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Shortbus – Kritik

Ein Sommernachtstraum in New York. In John Cameron Mitchells neuem Film gibt es keine Tabus in Sachen Sex. Sie schläft mit ihr, er mit ihm oder er mit ihr. Alle haben Sex oder reden zumindest darüber und das alles ohne kindische Geheimniskrämerei.

Shortbus

New Yorker im Orgasmustaumel: Von der Freiheitsstatue geht es hinein in den Mikrokosmos der Großstadt. Hinter ihren Fenstern sehen wir Rob, der es seiner Frau Sofia nach allen Regeln der Kamasutra Kunst besorgt, wir beobachten James, wie er sich, während er sich selbst in einer Yogastellung oral befriedigt, filmt und wir erblicken Severin, deren Sadomaso-Kunde nach dem zigsten Peitschenhieb über ihrem Jackson Pollock Gemälde abspritzt. Sie alle haben fernab ihrer geschlechtlichen Betätigung etwas gemeinsam: Sie sehnen sich. Sofia nach einem lang erhofften Orgasmus, Severin nach einer real zwischenmenschlichen Beziehung und James nach einem eindringlichen Gefühl und sei es der Tod. Mit ihren Sehnsüchten und Frustrationen treffen sie nur wenig später im sogenannten Shortbus, einer ausgefallenen Mischung aus Club und Salon, wo jeder das tut, wonach ihm der Sinn steht, aufeinander. An diesem schrill bunten Ort kommen sie von nun an allabendlich zusammen um zu reden, Musik zu hören, zu flirten oder einfach nur um mit dem Mann oder Frau der Träume für diese Nacht Sex zu haben.

Shortbus

Wer wen liebt ist in Shortbus nach wenigen Filmminuten bereits klar und trotzdem geht es den gesamten Film genau darum. Denn John Cameron Mitchell interessiert weniger die ermüdende Frage, welche Formen von sexueller Betätigung es so gibt, sondern vielmehr das Lösen des Rätsels, welche Form der Liebe uns glücklich machen kann. Dabei stellen geschlechtliche Konstellation und Körperhaltungen beim Geschlechtsakt meist das geringste Problem dar. Eher scheitert das Glück der Figuren an der Überwindung der eigenen Ängste der Vergangenheit und darin sind sie dann wahrlich individuell.

Shortbus besticht besonders durch seine Direktheit. Abgesehen davon, dass sein Regisseur damit prahlt, dass alle im Film gezeigten Orgasmen echt sind, versprüht der Film besonders in den zwischenmenschlichen Szenen einen überspringenden Funken von Natürlichkeit und Aufrichtigkeit wie man ihn im Kino nur selten zu spüren bekommt. Das mag unter anderem der Tatsache geschuldet sein, dass die Geschichte sowie die einzelnen Charaktere gemeinsam mit den Darstellern während einer ausgiebigen Probezeit entwickelt worden sind. Inspiriert von den Arbeitsweisen John Cassavetes’ und Mike Leighs wurde, die Struktur der Szene verinnerlicht, vor der Kamera vom fertigen Script weg improvisiert. Das Einzige, was Mitchell von den Mitwirkenden erwartete, war Offenheit gegenüber sich selbst. So haben folglich viele Figuren im Film Ähnlichkeiten mit ihren Darstellern. Ebenso mag die Zusammenstellung der einzelnen Darstellergruppen nach gegenseitiger sexueller Attraktion dazu beigetragen haben, dass das Geschehen auf der Leinwand zuweilen verstörend echt wirkt.

