Sophie Charlotte (Artikel aus Neue Deutsche Biographie) | bavarikon

Sophie Charlotte (Artikel aus Neue Deutsche Biographie)

Beschreibung

Sophie Charlotte war die einzige Tochter Sophies von der Pfalz und ihres Gemahls, des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg, der 1679 Hannover erbte und Leibniz als Historiographen an seinen Hof holte. Die Mutter schenkte Sophie Charlottes Erziehung große Aufmerksamkeit und reiste gemeinsam mit ihr unter anderem an den französischen Hof. Zeitlebens pflegte Sophie Charlotte eine enge Beziehung zu ihrer Mutter, welche die Neigung zu Philosophie, Musik und Gartenkunst mit Sophie Charlotte teilte. Im dynastischen Kalkül der Eltern kam Sophie Charlotte eine wichtige Rolle zu, weshalb man sie ohne starke konfessionelle Bindung erzog. Nachdem sich Pläne zerschlagen hatten, sie an hochrangige Vertreter katholischer Herrscherhäuser zu verehelichen, wurde mit dem brandenburgisch Kurprinzen Friedrich 1684 ein Calvinist als Gatte gefunden. Als Hohenzoller gehörte dieser zwar nicht zur Spitze der europäischen Hocharistokratie, was ihn seine welfischen Verwandten wiederholt spüren ließen, aber als Vertreter eines Kurhauses erschien er Sophie Charlottes Eltern politisch opportun. Mit der Geburt eines brandenburgischen Thronfolgers 1688 hatte diese Eheverbindung ihren dynastischen Zweck erfüllt. Die mentale Verschiedenheit der Ehegatten brachte es jedoch mit sich, daß jeder Teil, wenn möglich, bei Hofe seine eigenen Wege ging. Während Friedrich I. bemüht war, mittels höfischer Prachtentfaltung seinen königlichen Rang zu demonstrieren, diente Sophie Charlotte ein aufwendiger Lebensstil mit Festen und Maskeraden dazu, sich zu zerstreuen. Hierfür ließ sie durch Johann Arnold Nering und Martin Grünberg Schloß Lietzenburg bei Berlin erbauen. Sophie Charlotte pflegte italienische Musik, französisches Theater und galante Konversation, wie sie es aus ihrem Elternhaus gewohnt war. Im übrigen hielt Sophie Charlotte sich, für eine Regentin unüblich, häufig am Hof ihrer Eltern in Hannover auf, um am Karneval teilzunehmen. Im Leineschloß hatte sie ein eigenes Appartement, wo sie 1705 auch verstarb. Bis etwa 1700 bemühte sie sich auch um politischen Einfluß und war 1697 am Sturz des Oberpräsidenten Eberhard von Danckelmann beteiligt. Wie wichtig Sophie Charlotte für die Begründung einer königlichen Tradition der Hohenzollern war, zeigte sich nach ihrem Ableben: Friedrich I. verwandelte ihr Lustschloß in einen dynastischen Memorialbau: Charlottenburg verwies fortan auf die erste preußische Königin. An dieser Traditionsstiftung beteiligte sich auch Friedrich II. Indem er Sophie Charlottes höfische Lebensart, ihr Interesse an Theater, Musik und Philosophie lobend hervorhob, instrumentalisierte er sie für die Konstruktion einer intellektuellen Genealogie französischer Prägung.

Autor

Hahn, Peter-Michael

Rechtehinweis Beschreibung

CC BY-NC-ND 4.0

Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften