Die Geschichte – so wie sie in der Schule gelehrt wird – gleicht einer Aufzählung der Heldentaten von weißen Männern. Frauen kommen darin meist nur als Fußnote vor. Nicht anders erging es People of Color, queeren Menschen oder Angehörigen anderer Religionen als des Christentums. Ihnen allen wurde die Anerkennung für ihre Leistungen meist ebenso verwehrt wie politische Teilhabe. Folglich ist unser Geschichtsbild verzerrt: Wir glauben, es hätte eben vor allem weiße Männer Großes geleistet.

Die Historikerin und Journalistin Leonie Schöler hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese verzerrte Wahrnehmung ein Stück weit zu korrigieren. Sie interessiert sich vor allem für die Biografien von Frauen, die in den letzten 200 Jahren große Durchbrüche in der Wissenschaft, Kunst oder Politik erzielten. Frauen, deren Namen aber heute so gut wie vergessen sind – weil sie meist schon zu Lebzeiten kaum wahrgenommen wurden. Häufig kennen wir sie allenfalls noch als Muse, Ehefrau oder Mitarbeiterin eines männlichen „Genies“. Ihre Arbeit wurde mal nicht beachtet, mal dem Werk ihrer Ehemänner, Geliebten oder Kollegen zugeordnet.

Beklaute Frauen

Ob Albert Einstein, Karl Marx, Walter Gropius oder Pablo Picasso – viele berühmte Männer der jüngeren Geschichte nutzen die Ideen von Frauen und verkauften sie als ihre eigene. Nur ein Beispiel: Das Mastermind hinter der „Dreigroschenoper“ heißt nicht Bertolt Brecht, sondern Elisabeth Hauptmann. Nie gehört?

Dabei machte sie Brecht auf die britische Vorlage aufmerksam, übersetzte sie und entwickelte gemeinsam mit ihm die Manuskripte bis zur finalen Fassung. Heute gehen Forschende davon aus, dass Brechts berühmtestes Stück wohl zum größten Teil ihr Werk ist. Mehr über diese bemerkenswerte Frau, die nach Brechts Tod seine Werke herausgab und ihm damit auch posthum noch zu Ruhm verhalf, erfährst du in Sabine Kebirs Buch „Ich fragte nicht nach meinem Anteil: Elisabeth Hauptmanns Arbeit mit Bertolt Brecht“. Hauptmanns eigene Texte wurden 1977 unter dem Namen „Julia ohne Romeo“ herausgegeben und sind nur noch antiquarisch erhältlich.

Leonie Schöler hat einen echten Augenöffner geschrieben – mit Herzblut, Kompetenz und einer gehörigen Portion gerechten Zorns. Dabei verdeutlicht die Autorin immer wieder, wie wichtig die Diskussion um Teilhabe und Sichtbarkeit ist – und wie sehr sexistische, aber auch rassistische, ableistische und andere diskriminierende Denkmuster der Mehrheit der Menschheit noch immer Steine in den Weg legen. Anhören macht wütend. Vor allem aber macht es klüger. Wer Lust hat, einige der im Buch vorgestellten Frauen noch besser kennenzulernen, findet hier ihre Biografien.

„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt; vor allen anderen steht ein System, das sie aufhält.“
(Leonie Schöler)

Biografien brillanter Wissenschaftlerinnen

Gerade in den Naturwissenschaften hatten – und haben – Frauen einen schweren Stand. Die hier vorgestellten Pionierinnen stehen beispielhaft für viele weitere Frauen, die zur Assistentin degradiert wurden, deren Forschungsergebnisse ignoriert oder gestohlen wurden und die darüber hinaus oft auch persönlich angefeindet wurden.

Rosalind Franklin

Rosalind Franklin entwickelte 1952 ein Verfahren, mit dem ihr das bis dahin beste Röntgenbild menschlicher DNA gelang. Auf Basis dieser Aufnahme folgerte sie, dass die DNA die Struktur einer Helix haben müsse. Doch ihre Erkenntnisse wurden schlicht ignoriert – denn am Londoner King’s College, wo Franklin arbeitete, wurden Wissenschaftlerinnen von ihren männlichen Kollegen nicht als ebenbürtig akzeptiert.

Zwei junge Wissenschaftler an der Universität Cambridge, James Watson und Francis Crick, arbeiteten am selben Thema und erkannten den Wert von Franklins Arbeit. Sie duplizierten die Aufnahme der Helix ohne Franklins Wissen und nutzen weitere ihrer Aufzeichnungen für ihre eigene Forschung. Ein Vorgehen, das man nur als Diebstahl geistigen Eigentums bezeichnen kann.

1962 bekamen sie den Nobelpreis für ihr Modell der Doppelhelix verliehen. Beide leugneten, von der Arbeit Franklins etwas gewusst zu haben. Erst 1968 gestand Watson in einem Buch ein, Franklins Daten ohne deren Einverständnis übernommen zu haben.

Franklin konnte sich nicht wehren, denn sie war zu diesem Zeitpunkt bereits lange tot: Sie starb 1958 mit nur 37 an einer Krebserkrankung. Diese wurde wahrscheinlich durch die hohe Röntgenstrahlung ausgelöst, der sie während ihrer Forschung ausgesetzt war. Erst in den letzten Jahren bekommt Rosalind Franklin die Aufmerksamkeit, die ihr zweifellos schon zu Lebzeiten zugestanden hätte. Ihre Biografie liegt als Hörbuch bisher nur auf Englisch vor.

