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Wir holen den wegen des Bahnstreiks abgesagten Vortrag vom März nach:

Die AfD in Baden-Württemberg: Strukturen – Inhalte – Konflikte

Vortrag und Diskussion mit Lucius Teidelbaum
am Donnerstag, 2. Mai 2024 in 74821 Mosbach
um 19.30 Uhr im ver.di Bildungszentrum Mosbach (Am Wasserturm 1-3)

Baden-Württemberg ist die westdeutsche Wähler-Hochburg der extrem rechten Partei AfD. Im Jahr 2016 eroberte sie bei der Landtagswahl sogar zwei Direktmandate.

Lucius Teidelbaum wird in dem Vortrag rechte Kontinuitäten im Südwesten darstellen sowie die Geschichte des AfD-Landesverbandes und seinen heutigen Charakter kritisch wiedergeben. Er wird Konfliktlinien innerhalb der AfD aufzeigen, die parlamentarische Arbeit der Partei betrachten und auf das Vorfeld eingehen. Im Anschluss wird es Raum für Diskussion und Fragen geben.

Der Referent Lucius Teidelbaum ist freier Journalist, Publizist und Rechercheur zum Thema „Extreme Rechte“ und anliegende Grauzonen. Er schreibt unter anderem für das zweimonatlich erscheinende antifaschistische Printmagazin „der rechte rand“. 2023 erschien im Unrast-Verlag sein Buch „Vom Querdenken zur Querfront? Corona-Proteste von rechts“.

Die Initiative „Mosbach gegen Rechts“ und das ver.di-Bildungszentrum veranstalten diesen Vortrag angesichts der am 9. Juni 2024 bevorstehenden Europawahl sowie der Kommunalwahlen in Baden-Württemberg. „Mosbach gegen Rechts“ engagiert sich „gegen Hetze, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“ sowie „für eine offene und solidarische Gesellschaft“.

Klimazerstörung – Klimarassismus – Klimagerechtigkeit

Vortrag und Diskussion mit Dr. Felix Riedel

Montag, 22. April 2024, 19 Uhr
Mosbach, Restaurant „Lamm“ (Nebenzimmer, Hauptstraße 59)
Veranstalter: „Mosbach gegen Rechts“

Der Referent Dr. Felix Riedel ist Ethnologe, arbeitet zu Gewaltkonflikten und ist freiberuflich in der politischen Bildung tätig.

Die Klimakatastrophe wird mit dem derzeitigen Kurs zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um drei Grad Celsius im Jahr 2100 führen. Ab da wird durch erreichte Kipppunkte mit einem weiteren Anstieg um fünf Grad gerechnet. Die Klimakatastrophe zerstört die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen auf Jahrhunderte hinweg. Bisherige Politik hat kein Abschwellen des CO2-Eintrags in die Atmosphäre bewirkt.

Welche Rolle spielt rassistische Verachtung der Menschen, die in tropischen und subtropischen Regionen leben, für diese Politik?

Dr. Felix Riedel hat sich mit Naturkunde und Ideologien der Gewalt befasst. Er wird den aktuellen Stand der Katastrophe und die Folgen zusammenfassen und erklären, welche Auswege es noch gibt und welche Ideologien verhindern, dass wir sie als Gesellschaft einschlagen.

Gedenktafel für die 1943 aus dem Kreis Mosbach deportierten Sinti

Am späten Samstag Nachmittag wurde in Mosbach ein Denkmal für die aus dem früheren Kreis Mosbach deportierten Sinti eingeweiht. Es waren insgesamt 53 Menschen – Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Alte –, die auf den Tag genau vor 81 Jahren (am 23. März 1943) abtransportiert worden waren. Laut dem im Generallandesarchiv Karlsruhe überlieferten Fahrplan verließ der Zug um 5.06 Uhr Mosbach und traf zwei Tage später um 15.01 Uhr in Auschwitz ein. Begleitet wurde der Transport von fünf Ortspolizisten. Die Deportierten waren laut einem Erlass an einem Stichtag im Oktober 1939 an ihren jeweiligen Wohn- beziehungsweise Aufenthaltsorten festgesetzt worden und hatten zuletzt in den Orten Dallau, Heinsheim, Lohrbach, Mosbach, Muckental, Obrigheim, Rittersbach und Sattelbach gewohnt.

Die meisten von ihnen kamen im sogenannten „Zigeunerlager“ des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ums Leben beziehungsweise wurden ermordet. Hintergrund war ein Deportationsbefehl des Reichsführers-SS Heinrich Himmler vom 16. Dezember 1942. Rund eine halbe Million Sinti und Roma wurden Opfer des Völkermords der Nazis.

Die Gedenkfeier mit Ansprachen von Museumsleiter Stefan Müller, Oberbürgermeister Julian Stipp, Landrat Dr. Achim Brötel und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose fand im voll besetzten unteren Rathaussaal statt, bevor anschließend die Gedenktafel auf der Mauer zwischen Markt- und Kirchplatz enthüllt wurde. Die Bronze-Tafel listet die 53 Namen der Verschleppten auf, die von den Bürgermeistern und Ortsvorstehern der Orte vorgelesen wurden. Der Violinist Sandro Roy ( https://www.sandro-roy.com/ ) umrahmte die ganze Feier ausdrucksstark mit ergreifenden Stücken von Gluck („Melodie“), Faure („Après un rêve“) und Williams („Schindlers List“).

Stefan Müller wies auf die vernichtete Existenz der Menschen hin: Sie durften schließlich nicht einmal einfach nur noch da sein. Zuück blieben nur noch einzelne Erinnerungen, wie zum Beispiel das Gesicht der 10-jährigen Erika aus Dallau auf einem Foto ihrer Schulklasse oder ein Gebetsbuch des aus Lohrbach deportierten und in Auschwitz ermordeten Karl Wagner.

Oberbürgermeister Stipp möchte ein bleibendes Zeichen setzen. Die Erinnerung an die Schicksale soll wieder einen Platz in Mosbach finden. Er dankte Romani Rose dafür, den Anstoß für diese Idee bei der Ratsherrenweckfeier vor einem Jahr gegeben zu haben. Stipp begrüßte auch Schülerinnen und Schüler der Geschichts-AG der Realschule Obrigheim und ihren Lehrer, die eine Ausstellung über Vinzenz Rose (Onkel von Romani Rose und Begründer der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma) erarbeitet hatten und sich dafür engagieren, ihre Realschule nach diesem zu benennen. Auch Romani Rose dankte ihnen für ihre Bereitschaft zur Auseinandersetzung.

Stipp weiter: Das Gedenken sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – in den Orten, Kommunen, in der Stadt Mosbach. Es sei beschämend, dass der Völkermord an den Sinti und Roma erst 1982 durch Bundeskanzler Helmut Schmidt anerkannt wurde. Auch Mosbach schließe nun eine Lücke in seiner Erinnerungskultur, nachdem schon 1986 der Synagogenplatz zur Erinnerung an die jüdischen Opfer eingeweiht wurde. Romani Rose ergänzte, dass er vor vierzig Jahren nicht an das heute Erreichte glauben konnte. 1997 wurden die deutschen Sinti und Roma als eine der vier nationalen Minderheit (neben den Dänen, Friesen und Sorben) anerkannt.

Landrat Dr. Brötel bekannte, dass er sich erstmals anlässlich einer Gedenkveranstaltung im Jahr 2013 im Martin-Luther-Haus mit dem Thema auseinandersetzte, als er eine Ansprache beigetragen hatte. Das Gedenken müsse über die historischen Tatsachen hinausgehen: genauso wichtig sei das daraus hervorgehende Vermächtnis für die Zukunft. Mahnend verwies er auf eine Studie, dass nur noch knapp über die Hälfte der Bürger mit unserer Demokratie zufrieden seien. Auch der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 ging eine gezielte Schwächung der Demokratie voraus. Gesellschaftliche Vielfalt sei nur unter der Bedingung von Freiheit möglich.

