Thomas Struth

Thomas Struth, The Consolandi Family I, Mailand 1996, 170 x 2#06, 2 cm, c-print
Thomas Struth, The Hirose Family, Hiroshima129, 6 x 180, 7 cm, c-print
Thomas Struth, The Ma Family, Shanghai, 1996, 154, 1 x 189, 4 cm, c-print
Thomas Struth, The Schäfer Family, Meerbusch 1990, 93, 5 x 120 cm, c-print
Thomas Struth, Die Okutsu Family im West-Zimmer, Yamaguchi, 1996, 93, 5 x 120 cm, c-print
Thomas Struth, Die Smith Familie, Fife, 1989, 175 x 230 cm, c-print

Psychologische Portraits

Wie glaubwürdig sind Portraits? Die Frage klingt simpel, ist sie aber nicht. Denn sie rührt an das Medium und seinen Gegenstand zugleich. Früher vermochte die Portraitmalerei die unverwechselbare Individualität der Person darzustellen. Doch diese Kunst blieb nur wenigen Vermögenden vorbehalten. Mit der Fotografie eröffnete sich die Chance, personale Realität auf breiter sozialer Basis zu fixieren. Die Erfindung wäre die Erfüllung eines Menschheitstraums gewesen, wenn sich die Kunst „im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit“ nicht in eine neue Krise manövriert hätte. Gleichzeitig begann der strenge Begriff der Person zu zerfallen. Der Physiker Ernst Mach reduzierte das Subjekt auf einen Konvergenzpunkt von Sinnesempfindungen, der Dichter Gottfried Benn glaubte die Kontinuität der Person vornehmlich an den Anzügen zu erkennen, „die bei gutem Stoff zehn Jahre halten“, und der Künstler Robert Rauschenberg verfügte programmatisch: „Dies ist ein Portrait, wenn ich es zu einem solchen erkläre.“

Thomas Struth portraitiert nur Menschen, die er kennt: Einzelpersonen, Paare, Familien. Er fotografiert sie bei Tageslicht, mit einer unhandlichen Plattenkamera und langen Belichtungszeiten. Die Aufnahmen, während der die Portraitierten geduldig stillhalten müssen, zeugen von einer einfühlsamen Auseinandersetzung mit dem Gegenüber. Struth wählt dieses altertümliche Verfahren, weil es Portraits von außergewöhnlicher psychologischer Tiefe hervorbringt. Die Menschen, die er zum Teil in ihrer Lebens- und Arbeitswelt ablichtet, erscheinen ernst und konzentriert. Ihren Blick richten sie frontal ins Kameraobjektiv, ihre Gesten sind voller Privatheit und Intimität. Die Präzision der Abzüge gewährt Einblick in Details, die dem flüchtigen Alltagsblick verborgen bleiben, der serielle Charakter der Arbeiten erlaubt ein vergleichendes Betrachten von Personen verschiedenen Alters und verschiedener Kulturkreise.

Biografische Daten

1954

geboren in Geldern/Niederrhein

1980

studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Peter Kleemann, Malerei bei Gerhard Richter und Fotografie bei Bernd Becher

1996

Professor an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung, Karlsruhe

lebt in Düsseldorf