Shortbus

Bereits in seinem erfolgreichen Debütfilm Hedwig and the Angry Inch (2001) verknüpfte Mitchell die „reale“ Welt seiner Figuren mit einer phantastischen in Form von clipartig animierten Zeichnungen und gab seinem Film damit eine verspielte, angenehm naive Note. In Shortbus präsentiert er nun ganz New York aus Pappmaschee. Die Kamera fliegt schwerelos darüber und dringt in die einzelnen Fenster und das Leben ihrer Bewohner ein. Immer wieder nutzt Mitchell diese Totalsicht auf die Stadt, um die Vernetztheit ihrer Bewohner humorvoll zu illustrieren. Ein Stromausfall zum Schluss, durch den Film hinweg als Running Gag des Moments eines Gruppenorgasmus aufgebaut, ist dabei nur ein Beispiel, wie Shortbus trotz versponnener Story immer wieder auf die Wirklichkeit rekurriert. So lag Mitchell auch die gewählte Thematik aus realen Alltagserfahrungen her am Herzen: „Ich sehe auch ganz klar, wie die Angst vor Sex – bzw. einer substantiellen, engen Bindung – in unserer Kultur zum Unglücklichsein führt, zu unnötigen Konflikten und Gewalt.“ In Shortbus jedenfalls liefert er eine Alternative: Gemeinsam singend bei Kerzenschein und zärtlichen Liebkosungen endet diese liebestolle Sexkomödie auf eine etwas zu melodramatische Weise.

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Kommentare


PeterLash

Finde den Film klasse, kann ihn nur weiterempfehlen! Den offiziellen Trailer gibt es unter www.shortbus-film.de. Ein richtiger Film zum gut drauf sein, das gabs seit Vergiss Mein Nicht schon nicht mehr.


anonymus

Hatte große Erwartungen, weil das Thema "unerfüllte Sehnsüchte nach Liebe und Sex" ja einen Film wert ist, auch gerne tabulos. War aber sehr enttäuscht. Der Film ist nicht erotisch, er ist nicht witzig (eine Sextherapeutin, die keinen Orgasmus hat, wie orginell) und auch nicht anrührend. Jamie, der verzweifelt ist, filmt den Vorspann zu seinem Selbstmord, wozu auch immer. Wie soll da eine Stimmung aufgebaut werden.

Der Film ist also garnichts, eigentlich nur langweilig. Einziges Highlight: die Kamerafahrten über das NYC Modell mit tausenden Häuschen und Lämpchen. Zu wenig.


Keilstein

Frage an anonymus:

Welcher Art von Erwartungen hattest Du? Die Leistungen der Schauspieler, sich so nah an die Grenze der westlichen Kultur heranzuspielen möchte ich hier würdigen. Nach hundert Jahren Freud sind wir immer noch am Anfang: Abwehr und Verdrängung.


anonymus

Dank an Keilstein für die Frage. Ich versuche zwei Vergleiche zu Shortbus - Thema Sexualität und unerfülltes Verlangen.

"Brokeback Mountain" ist großes Kino mit herausragenden Schauspielern. Der Film hat viel für die Homosexualität erreicht und das konservative Amerika des George W. Bush haßt ihn. Er war emotional stark. Shortbus kombiniert das alte "Tutten-Kino" mit den Verzweiflungen des James und das funktioniert nicht (nicht witzig und nicht anrührend), denke ich.

Wer noch die "Flambierte Frau" (Gudrun Landgrebe als Domina) kennt, weiß daß man ansehnliche Erotik mit Nachdenklichkeit kombinieren, sogar ein wenig Spannung erzeugen kann. Akteure in der Sexbranche, die verzweifelt nach Liebe suchen. Eigentlich das Thema von Shortbus, aber eben "konventionell" behandelt. Die political correctness würde diesen Film heute als voyeuristisch geißeln und in der Kritik zerreißen.

Wird aber ein Film wie Shortbus schon dadurch interessant, daß er ein wenig schrill und vulgär ist? Wenn auf der Kinoleinwand - ganz unerotisch - in die eigene Badewanne gepinkelt wird?

Offensichtlich ja, wenn man den vielen begeisterten Kritikern glauben darf. Da möchte ich doch ein vorsichtiges Fragezeichen setzen, mehr nicht. Zu viel Über-Ich (Freud)?


anahita

Ist Shortbus als Pornofilm gedacht ?
Dann ist der Film total misslungen, weil der Film eigentlich keine Lust auf Sex machen konnte. Shortbus ist ein völlig unerotischer Film.

Ist Shortbus als Provokation gedacht ?
Dann ist es eine billige und oberflächlige Provokation, da die Darsteller unter beschissenen Bedingungen Sex darstellen mußten.

Es ist mir unveständlich, wie so ein schwacher Film von der Filmkritik so positiv bewertet und hoffähig gemacht wurde. Das ist ein Trauerspiel für die Presse.






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