Diese Gedenktafel komme sehr spät, aber vielleicht gerade zur richtigen Zeit. Die Demokraten müssten Geschlossenheit zeigen. Er zitierte aus einer Rede des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog: „Totalitarismus und Menschenverachtung bekämpft man nicht, wenn sie schon die Macht ergriffen haben. Man muß sie schon bekämpfen, wenn sie zum ersten Mal – und vielleicht noch ganz zaghaft – das Haupt erheben.“ Brötel erklärte seine Wertschätzung für Romani Rose als „Brückenbauer“.

Dr. Brötel begrüßte den Standort der Tafel als Ort im Herzen der Stadt Mosbach, wo das Leben pulsiert und die Leute sich treffen. Die Tafel sei ein Stolperstein für die Augen und die Seele. Auch die Einweihung des nationalen Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma am 24. Oktober 2012 in Berlin hatte langjähriger Auseinandersetzungen bedurft. Brötel schloss mit den Worten des von Santino Spinelli verfassten Gedichts „Auschwitz“, eingeschrieben am Rand des Brunnens des Denkmals in Berlin: „Eingefallenes Gesicht / erloschene Augen / kalte Lippen / Stille / ein zerrissenes Herz / ohne Atem / ohne Worte / keine Tränen“.

Romani Rose zeigte sich gerührt angesichts dieser Gedenkfeier. „Erinnerung heißt Verantwortung in der Zukunft zu übernehmen.“ Er spannte in wenigen Beispielen einen Bogen von der Geschichte bis heute. Seit 600 Jahren lebten Sinti und Roma als Bürger in Deutschland, wo sie sich in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben intergrierten. Seine Großeltern fühlten sich selbstverständlicherweise als Sinti und Deutsche.

Im Nationalsozialismus wurden die Sinti und Roma durch verschiedene Maßnahmen aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen: die Nürnberger Rassegesetze von 1935 wurden entsprechend eines Kommentars von Reichsinnenminister Frick auf Sinti und Roma in gleicher Weise wie auch auf Juden angewandt. Die dem Reichssicherheitshauptamt beigeordnete Rassenhygienische Forschungsstelle betrieb die totale Erfassung der Sinti und Roma mittels genealogischer und anthropologischer Untersuchungen. 24.000 sogenannte Rassegutachten bildeten die entscheidende Grundlage für die Deportationen in die Vernichtungslager. Im Dezember 1938 kündigte der Reichsführer-SS Himmler den Völkermord mit der „endgültigen Lösung der Zigeunerfrage“ „aus dem Wesen der Rasse heraus“ an.

Auch heute noch sei der tradierte Antiziganismus in unserer Gesellschaft verwurzelt und wirkungsmächtig. Romani Rose sieht deshalb in der Bekämpfung des Antiziganismus eine wichtige Aufgabe in der Politik. Er sagte aber auch: Erinnerung habe nichts mit Schuldübertragung an heutige oder kommende Generationen zu tun. Er rief auf, unsere gemeinsamen Werte zu verteidigen. Es mache Hoffnung, dass Hunderttausende in den letzten Wochen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit demonstrierten, so auch 3.000 Menschen im Januar in Mosbach.

Nähere Informationen zur Deportation der Sinti aus unserer Region sowie zu den Sinti in den KZ Neckarelz und Neckargerach gibt es in der Dokumentation „Verfolgung der Sinti, Roma und Jenischen im ländlichen Raum des Kraichgaus, des Neckartales, des Elztales und des Baulandes“ von Arno Huth (KZ-Gedenkstätte Neckarelz, 2009).

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Der Vortrag musste kurzfristig wegen des Bahnstreiks der GDL abgesagt werden:

Die AfD in Baden-Württemberg: Strukturen – Inhalte – Konflikte

Vortrag und Diskussion mit Lucius Teidelbaum
am Dienstag, 12. März 2024 in 74821 Mosbach
um 19 Uhr im Nebenzimmer des Restaurants „Lamm“ (Hauptstraße 59)

Baden-Württemberg ist die westdeutsche Wähler-Hochburg der extrem rechten Partei AfD. Im Jahr 2016 eroberte sie bei der Landtagswahl sogar zwei Direktmandate.

Lucius Teidelbaum wird in dem Vortrag rechte Kontinuitäten im Südwesten darstellen sowie die Geschichte des AfD-Landesverbandes und seinen heutigen Charakter kritisch wiedergeben. Er wird Konfliktlinien innerhalb der AfD aufzeigen, die parlamentarische Arbeit der Partei betrachten und auf das Vorfeld eingehen. Im Anschluss wird es Raum für Diskussion und Fragen geben.

Der Referent Lucius Teidelbaum ist freier Journalist, Publizist und Rechercheur zum Thema „Extreme Rechte“ und anliegende Grauzonen. Er schreibt unter anderem für das zweimonatlich erscheinende antifaschistische Printmagazin „der rechte rand“. 2023 erschien im Unrast-Verlag sein Buch „Vom Querdenken zur Querfront? Corona-Proteste von rechts“.

Die Initiative „Mosbach gegen Rechts“ veranstaltet diesen Vortrag angesichts der am 9. Juni 2024 bevorstehenden Europawahl sowie der Kommunalwahlen in Baden-Württemberg. „Mosbach gegen Rechts“ engagiert sich „gegen Hetze, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“ sowie „für eine offene und solidarische Gesellschaft“.

Stoppt die zivile und militärische Atomkraftnutzung!

Update vom 24. März 2024: Redebeitrag von Arno Huth auf der Mahnwache zum Fukushima-Jahrestag am 11. März 2024 auf dem Kirchplatz Mosbach. Davor hatte Gertrud Patan sich gegen Forderungen nach einer Renaissance der zivilen Atomkraftnutzung positioniert. Keine 15 Leute nahmen an der Mahnwache teil, und angesichts der bedrohlichen Rauchentwicklung des brennenden Rewe- und Media-Marktes wurde die Mahnwache vorzeitig abgebrochen.

Stoppt die Aufrüstungsspirale!

Am 22. Januar feierte der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) den dritten Jahrestag seines Inkrafttretens im Jahr 2021. Er verbietet die Entwicklung, die Produktion, den Test, den Erwerb, die Lagerung, den Transport, die Stationierung und den Einsatz von Atomwaffen sowie die Drohung damit. Atomwaffen sind verboten! Der AVV geht damit deutlich über den über fünfzig Jahre alten Nichtverbreitungsvertrag (NVV) hinaus. Der AVV ist ein Erfolg der Internationalen Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen ICAN.

Mit Stand vom Oktober 2023 haben 93 der 193 UNO-Staaten den Verbotsvertrag unterzeichnet und 70 Staaten davon ratifiziert. Leider sind die großen Staaten und Mächte nicht mit dabei. Insbesondere Europa und die Europäische Union, die 2012 den Friedensnobelpreis bekommen hatte, fehlen weitgehend. Nur fünf Mini- und Kleinstaaten – der Vatikan, Österreich, San Marino, Irland und Malta – haben ratifiziert, zudem hat noch Liechtenstein unterzeichnet. Deutschland nimmt an dem Prozess zu einer atomwaffenfreien Welt nur als Beobachter teil, da die Luftwaffe der Bundeswehr über bis zu 20 US-amerikanische Atomwaffen in Büchel in der Eifel mitverfügt.