Frauen in der Wissenschaft: Erfinderinnen und Forscherinnen

Die Frau in der Wissenschaft

Die Österreicherin Lise Meitner war eine der ersten Frauen, die als Physikerin arbeitete, und hatte als erste Frau in Deutschland eine Professur für Physik inne. Mehr als 30 Jahre lang forschte und lehrte sie gemeinsam mit Otto Hahn auf dem Gebiet der Kernphysik und Radioaktivität. Gemeinsam mit Hahn und ihrem Neffen Otto Frisch entdeckte Lise Meitner 1939 die Kernspaltung.

Für diese Entdeckung bekam Otto Hahn 1945 den Nobelpreis verliehen – Meitner und Frisch gingen leer aus. Dabei war es Meitner gewesen, die die Experimente Otto Hahns korrekt als Kernspaltung interpretierte und die theoretische Beweisführung lieferte. „Sie hat das Wissen gehabt, Hahn hat nur die Versuche durchgeführt“, bemerkte etwa der Physiker und Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer 2008.

Lise Meitner bekam die höchste Auszeichnung für ihre Verdienste nie – obwohl sie insgesamt 49 Mal (!) sowohl für den Nobelpreis für Chemie als auch für den Physik-Nobelpreis nominiert war. Ihre Biografen David Rennert und Tanja Traxler vermuten in „Lise Meitner. Pionierin des Atomzeitalters“, dass dieses wiederholte Übergehen von Meitner einerseits mit ihrem Geschlecht zusammenhing. Andererseits aber auch damit, dass der Physiker und Vorsitzende des Nobel-Komitees Manne Siegbahn sie als Konkurrentin empfand.

In diesen Tonaufnahmen reflektiert Lise Meitner selbst über ihren Werdegang. Ein spannendes Audiodokument über eine bemerkenswerte Frau und überzeugte Pazifistin, die alle Aufträge, am Bau einer Atombombe mitzuwirken, stets entschieden ablehnte.

Nobelpreisträger: Einblick in bahnbrechende Werke

„Muse von …“: Romanbiografien außergewöhnlicher Künstlerinnen

Diese Romanbiografien schildern das Schicksal außergewöhnlicher Frauen, die im Schatten berühmter Männer standen – und bis heute meist nur als „Muse von …“ bekannt sind.

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe

Dora Maar war eine französische Fotografin und Malerin. Berühmt ist sie aber vor allem als die bekannteste von Pablo Picassos zahlreichen Geliebten. Sie inspirierte ihn zu seinen ersten politischen Arbeiten, darunter sein berühmtes Antikriegs-Gemälde „Guernica“.

In den 1930er-Jahren war Dora Maar festes Mitglied der Pariser Surrealisten um André Breton, Man Ray und Brassaï. Ihre Fotografie eines Gürteltier-Embryos mit dem Namen „Portrait d’Ubu“ gilt als Symbol des Surrealismus. Doch Dora Maars Werk ist vielfältig: Die überzeugte Kommunistin machte auch politisch engagierte Aufnahme von sozialen Außenseitern und Obdachlosen in den Straßen der europäischen Metropolen.

Dennoch wurde Dora Maar lange Zeit nicht als eigenständige Künstlerin wahrgenommen und gewürdigt. Seit ihrem Tod im Jahr 1997 hat sich dies geändert. Nun widmen sich Ausstellungen und Bücher dem Werk der Künstlerin. Die Autorin Brigitte Benkemoun zeichnet ihr Leben und Schaffen in „Das Adressbuch der Dora Maar“ nach. Als Hörbuch ist das Buch nur auf Spanisch unter dem Namen „En busca de Dora Maar“ erhältlich.

Die Romanbiografie Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe zeigt Dora Maar zwar ebenfalls als „Geliebte von“, rückt sie dabei aber in den Mittelpunkt – und schildet, wie zwiespältig und problematisch die Beziehung zwischen Dora Maar und Pablo Picasso war. Nebenbei bietet diese unterhaltsame Romanbiografie spannende Einblicke in die Kunstszene und die politischen Verhältnisse der damaligen Zeit.

Zwischen Fakt und Fiktion: Die besten Romanbiografien

Die Rebellin

Lou Andreas-Salomé war Schriftstellerin, Essayistin und Psychoanalytikerin. Bekannt ist sie aber vor allem als Freundin und Muse berühmter Männer von Friedrich Nietzsche über Rainer Maria Rilke bis hin zu Sigmund Freund.

Während sie schon zu Lebzeiten durch ihre Persönlichkeit und ihren freien Lebensstil faszinierte, fand ihr Werk lange vergleichsweise wenig Beachtung. Dabei war sie eine der renommiertesten Autorinnen der Moderne um 1900. Sie schrieb Romane, Erzählungen, Essays, Theaterkritiken und Texte über Philosophie und Psychoanalyse. Ihre Beiträge zur Emanzipation der Frauen, der Reformpädagogik, den Anfängen von Soziologie und Psychoanalyse fanden in intellektuellen Kreisen große Beachtung. Doch nach ihrem Tod wurden ihre Arbeiten schnell vergessen. Der Großteil ihres Werkes wurde erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesichtet und herausgegeben.

In der Romanbiografie Die Rebellin setzt Thérèse Lambert den Fokus auf die Beziehung zwischen Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé. Als die beiden sich treffen, ist er gerade einmal 21 Jahre alt – sie ist bereits 36. Beide verlieben sich leidenschaftlich. Doch der Dichter ist psychisch labil und engt die selbstbewusste und freiheitsliebende Lou zunehmend ein. Was diese sich nicht lange gefallen lässt.

Muse? Künstlerin! Starke Frauen in Kunst und Kultur

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Übersehene Genies: Biografien von Frauen

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