W�hrend „Und alles wegen Mama“ (1998), eine Ausnahme-Kom�die mit dem Zeug zum Kultfilm, zur Archivleiche verkommen ist, legen nun das Autoren-Duo Einrauch/Kurzawa sowie Regisseurin Hermine Huntgeburth mit „T�dliches Comeback“ (NDR / Josefine Filmproduktion) eine �hnlich gut geschriebene und vorz�glich inszenierte Kom�die um eine weitere „Familie“ vor, die mit dem Gesetz in Konflikt ger�t. Die Geschichte hat ein prima Tempo, Szenen und Spiel besitzen ein perfektes Timing, und die Beil�ufigkeit der Komik ist ein gelungener Kontrast zur deutlich schr�gen Personnage. Jede noch so randst�ndig wirkende Figur bringt eine besondere Note ins Spiel – und der jeweilige Darsteller des Top-Ensembles verleiht ihr Klasse. Au�ergew�hnlich sind auch Fischerkoesens Kameraarbeit, der grummelige Indie-Score, ja sogar die Schauspieler sind recht gut bei Stimme in dieser Kom�die mit Gesangs- & Krimibeilage. Und aus alldem ergibt sich ein exzellenter Flow.�
Foto: NDR / Alexander FischerkoesenMit Fischerkoesens Bildgestaltung k�nnen in Sachen Coolness die liebenswerten Loser nicht immer mithalten. Martin Brambach, Ben M�nchow, Matthias Bundschuh
Die kriminelle Energie steht dem (musikalischen) Comeback der Family im Weg
Bruno Singer (Ben M�nchow) hat seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Vater Roy (Martin Brambach). Dass sein Erzeuger ihm mit acht den ersten Joint drehte, mit zw�lf zeigte, wie man Autos knackt, und ihn mit 14 in den Puff schleppte, ist das eine. Jetzt aber ist der Sohnemann bei der Polizei, wo er unbedingt eine Laufbahn bei der Mordkommission einschlagen und endlich das Herz seiner Kollegin Kyra (Elisa Schlott) erobern m�chte. Da ist dieser Vater mit seiner kriminellen Energie nicht der richtige Umgang. Durch einen dummen Unfall der Mutter (Margarita Broich) und einen noch d�mmeren Zufall ist es ausgerechnet Bruno, der das Eis bricht. Dabei steht sein Vater noch immer mit einem Bein im Knast. Momentan f�hrt er mal wieder zweigleisig: Zum einen will er sich ein Teil des Geldes, um das ihn sein Ex-Manager (Roeland Wiesnekker) betrogen hat, zur�ckholen, zum anderen bastelt er an einem musikalischen Comeback. Singer Senior und Junior – dieser im zarten Alter von acht Jahren – geh�rten einst zu den „Roy’s Four“; mit dabei waren au�erdem Roy’s Schatten Siggi (Matthias Bundschuh) und die Sexy-Sirene Inga Schallstr�m (Jeanette Hain). Jetzt gibt es die M�glichkeit, wieder gro� rauszukommen – in „Howards Comeback-Show“. Howard King (Thomas K�gel) will zwar Geld sehen, aber davon hat Roys Ex-Manager ja genug… Fragt sich nur, wie der Vater den Sohn ins Boot holen kann. Denn der versp�rt – seinem Nachnamen zum Trotz – wenig Lust, wieder als Lead-S�nger aufzutreten. Kyra k�nnte die Rettung sein; die steht auf Popstars. Doch mindestens genauso gro� ist ihr Interesse daran, einen Einbruch und einen Mord aufzukl�ren. Und der Hauptverd�chtige ist in beiden F�llen Roy Singer.�
Foto: NDR / Alexander FischerkoesenEine toughe Kommissarin, die vom Groupie-Dasein tr�umt, und ein unsicherer M�chtegern-Kriminaler, der von seiner Kollegin tr�umt. Ben M�nchow, Elisa Schlott
Verstehe einer die Sender! Zur ARD-Premiere von "T�dliches Comeback" (23.1.19) strahlt das ZDF zeitgleich "Der Koch ist tot" aus. Wenn der Film auch nicht die Qualit�t des Huntgeburthschen Fernsehfilms erreicht, so ist er doch auch eine Krimikom�die. Eine solche widersinnige, ja, dumme, Programmierung, bei der sich die �ffentlich-rechtliche Fiktion kannibalisiert, gab es lange nicht mehr!