Bei der Vertragsstaatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag Ende November letzten Jahres hielt auch Susanne Riegraf, die Leiterin der deutschen Beobachterdelegation der Bundesregierung, eine deutlich schärfere Rede, wobei sie sich darauf berief, dass Russland mit seinem Krieg gegen die Ukraine und den Atomkriegsdrohungen „das Konzept des Vertrauens und der Vertrauensbildung der vergangenen Jahrzehnte völlig außer Kraft gesetzt“ habe. Unerwähnt ließ Riegraf, dass die USA schon davor Verträge zur Kontrolle von Atomrüstung gekündigt hatten. Deutschland bekenne sich „voll und ganz zur nuklearen Abschreckung der NATO“, „um den Frieden zu wahren und Aggressionen abzuschrecken“. Deutschland werde dem AVV nicht beitreten, da dies im Widerspruch zu unseren nationalen Sicherheitsinteressen und unserer Mitgliedschaft in der NATO, einschließlich der nuklearen Abschreckung, stehen würde. Deutschland sei „als Nichtmitglied des Atomwaffenverbotsvertrags nicht an seine Bestimmungen gebunden“ und akzeptiere auch nicht dessen Anspruch. Russland habe das „Angebot der USA zum Dialog über strategische Stabilität und Rüstungskontrolle“ ausgeschlagen. Ebenso verfolge China eine „anhaltende nukleare Aufrüstung“.

Nicht der Atomwaffenverbotsvertrag (AVV), sondern der Nichtverbreitungsvertrag (NVV) „bleibe der unersetzliche Rahmen für nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung“, so Riegraf. Was sie nicht erwähnte: Auch der NVV verpflichtet die teilnehmenden Nuklearwaffenstaaten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und Vereinigte Staaten zur vollständigen nuklearen Abrüstung, die dieser seit Jahrzehnten jedoch nicht nach kommen.

Trotz des Erfolgs des AVV sieht es also international und für die Menschheit nicht gut aus. Die Weltuntergangsuhr bleibt dieses Jahr weiterhin auf neunzig Sekunden vor Mitternacht stehen – der schlechteste Wert seit Bestehen der Uhr. In etlichen zwischenstaatlichen Konflikten spielen Atomwaffen – auch ohne dass sie direkt zum Einsatz kommen – eine bedrohliche Rolle. Der Chef des Friedensforschungsinstituts Sipri warnte 2022, die Welt drifte „in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte“. Russland führt seinen Krieg gegen die Ukraine unter dem Atomwaffenschirm, um NATO-Staaten von einer massiveren militärischen Unterstützung der Ukraine oder von einem direkten Eingreifen abzuhalten. Auch Politiker anderer Staaten drohen immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen oder wollen sich einen sogenannten „nuklearen Schutzschirm“ anschaffen.

Weltweit wird massiv Geld in die Anschaffung von Atomwaffen investiert. Die neun Atommächte haben im Jahr 2022 rund 83 Milliarden US-Dollar dafür ausgegeben. Die weltweiten Militärausgaben stiegen im Jahr 2023 auf die Rekordsumme von 2,2 Billionen Dollar. Wir haben es mit einer erschreckenden Aufrüstungsspirale zu tun.

Hyperschallwaffen werden auch als Trägersysteme für Atombomben entwickelt, sodass sich die Vorwarnzeiten verkürzen. Demnach muss heute bei einem Alarm in Minutenschnelle entschieden werden, ob ein atomarer oder ein sogenannter „konventioneller“ Angriff vorliegt oder ob es ein Fehlalarm ist und ob ein atomarer Gegenschlag erfolgen soll. Um angesichts der immer kürzeren Vorwarnzeiten menschliche Skrupel, Schwächen und Zaudern zu umgehen, wird erwogen, die Entscheidung über den Zweiteinsatz von Atomwaffen einer sogenannten „Künstlichen Intelligenz“ zu übertragen. Gerade angesichts der äußerst angespannten Weltlage steigt damit die Gefahr eines Atomkriegs „aus Versehen“.

Die für Atomrüstung und das Militär reservierten Gelder werden dringend für andere Menschheitsaufgaben benötigt. Dazu gehören beispielsweise die Klimarettung und Klimagerechtigkeit, die Welternährung, soziale Aufgaben, die Stärkung von Gemeingütern usw.

Stattdessen tobt auch in der deutschen Politik eine erschreckend militaristische Debatte, die im Februar einen neuen Höhepunkt erreichte. Schon im Dezember 2023 hatten der grüne frühere Außenminister Joschka Fischer, der Militärexperte Carlo Masala und der Politologe Herfried Münkler empfohlen: „Die EU braucht eine eigene atomare Abschreckung“. Solche Überlegungen hinsichtlich einer deutschen oder europäischen Atombombe sind nicht neu und kommen alle paar Jahre wiederholt auf den Tisch. Dazu ein kurzer geschichtlicher Abstecher:

Der CSU-Politiker Franz-Josef Strauß, der in rechtspopulistischen Kreisen heute noch gelegentlich als „Vollblutpolitiker“ bewundert wird, hatte 1949 in einer Wahlkampfrede erklärt: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“ Sechs Jahre später im Jahr 1955 wurde er zum Minister für Atomfragen ernannt und legte die politischen Grundlagen für die zivile Atomkraftnutzung. Kurz darauf im Jahr 1956 wechselte Strauß ins Verteidigungsministerium, um den Aufbau der Bundeswehr voranzutreiben und diese mit Atomwaffen auszurüsten. Bundeskanzler Adenauer war mit der nuklearen Abschreckung der USA unzufrieden, da die Sowjetunion einen Vorsprung hatte. Auch hier kam schon die europäische Ebene ins Spiel: Verteidigungsminister Strauß unterzeichnete mit seinen französischen und italienischen Amtskollegen ein Geheimprotokoll zur gemeinsamen Entwicklung und Produktion von atomaren Trägersystemen und Waffen. Da diese Option platzte, richteten die USA die heute noch bestehende „nukleare Teilhabe“ ein. Diese dient auch der amerikanischen Kontrolle der Bestrebungen der europäischen NATO-Partner. So beschloss 1958 der Bundestag die Atombewaffnung der Bundeswehr.

Gleichzeitig formierte sich dagegen die Bewegung „Kampf dem Atomtod“, die über 1,5 Millionen Menschen auf die Straße brachte, und die später in die Ostermarschbewegung mündete. Im Jahr 1962 war es aber auch möglich, dass der Chefredakteur des Spiegels Rudolf Augstein wegen „Landesverrats“ verhaftet wurde, weil dieser über die nuklearen Ambitionen von Strauß und Bundeskanzler Adenauer berichtet hatte. Wegen dieser sogenannten „Spiegel-Affaire“ musste kurz darauf Strauß aber zurücktreten, um vier Jahre später als Finanzminister weiterzumachen. Laut inoffiziellen Berichten hielten zu dieser Zeit auch politische Insider in den USA es für möglich, dass Strauß versuchen könnte, in Deutschland gelagerte amerikanische taktische Atomwaffen sich in einem Handstreich anzueignen. Daher hätten die US-amerikanischen Truppen ihre Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland abrupt verschärft.

Zurück zu den Diskussionen im Februar dieses Jahres: Diese wurden dadurch befeuert, dass Donald Trump bei der nächsten amerikanischen Präsidentenwahl wieder siegen könnte und dann den sogenannten „nuklearen Schutzschirm“ und andere Sicherheitsgarantien für Europa aufkündigen könnte. Politiker, Sicherheitsexperten und viele Medien reagierten auf Trumps Äußerungen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Andere Politiker setzen hingegen auf Eskalation.

