RKI-Files: "Impfzertifikat soll Erfassung von Spätfolgen ermöglichen"
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Geheime Corona-Unterlagen

RKI-Files: „Impfzertifikat soll auch Erfassung von Spätfolgen ermöglichen“

Berlin / Lesedauer: 4 min

Die Frage nach Spätfolgen einer Corona-Impfung wurde als Schwurbelei abgetan. Laut RKI-Protokolle waren mögliche Spätfolgen ein Grund für die Einführung der Impfzertifikate.
Veröffentlicht:27.03.2024, 10:27

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Die von dem Journalisten Paul Schreyer freigeklagten RKI-Protokolle aus der Corona-Zeit schlagen immer höhere Wellen. Nach dem Nordkurier berichtet nun auch das ZDF und spricht von „brisanten Corona-Protokollen des RKI“ und möglicher „politischer Sprengkraft“. Unterdessen tauchen beim genaueren Blick in die Dokumente immer weitere Belege dafür auf, dass viele Erkenntnisse und Einschätzungen Experten des Robert Koch-Instituts der Öffentlichkeit von Seiten der Politik verschwiegen wurden. Oder sogar das Gegenteil als „wissenschaftlicher Konsens“ medial verbreitet wurde. So etwa beim Thema möglicher Spätfolgen nach einer Corona-Impfung. 

Anlass war eine Diskussion darüber, ob das RKI bei seiner Haltung bleibe, keine Ausnahmen von den Corona-Regeln für Geimpfte und Genesene zu machen. Ausnahmen seien „fachlich nicht begründbar“, ist im Protokoll des RKI-Krisenstabs vom 5. März 2021 vermerkt.

„Impfnachweis soll nicht Grundlage für Kategorien und Vorrechte sein“

Weiter heißt in Zusammenhang mit den Impfstoffen: „Das Impfzertifikat soll die Erfassung von Impfwirkung, Spätfolgen etc. ermöglichen, nicht Grundlage für Kategorien und Vorrechte sein.“ Zudem wird in dem Protokoll auf die Weltgesundheitsorganisation WHO verwiesen: „WHO befürwortet die Zertifikate nicht“. Begründet werde die Ablehnung laut RKI unter anderem damit: „Ethische Gründe (Diskriminierung).“

Aus dem RKI-Protokoll vom 05.03.2021.
Aus dem RKI-Protokoll vom 05.03.2021. (Foto: RKI/ Screenshot)

Trotzdem wurden die sogenannten 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) im September 2021 in den Katalog der „besonderen Schutzmaßnahmen“ aufgenommen, mit der 2G-Regel (geimpft, genesene) wurden Ungeimpfte aus weiten Teilen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen.

Besonders brisant ist zudem der explizite Verweis darauf, dass das Impfzertifikat der „Erfassung von Spätfolgen“ dienen sollte - denn diese Gefahr gab es offiziell nicht.

So sagte etwa Klaus Cichutek, Chef des Paul-Ehrlich-Instituts PEI im Januar 2022: „In der Regel haben die Impfstoffe keine unerwünschten Langzeitfolgen, die im ursächlichen Zusammenhang mit den Impfungen stehen. Häufig meinen besorgte Bürgerinnen und Bürger mit Langzeitfolgen Nebenwirkungen, die erst spät auftreten. Diese Sorgen sind unberechtigt.“

Paul Ehrlich Institut: "Keine Langzeitfolgen von Impfungen"

Klaus Cichutek vom Paul Ehrlich Institut.
Klaus Cichutek vom Paul Ehrlich Institut. (Foto: Screenshit PEI)

Ethikrat-Chefin: „Diese Form von Langzeitwirkungen gibt es nicht“

Ethikrat-Chefin Alena Buyx sagte am 27. Mai 2021 in einem Interview mit der Zeit: „Langzeitfolgen – also in dem Sinne, dass Monate oder Jahre nach einer Impfung noch irgendetwas ganz Unerwartetes auftaucht – sind bei den heutigen Impfstoffen nach allem, was man weiß, ausgesprochen unwahrscheinlich.“ So habe etwa die Virologin Sandra Ciesek  „im NDR-Corona-Podcast sehr gut erklärt: Wenn es schwere Nebenwirkungen bei früheren Impfungen gab, tauchten die schon in den Studienphasen oder recht bald nach der Zulassung auf.“