Foto: NDR / Alexander FischerkoesenRoys Ex-Manager Seidel (Roeland Wiesnekker) hat die Haare sch�n. Bundschuh
„Und alles wegen Mama“: Wenn Vater und Sohn nicht miteinander k�nnen
So kann man es nat�rlich auch machen. Weil „Und alles wegen Mama“ (1998), eine Ausnahme-Kom�die mit dem Zeug zum Kultfilm, zum letzten Mal 2005 wiederholt, zur Archivleiche verkommen ist, legen nun das Autoren- und Produzentenduo Volker Einrauch & Lothar Kurzawa und Regisseurin Hermine Huntgeburth eine �hnlich gut geschriebene und vorz�glich inszenierte Kom�die um eine weitere „Familie“ vor, die mit dem Gesetz in Konflikt ger�t. �hnlich wie in der Kom�die mit Ochsenknecht, Giering und Mattes sind auch in „T�dliches Comeback“ Vater und Sohn die treibenden Kr�fte, hier allerdings zun�chst in diametral entgegengesetzte Richtungen. Und wieder k�nnte das Motto hei�en: „Alles wegen Mama“. Denn als der Sohn seinen Vater endg�ltig aus seinem Leben zu verabschieden versucht, sorgt Mamas Amnesie („Du bist ein guter Vater, Roy“) daf�r, dass Bruno mit sich reden l�sst. Zwar will er das geklaute Geld dem Gesch�digten heimlich zur�ckgeben, weil er aber seinen Vater ausgerechnet w�hrend des Einbruchs anrief, h�ngt er mit in der Sache drin und muss nun versuchen, die Spuren zu verwischen und zu tricksen, damit es noch etwas werden kann mit seiner Karriere bei der Mordkommission. Ob es was mit dem Comeback wird, das h�lt sich der Polizist offen, aber als Zuschauer kennt man nat�rlich die Entscheidung – auch wenn die Schlussszene durch die Verkn�pfung von Kom�die und Krimi einen etwas anderen Verlauf nimmt als erwartet. Und ganz am Ende kommt wieder die Mama: Sie kl�rt den Zuschauer auf, wie es Roy, Bruno & Co �ber den Film hinaus ergangen ist und Margarita Broich spricht dabei – wie es sich f�r eine Kom�die geh�rt – direkt in die Kamera.
Foto: NDR / Alexander FischerkoesenDie Polizeichefin (Lina Beckmann) kann sogar l�cheln. Ansonsten ist sie eher der Typus blau�ugige BDM-F�hrerin, erinnert an Brooks' Frau Bl�cher. "Weggetreten!"
Soundtrack: Equals ("Baby come back"), Soul II Soul ("Back To Life"), Lionel Ritchie ("Hello"), Lenny Kravitz ("It Ain't Over 'Til It's Over")
W�hrend der Soundtrack von "Und alles wegen Mama" 1998 stark von Dick Dales Surfsound, den kurz zuvor Tarantino wiederbelebt hatte, gepr�gt ist, klingt der cool entschleunigte Source von Biber Gullatz & Andreas Sch�fer f�r "T�dliches Comeback", als sei Damon Albarn zum Fr�hsound seiner Gorillaz zur�ckgekehrt. Auch die von den Schauspielern selbst gesungenen Titel k�nnen sich h�ren lassen, und das von Brambach, M�nchow, Hain & Bundschuh performte herzerw�rmende "Father & Son" macht dem Cat-Stevens-Song alle Ehre – und gute Laune!
"Es ist eine Kom�die und keine Comedy. Das ist der gro�e Unterschied. In der Kom�die ist nat�rlich viel mehr Menschlichkeit drin. Es geht um Verlierer, die man ins Herz geschlossen hat. Es geht nicht nur um �u�erliche Gags, sondern auch um Dinge, die einen menschlich ber�hren. Jack Lemmon ist ein gutes Beispiel daf�r: Er ist einerseits komisch, zum anderen hat er gro�es Sentiment ... Mir lag daran, die Figuren in die Extreme zu treiben – und dass man es schafft, bei aller Schr�gheit glaubw�rdige Figuren zu erz�hlen. Daf�r ist das richtige Timing von zentraler Bedeutung. Das kann nicht jeder Schauspieler. Man muss die Pointen richtig setzen und es muss auch von innen kommen." (Hermine Huntgeburth)
Foto: NDR / Alexander FischerkoesenGibt es nur Gelsenkirchener oder auch hanseatisches Barock? Den Pop- & Schlager-Buddies Siggi (Bundschuh) & Roy (Brambach) klebt die Schei�e an den Schuhen.