So möchte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter Russland und Putin in Schranken weisen und erklärte in einem Interview am 9. Februar: „Der Krieg muss nach Russland getragen werden.“
Kiesewetter legte wenige Tage später nochmals nach und forderte, das sogenannte „Sondervermögen“ – in Wirklichkeit Sonderschulden – von 100 auf 300 Milliarden Euro aufzustocken. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ist da noch bescheiden: er sprach nur von zusätzlichen 100 Milliarden für konventionelle Aufrüstung. Natürlich will auch Außenministerin Annalena Baerbock eine Aufstockung des „Sondervermögens“, während Verteidigungsminister Boris Pistorius gleich den Wehretat dauerhaft erhöhen möchte. Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz schlägt dazu vor, die Ausgaben für Verteidigung und Zivilschutz dauerhaft von der Schuldenbremse im Grundgesetz auszunehmen.

CSU-Chef Markus Söder eröffnete Mitte Februar die Münchner Sicherheitskonferenz mit der Forderung, Deutschland solle seine Ausgaben für die Verteidigung von zwei auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Der jährliche Verteidigungsetat würde dann deutlich über 100 Milliarden Euro betragen. Es gebe „keine Alternative zur Wehrhaftigkeit“, so Söder. Wer fordert noch mehr? Der Organisator der Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen möchte „irgendwie zurückkommen zu Zeiten, die wir bis zur Wiedervereinigung hatten, wo drei bis vier Prozent des Volksvermögens für Verteidigung ausgegeben worden sind.“ Wieviel das konkret sind und in welchem Zeitraum, sagte er nicht: Deutschland hatte 2020 ein Anlagevermögen von 20 Billionen – drei bis vier Prozent davon wären 600 bis 800 Milliarden.

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl Katarina Barley schaffte es groß in die Schlagzeilen mit der Überlegung von eigenen Atomwaffen für die EU. Barley bekam Unterstützung von dem ehemaligen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner sowie von Manfred Weber von der CSU und Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament. Der Politologe Christian Hacke hingegen favorisiert eigene deutsche Atomwaffen, da auch kein Verlass auf Frankreich und Großbritannien sei: „Deutsche Atomwaffen wären friedenswahrend“, sagte Hacke, „ohne nuklearen Schutz“ seien „wir militärisch gefährdet und … politisch erpressbar“. Und Peter Tiede von der Bild-Zeitung erklärte: „Natürlich braucht Deutschland Atomwaffen“.

Allerdings halten sich viele Politiker hier noch zurück, sei es aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen oder aus Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung. Denn auch aktuelle Umfragen ergeben keine oder noch keine Mehrheit für Atomwaffen. Dies musste selbst eine Umfrage der Bild-Zeitung eingestehen. Auch Bundeskanzler Scholz plädiert für herkömmliche Aufrüstung statt für einen europäischen Atomschirm.

In einer ganzseitigen Analyse in der RNZ zur Geschichte der deutschen Sicherheitspolitik spitzt Detlef Junker diese Debatte zu: Deutschland müsse „eine neue Politik der Eindämmung und Abschreckung in einer Größenordnung beginnen, die die Mehrheit der Deutschen nicht einmal zu denken wagt: Mindestens die Verdoppelung des Rüstungshaushalts, den Aufbau einer Rüstungsindustrie, eine allgemeine Wehrpflicht und einen qualitativen Sprung in der atomaren Abschreckung, um Putin daran zu hindern, was er in den russischen Medien immer wieder propagiert: Die Zerstörung Westeuropas.“

Auch wenn die Bevölkerung in Deutschland diese Forderungen glücklicherweise nicht vollständig nachvollzieht, so bewirkt jedoch diese Debatte in Politik und Medien eine Gewöhnung an Militarisierung und Aufrüstung als scheinbar alternativlos. Krieg in Deutschland, sogar ein Atomkrieg, scheint im Bereich des Möglichen zu liegen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer fordert eine verstärkte Militarisierung und einen „Mentalitätswechsel“: Nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Gesellschaft müsse „in fünf Jahren kriegstüchtig sein“. Die Bundeswehr brauche mehr Rekruten, um auf die Sollstärke von über 200.000 zu kommen, bislang sind es gut 180.000. Im Hintergrund läuft dabei eine Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Der Städte- und Gemeindebund und Verteidigungsminister Pistorius sprechen sich dafür aus, stillgelegte Schutzbunker wieder in Betrieb zu nehmen. In Deutschland gebe es „keinen einzigen einsatzfähigen amtlichen Schutzraum“. Der SPD-Politiker Andreas Schwarz fordert: Deutschland müsse dringend in den Zivil- und Katastrophenschutz investieren und brauche viel mehr Cyberabwehr, Bunker, mobile Operationssäle und Lazarettversorgung.

Wir brauchen dringend Stimmen gegen Militarismus und gegen atomare und konventionelle Aufrüstung, für Besonnenheit, für Diplomatie und Verhandlungen, für Konzepte ziviler Konfliktbearbeitung und soziale Verteidigung. Wir brauchen Vorstellungen von einer anderen, einer kooperativen Welt. Und wir brauchen wieder eine breite Friedensbewegung, die zwischen den militärischen Blöcken steht.

Ich möchte abschließend aus der Presseerklärung der Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung eines Atomkriegs IPPNW vor einer Woche zitieren anlässlich der Debatte um Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine: „Statt immer neue Diskussionen über Waffensysteme brauchen wir Debatten über kollektive Sicherheitsstrukturen, Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie die Stärkung der UN. Die militärische Lage in der Ukraine entwickelt sich nicht zu einem stabilen Patt. Vielmehr zeige die ukrainische Niederlage bei Awdijiwka, wie sehr sich das Kräfteverhältnis zu Gunsten Russlands verschoben habe. Ein Zusammenbruch der erschöpften und waffenmäßig unterlegenen ukrainischen Armee erscheine eine reale Möglichkeit. Daher ist eine diplomatische Lösung umso dringlicher.“

Wolfgang Borchert: „Sag nein!“

Udo Lindenberg: „Komm wir ziehn in den Frieden“.

 

Nein zu Atomwaffen und Aufrüstung!

Die Initiative AtomErbe Obrigheim lädt anlässlich des 13. Fukushima-Jahrestags für Montag, 11. März 2024 um 17.30 Uhr zu einer Mahnwache mit Redebeiträgen auf den Kirchplatz Mosbach ein.

Die Initiative AtomErbe Obrigheim wendet sich gegen Überlegungen aus der Union und FDP, den Atomausstieg rückgängig zu machen, und verweist auf explodierende Kosten beim Neubau von Atomkraftwerken in Frankreich und Großbitannien. Die Initiative fordert, die Urananreiherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen zu schließen und damit den deutschen Atomausstieg zu vervollständigen. Sie lehnt die Pläne des Unternehmens Framatome ab, die Anlage in Lingen auszubauen und dabei ausgerechnet auch noch mit dem russischen Atomkonzern Rosatom zu kooperieren. Meldungen über angebliche Erfolge bei der Erforschung der Kernfusion und von Atomreaktoren der vierten Generation (unter anderem SMR) dienen vor allem der Einwerbung weiterer Forschungsgelder aus öffentlichen Haushalten und von privaten Gebern. Diese Gelder sollten jedoch besser in den schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien, Einsparungs- und Speichertechnologien sowie in gesellschaftliche Lösungen investiert werden statt in Risikotechnologien mit ungewissen, fernen Zukunftsperspektiven.

