternden Äußerungen, gab er sich zum gestrigen Jubiläum ungewöhnlich kleinlaut. Todor Schiwkow nehme einen „nachhaltigen Platz in der Geschichte ein“, erklärte Borissow.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2011)

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