Das trostlose Leben des Sebastian Edathy
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Das trostlose Leben des Sebastian Edathy

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Sebastian Edathy will vorerst nicht nach Deutschland zurück. (Archivbild)
Sebastian Edathy will vorerst nicht nach Deutschland zurück. (Archivbild) © dpa

Juristisch ist Sebastian Edathy unschuldig, sein Leben liegt dennoch in Trümmern: Erstmals seit der Kinderporno-Affäre vor zwei Jahren hat der Ex-SPD-Politiker einen Einblick in sein Dasein im Exil gewährt.

Mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit Deutschland zuletzt von dem Politiker hörte, der damals wochenlang die Schlagzeilen bestimmte und sogar einen Bundesministerrücktritt auslöste: Keiner wusste, wo und wie Ex-SPD-Politiker Sebastian Edathy, der Anfang 2014 über einen Kinderpornografie-Verdacht stürzte, inzwischen lebt. Jetzt hat er einem Journalisten erstmals einen Einblick gewährt: Der Innenpolitik-Chef der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, besuchte Edathy in dessen selbstgewählten Exil im Ausland.

Seinen Aufenthaltsort hält der 46-jährige Edathy geheim, Prantl beschreibt ihn im SZ-Magazin vom Freitag als fensterloses Reihenhaus mit kargem „Ferienhaus-Ambiente“ am Rand einer arabischen Stadt, die auch von Touristen besucht werde und über Basare und Museen verfüge. Edathy zahle 400 Euro Miete und wohne dort allein mit seinem Hund und drei zugelaufenen Katzen. Er lebe ohne laufendes Einkommen von Ersparnissen und „ein paar hundert Euro im Monat“ von seiner Stiefmutter. Geld vom Staat steht ihm nicht mehr zu, Pension erst in 12 Jahren.

Den Tag verbringe er mit vergeblichen Versuchen, ein Buch über das eigene Schicksal zu schreiben. Oft komme er damit jedoch nicht weiter, fahre dann mit dem Moped herum, rauche viel; manchmal trinke er abends „viel zu viel“.

Im Dezember wolle er mit seinem Verlobten, einem Hotelmanager im Land seines Exils, eine eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland eingehen.

Im Gespräch mischten sich Selbstkritik und Selbstmitleid. Edathy beklagt seine soziale Ächtung, Perspektiv- und Ausweglosigkeit, spricht von Suizidgedanken, die er aber überwunden habe. Man habe ihn zerstören, „noch kleiner als ein Atom“ machen wollen. Dabei habe das Bundeskriminalamt jede einzelne Szene der Filme mit nackten Jugendlichen, die er über fünf Jahre gelegentlich bestellt habe, ausgewertet – und bei allem „keine Strafbarkeit“ festgestellt.

Jede Woche Morddrohungen

Zugleich räumt Edathy nun ein, sich zu spät zu seiner moralischen Schuld bekannt zu haben. Der Kauf der Filme sei „unnötig und falsch“ gewesen. Edathy spricht von „fehlgeleiteter Neugier“ und betont, er sei „eindeutig nicht pädophil“, habe „kein sexuelles Interesse an Minderjährigen“. Es könne jedoch mit „über längere Zeit nicht ausgelebter Sexualität zu tun haben“, so Edathy.

Womöglich sei er „strukturell generell ein Borderliner“, erklärte er. Schon als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag habe er sich ausgebrannt gefühlt und depressive Schübe gehabt.

Edathy verfolge noch immer, was in Deutschland über ihn geschrieben werde, ab und zu meldet er sich auf Facebook. Heimkehren wolle er, von Kurzbesuchen wie an Weihnachten, vorerst nicht – auch, weil er nach wie vor zwei bis drei Morddrohungen pro Woche über E-Mail und Soziale Medien erhalte. In krassen Fällen reagiere er mit Anzeigen, ein Ex-TV-Darsteller habe gerade 6000 Euro Strafe zahlen müssen.

Edathy war im Februar 2014 von allen Ämtern im Bundestag zurückgetreten, als die Staatsanwaltschaft bekannt gemacht hatte, dass der Politiker in Kanada Nacktbilder von Minderjährigen bezogen hatte. Er wurde wegen Besitzes kinderpornografischen Materials angeklagt, der Prozess aber im März 2015 gegen Zahlung von 5000 Euro Geldauflage eingestellt. Edathy ist damit juristisch unschuldig und nicht vorbestraft.

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