Tales from the Loop: Vom Gemälde zur bisher besten Amazon-Serie des Jahres | heise online

Tales from the Loop: Vom Gemälde zur bisher besten Amazon-Serie des Jahres

Die neue Amazon-Serie Tales from the Loop ist leise, langsam erzählt und unauffällig. Wer sich allerdings auf sie einlässt, entdeckt eine Welt voller Wunder.

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Tales from the Loop: Vom Gemälde zur bisher besten Amazon-Serie des Jahres

Ländliche Idylle und Retro-Futurismus sind die Grundpfeiler von Simon Stålenhags Arbeiten

(Bild: Amazon Studios)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Amazons neue Serie Tales from the Loop ist wirklich etwas Besonderes. Genau wie die Bilder des schwedischen Malers Simon Stålenhag, auf denen sie beruht, baut sie aus 80er-Nostalgie und eigenartig-gruseligen Science-Fiction-Elementen eine stimmige Parallelwelt, der sich der Zuschauer nur schwer entziehen kann. Für Science-Fiction- und Mystery-Fans sind die acht Folgen der Serie ein Muss, besonders wenn sie wie Stålenhag und der Autor dieser Rezension Anfang der '80er aufgewachsen sind. Aber auch anderen Zuschauern wird es schwer fallen, sich nicht von der Gefühlswelt der Serie und ihren äußerst menschlichen Protagonisten mitreißen zu lassen.

Hinweis: Diese Rezension der ersten Staffel von Tales from the Loop ist weitestgehend spoilerfrei gehalten.

Wer die Gemälde von Simon Stålenhag nicht kennt, könnte dem Irrglauben anheimfallen, Amazon hätte mit Tales from the Loop versucht, die Netflix-Serie Stranger Things zu kopieren. Beide Serien haben Grusel- und Science-Fiction-Elemente, 80er-Jahre-Ästhetik und merkwürdige Regierungsexperimente gemeinsam. Und wie bei Stranger Things sind auch viele der Hauptfiguren von Tales from the Loop Heranwachsende oder Kinder. Da Stålenhags Bildband, auf dem die Serie basiert, allerdings zwei Jahre vor Stranger Things veröffentlicht wurde – und die meisten darin enthaltenen Gemälde zu diesem Zeitpunkt schon Jahre lang frei im Internet verfügbar waren – floss die Inspiration aber eher in die andere Richtung.

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Stålenhag wurde international bekannt, weil er seine Gemälde auf seiner Webseite frei zugänglich machte und über soziale Netzwerke bewarb. Die farbenfrohen Landschaftsbilder, die Autos aus den 80ern zusammen mit merkwürdigen Wesen, Robotern und Flugschiffen zeigten, rissen schnell viele Menschen in ihren Bann und bescherten Stålenhag eine große Fan-Gemeinde. Auf die Frage wie er auf die Idee kam, futuristische Elemente mit den Landschaften seiner Kindheit zu vereinen, antwortet der Künstler lapidar, er habe mit Landschaften angefangen und sei dann durch Concept-Art-Künstler wie Ralph McQuarrie inspiriert worden, Flugschiffe und Roboter zu malen. Da er nicht die Zeit hatte, sich auf zwei Dinge gleichzeitig zu konzentrieren, vereinte er einfach beide Elemente – mit großem Erfolg.

Tales from the Loop: Vom Gemälde zur Amazon-Serie

(Bild: Simon Stålenhag / Amazon Studios)

Nach und nach spann Stålenhag schließlich eine Hintergrund-Geschichte zu seinen Gemälden, die sich um eine riesige unterirdische Forschungseinrichtung (auf Schwedisch Slingan, auf Englisch The Loop genannt) unter der schwedischen Insellandschaft Mälarö dreht. Auf diese Weise vereinte er Bilder seiner Jugend in dieser Gegend mit den futuristischen Errungenschaften einer Parallel-Welt, in der es schon in den 80er-Jahren Roboter und fliegende Schiffe gibt – neben den uns bekannten, zeittypischen Autos von Saab, Volvo und VW. Stålenhag erschuf auf diese Weise eine Gegenwelt, in der echte Elemente seiner Kindheit wie Kassettenspieler und IBM-PCs mit elektromagnetischen Fluggeräten und Lastenrobotern harmonieren. Alles wird dabei vom langsamen Verfall des schwedischen Sozialstaats und des fiktionalen staatlichen Forschungskonzerns Riksenergi überschattet, der später nach mehreren Unfällen unter dem Namen KRAFTA privatisiert wird.

Viele kleine Details sind direkt aus den Gemälden des Künstlers übernommen

(Bild: Amazon Studios)

In seinem ersten Bildband Tales from the Loop erzählt Stålenhag merkwürdige Geschichten aus dem Leben der Kinder, die auf Mälarö aufwachsen und deren Eltern in der Loop-Anlage von Riksenergi beschäftigt sind. Im zweiten Band Things from the Flood nimmt er die Geschichte in den 90ern wieder auf. Der Loop wurde nun verstaatlicht und gehört der Firma KRAFTA und die Kinder aus dem ersten Buch müssen sich neben den ganz normalen Problemen der Pubertät immer noch mit eigenartigen Geschehnissen herumschlagen.

Stålenhags Gemälde und Geschichten ziehen den Betrachter vor allem deswegen so stark in ihren Bann, weil der Künstler unglaublich akribisch arbeitet. Alle seine Bilder basieren auf Fotos, die Stålenhag selbst von den Landschaften, die er später malt, gemacht hat. Er geht dabei soweit, Gebäude, die in mehreren Bildern auftauchen, mit CAD-Software als 3D-Modelle zu bauen und per Google Earth in die entsprechenden echten Landschaften zu setzen. Das führt dazu, dass sie in unterschiedlichen Gemälden aus unterschiedlichen Blickwinkeln immer in den richtigen Proportionen dargestellt sind.

Stålenhag hat die Mälarö-Kühltürme für seine Gemälde in SketchUp und Google Earth nachgebaut, damit sie in seinen Gemälden, trotz perspektivischer Änderungen, immer gleich groß sind – und natürlich dürfen sie auch in der Amazon-Serie nicht fehlen.

(Bild: Amazon Studios)

Diese Detailverliebtheit und Kontinuität in seiner Arbeit hat wohl auch Amazon beeindruckt. Die Geschichten der Fernsehserie spielen nicht in Schweden. Stattdessen verlegte man die Geschichten der Serie in ein Schwesternprojekt der schwedischen Forschungsreinrichtung in Ohio in den USA. Hier betreibt das Mercer Center for Experimental Physics (MCEP) ebenfalls eine unterirdische Loop-Einrichtung. Entsprechende Schwesterninstallationen zum Slingan-Projekt hatte Stålenhag bereits in seinen Bildbänden erwähnt.