Der Tod der Königin Elisabeth II. hat das Interesse an ihrer 70-jährigen Herrschaft weltweit neu entfacht. Im TV laufen Sondersendungen, auf Streaminganbietern werden Dokus zu ihr gesucht. Doch Filme und Serien zur geliebten Queen gibt es wenige. Bekannt ist natürlich vor allem "The Crown" bei Netflix, eine Serie, die sich ihrem gesamten Leben widmet und durch die Jahrzehnte springt. Hinter "The Crown" steht der vielfach ausgezeichnete Drehbuchautor Peter Morgan, den man als echten Queen-Experten bezeichnen kann.

Denn schon zehn Jahre bevor "The Crown" bei Netflix startete, hatte Morgan ein Drehbuch zu einem Film geschrieben, der Queen Elizabeth II. in den Fokus nimmt – am Tiefpunkt ihrer Regentschaft.  Unter der Regie von Stephen Frears ist daraus ein Meisterwerk entstanden. Es hat den simplen Titel "Die Queen" – und wer sich dieses grandiose Drama heute noch einmal ansehen will, kann es bei WOW oder Sky Go streamen.

(Keine) Trauer um Diana: "Die Queen" ganz privat

Großbritannien, 1997: In der Nacht des 31. August wird Queen Elizabeth II. (Helen Mirren) auf Schloss Balmoral in Schottland aus dem Schlaf gerissen. Prinzessin Diana ist bei einem Autounfall in Paris tödlich verunglückt. Der Tod der Prinzessin sorgt für ein gigantisches Medienspektakel. Der frisch gewählte Premierminister Tony Blair (Michael Sheen), dessen Ehefrau Cherie Blair (Helen McCrory) bekanntermaßen die Monarchie lautstark kritisiert, bekundet öffentlich seine Trauer und nennt Diana die "Prinzessin des Volkes". Seine Wortwahl geht um die Welt. Zahlreiche Staatsoberhäupter schließen sich ihm an. Nur von einer Seite folgt kein Kommentar: dem Königshaus selbst.

Während Dianas Ex-Mann Prinz Charles (Alex Jennings) seine Kinder beruhigen muss und Elizabeths Mann Prinz Philip (James Cromwell) über die Aufregung in sich hineinschimpft, bleibt die Königin stumm. Eine Ansprache an das Volk lehne sie ab, erklärt sie Blair am Telefon. Ein Staatsbegräbnis soll Diana nicht mehr bekommen, schließlich sei sie kein Teil der Königsfamilie mehr gewesen. Die Flaggen am Buckingham Palast für Diana auf Halbmast zu setzen, verbietet sie ebenfalls – schließlich entspräche es nicht dem aristokratischen Protokoll, öffentlich Trauer zu zeigen. Das ansonsten königstreue Volk zeigt sich von Stunde zu Stunde weniger verständnisvoll: Die teilnahmslos wirkende Königin gerät scharf in die Kritik.

Die schwere Last der Macht: "Die Queen" ist ein Meisterwerk

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Großartig als die Queen: Helen Mirren gewann für die Rolle einen Oscar.

Nach Dianas Tod befand sich das englische Königshaus in einer seiner größten Krisensituationen. Dennoch: Was genau in der ersten Woche nach dem Tod der Prinzessin in der Königsfamilie ablief, ist rein spekulativ. "Die Queen" ist eine fiktionalisierte Annäherung an die legendäre Monarchin, für die Morgan im Vorfeld aus hunderten Quellen genaustens recherchierte. Frears und er zeigen die Königin als eine konservative Lady, die Disziplin und Traditionsbewusstsein über alles andere stellt – vermutlich, weil sie in ihrem Leben selten mit anderen Werten konfrontiert wurde. Sie will nach außen keine Gefühlsregung zeigen, wichtiger aber: Sie kann es gar nicht. Über die vielen Jahre als Königin musste sie lernen, als Mensch ganz hinter ihrer Funktion als Regentin zurückzutreten. Sie wiegt schwer, diese britische Krone. Nicht umsonst eröffnet "Die Queen" mit einem Shakespeare-Zitat: "Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt".

Der große Reiz des Films sind seine glaubwürdigen Kontraste: Die Königin repräsentiert das alte, steife, würdevolle England, in dem es in jeder Situation darum gehen muss, das Gesicht zu wahren. Tony Blair wiederum ist ein Mann der Medien, dessen Zahnpastalächeln ihm den Wahlsieg brachte. Er versteht sofort, welch schwerwiegende Folgen das Schweigen des Königshauses für das Ansehen der Queen haben könnte – und versucht daher, Elizabeth II. davon zu überzeugen, sich zu öffnen.

Fast so königlich wie das Original: Helen Mirren als "Die Queen"

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Hart und herzlos? So wirkt Queen Elizabeth II. in diesem Film zuerst, doch die Dinge sind deutlich komplexer.

Doch ein Film wie "Die Queen" steht und fällt mit seiner Hauptdarstellerin: Helen Mirren gewann für ihre Performance als Queen Elizabeth II. einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin. Sie ist eine Sensation: Sie beherrscht jede Nuance, jede Gesichtsregung, (im englischen Originalton) jeden Tonfall des historischen Vorbilds. Sie wirkt distinguiert, schroff, aber doch charmant und durch und durch königlich. Nach wenigen Minuten verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Mirren spielt nicht die britische Königin, sie wird zur britischen Königin. Brillant spielt sie Elisabeth als eine Frau, die ihre Gefühle so lange unterdrückt hat, dass sie selbst nicht mehr genau weiß, ob sie überhaupt noch welche hat. Und doch gelingt es Mirren, uns hinter diese Maske sehen zu lassen, Mitgefühl und Verständnis für diese Königin aufzubringen, die vor allem eben doch nur ein Mensch war.

Michael Sheen ist als Tony Blair nicht weniger fantastisch, und im Zusammenspiel mit Mirren ist es ein Genuss, beiden dabei zuzusehen, wie sie sich in den rasiermesserscharfen Dialogen messen, für die später auch "The Crown" gelobt wurde. Das größte Lob aber, dass man diesem herrlichen Film machen kann, ist: Wohl nie wird ein Film oder eine Serie je wieder so eindrucksvoll begreifbar machen können, wie es sein muss, ein Leben zu führen, in dem man sein eigenes Innenleben im Dienste der Öffentlichkeit völlig verleugnen muss. Ein Leben wie jenes von Queen Elizabeth II. Sie selbst scheint vom Film trotz aller Kritik an ihrem Auftreten sehr gerührt gewesen zu sein: Sie lobte den Film und lud Helen Mirren zum Essen in den Buckingham Palast ein. Mirren musste aus Termingründen jedoch ablehnen.

Die Queen starb am 8. September 2022 auf Schloss Balmoral, es war ihre Sommerresidenz. Im Film selbst beschreibt sie diesen Ort im Gespräch mit Tony Blair wie folgt: "In Balmoral atmet alles Freiheit und Frieden und die Welt und ihre traurigen Wirren vergisst man."