Shuggie Otis - Unbekannter Musikpionier

Freitag, 12. April 2024

Archiv

Shuggie Otis
Unbekannter Musikpionier

uggie Otis müsste eigentlich so berühmt sein wie Jimi Hendrix oder Prince. Der Sohn des Rhythm&Blues-Pioniers Johnny Otis gilt als verlorenes Wunderkind des Pop. Nun wird der Gitarrist, Bassist, Songwriter und Musikproduzent 60 Jahre alt.

Von Klaus Walter | 30.11.2013
    Mit 13 hat er seinen ersten Hit, mit 16 spielt er den Bass bei Frank Zappa und Gitarre mit T-Bone Walker und er nimmt sein erstes Album auf. Mit 21 lehnt er ein Angebot der Rolling Stones ab, weil er seine "eigenen Sachen am Laufen hat". Da sind wir im Jahr 1974, Shuggie hat gerade das grandiose Album "Inspiration Information" aufgenommen. Die eigenen Sachen kommen aber irgendwie nicht ins Laufen. Mit 21 taucht Shuggie Otis unter, das Wunderkind des Rhythm and Blues verschwindet und niemand weiß so genau warum.
    "Er ist der unbesungene Held des Blues und Funk",
    sagt Questlove von den Roots über Shuggie Otis.
    "Seine Musik ist so kraftvoll und potent, dass sie erst 30 Jahre nach ihrem Erscheinen richtig aufblüht."
    Als Johnny Alexander Veliotis kommt Shuggie Otis am 30. November 1953 in Los Angeles zur Welt. Sein Vater Nick Veliotis ist Sohn griechischer Einwanderer und er ist so verrückt nach der Musik der schwarzen Amerikaner, dass er sich kurzerhand selbst für schwarz erklärt – aus Nick Veliotis wird Johnny Otis, Bandleader, Sänger, Multiinstrumentalist. Shuggie erbt das Talent seines Vaters und steht schon als kleiner Junge mit ihm auf der Bühne. Auf dem Album "Cold Shot" sieht man Shuggie als Teenager mit Gänseblümchen in seinem gewaltigen Afro, mit den Fingern formt er das Peace-Zeichen, Vater Johnny - mit deutlich hellerer Haut - ballt die Faust zum Gruß der Black Panther.
    Eigentlich müsste Shuggie Otis heute in einer Ahnenreihe stehen mit Jimi Hendrix, Sly Stone und Prince. Wie diese ist auch Otis im besten Sinne colourblind, farbenblind, ein Grenzgänger zwischen den Stilen, die ja immer wieder über Hautfarben definiert werden. 1971 gilt der 17-jährige Otis als heißer Kandidat für den Titel: der neue Jimi Hendrix.
    Mit "Strawberry Letter" nimmt Shuggie Otis 1971 den psychedelischen Soulfunk von Prince um ein Jahrzehnt vorweg - und er liefert den Brothers Johnson die Vorlage für einen richtigen Hit.
    The Brothers Johnson discofizieren den "Strawberry Letter" von Shuggie Otis und landen einen Hit in den USA. Wie Hendrix, Sly Stone und Prince ist Shuggie Otis ein Erneuerer. Als einer der ersten Musiker experimentiert er in den frühen 70ern mit dem Maestro. Der Maestro ist eine Drum Machine.
    "Aht u mi head", der Hit mit der Drum Machine, der keiner war, aus dem Album "Inspiration Information". Das versinkt 1974 wie ein Backstein im Pazifik, Shuggie Otis verschwindet. Zeitsprung: Herbst 2012. "Drama des begabten Sohnes" - unter diesem Titel berichtet "Die Welt" über ein Konzert von Shuggie Otis.
    "Gruenspan heißt der kleine Club in Hamburg an der Großen Freiheit, voll ist er an diesem Abend nicht, und man sieht einen älteren Mann mit Oberlippenbart, er trägt sein Haar wie einen Helm und einen Gehrock zur Gitarre. Dann spielt er 'Aht Uh Mi Hed'. Die zurückhaltenden Zuschauer geraten plötzlich außer sich. Manche singen auf Englisch mit, und manche singen deutsch: ‚Ihr wollt ein Liebeslied, ihr kriegt ein liebes Lied. Ein Lied, das ihr liebt.‘ Die Band starrt ihren Sänger an. Der Sänger schaut ins Publikum, er lächelt irritiert."
    1998 sampeln die Absoluten Beginner den Song "Aht Uh mi hed" für ihr "Liebes Lied", so verdanken die Hamburger Rapper ihren größten Hit dem vergessenen Wunderkind. Shuggie Otis bleibt eines der großen Rätsel der Popgeschichte.