„Wo der Tod wohnt“ ist der dritte und bisher beste Film aus der neuen ZDF-Samstagskrimi-Reihe „Schwartz & Schwartz“. Weil sich eine leitende Kommissarin allein von den eigenen Vorurteilen und ihrer politischen Karriere leiten l�sst, haben die privat ermittelnden Br�der einen neuen Fall, den sie mit nicht immer legalen Mitteln l�sen. Ko-Autor Alexander Adolph hat diesmal auch Regie gef�hrt. Das Ergebnis: ein fein zwischen Spannung, Ironie und Alltag austarierter Krimi, der gro�e Laune macht. Dramaturgisch & filmisch stimmt so gut wie alles: die Story originell, die Narration klar, konzentriert und Charakter-gesteuert, die Dialoge knapp, informativ, mit lakonischem Witz verfeinert, aber nie gewollt pointiert, dazu eine Dramaturgie mit klug kombinierten Gegensatzpaaren (Bruder/Bruder, Detektei/Polizei, Moral/Populismus) – das alles ergibt Krimi-Unterhaltung f�r gehobene Anspr�che. Viele Szenen wird der Zuschauer nicht so schnell vergessen. Beispielsweise den Saugroboter, der zum Blutsauger mutiert. Und Striesow, Kunzendorf & Hobmeier sind zum Niederknien.
Foto: ZDF / Hardy SpitzSelbst wenn es paar auf die Nase gibt: Der Trickser Andi (Devid Striesow) ist nie um eine passende Antwort/Reaktion verlegen. Golo Euler als Ex-Polizist Mads Schwartz
„Was mir da entgegenschl�gt, ist das reine B�se. Es muss etwas passieren – schnell!“, hat die penible Clea Patrizia Gerbel (Katja Studt) in einem Tagebuch notiert. Es ist das Protokoll einer endlosen Reihe von Schikanen gegen ihre Person. Der, der ihr das Leben schwer machte, ist ihr Nachbar Marlon Ortlieb (Hendrik Arnst). Jetzt liegt sie tot in ihrer K�che. Herzstillstand nach schwerer Kopfverletzung, steht im Polizeibericht. Seine Tochter (Monika Oschek) hat Zweifel: fromm und lieb sei er, und er habe Angst, Menschen zu ber�hren; so einen Mord k�nne ihr Vater niemals begehen. Das k�nnte ein Fall f�r die Detektei Schwartz sein, denkt sich Kommissarin Iris Doppelbauer (Brigitte Hobmeier), nachdem ihre neue Chefin Karin Lichtness (Nina Kunzendorf) die Einw�nde der Tochter arrogant und selbstgef�llig abtut. Als Mads (Golo Euler) erf�hrt, dass Lichtness, seine ehemalige Ausbilderin, den Fall bearbeitet, ist er pl�tzlich Feuer & Flamme daf�r, die Verteidigung des in der �ffentlichkeit zur „Bestie“ gestempelten Ortlieb zu �bernehmen. Bei einem ersten n�chtlichen „Ortstermin“ zeigen sich bereits Ungereimtheiten. Ein Penisring l�sst darauf schlie�en, dass Gerbel am Tag der Tat M�nnerbesuch hatte. Und welch sonderbarer Zufall, dass Karin Lichtness bei der Toten gleich gegen�ber wohnt und mit ihr befreundet war – wie eine Reihe anderer Nachbarn, die sich regelm��ig zu einem Stammtisch trafen und sich darin einig waren: „der Irre“ weg muss.
Foto: ZDF / Hardy SpitzDie Gegenspielerin der Br�der Schwartz. Der Teamleiterin bei der Kripo, Karin Lichtness (Nina Kunzendorf), passt der mehr als verwirrte Nachbar als T�ter ins pers�nliche Konzept & politische Programm: Sie ist eine populistische Hardlinerin.