Die Initiative AtomErbe Obrigheim ist entsetzt über die im Februar 2024 in der deutschen Politik und den Medien losgelassene Aufrüstungsdebatte: so fordert der Generalinspekteur der Bundeswehr Breuer, die deutsche Gesellschaft müsse in fünf Jahren kriegstüchtig sein. Die Initiative verurteilt die Rufe nach Aufrüstung, nach weiteren „Sondervermögen“ (Sonderschulden) in Höhe von 200 Milliarden Euro für das Militär und nach der Erhöhung des Zwei-Prozent-Ziels auf drei Prozent (Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandprodukt in den NATO-Staaten). Die atomare Abschreckung wird trotz ihrer Bedrohung für die Menschheit kaum mehr hinterfragt. Die Diskussionen und Forderungen drehen sich vielmehr nur darum, wie der atomare „Schutzschirm“ zukünftig für Deutschland aussehen soll: durch Atomwaffen in französischer, europäischer, amerikanischer oder eigener Verfügungsgewalt.

Die Initiative AtomErbe Obrigheim fordert hingegen den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag und die Aufkündigung der nuklearen Teilhabe:

Stoppt die zivile und militärische Nutzung der Atomenergie! Nein zu Atomwaffen und Aufrüstung!

Udo Lindenberg (2018): „Komm, wir ziehen in den Frieden!“

4. MÄRZ MOSBACH: LIEDER FÜR DEMOKRATIE UND MENSCHENRECHTE

Musikalischer Protest gegen die AfD-Propagandashow

Am Montag, 4. März 2024 findet in der Alten Mälzerei ein „Bürgerdialog“ der AfD statt. Auftreten sollen dort die AfD-Politiker MdL Anton Baron (Fraktionschef, Wahlkreis Hohenlohe, zum Thema Wirtschaft), MdL Dennis Klecker (Wahlkreis Eppingen, ländlicher Raum), MdL Daniel Lindenschmidt (Wahlkreis Backnang, Innere Sicherheit) und MdB Marc Bernhard (AfD Karlsruhe, Wohnungsnot).

Das Bündnis für Demokratie und Menschenrechte Neckar-Odenwald-Kreis will die Besucher dieser AfD-Veranstaltung bei ihrem Gang in die Mälzerei musikalisch „begleiten“. Alle sind eingeladen ihre Stimme zu erheben nach dem Motto: „Hier singt das Volk“. Gesungen werden einstimmig und ohne Probe: Volkslieder, Friedenslieder und Protestlieder – Liedblätter werden vor Ort ausgeteilt. „Die eigentliche Veranstaltung der AfD soll nicht gestört werden, um das Versammlungsrecht nicht zu brechen.“

Auftakt der Gegenaktion ist um 18 Uhr am Wilhelm-Kapferer-Platz (Bahnhofsvorplatz Mosbach/Baden, auf der Stadtseite). Anschließend zieht ein Demonstrationszug zum Parkdeck bei der Villa Hübner, wo der musikalische Abschluss mit dem Singen der Lieder stattfindet.

Als Anlässe für die Aktion führt das Bündnis beispielhaft drei Zitate von AfD-Politikern an:

1) AfD-MdB René Springer: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.

2) AfD-MdB Marc Bernhard fällt mit Falschbehauptungen auf: “Ihr Mogelpaket für die Menschen erhebt Steuern für alles, aber wirklich für alles: fürs Arbeiten, fürs Wohnen, fürs Essen und sogar fürs Atmen, denn fast 10 Prozent des menschengemachten CO2 entsteht nur durch das Atmen.” (Deutscher Bundestag, 122. Sitzung am 25. Oktober 2019)

3) AfD-MdL Dennis Klecker erklärte zu den Randale-Protesten in Biberach, er habe „vollstes Verständnis“, dass „die grünen Politiker den Frust der Bauern hautnah erleben durften“. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz unter anderem wegen schwerem Landfriedensbruch.

Das Bündnis für Demokratie und Menschenrechte, das auch die große Mosbacher Demo am 26. Januar organisiert hatte, ruft auf: „Bitte singen Sie zahlreich mit!“ – „Nie wieder ist jetzt – Wir sind mehr.“

Reichsbürger, Querdenker und Freie Odenwälder

Vortrag und Diskussion mit Andreas Hässler (mobirex)

Angesichts aktueller Aktivitäten auch in der Region (Neckar-Odenwald-Kreis) lädt „Mosbach gegen Rechts“ am Mittwoch, 31. Januar 2024 für 19 Uhr zu einem Vortrag im Nebenzimmer des Restaurant/Hotel Lamm (Hauptstraße 59) in Mosbach ein. Der Eintritt ist frei.

Die Proteste von Pandemieleugner*innen während der Corona-Pandemie haben zu einer Annäherung verschiedener verschwörungsideologischer und rechter Kreise geführt. Die aus der Pandemiezeit hervorgegangene „Mischszene“ aus Verschwörungsgläubigen, rechten Esoteriker*innen und Angehörigen des reichsideologischen Spektrums ist weiterhin aktiv. Sie stellt demokratische Grundwerte und Institutionen in Frage und wähnt sich im „Widerstand gegen das System“.

Das Bündnis „Mosbach gegen Rechts“ lädt ein zu einem Vortrag, der für die Gefahren dieser „Mischszene“ sensibilisiert. In einem ersten Teil gibt Andreas Hässler von der Fachstelle mobirex im Demokratiezentrum Baden-Württemberg einen Überblick über aktuelle Entwicklungen. In einem zweiten Teil thematisiert „Mosbach gegen Rechts“ entsprechende problematische Entwicklungen in der Region, auf die das Bündnis bereits Ende November in einem Beitrag auf ihrer Facebook-Seite hingewiesen hatte. So fanden schon letztes Jahr mindestens drei verschwörungstheoretische und ähnliche Veranstaltungen in Wagenschwend (Gemeine Limbach im Odenwald) statt. Laut Hinweisen sollen nun im Frühjahr im Raum Mosbach/Buchen zwei Reichsbürger-Veranstaltungen stattfinden: Zum einen im März ein Seminar des „Königreich Deutschlands“ und im April ein Vortrag von Matthes Haug. Dieser gehört dem Umfeld der „Patriotischen Union“ von Prinz Reuß an, die im Dezember 2022 bei einer Großrazzia ausgehoben worden war. Haug leugnet die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und behauptet stattdessen die Fortexistenz des Deutschen Kaiserreichs in den Grenzen von 1871.

Mobirex ist eine Fachstelle im Demokratiezentrum Baden-Württemberg und wird finanziert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg aus Landesmitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat, und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.

> Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

Mosbach für Demokratie und Menschenrechte …

… und gegen rechtsextremistische Deportationspläne

Demonstration am Freitag, 26. Januar 2024, Auftakt um 18 Uhr am Bahnhof Mosbach (West)

„Man darf nicht nur dagegen sein, man muss auch etwas tun“ (Sophie Scholl)

 

Ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Initiativen und Verbänden ruft zu einer Demonstration für Demokratie und Menschenrechte in Mosbach auf. „Gemeinsam wollen wir ein Zeichen für Demokratie, Menschenrechte, Toleranz und Weltoffenheit setzen.“

Die Demonstration zieht vom Bahnhof Mosbach (West) zum Marktplatz. Dort findet die Abschlusskundgebung statt. Es werden auch Heißgetränke ausgegeben, um für eine angenehme Atmosphäre zu sorgen. „Zeigen wir gemeinsam, dass wir für Demokratie und Menschenrechte eintreten. Nehmt eure Bekannten und Familien mit und lasst uns ein geschlossenes und klares Zeichen für die Demokratie und gegen den Faschismus setzen!“

Das Bündnis wird unterstützt von: Herz statt Hetze NOK, AK für Toleranz und Vielfalt Osterburken, AWO NOK, Mosbach gegen Rechts, evangelischer Kirchenbezirk Mosbach, Bündnis Klimaschutz NOK, Fridays For Future NOK, Caritas NOK, Verdi NOK, IG Metall Tauberbischofsheim, DGB NOK, BürgerEnergie NOK, KZ-Gedenkstätte Neckarelz, Diakonie NOK, GEW NOK, DEHOGA NOK, SPD NOK, Jusos NOK, FDP NOK, JuLis NOK, Bündnis 90/Die Grünen NOK, Grüne Jugend NOK, CDU NOK, Junge Union NOK, Freie Wähler NOK und vielen mehr.

