Scharping: „Sehr wahrscheinlich, dass ich nicht mehr antrete“
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Scharping: „Sehr wahrscheinlich, dass ich nicht mehr antrete“

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Tritt 2025 wohl nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl des BDR an: Rudolf Scharping.
Tritt 2025 wohl nicht mehr bei der Präsidentschaftswahl des BDR an: Rudolf Scharping. © IMAGO/Hartenfelser

Was Rudolf Scharping von den Olympischen Spielen in Paris erwartet, von den behördlichen Auflagen für deutsche Rennveranstalter hält und wie er seine Zukunft als BDR-Präsident sieht

Herr Scharping, Sie sind 2005 ins Amt gekommen und nun fast 20 Jahre BDR-Präsident. Das hätten Sie sich damals wohl nicht träumen lassen, oder?

Nein. Das war auch nicht der Plan. Aber es war schön und ist es immer noch.

Auch wenn der Radsport nicht immer schöne Zeiten erlebt hat?

Es gab große Erfolge, interessante Entwicklungen, viele gute menschliche Erfahrungen und mindestens zwei große Krisen – nämlich Doping und Corona. Das waren existenzbedrohende Krisen.

Existenzbedrohend für welchen Bereich?

Für den Radsport insgesamt. Doping hat die mediale Aufmerksamkeit für den Radsport dramatisch verändert und enormen wirtschaftlichen Schaden angerichtet, Veranstaltungen ruiniert. Ebenso Covid.

Haben Sie das Gefühl, es ist alles überstanden?

Wir haben es gut überstanden. Der Radsport in Deutschland ist sehr erfolgreich und gleichzeitig wirtschaftlich und organisatorisch stabil. Bei den Mitgliederzahlen sind wir von deutlich unter 125 000 im Jahr 2005 auf jetzt mehr als 150 000 gewachsen. Das ist herausragend, vor allem dank der Vereine. Und der Radsport hat starke Partner, Unternehmen ebenso wie dank öffentlicher Förderung. Trotzdem dürfen wir uns nicht zurücklehnen. Wir müssen jünger, weiblicher und digitaler werden.

Bei den Olympischen Spielen in Paris werden Sie selbst vor Ort sein. Sonst sind Sie im Ausland eher selten für den BDR unterwegs.

Stimmt. Ich denke, gerade im Ausland kommt es mehr darauf an, dass ein guter Trainer oder Techniker anwesend ist. In Deutschland selbst bin ich unverändert sehr gerne vor Ort, egal ob bei einem Klassiker oder einem Nachwuchsrennen.

Entsprechend werden Sie am 1. Mai auch bei Eschborn-Frankfurt vor Ort sein? Quasi vor der Haustüre ...

Ja, klar.

Wie sehen Sie die Entwicklung des deutschen Radklassikers?

… der ja auch in mehrerer Hinsicht bedroht war und jetzt dank des Engagements der neuen Eigentümer ein stabiles Rennen ist. Aber wenn ich in Deutschland auf die Gesamtheit der Veranstaltungen schaue, da fehlt es. Da muss man sehr intensiv weiterreden mit den Ministerien, mit Behörden und den Gemeinden. Die behördlichen Auflagen, die Genehmigungsgebühren, die Kosten: Das sprengt alles, was ein vernünftiger Kopf versteht. Es sprengt vor allem die finanzielle Leistungsfähigkeit der meisten Veranstalter. Dem organisierten Sport und seiner integrativen Kraft würde es besser bekommen, wenn man nicht immer neue bürokratische Hürden aufbaut. Im Gegenteil, man sollte das erleichtern.

Da dürften doch eigentlich Ihre guten Kontakte in die Politik helfen. Versuchen Sie Einfluss zu nehmen?

Natürlich – und das sind sehr dicke Bretter.

Bei den Olympischen Spielen in Paris werden im Radsport erneut Medaillen in 22 Disziplinen vergeben. Ist schon abzusehen, inwieweit Deutschland vertreten sein wird?

Wir werden uns vermutlich in etwa 85 Prozent der Disziplinen qualifizieren. Damit sind wir in der Spitze im deutschen Sport.

2021 in Tokio gewannen die deutschen Radsportler zwei Medaillen, Gold und Silber. Wie sieht die Zielsetzung für Paris aus?

Das ist jetzt noch völlig offen. Wir wollen, wenn irgendwie möglich, aber erfolgreicher sein als in Tokio.

Sie sagten , der BDR müsse jünger, weiblicher und digitaler werden. Wie sehen Sie selbst Ihre Zukunft?

Man kann nicht davon reden und sich selber ausnehmen.

Heißt das, Sie werden bei der nächsten Wahl des BDR-Präsidenten 2025 nicht mehr antreten?

Das ist sehr wahrscheinlich.

Was ist denn Ihre größte Sorge, die Sie derzeit umtreibt?

Die soziale und wirtschaftliche Situation der Leute, die wir dringend brauchen: Trainer und andere. Der Bundesrepublik Deutschland kommen leider, nicht nur im Radsport, sehr viele erfahrene und gute Trainer abhanden.

Aus finanziellen Gründen?

Ja, auch. Ein Beispiel: Wenn Trainer sich melden und sagen, ich habe eine Familie gegründet, möchte mir eine Wohnung kaufen und die Banken sagen dann: Du hast einen Zeitvertrag, es tut uns herzlich leid, das wird teuer. Dann finde ich das nicht okay. International werden Trainer anders bezahlt, zum Beispiel in Großbritannien, Dänemark, Niederlande oder anderen Nationen. Die ganze arbeitsrechtliche Situation ist unbefriedigend geregelt und muss dringend geändert werden, damit wir international wettbewerbsfähiger bleiben. Wir geben zu viel Geld aus für Dinge, die eher der Bürokratie und Verwaltung dienen und nicht so sehr dem Sport und seiner Leistungsfähigkeit.

Sie meinen vermutlich auch die hohen Auflagen an die Veranstalter von Rennen?

Vor einigen Jahren hätte es gereicht, ein Flatterband anzubringen, wenn irgendwo ein Feldweg oder eine Straße einmündet. Mittlerweile muss man feste Absperrungen anbringen, und es muss auch noch ein Streckenposten dort stehen. Das kostet zu viel, bringt zu wenig und frustriert die Ehrenamtlichen.

Wie kann den Veranstaltern geholfen werden?

Auflagen entschlacken, Zusammenarbeit erweitern – das ist so wichtig wie manche finanzielle Unterstützung. Man muss auch über neue Veranstaltungsformate nachdenken. Man kann etwa auf großen Parkplätzen, die am Wochenende leer stehen, durchaus Rennen veranstalten für Kinder oder Jugendliche. Auch auf „toten“ Flächen, manchmal rund um Tennisplätze, könnte man im Bereich BMX oder Pump Track etwas machen. Oder im Wald für Mountainbiker. Bei Aachen hat ein Verein für seine Mountainbiker, speziell für Downhill, ein großes Waldstück gepachtet. Der Andrang ist so groß, dass ein Aufnahmestopp verhängt wurde. Das ist ein Beispiel unter vielen, die sehr hoffnungsvoll sind und spannend. Man muss neue Wege und Ideen entwickeln.

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