Dieser in der Tat verhaltensauff�llige Mann passt der Kommissarin gut ins Konzept. Auf ihrem privaten Internet-Kanal macht sie auf freundliche Polizistin, die um das Wohl der B�rger besorgt ist; in Wahrheit ist sie eine ehrgeizige Hardlinerin in Sachen Verbrechensbek�mpfung, die in die Politik will. Das Mordmotiv ist f�r sie eindeutig, die „Sachlage“ ihr aus eigener Vor-Erfahrung bekannt, den Rest �bernehmen ihre Vor-Urteile – weshalb da noch gro� ermitteln?! Und so bekommt das Detektiv-Duo „Schwartz & Schwartz“ seinen dritten Fall. Zu Beginn von „Wo der Tod wohnt“ sind die Br�der noch gezeichnet von den Ereignissen aus den vorhergehenden Episoden. Andi wirkt nach einer Gehirnblutung angeschlagen und vertreibt sich in der Spielhalle mit Hochprozentigem seine Zeit. Der unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassene Mads hat es auch nicht leicht: statt systemrelevant zu ermitteln, muss er sich mit Security-Jobs herumschlagen; und dann noch diese Kommissarin, der er nicht �ber den Weg traut und die ihn einst gedem�tigt hat. Pl�tzlich ist es wieder da, dieses „aus dir wird nie ein guter Polizist“. Selbst seine Frau Jasmin (Cornelia Gr�schel) mutiert zur Drama-Queen: „Lass es“, herrscht sie ihn an, mit einer wie Lichtness lege man sich nicht an, und sie zwingt Mads zu einem Versprechen, das er nicht halten kann.�
Foto: ZDF / Hardy SpitzAutor-Regisseur Alexander Adolph verzichtet bei den Charakteren auf simple moralische Zuordnungen. Weder mit Kunzendorfs Polizistin noch mit dem geistig verwirrten St�renfried und mutma�lichen M�rder Marlon Ortlieb (Hendrik Arnst) oder dessen vermeintlichem Opfer, dieser Clea Patrizia Gerbel (Katja Studt), m�chte man Bekanntschaft machen. Die Figuren werden nicht gegeneinander ausgespielt.
„Wo der Tod wohnt“ ist ein rundum begl�ckender Film: Story und Milieu originell, die Geschichte klar, konzentriert und Charakter-gesteuert, die Dialoge knapp und informativ, durchaus mit feinen ironischen Untert�nen, aber nie gewollt oder gar aufgesetzt pointiert. Dazu eine Dramaturgie mit klug kombinierten Gegensatzpaaren Bruder vs. Bruder, Detektei vs. Polizei, moralische vs. populistische Polizistin – das ergibt Krimi-Unterhaltung f�r gehobene Anspr�che. Das erste Pfund ist das durchg�ngige Quartett der Reihe: die Gebr�der Schwartz, Ehefrau Jasmin und „Spionin“ Iris Doppelbauer, Mads ehemalige Kollegin bei der Polizei. Hier kann jeder mit jedem, immer wieder wechseln die Zweierkonstellationen, und weil die Protagonisten in verschiedenen Systemen (Polizei, Privatermittlung, Familie) agieren, kann es immer wieder zu Rollen-Kollisionen kommen. Das d�rften �berlegungen gewesen sein, die sich die Erfinder der Reihe, Alexander Adolph & Eva Wehrum, bei der Entwicklung von „Schwartz & Schwartz“ gemacht haben. Der Krimi um die falsche „Bestie“ von nebenan, �berf�hrt nun die kluge Theorie in eine noch perfektere Praxis. In dieser dritten Episode, bei der Grimme-Preistr�ger Adolph auch erstmals bei der Reihe Regie gef�hrt hat, wirkt alles bis ins Detail wohl�berlegt. Harmonisch in die Handlung integrierte Flashbacks veranschaulichen das Vergangene: So gelangt der Polizeibericht per Telefon von der „Spionin“ zu Mads und mittels R�ckblende zum Zuschauer. Und wenn der Trickser-Bruder mit seiner Schw�gerin gemeinsame Sache macht, wird es besonders k�stlich: Da tischt Jasmin im Dresdner Platt & mit gespielter Naivit�t der b�rgernahen Kommissarin ein M�rchen auf, dass es eine wahre Freude ist. F�r Falschspiele solcher Art ist ansonsten der unsolide Bruder zust�ndig: Andi schl�pft gerne in fremde Rollen, gibt sich aus als Versicherungsvertreter, als Kommissar, und er zieht sich sogar einmal die Soutane eines Priesters �ber und verschafft sich so Zugang in die forensische Abteilung der JVA, um den mutma�lichen, sehr verwirrten T�ter zu befragen.
Foto: ZDF / Hardy SpitzEine der vielen k�stlichen Szenen. Einfallsreiche Informationsbeschaffung. Da muss auch schon mal unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen Mads' Ehefrau Jasmin (Cornelia Gr�schel) die s�chsische Naive geben. Das klingt so: "... weil Sie sagen, was wir denken, ohne dass Sie einen gleich in die Kiste packen von wegen Nazi oder so, blo� weil man als Deutscher, als Frau, ein bisschen mehr Sichheit will." Nicht nur Andi (Devid Striesow) ist begeistert: "Das vermeintliche Gew�hnliche, das Einf�ltige, das kein Mensch hinterfragt – das ist das Schwerste von der Welt. Und das bist du."