In der Pressemitteilung der Organisatoren heißt es: „In ganz Deutschland finden derzeit Protestaktionen gegen Rechtsextremismus mit zehntausenden Teilnehmern statt. Auch im Neckar-Odenwald-Kreis bildete sich diese Woche das ‚Aktionsbündnis für Demokratie und Menschenrechte‘, initiiert von den Jugendorganisationen aller demokratischen Parteien, das nun für den Freitag, 26.01.2024 eine Demonstration in Mosbach angemeldet hat und die Bürgerinnen und Bürger des Kreises aufruft gegen Ausgrenzung und Deportationspläne auf die Straße zu gehen. Inzwischen haben die Nachwuchspolitiker*innen umfassende Unterstützung für ihre Initiative gewonnen, nicht nur von Ihren Mutterparteien und dem Kreisverband der Freien Wähler, sondern auch von zahlreichen zivilgesellschaftlichen, kirchlichen und sozialen Organisationen, unter anderem die AWO Neckar-Odenwald, Caritas, Diakonie, Mosbach gegen Rechts, der KZ-Gedenkstätte Neckarelz, Herz statt Hetze, der Alevitischen Gemeinde und des DGB, der GEW und BürgerEnergie eG, der evangelischen Kirche, DEHOGA, Fridays for Future Mosbach und dem Bündnis Klimaschutz Neckar-Odenwald, weitere dürften noch hinzukommen. Das Organisationsteam betrachtet diesen Zuspruch als bedeutendes Signal, dass sich auch die Bevölkerung im Neckar – Odenwald – Kreis und der großen Kreisstadt gegen populistische und menschenverachtende Bewegungen engagiert. ‚Jetzt ist höchste Zeit zu zeigen, dass die große Mehrheit in Deutschland gemeinsam in einer freien Gesellschaft leben möchte!‘ Es sei von entscheidender Bedeutung, die Demokratie zu verteidigen um ein Leben in Freiheit zu gewährleisten. Und um zu verhindern, dass sich die Geschichte wiederhole. Die Demonstration startet am 26. Januar um 18 Uhr am Bahnhof Mosbach-West, von wo aus sich die Teilnehmer*innen zum Marktplatz begeben. Dort findet die Abschlusskundgebung statt, bei der unter anderem OB Julian Stipp, Dorothee Roos – Vorsitzende der KZ-Gedenkstätte – und Dekan Folkhardt Krall das Wort ergreifen werden. ‚Zeigen wir gemeinsam, dass wir für Demokratie und Menschenrechte eintreten!‘ endet der Aufruf.“

Mosbach gegen Rechts erklärt dazu: Kommt alle! Die Bewegungen und Demonstrationen gegen Rechts und gegen die AfD sind unsere Brandmauer von unten. Wir nehmen damit die Parteien und die Politik in die Pflicht, dass ihre Brandmauer ebenfalls standhalten wird! Mosbach gegen Rechts tritt ein gegen Hetze, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit sowie für eine offene und solidarische Gesellschaft.

Und bitte vergesst nicht: Wir werden einen langen Atem brauchen!

Volkstrauertag 2023 in Mosbach: „Sie starben in der Fremde“

Gedenkfeier beim Kriegerdenkmal auf dem Friedhof Mosbach

Die zentrale Gedenkfeier der Stadt zum Volkstrauertag (19. November) fand dieses Jahr beim Kriegerdenkmal auf den Friedhof Mosbach statt. Der Musikverein Mosbach umrahmte die Veranstaltung instrumental mit den Titeln „Eventide Fall (Eintreten der Dämmerung)“ und „Irische Segenswünsche“. Oberbürgermeister Julian Stipp wies in seiner Begrüßungsrede darauf hin, dass die heutigen Generationen an den vergangenen Verbrechen keine Schuld trügen. Es gelte aber Verantwortung zu übernehmen und diese auch in die Gegenwart und Zukunft hineinzutragen. Er betonte die Rolle der regulierenden Funktionen der Europäischen Union für den internationalen Frieden und rief dazu auf, angesichts der Ängste, Spannungen und Kriege an dieser Gemeinschaft festzuhalten. „Wir sind mehr, und wir sind stärker als der Hass“.

Die inhaltliche Gestaltung wurde dieses Jahr von einer kleinen Arbeitsgruppe aus dem Umfeld des Vereins KZ-Gedenkstätte Neckarelz vorgenommen. Corinna Scharrenberg, Maike Popp und Arno Huth hatten sich mit den sogenannten „Ausländergräbern“ aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Friedhof Mosbach befasst, da diese ziemlich überwuchert waren. Inzwischen hatte Stadt Mosbach die Gräber aus eigener Initiative wieder hergerichtet. In ihrem Beitrag gaben sie einen Überblick über diesen Teil der Kriegsgräber und brachten den Besuchern einige wenige Schicksale näher (siehe unten). Sie hatten zudem Irina Drantusova eingeladen, welche die Enkelin des verstorbenen russischen Kriegsgefangenen Jakow Agapow ist. Sie erzählte über das Schicksal ihres Großvaters und wie sie sein Grab auf dem Friedhof Mosbach vor anderthalb Jahren gefunden hatten.

Im Anschluss präsentierten Pfarrer Richard Lallathin und der BBW-Schüler Noel Cuna das Kunstwerk „Hoffnung“. Noel Cuna möchte damit ein Zeichen gegen die anhaltenden Kriege in der Welt setzen. Pfarrer Lallathin appellierte in seinem Gebet zu Gemeinsamkeit und Friedensbereitschaft, „damit unsere Kinder und Kindeskinder mit Stolz den Namen Menschen tragen“ können. Bürgermeister Patrick Rickenbrot erinnerte  bei der Kranzniederlegung an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker (vergleiche auch die Formel des Totengedenkens des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck).

Die sogenannten „Ausländergräber“ auf dem Friedhof Mosbach

Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Stadt Mosbach zur „Bereitstellung von Grabplätzen für Wehrmachtsangehörige“ verpflichtet. Man rechnete unter anderem mit Todesfällen im Reserve-Lazarett Mosbach. Der erste Bestattete war der 26-jährige Fliegerleutnant Fritz Borell, der im November 1939 auf einem sogenannten „Feindflug“ bei Stade abgestürzt war. Weitere Vorschriften zur Kriegsgräberfürsorge betrafen Angehörige von Wehrmacht und SS, Frontarbeiter, zivile Opfer und „Soldaten der verbündeten Mächte und der Feindmächte“. Verschiedene Listen nach dem Krieg nennen etwa 35 deutsche Kriegsgräber von Soldaten und wenigen Zivilisten. Balduin Herter hingegen zählt „im Zweiten Weltkrieg gefallene und vermisste, in Kriegsgefangenschaft und Vertreibung gestorbene Angehörige“, um die „Mosbacher Familien trauern“ und kommt auf 318 Namen (Mosbacher Jahresheft 1995).

