Rumpelstilzchen

Es war einmal ein Mädchen, das die Tochter eines armen Müllers war. Zufällig traf der Müller den König und vor lauter Verzweiflung sagte er zu ihm: „Meine Tochter kann Stroh zu Gold spinnen.“ Der König dachte: „Eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht mehr.“ Und sprach zur ihr: „Wenn du so geschickt bist, wie dein Vater sagt, dann komme mit auf mein Schloß, dort möchte ich dich auf die Probe stellen.“

Das Mädchen folgte ihm und der König führte sie in eine Kammer, die gefüllt war mit Stroh, gab ihr ein Spinnrad und sagte: „Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du morgen früh dieses Stroh zu Gold versponnen hast, sollst du meine Gemahlin werden. Gelingt es dir aber nicht, so wird dein Vater für seine Lüge in den Kerker gesperrt werden.“ Darauf schloß er die Kammer ab, und ließ sie allein zurück.

Da saß das arme Mädchen und wußte keinen Rat. Sie wusste nicht, wie man Stroh zu Gold spinnen konnte und ihre Angst wurde immer größer, dass sie zu weinen anfing. Da öffnete sich die Tür wie von Zauberhand und ein kleines Männchen trat herein. Es sprach: „Guten Abend, warum weinst du?“ „Ach,“ antwortete sie, „ich soll Stroh zu Gold spinnen, aber ich weiß nicht wie.“ Das Männchen antwortete: „Was gibst du mir, wenn ich es tue?“ „Ich habe nichts, was ich dir geben könnte.“ antwortete das Mädchen. „So versprich mir, wenn du Königin wirst, dann gibst du mir dein erstes Kind.“ „Das wird wohl kaum geschehen“ dachte das Mädchen und versprach dem Männchen was es verlangte. Dieses spann ihr daraufhin aber tatsächlich alles Stroh zu Gold.

Als am Morgen der König kam und alles fand wie gewünscht, so heiratete er das Mädchen. Damit wurde sie zur Königin.

Nach einem Jahr brachte sie ein Kind zur Welt und hatte das Männchen ganz vergessen. Doch es trat es plötzlich in ihre Kammer und sprach: „Nun gib mir, was du versprochen hast.“ Die Königin erschrak und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreichs, wenn es ihr nur das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach: „Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.“ Da fing die Königin so zu weinen an, dass das Männchen Mitleid mit ihr bekam: „Zwei Tage will ich dir Zeit lassen,“ sprach er, „wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“

Sie hatte beim besten Willen keinen Einfall, wie das Männchen heißen sollte und folgte ihm unbemerkt bis an einen hohen Berg hinter einer Waldecke, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Dort war auch ein kleines Haus und vor dem Haus entzündete das Männchen ein Feuer. Es sprang um das Feuer herum, hüpfte auf einem Bein und schrie:

„Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hole ich der Königin ihr Kind; ach, wie gut ist dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“

Ihr könnt euch bestimmt vorstellen wie froh die Königin war, als sie den Namen hörte, und als bald danach das Männlein im Schloss erschien und fragte: „Nun, Frau Königin, wie heiß ich?“ fragte sie erst: „Heisst du Kunz?“ „Nein, so heiß ich nicht.“ „Heißt du Heinz?“ „Nein, so heiß ich nicht.“ „Heißt du etwa Rumpelstilzchen?“

„Das hat dir der Teufel gesagt!“ schrie das Männlein und riß sich selbst entzwei.