Schülertransport in Wetzlar ist „eine Katastrophe“
 

Schülertransport in Wetzlar ist „eine Katastrophe“

Vor der ersten und nach der sechsten Stunde sind auch in Wetzlar die Busse am vollsten. Es rollt dann alles, was die Wetzlarer Verkehrsbetriebe an Fahrzeugen haben. Trotzdem reicht die Kapazität nach Angaben der Schülervertretungen nicht aus. Was tun?
© Jan Potente, dpa

Im Schülertransport zum Wetzlarer Schulzentrum hakt es – mit Auswirkungen auf den gesamten Stadtbusverkehr. Der Neubau der Theodor-Heuss-Schule verschärft die Lage noch.

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Wetzlar. Die Schülervertretung spricht von einer „Katastrophe“. Und auch andere Nutzer der Wetzlarer Stadtbusse kennen das Problem: werktags nach Schulschluss sind viele Busse so voll, dass zwischen Schulzentrum und Bahnhof keine Maus mehr hineinpasst. Der Umzug der Theodor-Heuss-Schule setzt das schon angespannte System unter zusätzlichen Druck, denn künftig müssen im Süden der Stadt drei statt bisher zwei Schulstandorte angefahren werden.

Wir wollen in angemessener Zeit und ohne zerquetscht zu werden, ankommen.

JL
Julian LotzBeisitzer, Schüler:innenvertretung der Theodor-Heuss-Schule

„Die Schülerbeförderung ist eine Katastrophe ohne Ende. Man kommt einfach nicht in den Bus rein. Und dann muss man teilweise eine halbe Stunde oder noch länger stehen.“ So beschreibt Julian Lotz von der Schülervertretung der Theodor-Heuss-Schule (THS) die aktuelle Situation. Und konkretisiert die Anforderung: „Die Schüler wollen an den Bahnhof, um dort ihren Anschluss zu bekommen. Wir wollen in angemessener Zeit und ohne zerquetscht zu werden, ankommen. Wie?“

Betroffen von den Problemen ist auch die Goetheschule, bislang am gleichen Standort wie die THS angesiedelt. „Wir sind 1000 Schüler und 60 Prozent fahren mit dem Bus“, verweist Leon Pelikan von der Schülervertretung auf eine aktuelle Umfrage. „Nach Schulschluss kommen zwar mehrere Busse der Linie 12, die sind aber alle sofort voll.“ Auch für die Goetheschüler seien 30 Minuten Wartezeit die Regel. „Ich persönlich muss nach Heuchelheim und brauche teils anderthalb Stunden, denn auch die Linie 24 ist voll besetzt. Diese überfüllten Busse sind ein großes Problem.“

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Das Wetzlarer Schulzentrum bleibt, verliert mit der Theodor-Heuss-Schule aber einen wichtigen Teil. Der neue Standort des beruflichen Gymnasiums liegt in der Spilburg und muss über eine eigene Bushaltestelle angefahren werden.
Das Wetzlarer Schulzentrum bleibt, verliert mit der Theodor-Heuss-Schule aber einen wichtigen Teil. Der neue Standort des beruflichen Gymnasiums liegt in der Spilburg und muss über eine eigene Bushaltestelle angefahren werden.
© Jörgen Linker

Ein Problem, das sich auf die Schnelle nicht lösen lässt. Denn morgens und mittags, vor Schulbeginn und nach Ende der sechsten Stunde, haben die Wetzlarer Verkehrsbetriebe keine Kapazität mehr. „Die Firma Gimmler hat 38 Fahrzeuge. In der Schülerbeförderung sind alle im Einsatz“, erklärte Manfred Schieche (Lokale Nahverkehrsbehörde) im Fahrgastbeirat. Im normalen Tagesbetrieb seien im Schnitt 22 Busse auf der Straße. 16 würden also nur für die Schülerbeförderung vorgehalten. Rund zwei Millionen Euro im Jahr gebe die Stadt dafür aus. „Wenn gewünscht wird, dass wir mehr ausgeben, dann muss man über eine Finanzierung reden. Und dann ist auch der Schulträger mit im Boot.“ Also der Lahn-Dill-Kreis.