„Achte auf den Flow“: gutes Tempo, perfektes Timing, nuanciertes Spiel
Auch dramaturgisch und film�sthetisch weist „T�dliches Comeback“ Parallelen auf zu Huntgeburths �ber 20 Jahre alter Social Comedy. Die Geschichte hat ein gutes Tempo, Szenen und Spiel besitzen ein geradezu perfektes Timing, und die Beil�ufigkeit der Komik, mal eine doppeldeutige Replik, mal eine leise Anspielung, ist ein gelungener Kontrast zur deutlich durchgeknallten Personnage. Doch auch die wei� sich fein nuanciert in Szene zu setzen. Hier gibt es keine Karikaturen, keine langweiligen Funktionstr�ger. Jede noch so randst�ndig wirkende Figur bringt eine besondere Note ins Spiel – und der jeweilige Darsteller verleiht ihr Klasse: von Thomas K�gel als schmierigem Show-Moderator �ber Roeland Wiesnekkers eitlem Ex-Manager mit Lyle-Lovett-Ged�chtnisfrisur und Lina Beckmann als blau�ugigem „Frau Bl�cher“-likem Revier-Drachen bis zu Margarita „Mama“ Broich, die immer f�r eine saukomische �berraschung gut ist. In den etwas gr��eren Rollen brillieren Jeanette Hain als „Granate“ (O-Ton: Roy) zwischen coolem Vamp und schr�ger Schachtel, zeigt Elisa Schlott als Dating-Queen Kyra, dass ihr jedes Genre recht ist, und gef�llt Matthias Bundschuh als Roy’s Buddy, der zwar verhaltener agiert als sein Lautsprecher-Freund, aber nichtsdestotrotz immer wieder starke Spr�che raushaut („Das ist irgendwie, als sollte ich mir selbst den Schwanz abschneiden“ ist seine Reaktion auf Brunos Entscheidung, das geklaute Geld zur�ckzugeben). Auch Martin Brambach, der f�r kleinere Rollen gern auf jahrelang erprobte Manierismen setzt, hat f�r seine Hauptrolle jede Menge emotionale und komische Zwischent�ne parat, die „T�dliches Comeback“ gelegentlich fast zu einer Wohlf�hlkom�die – allerdings mit Loser-Personal – machen. Damit h�lt er als Sympathietr�ger quasi Ben M�nchow als unsicherem Jungspund in der Findungsphase den R�cken frei. Im Film hat der Vater auch den einen oder anderen guten Rat f�r seinen Sohn, etwa drei Regeln f�r den Umgang mit Frauen: „Achte auf deine Worte, achte auf Geschenke, achte auf den Flow.“
Foto: NDR / Alexander FischerkoesenSingt besser, als sie schie�en kann: die „Granate“ (O-Ton: Roy) Inga Schallstr�m (Jeanette Hain). Zwischen coolem Vamp & schr�ger Schachtel, aber auch mal nett.
Die gro�e Kunst des Erz�hlflusses: Diese 90 Minuten vergehen wie im Flug
Die Regel mit dem Flow haben sich vor allem auch die Macher gemerkt. Gleich dreifach angetrieben, von einer Krimi-, einer Familienkom�dien- und einer romantischen Finalisierung, wei� der Zuschauer schnell wo es langgeht. Schon der Einstieg ist ein Top-Beispiel f�r guten Flow: Die Vorschau auf die „Comeback-Show“ entpuppt sich als Film im Film, den sich ein Parkhausw�chter ansieht; dann werden Bruno und sein Herzblatt Kyra eingef�hrt (ein Equals-Song wird �ber den Szenenwechsel gezogen), in ihrem Dienstfahrzeug sitzend und �ber ihre Nicht-Beziehung diskutierend, bevor sie einen Fl�chtigen verfolgen und Sekunden sp�ter durch das zuvor gezeigte Parkhaus st�rmen. F�r den guten Fluss der Erz�hlung sorgen auch die komischen Details zwischendurch. Beispielsweise der im Off mit einem Knall angedeutete Unfall der Mutter mit der Radkappe, die anschlie�end ins Bild rollt. Oder das �ber weite Strecken der Handlung von Bruno in einer Plastikt�te, in der sich angeblich seine Gedichte befinden („Lies doch mal vor“), herumgetragene gestohlene Geld. Trocken ist h�ufig der Wortwitz. „Frau Beck, Sie haben Besuch“, spricht der Arzt Brunos Mutter �berfreundlich an. „Kann Sie mich h�ren?“, will Bruno vom Doc wissen. Antwort: „Nein.“ Und trotz aller Komik und Ironie geht „T�dliches Comeback“ zwischenzeitlich sogar auch ans Herz. Das ist eine ganz besondere Leistung dieses rundum gelungenen, besonders auch durch die exzellente Kameraarbeit von Alexander Fischerkoesen visuell bestechenden Genre-Mix aus Krimi-Elementen, Verlierer-Kom�die und Familiengeschichte. F�r die Rezeption folgt aus all dem: Ist deutsches Fernsehen oft auch anstrengend – diese 90 Minuten vergehen wie im Flug.
Bei der Sichtung des Films geschah etwas, was mir als Kritiker nur h�chst selten passiert. Auf der Zielgeraden ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass dieser Film nicht so bald zu Ende sein m�ge. Als es dann doch soweit war, suchten sogleich Zeigefinger & Maus reflexartig die Zeitleiste nach den besten Szenen ab.
Foto: NDR / Alexander Fischerkoesen"Vielleicht w�r jetzt mal 'ne Umarmung angebracht?" Trotz Komik & Ironie auch ein Film mit Gef�hl. Roy ist zwar kriminell, aber eben auch Vater. Brambach, M�nchow
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
Sie k�nnen den fernsehfilm-beobachter unterst�tzen: Werden Sie Fan & Freund oder spenden Sie oder kaufen Sie bei amazon, indem Sie von hier, vom amazon-Button oder von jedem beliebigen DVD-Cover dorthin gelangen.