Trailer und Kritik: „The Man who killed Don Quixotte“ - WELT
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Film Don-Qujiote-Film

Der Ritter von der anarchischen Gestalt

Redakteur im Feuilleton
„The Man who killed don Quixote“

Der zynische Werbefilmer Toby lernt einen alten spanischen Schuhmacher kennen, der sich für Don Quixote hält. Die beiden erleben eine Reihe absurder Abenteuer, bis tragische Auswirkungen alles verändern.

Quelle: Concorde

Autoplay
Fast 30 Jahre hat Terry Gilliam damit zugebracht, einen Film über Cervantes’ berühmten Romanhelden Don Quijote zu drehen. Herausgekommen ist eine Parodie auf die Illusionskünste unserer Gegenwart.

Dieser Film war eine der schwersten Geburten aller Zeiten. Die Geburt war sogar so schwer, dass es eine eigene Doku über ihr Scheitern gibt: „Lost in La Mancha“ handelt von Terry Gilliams Versuch, einen Don-Quijote-Film zu drehen. Schon 1989 reifte die Idee. Im Jahr 2000 begannen die Dreharbeiten, damals mit Johnny Depp und Jean Rochefort. Doch Unwetter, Krankheiten und Kostenexplosionen ließen Gillams Dreh im Desaster verenden.

Vielleicht ist der Regisseur, den wir durch Monty-Python-Humor („Der Ritter der Kokosnuss“) und Meisterwerke wie „Brazil“ oder „12 Monkeys“ kennen, eher so der Typus Genie mit der Haltung: Filme vorzuhaben ist wichtiger, als sie im Zeit- und Kostenplan fertigzustellen. Jedenfalls: „The Man who killed Don Quixote“ ist nach bald 30 Jahren Planungs- und 17 Jahren Produktionszeit tatsächlich fertig geworden, nun mit anderen Schauspielern und einer anderen Geschichte.

The Man Who Killed Don Quixote
Meister vieler Illusionskulissen: Adam Driver ist der Werbefilmer Toby
Quelle: © 2018 Concorde Filmverleih GmbH

Adam Driver spielt die Rolle des Werbefilmers Toby, die einst Johnny Depp zugedacht war. Und Toby reist nicht – wie ursprünglich konzipiert – in die Ritterzeit; sondern Don Quijote selbst lebt in unserer Gegenwart.

Toby hat – nur für einen Werbespot – ein gewaltiges Filmset in die Mancha geschafft, also jene Landschaft, in der das vielleicht berühmteste Buch der Weltliteratur spielt: „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes. Der Ritter von der traurigen Gestalt, der mächtige, vielarmige Riesen zu sehen glaubte und in Wirklichkeit Windmühlen sah, ist seit 400 Jahren sprichwörtlich.

Ein Kampf gegen Windmühlen

Auch eine Filmproduktion kann ein Kampf gegen Windmühlen sein. Ein gewaltiger Apparat, der Kosten verschlingt, ohne dass irgendein Ergebnis gewährleistet wäre. Toby jedenfalls hat es satt und erinnert sich am Feierabend eines gefloppten Drehtages, angetriggert durch einen Zigeuner, der DVDs als Orakel verschenkt, an bessere Zeiten. Hatte er in dieser Gegend nicht seinen Studentenfilm „Don Quijote“ gedreht?

Toby sucht das Dorf von damals wieder auf. Dort wirkt der Film bis heute ungut nach: Die Tochter des Tavernenwirts, Angelica (Joana Ribeiro), die damals die Dulcinea spielte, gilt inzwischen als gefallenes Mädchen, weil ihr Rolle die Flausen einer Schauspielkarriere in den Kopf setzte, sie es dann aber nur zu einer Escortdame brachte. Gut, auch da macht sie gute Miene zum bösen Spiel.

The Real Don Quijote

Der alte Schuhmacher, der damals den Don Quijote spielte (Jonathan Pryce), ist ein besonders tragischer Fall: Er lebt in einer Hütte abseits des Dorfes und hat seine Rolle seit damals nie mehr abgelegt. Mitsamt Pferd, Lanze und Ritterrüstung hält er sich für den realen Don Quijote. In einer Mischung aus Starr- und Wahnsinn nennt er sich „The Real Don Quijote“ – das kann im Zeitalter des twitternden Trumpismus jeder nehmen, wie er will.