Schülertransport kostet Stadt zwei Millionen Euro

Allerdings sagt Schieche auch, dass er die Beschreibung „katastrophal“ für zu streng hält. „Richtig ist, dass wir volle Busse haben und dass es so ist, dass es im morgendlichen Verkehr Wartezeiten gibt und nicht alle Schüler die Fahrt nutzen können, die sie wollen. Für uns ist wichtig, dass insgesamt die Kapazität ausreicht, um alle zu befördern.“ Und direkt an die Schülervertreter: „Was sie sich wünschen ist, dass sie einen Bus nutzen können, der sie um kurz vor acht abliefert und um 13.15 Uhr wieder zurückbringt. Diese Qualität versuchen wir zu erreichen, können wir aber nicht in jeder Hinsicht erreichen, gerade morgens.“ An die Schüler appellierte er, auf frühere als die Wunschverbindung umzusteigen.

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Mit Inbetriebnahme der THS am neuen Standort wird die Lage noch komplizierter. Die Stadtbusse müssen dann drei Standorte weiterführender Schulen anfahren: Steinschule, das Schulzentrum und eben die neue THS in der Sportparkstraße. Die Schülervertretung der Heuss-Schule hat laut Lotz bereits überlegt. „Wäre es möglich, die THS nicht mit den Linien 12 und 13 anzubinden, sondern auf die Linie 11 zurückzugreifen?“ Das würde den Schülertransport entzerren. „Es könnte auch Sinn machen, die Schülerbeförderung nicht nur über den Wetzlarer Bahnhof, sondern auch über Bahnhof Dutenhofen laufen zu lassen.“ Viele Schüler aus dem Umland müssten für den Heimweg auf die Regionalbahnlinie 40 umsteigen - und die hält auch in Dutenhofen.

Nun, das Thema ist durch. Zeit, nach vorne zu schauen: Ende des Monats soll es ein Treffen von Stadt, Schulträger und Verkehrsgesellschaft Lahn-Dill-Weil geben, um auszuloten, wie die neue Heuss-Schule angebunden werden kann. „Wir werden gern prüfen, ob frühere Anfahrten zu den Schulen möglich sind“, sagte Schieche den Schülervertretern zu. Der Kauf zusätzlicher Busse sei bei Kosten von 250.000 (Diesel) bis 500.000 Euro (Elektro) eher unrealistisch. Friedrich Lang (Pro Bus & Bahn) regte zudem an, bei Neuanschaffungen verstärkt in Gelenkbusse zu investieren. Diese könnten auch abseits der Schülerbeförderung auf den gut ausgelasteten Linien 12 und 13 für Entspannung sorgen. Hilfreich für die Verkehrsplaner wäre zudem, wenn weiterführende Schulen, zumindest aber die Oberstufen, erst um 9 Uhr mit dem Unterricht beginnen würden.

Als Teil einer Lösung bringt Thomas Kraft (Pro Bahn) derweil Expressbusse ins Spiel, die zwischen Bahnhof und Schulen ohne Halt durchfahren. „Andere Städte haben solche Modelle bereits. Dadurch wird der normale ÖPNV entlastet.“ Grundsätzlich seien bei der Ansiedlung der Schulen in Wetzlar in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. „Man hätte Schulen, die ja auch Kaufkraft binden, im Zentrum belassen müssen“, sagt Kraft und nennt als prominentes Beispiel die Werner-von-Siemens-Schule, die seinerzeit dem Neubau der Sparkasse weichen und nach Naunheim habe ziehen müssen. Auch für den THS-Neubau hätte ein Areal in der Innenstadt gefunden werden müssen.