Als Fußball-Profi und FC Bayern-Spieler Josua Kimmich im Oktober 2021 erklärte, er habe mit Blick auf die Corona-Impfung „persönlich noch ein paar Bedenken, gerade was fehlende Langzeitstudien angeht“, begann ein medialer Shitstorm gegen den Sportler. So sagte Alena Buyx der dpa am 25. Oktober 2021 etwa, es sei wünschenswert, wenn sich Kimmich noch mal beraten lasse und „sich dann auch zur Impfung entscheidet.“ Buyx sagt weiter: „Es kommt jetzt darauf an, gut aufzuklären, dass es diese Form von Langzeitwirkungen nicht gibt.“

Alena Buyx
Alena Buyx (Foto: Screenshot Sky)

„Langzeitfolgen gibt es nicht, hat es noch nie gegeben“

Und in der Bild-Zeitung hieß es am 25. Oktober 2021 wörtlich: „Wissenschaftlicher Konsens ist das, was Carsten Watzl (49), Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, so formuliert: ‚Was offensichtlich viele Menschen unter Langzeitfolgen verstehen, nämlich dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten.‛“

Screenshot des Stern-Artikels
Screenshot des Stern-Artikels (Foto: )

Das Magazin „Stern“ erklärte seinen Lesern am 25. Oktober 2021 ebenfalls, dass die Bedenken von Kimmich ein „hartnäckiges Missverständnis“ und zudem ein Argument seien, das immer wieder von „Impf-Skeptikern“ bemüht werde. Titel des Beitrags: „Nach Kimmich-Aussagen: Immunologe erklärt, warum es Impf-Langzeitfolgen gar nicht gibt.“

„Update zur Impfung“ in RKI-Files komplett geschwärzt

Im RKI-Krisenstab wurde das aber offensichtlich anders gesehen, da die Impfzertifikate hier zur „Erfassung von Impfwirkung und Spätfolgen“ genutzt werden sollten - und explizit nicht zum Ausschluss Ungeimpfter. Wer letztlich entschied, dass entgegen dieser Meinung mögliche Spätfolgen in der Öffentlichkeit wenig später als nahezu unmöglich und zur Schwurbel-Theorie erklärt wurden und weshalb 3G und 2G monatelang das Leben von Abermillionen von Deutschen bestimmte, ist noch unbekannt. Die Antworten auf diese Fragen wurde in den freigeklagten RKI-Protokollen geschwärzt.

Besonders beim Thema Impfung weist vieles darauf hin, dass im RKI hier Dinge besprochen wurden, die man vor der Öffentlichkeit geheim halten wollte - und auch weiterhin geheim halten will. Im Protokoll vom 19. März 2021, also nur zwei Wochen nach dem expliziten Hinweis auf die Erfassung möglicher Spätfolgen, wird ein sogenanntes „Update Impfung“ zusammengefasst. Es ist komplett geschwärzt.

Das "Update Impfung" vom 19. März 2021 ist komplett geschwärzt.
Das "Update Impfung" vom 19. März 2021 ist komplett geschwärzt. (Foto: RKI/ Screenshot)

Auch hiergegen hat Paul Schreyer, der bereits die Freigabe der geschwärzten Protokolle durchboxte, geklagt. Er will erreichen, dass auch die geschwärzten Stellen in den RKI-Files freigegeben werden. Nächster Gerichtstermin hierzu ist am 6. Mai 2024 in Berlin.

Der Nordkurier hat in den vergangenen Tagen damit begonnen, die rund 2500 Seiten der von Multipolar freigeklagten RKI-Files sorgfältig zu lesen, Zusammenhänge herzustellen und relevante Details näher zu beleuchten. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir über die Ergebnisse und Inhalte zu Themengebieten wie etwa Maskenpflicht, Impfungen, Ausgangssperren und die auch beim RKI intern geführte Diskussion über den richtigen Umgang mit Kindern und Jugendlichen in der Corona-Zeit ausführlich berichten.

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