Neben dem Grabfeld um das Kriegerdenkmal für die deutschen Kriegsopfer finden sich weitere Kriegsgräberfelder. Auskunft über diese sogenannten „Ausländergräber“ gibt ein Friedhofsplan vom Oktober 1947, den die Stadt Mosbach für den Internationalen Suchdienst anfertigen musste. Verzeichnet sind darauf 167 Gräber: zum einen aus den Kriegsjahren, zum anderen von Displaced Persons, die nach ihrer Befreiung bis Ende des Jahres 1945 verstorben waren. Fast alle Gräber stammen aus den Jahren 1944 und 1945.

Gräber von Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter*innen, Jugendlichen, Kindern und Säuglingen

Die 19 Gräber im unteren Bereich neben dem Eingang an der Bundesstraße sind von sowjetischen Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen aus Polen und der Sowjetunion und einem Jungen. Darunter sind die ersten fünf Beerdigten vom November 1941; es waren sowjetische Kriegsgefangene des Lagers Hasbachtal (zwischen Mosbach und Neckarburken neben dem früheren gleichnamigen Bahnhof gelegen). In einer Auskunft hieß es: „Die Russengräber sind nicht gärtnerisch angelegt.“

Die in diesem Feld bestatteten Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen wurden zwischen 15 und 55 Jahre alt, die meisten jedoch nicht einmal 30 Jahre. Sie hatten in der Landwirtschaft der umliegenden Dörfer arbeiten müssen, als sogenannte „Ostarbeiter“ in der unterirdischen Kugellagerfabrik in Neckarzimmern, bei der Firma Gmeinder und anderswo. Die Hälfte von ihnen war im Krankenhaus in Mosbach gestorben.

Einer von ihnen war der Großvater von Irina Drantusova. Jakow Agapow war am 5. Oktober 1907 im Dorf Blagodatnoje im Oblast Kursk in Russland geboren worden. Er war Zimmermann und Maschinist und verheiratet. Im Oktober 1941 (dreieinhalb Monate nach dem kriegerischen Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion) wurde er gefangen genommen. Er durchlief mehrere Kriegsgefangenenlager und kam schließlich 1944 ins „Ostarbeiterlager“ Haßmersheim, welches von der paramilitärisch organisierten Bau-Organisation Todt (OT) betrieben wurde. Vermutlich arbeitete er am Ausbau des Gipsstollens in Neckarzimmern (Berg-, Bau- und Erdarbeiten) für die unterirdische Verlagerung der Kugellagerfabrik VKF-SKF aus Schweinfurt. Das Barackenlager soll sich in einem sehr primitiven Zustand befunden haben. Im Alter von 37 Jahren starb Jakow Agapow am 8. November 1944 im Bezirkskrankenhaus Mosbach (das Gebäude in der Renzstraße gehört heute zum Landratsamt) an sogenannter „Herzschwäche“ und wurde am 11. November 1944 auf dem Friedhof Mosbach beerdigt (Grab Nr. 1.388). Irina Drantusowa (siehe Foto) und ihre Mutter in Russland haben ihren Großvater und Vater nie zu sehen bekommen.

Die jugendliche Zwangsarbeiterin Helena Petryszyn, geboren am 15. März 1928 in Polen, starb am 4. März 1945 kurz vor ihrem 17. Geburtstag im „Lager Arbeitsgemeinschaft Zuckermühle“ an einer „Herzlähmung“. Ihr Schicksal steht stellvertretend für viele polnische Jugendliche, die verschleppt worden waren und fern der Heimat und in der Fremde hatten Zwangsarbeit leisten müssen.

In dem Bereich nahe des Eingangs von der Bundesstraße befand sich eine weitere Reihe von 25 Kindergräbern – überwiegend von Säuglingen –, die allerdings schon in den 1950er Jahren aufgelöst wurden, weil sie nicht unter das Kriegsgräbergesetz fallen würden. Ein Grab hatte Maria Schopowa gehört, Kind einer Zwangsarbeiterin in Lohrbach, geboren am 31. Mai 1944 in Mosbach und gestorben mit 9 Tagen. In den Akten steht nur nüchtern: „Ertränken des Kindes durch die Mutter“ an der Elz „auf dem Weg nach Lorhbach“. Die Hintergründe des Todes sind nicht bekannt: Hatte die Mutter die Schwangerschaft geheim gehalten? Wusste sie vielleicht nicht, wie sie bei all der Arbeit ihr Kind lieben, versorgen und ernähren sollte? War es überhaupt die Mutter, die das Kind getötet hatte? Warum war für das polnische neugeborene Mädchen in Nazideutschland kein Platz und keine Zeit zum Leben?

Warum das Grab von Kazimierz Kaczmarek, geboren am 1. März 1938 bei Lodz, erhalten blieb, ist nicht bekannt. Seine polnischen Eltern Marie und Stanislaus hatten auf dem Knopfhof arbeiten müssen. Kazimierz Kaczmarek starb am 7. Juni 1944 im Alter von sechs Jahren im Bezirkskrankenhaus in Mosbach verstorben. Wie war seine Kindheit in der Fremde? Konntest er als Kind spielen und lernen? Konnte seine Mutter ihn am Sterbebett begleiten?

Gräber von Displaced Persons (befreite Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge)

Das größere Kriegsgräberfeld unterhalb des deutschen Kriegsgräberfeldes  war ursprünglich in drei Reihen angelegt. Durch Umbettungen der Toten aus westeuropäischen Ländern auf Friedhöfe in ihren Heimatländern oder auf nationale Friedhöfe in Deutschland und wenige interne Verlegungen wurde eine Reihe aufgelöst – und zwar von unten aus gesehen die hinterste Reihe (hinter der Hecke). Die genaue Lage der verbliebenen Toten in den beiden Grabreihen ist heute nicht mehr sicher lokalisierbar. Etliche der Toten konnten namentlich nicht identifiziert werden – von ihnen sind keine Grabsteine vorhanden. Trotzdem wurden die existierenden Grabsteine in regelmäßigen Abständen verteilt.

In der aufgelösten Reihe hatten sich fünf französische Kriegsgefangene befunden, drei britische Besatzungsmitglieder eines im August 1944 zwischen Mosbach und Neckarburken abgestürzten Flugzeugs, drei Arbeiter aus den Niederlanden und Belgien sowie acht französische und italienische Verunglückte eines Bergwerkseinsturzes in der unterirdischen Rüstungsfabrik von Daimler-Benz in Obrigheim im September 1944.

In den beiden noch vorhandenen Reihen waren neben den Gräbern von vier SS-Strafgefangenen und drei Zwangsarbeitern mindestens 75 Gräber von Displaced Persons. Letztere waren ehemalige ausländische Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen, KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und andere Menschen, die in der Region befreit worden oder nach Kriegsende hier hergekommen waren. Sie waren in umfunktionierten Zwangsarbeiterlager untergebracht oder in zu Hospitälern umgewandelten Gasthäusern gepflegt worden.

Unter den Displaced Persons waren mindestens 32 polnische, französische, russische und andere Häftlinge der KZ Neckarelz und Neckargerach. Sie waren vor allem Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung ihrer Heimatländer inhaftiert worden. Die SS hatte Ende März 1945 noch 900 kranke, nicht mehr gehfähige KZ-Häftlinge auf Güterwaggons verladen, um sie gemäß eines Befehl Himmlers „nicht in die Hände des Feindes fallen zu lassen“. Der Zug kam nicht mehr bis zum KZ Dachau durch: Die Häftlinge wurden erst nach ein paar Tagen bei Osterburken befreit. Mindestens hundert von ihnen starben während dieser Ereignisse und in den Monaten nach ihrer Befreiung.

