Rente mit 72: FDP-Vorschlag empört Koalitionspartner
  1. ruhr24
  2. Politik

Rente mit 72: FDP-Vorschlag empört Koalitionspartner

Saskia Esken (SPD) und Christian Dürr (FDP).
Beim Thema Rente mit 72 sind Saskia Esken (SPD) und Christian Dürr (FDP) kontroverser Ansicht. © Political-Moments/Imago, Political-Moments/Imago, Gottfried Czepluch/Imago; Collage: RUHR24

Mit 72 in Rente gehen: Bei dem kontroversen Thema des Renteneintrittsalters geraten FDP, SPD und der Deutsche Gewerkschaftsbund aneinander.

Berlin – Die Frage nach dem Renteneintrittsalter treibt die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland um. Dabei werden die Stimmen aus Politik und Wirtschaft immer lauter, die einen späteren Rentenbeginn fordern. Eine Äußerung aus den Reihen der FDP löst jedoch deutlichen Widerstand aus.

Rente mit 72: FDP-Vorschlag empört Koalitionspartner

Kurz vor der wichtigen Beratung ihres neuen Rentenpakets steht die Bundesregierung vor grundlegenden Fragen zur Zukunft der Rente. Diskutiert wird, ob Anreize geschaffen werden sollen, damit Menschen bis zu einem Alter von 72 Jahren arbeiten. Zudem wird überlegt, ob armutsgefährdete Rentner durch höhere Zuschüsse besser unterstützt werden sollen.

In diesem Kontext hat der Fraktionschef der FDP, Christian Dürr, mit seinen Äußerungen für Aufsehen gesorgt. Er sprach sich im Bild-Talk dafür aus, dass im Zuge der Rentenreform auch eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters beschlossen werden sollte, sodass Menschen freiwillig länger arbeiten können.

Rente mit 72: FDP-Vorschlag stößt auf Gegenwehr von SPD-Chefin Esken

Die Vorschläge von Dürr lösten prompt Kritik aus, unter anderem von SPD-Chefin Saskia Esken und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Esken brachte zudem eine mögliche Ausweitung der vor drei Jahren eingeführten Grundrente ins Gespräch, um ärmeren Rentnern und Rentnerinnen stärker unter die Arme zu greifen.

Dürr betonte, dass das Modell Schweden mit seinem flexiblen Rentenalter als Vorbild dienen könnte. Dort kann die Altersrente frühestens ab dem Monat beantragt werden, in dem man 63 Jahre alt wird. Auf die Nachfrage, ob er die Menschen ermuntern wolle, auch noch mit 72 oder 73 zu arbeiten, sagte Dürr: „Warum sollte ich jemandem verbieten, mit 70 oder 72 zu arbeiten?“

Rente mit 72: SPD-Chefin sieht mangelnden Respekt gegenüber Rentnern

Die Reaktionen die Vorschläge sind geteilt. Dürr selbst betont, es sei altersdiskriminierend, Menschen nicht weiterarbeiten zu lassen. Saskia Esken attestiert hingegen „mangelnden Respekt denen gegenüber, die sich krumm gemacht haben“ sowie die Verbreitung halbgarer oder ganz falscher Informationen. Schließlich gibt es keinen Zwang, die Rente zu beantragen, da die Altersgrenze nicht starr ist.

„Rente gibt es nur auf Antrag und niemand wird gezwungen, eine Rente zu beantragen“, ergänzt die SPD-Vorsitzende. Für jeden Monat, den man über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, erhöht sich die spätere Rente um 0,5 Prozent.

Rente mit 72 sorgt für Debatte: Rentner haben das Recht, nicht weiterarbeiten zu müssen

Weiter betont Esken: „Auch wer eine gesetzliche Rente bereits in Anspruch nimmt, kann zusätzlich weiterarbeiten, und zwar mit unbegrenztem Verdienst, da wir die bisherigen Hinzuverdienstgrenzen aufgehoben haben.“ Arbeitnehmer sollten nach jahrzehntelanger Arbeit das Recht haben, nicht weiterarbeiten zu müssen. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters werde demzufolge mit der SPD nicht geben.

RUHR24 bei Google News folgen:

Ihr wollt die wichtigsten News des Tages nicht mehr verpassen? Dann folgt RUHR24 bei Google News.

Kritik am Vorschlag Dürrs kommt auch von DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel, die seine Ideen als „Geisterdebatten“ abtut, die wenig mit der Arbeits- und Lebensrealität der meisten Beschäftigten zu tun hätten. „Auch der immer wieder kehrende Hinweis auf Schweden hört sich an wie ‚Oh wie schön ist Bullerbü‘“, so die Gewerkschafterin. Viele Menschen könnten nicht länger arbeiten oder hätten schlicht zu miese Arbeitsbedingungen.

Rente mit 72: 15 Millionen Menschen erhalten zu geringe Rente, um Steuern zu zahlen

Eine positive Nachricht gibt es jedoch für einige Rentnerinnen und Rentner in Deutschland. Durch die Erhöhung des Grundfreibetrags müssen rund 244.000 Rentner dieses Jahr keine Steuern zahlen. Der Grundfreibetrag ist der Teil des Einkommens, bis zu dem keine Steuer entrichtet werden muss, und wurde zum Jahreswechsel um 696 Euro auf 11.604 Euro angehoben. Allerdings werden durch die Rentenerhöhung im Juli etwa 114.000 weitere Rentner steuerpflichtig.

Insgesamt sind 6,3 Millionen der rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland steuerpflichtig. Trotz dieser Veränderungen hebt Esken im Umkehrschluss hervor, dass rund 15 Millionen Rentnerinnen und Rentner so wenig Rente bekämen, dass sie darauf keine Steuern zahlen müssten. Die SPD-Chefin sieht dies als starkes Argument, das Rentenniveau auch über 2025 hinaus stabil zu halten und spricht sich für eine Ausweitung der Grundrente aus, um die finanzielle Situation von Menschen mit geringen Renten zu verbessern.

Auch interessant