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Sergio Mattarella als Staatspräsident wiedergewählt – Ein Drama in acht Akten

Er wollte aufhören, hat sich aber von einer zweiten Amtszeit überzeugen lassen: Sergio Mattarella Er wollte aufhören, hat sich aber von einer zweiten Amtszeit überzeugen lassen: Sergio Mattarella
Er wollte aufhören, hat sich aber von einer zweiten Amtszeit überzeugen lassen: Sergio Mattarella
Quelle: AP/Andrew Medichini
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Am Ende eines unwürdigen, fünf Tage dauernden Wahldramas ist der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella im Amt bestätigt worden. Dabei wollte er gar nicht weitermachen. Kurzfristig bedeutet die Wiederwahl Stabilität. Langfristig sind die Aussichten für das Land aber düster.

Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella hat in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit verstreichen lassen, zu betonen, dass er auf keinen Fall wiedergewählt werden möchte: Bei öffentlichen Anlässen sprach er über das Ende seines Mandats und darüber, dass die Verfassung nur eine siebenjährige Amtszeit vorsieht.

Als die Debatte über seine Wiederwahl trotzdem nicht verstummte, tauchte im Oktober ein Foto von Mattarella in der römischen Wohnung auf, in der er nach seinem Auszug aus dem Präsidentenpalast leben wollte. Und schließlich twitterte Mattarellas Pressesprecher am vergangenen Wochenende ein Bild seiner „schweren Arbeit“: Das Foto zeigte vollgepackte Umzugskartons.

Sieben Tage später müssen Mattarella und seine Angestellten die Kartons nun wieder auspacken, denn der 80-jährige amtierende Staatspräsident ist am Samstagabend im achten Wahlgang mit 759 von 1009 möglichen Stimmen wiedergewählt worden. Im Internet zirkulieren bereits Parodien, die Mattarella gefesselt auf seinem Präsidentenstuhl zeigen.

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Auf diesen Bildern sind seine Geiselnehmer nicht zu sehen. Doch allen ist klar, wer sie sind: die Regierungsparteien. Sie mussten nach einer Woche erfolgloser Wahlgänge zugeben, dass sie nicht in der Lage sind, sich auf einen neuen Staatspräsidenten zu einigen. Daher baten sie Mattarella, der über Parteigrenzen hinweg großen Konsens findet, für ein neues Mandat bereitzustehen.

Mattarella sagte schließlich zu: Er habe zwar andere Pläne gehabt, doch wenn er gebraucht werde, stehe er zu Verfügung. Wirklich geändert hat er seine Meinung über eine zweite Amtszeit wohl kaum. Vielmehr dürfte ihn das Wissen überzeugt haben, dass eine Absage die Parteien und damit die Regierung in eine Krise gestürzt hätte. Das wiederum hätte im Ausland nachhaltige Zweifel an der Stabilität von Italiens Politik hervorgerufen.

Denn die Wiederwahl von Mattarella zeigt glasklar, dass die Parteien, die derzeit die breite Regierungskoalition bilden, unfähig sind, sich zu einigen: Ihre Stimmen hätten zwar ausgereicht, um einen neuen Präsidenten zu wählen, doch niemand schlug einen konsensfähigen Kandidaten vor. Zu wichtig ist der Staatspräsident, der großen Einfluss auf das Parlament hat, als dass man den Erfolg seiner Wahl dem politischen Gegner überlassen könnte.

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Daher spielte sich in Rom seit Montag ein unwürdiges Wahldrama ab. Während die Corona-Pandemie wütet und die Krise in der Ukraine sich weiter entfaltet, war die Politik in Italien ausschließlich mit sich selbst beschäftigt: Die 1009 Wahlberechtigten nahmen an stundenlangen Abstimmungen teil, in deren Anschluss jede einzelne Stimme vor laufenden Kameras verlesen und gezählt wurde. Fahrt nahm die Wahl erst ab Donnerstag auf, weil ab dem vierten Wahlgang anstelle einer Zweidrittel- eine absolute Mehrheit ausreicht, um zu gewinnen.