Einer von ihnen war der Sinto Karl Walter-Bernhardt oder Karl Bernhard, geboren am 5. Juni 1923. Er war im Frühjahr 1943 durch die Kripo Karlsbad im „Protektorat“ (heutiges Tschechien) verhaftet und im März ins sogenannte Zigeunerlager im KZ und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt worden. Er wurde zur Nummer Z 3872, die ihm eintätowiert wurde. Er gehörte einem Transport von 90 sogenannten „Zigeunerhäftlingen“ an, die im Dezember 1943 zwecks medizinischer Fleckfieber-Experimente von Auschwitz zum KZ Natzweiler überstellt wurden. Im April 1944 kam er weiter ins KZ Neckarelz, wo die Häftlinge schwere Bau-, Berg und Erdarbeiten verrichten mussten. Anfang April 1945 wurde er zusammen mit mehr als 850 KZ-Häftlingen in Osterburken befreit. Allerdings konnte er diese wiedergewonnene Freiheit nur für wenige Tage erleben. Karl Bernhard starb am 22. April 1945 in Mosbach.

Die polnische Jüdin Ryfka oder Regina Grossmann, geboren am 20. Oktober 1910, hatte angesichts der Nazi-Herrschaft die meisten ihrer jüdischen Familienangehörige, Freunde und Bekannten verloren. Sie wurde im August 1944 vom Ghetto Lodz ins KZ Auschwitz-Birkenau verschleppt. Über Bergen-Belsen kam sie mit insgesamt 200 Frauen im Dezember 1944 ins Natzweiler KZ-Außenlager Geisenheim. Kälte, zugige Baracken, harte Arbeit und wohl viel zu wenig Nahrung bestimmten nun ihr Leben, bis das Lager Mitte März 1945 aufgelöst und die Frauen mit dem Zug und zu Fuß nach Dachau gebracht werden sollten. Sie machten eine Woche Zwischenstopp im KZ Neckargerach. Nach dem Luftangriff auf Neckargerach mit 220 Todesopfern wurden auch Frauen für Aufräumarbeiten herangezogen. Schließlich wurden nahezu alle Häftlingsfrauen weiter Richtung Dachau getrieben. Ryfka Grossmann blieb jedoch als eine von fünf kranken, nicht mehr gehfähigen Frauen zurück. Diese wurden gemeinsam mit hunderten weiteren, stark geschwächten männlichen Häftlingen in Waggons des KZ-Zuges gepfercht und ein paar Tage später bei Osterburken befreit. Frau Grossmann überlebte dieses Martyrium nur kurz und starb eine Woche nach ihrer Befreiung in Mosbach.

Ein einzelnes, nicht mehr lokalisierbares Grab auf dem jüdischen Friedhofsteil gehört Hersz Rosenbaum aus dem polnischen Radom. Er durchlitt das Ghetto und das Jüdische Arbeitslager Radom, wurde in Auschwitz zum Arbeitseinsatz im Reich ausgewählt und zu den KZ Vaihingen an der Enz und Neckargerach überführt. Nach seiner Befreiung bei Osterburken starb der 33-jährige Hersz Rosenbaum im Juni 1945 in einem Displaced Persons Hospital in der Hauptstraße.

Gräber von SS-Strafgefangenen

Auch mindestens 17 SS-Strafgefangene waren auf dem Friedhof Mosbach beerdigt worden. Diese waren Angehörige der SS und Polizei, die von SS-Sondergerichten verurteilt worden waren. Mögliche Haftgründe waren kriminelle Handlungen, Homosexualität, Verstöße gegen Kameradschaft, Gehorsam oder Manneszucht, Rassenschande oder anderes, aber auch Wehrkraftzersetzung. Die SS-Strafgefangenen hatten in der unterirdischen Rüstungsfabrik von Daimler-Benz in Obrigheim arbeiten müssen. Neun SS-Strafgefangene starben im Dezember 1944 bei einem Luftangriff auf das Lager Mosbach am Standort des heutigen Nikolaus-Kistner-Gymnasiums. Sie und drei weitere Strafgefangene waren in einem Grabfeld unweit des Eingangs bei der Gutleutkapelle beerdigt worden.

Sag Nein zum Krieg

Darunter auch der Österreicher Karl Lohnegger, geboren am 23. Mai 1896. Bereits 1930 war er für die nationalsozialistische Bewegung in Österreich engagiert, wurde 1934 wegen NS-Propaganda vom Staatsdienst suspendiert und gehörte seit 1938 der SS an. Erlebnisse im Krieg in den besetzten Ländern führten zu seinem Sinneswandel. Im Juli 1942 äußerte er sich wie folgt: „Wir werden diesen Krieg nie gewinnen!“ – „Ich habe Gelegenheit gehabt, in das KZ-Lager Auschwitz Einsicht zu nehmen … Es werden dort irgendwelche Gase in einen Raum gelassen, in welchem sich Juden befinden, die dadurch den Tod finden. Das kann kein Mensch, auch unsere Regierung nicht verantworten.“ – „Das Verbot an die Polen, sich ihrer Landessprache zu bedienen, ist eine Ungerechtigkeit“. Karl Lohnegger wurde hierfür durch die SS-Sondergerichtsbarkeit zu einer Zuchthausstrafe von sechs Jahren verurteilt. Diese Haft verbüßte er zunächst im SS-Straflager Dachau, bis er im Spätherbst 1944 ins SS-Straflager Mosbach verlegt wurde. Er starb am 8. Dezember 1944 „bei einem feindlichen Luftangriff.“ Todesursache: „totale Verbrennung“. Karl Lohnegger steht exemplarisch für die Menschen, die angesichts von Krieg und den Verbrechen der Nazis gezweifelt und widersprochen haben und an Mitmenschlichkeit festgehalten oder diese wiedergewonnen haben.

Eine Erinnerung verdient auch der Hauptfeldwebel Heinrich Baader. Der 30-jährige hatte kurz vor Kriegsende Nein gesagt, Nein zum weiteren Morden. Er wurde am 27. März 1945 öffentlich am Stadteingang erhängt, nachdem ihn ein Standgericht in Mosbach „wegen Feigheit vor dem Feinde“ zum Tode verurteilt hatte. Erst im Oktober 1947 wurde sein Leichnam in ein Kriegergrab umgebettet und auf Initiative seiner Ehefrau ein halbes Jahr später auf den Friedhof seines Heimatortes Spalt bei Nürnberg überführt.

Zacheusz Pawlak (KZ-Häftling in Majdanek, Wesserling, Neckarelz, Bad Rappenau und Dachau) schließt sein Buch „Ich habe überlebt…“ mit einer enttäuschten Hoffnung, die aber weiter als Auftrag an alle Menschen bleibt: „Die an der Menschheit begangenen Verbrechen werden die Gemüter und Herzen der Welt so stark erschüttern, dass sie nie wieder ein neues Massaker, das den Namen Krieg trägt, zulassen werden! Ja, ich habe fest daran geglaubt…“

Gedenken an die Opfer der NS-Euthanasie

Kein Grab auf dem Mosbacher Friedhof erinnert an die Opfer der NS-Euthanasie. Ausnahme ist nur ein Familiengrab mit der Urne von Robert Brian. Sein Schicksal wird als eines von 29 Lebensgeschichten in dem am Tag darauf in Mosbach vorgestellten Buch „Was man schon längst geahnt und gefühlt hat – Opfer der NS-Euthanasie aus der Stadt Mosbach“ erzählt.