Nun ist der reale Quijote seinerseits eine fiktive Ritterfigur, die Cervantes in einer Sternstunde frühneuzeitlicher Ironie schuf: Dass ein Mann in seiner eigenen Welt lebt und sich selbst zum Ritter ausruft, konnte man schon damals nur als Parodie auf die grassierenden Ritterromane verstehen. Cervantes und Gilliam sind nun für 133 Kinominuten auch beste Komplizen, was das Delegieren des Plots an eine unkontrollierbare Mischung aus eingebildeter Realität und surrealer Slapstick-Szenerie angeht.

The Man Who Killed Don Quixote
Der Werbefilmer Toby gerät als Sancho Pansa in einen Abenteuerfilm
Quelle: © 2018 Concorde Filmverleih GmbH

Indem Filmer Toby nichts lieber tut, als den Klauen seines nervigen Produktionsfirmabosses (Stellan Skarsgård) und dessen nymphomanischer Gattin Jacqui (Olga Kurylenko) zu entkommen, um also quasi vor den Zumutungen der Realität unterzutauchen, begibt er sich in die Gefolgschaft dieses Pseudo-Don-Quijote. Er wird zu dessen Sancho Pansa.

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Was nun folgt, ist ein Abenteuer auf einem Pferd und einem Esel – mit hübschen Effekten, die die Grenze zwischen Traumwelt und Gegenwart, zwischen Einbildung und Realität permanent rammen: Auf der Suche nach Angelica alias Dulcinea geht es in barackenhafte spanische Bergdörfer, in denen illegale Marrokaner hausen – oder sind die getauften Mauren aus Cervantes’ Zeiten, die schon nach der spanischen Reconquista im Land geblieben waren? Albträume und Dämonen, Laserlanzen und Golddukaten, Blutregen und skurrile Prozessionen säumen den ritterlichen Weg.

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Was halbwegs begeistert, ist der Look des Films. Was hakt, ist die Handlung. Zwar hält Gilliams Abenteuer komische Slapstickmomente bereit – die Knutschszene mit einem Schaf! Ebenso sprudelt es weise Cervantes-Zitate – „Geld bringt immer Sorgen, ganz gleich ob wir es haben oder ob es uns fehlt“. Es gibt unvergessliche Szenenbilder wie die Horde Ritterfräulein mit den muslimischen Bärten. An Figurenführung und Figureneinfühlung hat der Film vor lauter Einfällen aber leider nur bedingt gedacht.

Weil der Plot, auch für eine Abenteuerfarce, entweder zu vorhersehbar oder zu chaotisch ausfällt, nimmt er einen nie wirklich gefangen. Cervantes Illusionsmaschine in der Gegenwart zu spiegeln, in der russische Oligarchen Kostümfeste auf spanischen Kastellen veranstalten, um Sponsoren für ihre nächste Wodkakampagne zu bespaßen, ist als Fantasie ja ganz hübsch. Aber noch kein Drehbuch für einen gelungenen Film. Schon seit Goethes „Faust II“ wissen wir, dass Phantasmagorien per se noch nicht für Dramatik bürgen, schon gar nicht auf der Kinoleinwand.

„Nichts ist echt, Toby!“

Mag ja sein, dass Cervantes-Exegeten aus dem in 30 Jahren gereiften Gilliam-Quijote am Schneidetisch der Hermeneutik noch ganz viel Bezüge und Meta-Gags herauslesen werden. Mag ja sein, dass Gilliam mit Vorliebe für Outsider-Figuren, die in ihrer eigenen Realität leben (Münchhausen, Doktor Parnassus), nun endlich auch den berühmtesten Realitätsverweigerer der Weltliteratur im Kasten hat. Und mag sein, dass Gilliam mit seiner überbordenden Fantasie einer der letzten großen Regisseure ist, die noch anarchische Filme produzieren. Filme, die nicht von irgendwelchen Sponsoren oder Drehbuchoptimierern auf Konventionen getrimmt sind.

Das Ergebnis ist dennoch bestenfalls mitteloriginell, und die im Finale durchschimmernde Moral von der Geschichte erschöpft sich in Kalendersprüchen zum Wesen der Traumfabrik: „Nichts ist echt, Toby“, sagt Jonathan Pryce zu Adam Driver. Ach nee, echt nicht? Leute geben sich Illusionen, nicht zuletzt selbst geschaffenen, manchmal lieber hin als der Realität? Gut gebrüllt, Gilliam! Nur dafür rechtfertigt „The Man who Killed Don Quixote“ seine 30 Jahre Entstehungszeit allerdings nicht.

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