Eine Blamage für Lega-Chef Matteo Salvini

Das Bündnis rechter Parteien scheiterte am Freitag mit seinem Vorschlag, die Forza-Italia-Politikerin und Präsidentin des Senats Maria Elisabetta Alberti Casellati zur ersten weiblichen Staatspräsidentin zu wählen. Die Niederlage wurde zur Blamage, weil bei der anonymen Wahl viele Parlamentarier die Linie ihrer Partei boykottierten und so die Schwäche der Parteivorsitzenden offenlegten – allen voran die von Lega-Chef Matteo Salvini. Und wie soll ein Anführer, der nicht mal seine Partei überzeugen kann, politische Gegner zu Kompromissen führen?

Doch auch die linken Parteien gaben ein schwaches Bild ab: Wiederholt wiesen die Chefs von Partito Democratico und Fünf-Sterne-Partei ihre Abgeordneten an, nicht an der Wahl teilzunehmen, damit niemand heimlich seine Stimme einem unliebsamen Anwärter geben konnte.

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Gleichzeitig blieben beide Parteien in der Deckung und schlugen keinen eigenen Kandidaten vor – um dann Mattarellas Wiederwahl als Sieg zu feiern. Wäre die Wiederwahl wirklich das Ziel und nicht nur eine Notlösung gewesen, hätten die Parteien sich bereits im ersten Wahlgang darauf eignen können. Führungsstärke sieht anders aus.

Nun ist es unumstritten, dass Mattarella, der einst christkonservativer Politiker und Richter am Verfassungsgericht war, seinen Job hervorragend gemacht hat: Als Staatspräsident hat er in stürmischen Zeiten die Wahrung der Verfassung garantiert und Italien nah an seinen EU-Bündnispartnern gehalten. Allein in der laufenden Legislaturperiode hat Mattarella drei Regierungswechsel begleitet und einen Minister – den Euroskeptiker Paolo Savona – verhindert.

Keine Partei konnte ihren Kandidaten durchsetzen

Unersetzlich ist er indes nicht: In Zeitungen und TV wurden valide Nachfolger präsentiert, doch keine Partei war stark genug, ihren Kandidaten durchzusetzen. Interessant war auch zu beobachten, dass der Mann, der vorher als Spitzenkandidat gehandelt worden war, plötzlich komplett von der Bildfläche verschwand: Mario Draghi, amtierender parteiloser Ministerpräsident, der Italien seit einem Jahr unerwartet erfolgreich regiert.

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Im Vorfeld der Wahl war zunehmend klar geworden, dass der parteilose Draghi nicht vom Ministerpräsidentenbüro in den Staatspräsidentenpalast umziehen kann, weil er das einzige Element ist, das die breite Koalition zusammenhält.

Wie diese Wahl gezeigt hat, sind die Regierungsparteien ohne ihn offenbar unfähig, Entscheidungen zu treffen. Wäre er Staatspräsident geworden, wären Neuwahlen höchstwahrscheinlich unumgänglich gewesen. Diese wiederum wollten die meisten Abgeordneten aber vermeiden – aus Angst, den Wiedereinzug ins Parlament zu verpassen.

Mit Mattarellas Wahl haben die Politiker sich eine Ruhepause im Status quo geschaffen, die jedoch nicht lange anhalten wird: 2023 stehen reguläre Parlamentswahlen an. Der Wahlkampf dafür wird also noch in diesem Jahr beginnen und die ohnehin schon uneinigen Regierungsparteien weiter auseinandertreiben. Ob diese Parteien mit ihren schwachen Anführern es dann schaffen werden, ohne Draghi eine stabile Koalition zu schmieden, dürfte zu bezweifeln sein – umso mehr nach diesem unwürdigen Wahldrama.

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