Das alles muss man auch spielen k�nnen! Das Ensemble der Reihe ist nicht nur hochkar�tig besetzt, sondern die Macher wissen auch mit dem speziellen K�nnen eines Devid Striesow, seiner unb�ndigen Lust am Spiel, oder einer Brigitte Hobmeier und ihrem Hang zur sch�n geheimnisvollen Reduktion etwas anzufangen. Und sie verstehen es auch, dass die Qualit�ten der zwar �u�erst erfahrenen, aber (innerhalb der Branche) noch nicht so hoch gesch�tzten Kollegen Golo Euler und Cornelia Gr�schel zum Tragen kommen:� Beide wirken sympathisch und nahbar, sind gut geeignet als Identifikationsfiguren; aber Euler trifft zudem ernsthaft-melancholische T�ne wunderbar, und Gr�schel, die in dieser Reihe und in ihrer durchaus ausbauf�higen Rolle wom�glich besser aufgehoben ist als im „Tatort“ als Kommissarin, besitzt gro�es kom�diantisches Talent. Mit allen vier Charakteren, die sich nicht wie in anderen Krimis hinter ihrer Dienstmarke verstecken k�nnen, fiebert man als Zuschauer in brenzligen Situationen st�ndig mit. In welches Fettn�pfchen wird Andi treten? Wird er sich um Kopf und Kragen reden? Fliegen die illegalen Aktionen auf? Veredelt wird die Besetzung diesmal noch durch die gro�artige Nina Kunzendorf: Bemerkenswert, dass ihre sich volksnah gebende, stets freundliche, immer zugewandte Kommissarin ihre „Rolle“ fast den gesamten Film lang durchh�lt. Nur, wenn sie ohne Vorwarnung auf die fl�chtenden Einbrecher-Br�der schie�t, zeigt sie ihr wahres Gesicht. Au�erdem legt Thomas Schmauser einen gro�artig ambivalenten, geradezu kultverd�chtigen Kurzauftritt in breitem Fr�nkisch hin.
Foto: ZDF / Hardy Spitz"Frauenpower gegen Bestien" als "Cheese"-Ersatz beim Pressefoto. Karin Lichtness (Nina Kunzendorf) versammelt Iris Doppelbauer (Brigitte Hobmeier) und weitere Kolleginnen f�r ihre Kampagne. Im Film strahlen alle au�er Hobmeiers Kommissarin
In Erinnerung bleiben aber auch szenische und filmische „Specials“. Grandios gleich der Beginn. In der ersten Einstellung sieht man einen Saugroboter, der sich flott �ber Teppichboden und Parkett auf den Weg macht. Zwischendurch nimmt die Kamera die Perspektive dieses kleinen Wirbelwinds ein: in Schwarzwei� und digital leicht verfremdet – so erkennt man zun�chst nicht die Sauerei, derer sich der treue Helfer der Hausfrau zu bem�chtigen versucht. Nach 50 Sekunden ist der Fall klar: Da liegt eine Tote – und dieser Saugroboter eignet sich nicht gut als Blutsauger. Nicht weniger originell der Rest dieser Szene: Der sensible Staubsauger will nicht mehr und sucht das Weite. Eine Nachbarin findet ihn auf der Stra�e – und schaut mal nach dem Rechten. Dazu „fliegt“ die Kamera in die Vogelperspektive und zeigt, wie die Frau um das Haus herum zum Terrasseneingang geht. Es folgt der zu erwartende Schrei. Sehr gelungen sind auch die beiden n�chtlichen Tatort-Begehungen: Beim ersten Mal bringt Andis Unp�sslichkeit die Aktion in Gefahr, beim zweiten Mal geraten die Br�der sogar in eine lebensbedohliche Lage. Das ist Hochspannung mit der Option zum Schmunzeln – und inszeniert ist das Ganze ebenso emotional wirkungsvoll wie atmosph�risch: Das konkrete Bedrohungsszenario l�st Adolph h�chst reizvoll in einer einmin�tigen Einstellung filmisch auf. Und auch der Kriminalfall verzichtet auf finale Knalleffekte. Alles bleibt dezent, zur�ckhaltend, ein bisschen ironisch – und eine bittere Wahrheit wird von Kunzendorf �berfreundlich weggel�chelt… Echt begl�ckend!
Foto: ZDF / Hardy SpitzDieses Foto macht sich gut – markant, klar, cool. Das passt schon auch ganz gut zu dieser Reihe, die sich anschickt, der beste ZDF-Samstagskrimi zu werden; doch das Bemerkenswerteste an dieser Reihe ist die Lakonie und leise Ironie, die sich ganz beil�ufig durch die vielen Klasse-Situationen zieht. Oft changieren die Szenen zwischen Spannung & Schmunzeln. Perfekt: Striesow als Tricker, Euler als der Nette
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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